Das Land Grabbing
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Das Land Grabbing
Land Grabbing (engl.) ist ein Begriff für die illegitime Aneignung von Land, oft durch wirtschaftlich oder politisch durchsetzungsstarke Akteure. Land Grabbing kann durch Inländer oder Ausländer, durch Kleinbauern oder Großkonzerne, durch Staatsbedienstete oder Privatpersonen erfolgen.
Als „Land Grabbing“ wurden in den vergangenen Jahren im deutschen Sprachraum geschäftliche Transaktionen kritisiert, bei denen Regierungen oder Unternehmen auf fremden Staatsgebieten – v. a. in Entwicklungs- oder Schwellenländern – große Ländereien erwarben.
Geschichte
Eine der geschichtlich bedeutendsten Aneignungen von Land in der jüngeren Geschichte erfolgte im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf dem Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika. In verschiedenen Phasen erwarben dort bäuerliche Siedler, aber in großem Umfang auch Spekulanten und industrielle Interessenten viele Millionen Hektar Land. Grundlage war u. a. der Homestead Act von 1862. Etwa seit Beginn der 1930er Jahre wird darüber geforscht, inwieweit es sich hier um eine zumindest illegitime Aneignung – eben ein land-grabbing – gehandelt haben könnte.[1][2]
Die illegale Aneignung von Land wurde im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh Anfang der 1980er Jahre als schwerwiegendes Problem erkannt. 1982 wurde der Land Grabbing (Prohibition) Act verabschiedet. Unter Strafe steht die illegale Aneignung von Land egal wo und von wem.[3] Die oft gewaltsame Aneignung von Land ist auch im benachbarten Bangladesch ein verbreitetes Phänomen, das meist von einflussreichen Inländern ausgeht.[4]
In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Landerwerb in Entwicklungsländern in erster Linie durch private Gewinnmotive geprägt. Meist lag der Schwerpunkt auf hochwertigen landwirtschaftlichen Exportprodukten (siehe auch Cash Crops), nicht auf der Erzeugung von Grundnahrungsmitteln. Später begannen Regierungen, Land im Ausland zu erwerben, diesmal mit dem Ziel der Ernährungssicherung der eigenen Bevölkerung, insbesondere seit der Nahrungsmittelpreiskrise 2007–2008, oder um nachwachsende Rohstoffe zur Produktion von Biokraftstoff anzubauen.[5] Vor allem Länder mit knappen Land- und Wasserressourcen und ausreichendem Kapital, wie z. B. die Golfstaaten und (bis zum Umsturz) Libyen, sind heute bedeutende Akteure auf diesem Markt. Hinzu kommen Länder mit großen Bevölkerungen wie China, Südkorea und Indien.[6] Die Investitionen finden meist in Entwicklungsländern mit niedrigen Produktionskosten und weniger knappen Land- und Wasserressourcen statt.
In Ergänzung zur öffentlichen Debatte um den Erwerb großer Ländereien durch Staaten und Großunternehmen in Afrika wird gelegentlich betont, dass auch in Afrika land grabbing nicht ausschließlich von staatlichen Akteuren und ausländischen Investoren betrieben werde, sondern mittlerweile "everybody’s business" geworden sei.[7]
Ausländischer Landerwerb in Entwicklungsländern
Beispiele
Im November 2008 wurde berichtet, dass Libyen 250.000 Hektar in der Ukraine erworben hat. Im Januar 2009 wurde bekannt, dass Katar 40.000 Hektar in Kenia erworben hat.[6] Nach Medienberichten im Januar 2010 soll China in der Demokratischen Republik Kongo 2,8 Millionen Hektar Land erworben haben, um die größte Ölpalmenplantage der Welt aufzubauen, während Äthiopien bis Ende 2009 bereits 600.000 Hektar Land an ausländische Investoren verpachtet hatte.[8] In Madagaskar sollen die Verhandlungen mit der Daewoo Logistics Corporation über den Kauf von 1,3 Millionen Hektar Land für den Anbau von Mais und Ölpalmplantagen bei den politischen Konflikten eine Rolle gespielt haben, die 2009 zum Sturz der Regierung führten.[5] Ein (angefochtenes) Gerichtsurteil erging 2013 in Uganda gegen die Kaffee-Plantage "Kaweri", die im Besitz der Hamburger Neumann Kaffee Gruppe steht. Vom Land der etwa 2.500 ha großen Plantage waren Kleinbauern teilweise gewaltsam und ohne ausreichende Entschädigung vertrieben worden.
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, dass in Entwicklungsländern seit 2001 über 220 Millionen Hektar Land von ausländischen Investoren aufgekauft wurde oder gepachtet wird.[9]
Waldverlust als Konsequenz von Landgrabbing
Waldverlust zählt zu den großen Problemen der Menschheit. Nach Angaben der Food and Agricultural Organization of the United Nations ist dieser unter anderem durch Armut, Landgrabbing und starkes Bevölkerungswachstum in den betroffenen Regionen bedingt.[10]
Beurteilung
Der Agrarökonom Harald von Witzke hält es grundsätzlich für richtig, dass gerade in armen Ländern investiert werde, da die landwirtschaftliche Produktivität dringend steigen müsse und neues Agrarland kaum mehr zu erschließen sei. Das ausländische Kapital ermögliche Technologietransfer und Zugang zu neuen Märkten. Nachteilig für die Investoren sei, dass ihre Verträge aufgrund unsicherer Eigentumsrechte bei einem Machtwechsel an Gültigkeit verlieren könnten.[11] Nach einem Bericht des UNO-Sonderberichterstatters für das Recht auf angemessene Ernährung, Olivier De Schutter, können großflächige Investitionen einen Beitrag zur Realisierung des Rechts auf Nahrung leisten, wenn einige institutionelle Bedingungen erfüllt werden, wie Information, Zustimmung und Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.[12] Auch der Bildungs- und Gesundheitssektor sowie der Arbeitsmarkt kann in den betreffenden Ländern von den Investitionen profitieren.[6] Laut Joachim von Braun (IFPRI) hat der Landerwerb in Entwicklungsländern das Potential, dringend benötigte Investitionen in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu bringen. Auf der anderen Seite gebe es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf Arme, deren Zugang zu Land gefährdet sei.[13]
Hans-Heinrich Bass (Institute for Transport and Development, Bremen) weist darauf hin, dass das von Regierungen verpachtete Land oft kein Niemandsland sei, sondern Teil traditioneller Landnutzungssysteme, für die es selten einklagbare Eigentumsrechte gebe. Oft gebe es keine hinreichenden Entschädigungen und für die Befriedigung des lokalen Bedarfs stehe weniger Fläche zur Verfügung. Auch die Wassernutzung könne zum Problem werden, wenn umliegenden Regionen weniger Wasser erhielten.[14] Gemäß Jacques Diouf, dem Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), stellt sich die Frage, ob solche Entwicklungen nicht zu einer Form von Neokolonialismus führen.[15]
Laut dem GIGA German Institute of Global and Area Studies legen erste Forschungsergebnisse nahe, dass ausländische Großagrarinvestitionen sowohl positive, z. B. wichtige landwirtschaftliche Investitionen, als auch negative Auswirkungen, wie mangelnde Zugriffsrechte auf Land für die betroffene Region und deren Bevölkerung, zur Folge haben können. Daher sei weder eine ausschließlich positive Bewertung noch eine grundsätzliche Ablehnung ausländischer Agrarinvestitionen sinnvoll. Vielmehr seien die Rahmenbedingungen, die der ausländischen Agrarinvestition zu Grunde liegen, wie Transparenz der Vergabepraxis, wichtige Elemente.[16]
Siehe auch
Enclosure Movement
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Als „Land Grabbing“ wurden in den vergangenen Jahren im deutschen Sprachraum geschäftliche Transaktionen kritisiert, bei denen Regierungen oder Unternehmen auf fremden Staatsgebieten – v. a. in Entwicklungs- oder Schwellenländern – große Ländereien erwarben.
Geschichte
Eine der geschichtlich bedeutendsten Aneignungen von Land in der jüngeren Geschichte erfolgte im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf dem Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika. In verschiedenen Phasen erwarben dort bäuerliche Siedler, aber in großem Umfang auch Spekulanten und industrielle Interessenten viele Millionen Hektar Land. Grundlage war u. a. der Homestead Act von 1862. Etwa seit Beginn der 1930er Jahre wird darüber geforscht, inwieweit es sich hier um eine zumindest illegitime Aneignung – eben ein land-grabbing – gehandelt haben könnte.[1][2]
Die illegale Aneignung von Land wurde im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh Anfang der 1980er Jahre als schwerwiegendes Problem erkannt. 1982 wurde der Land Grabbing (Prohibition) Act verabschiedet. Unter Strafe steht die illegale Aneignung von Land egal wo und von wem.[3] Die oft gewaltsame Aneignung von Land ist auch im benachbarten Bangladesch ein verbreitetes Phänomen, das meist von einflussreichen Inländern ausgeht.[4]
In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Landerwerb in Entwicklungsländern in erster Linie durch private Gewinnmotive geprägt. Meist lag der Schwerpunkt auf hochwertigen landwirtschaftlichen Exportprodukten (siehe auch Cash Crops), nicht auf der Erzeugung von Grundnahrungsmitteln. Später begannen Regierungen, Land im Ausland zu erwerben, diesmal mit dem Ziel der Ernährungssicherung der eigenen Bevölkerung, insbesondere seit der Nahrungsmittelpreiskrise 2007–2008, oder um nachwachsende Rohstoffe zur Produktion von Biokraftstoff anzubauen.[5] Vor allem Länder mit knappen Land- und Wasserressourcen und ausreichendem Kapital, wie z. B. die Golfstaaten und (bis zum Umsturz) Libyen, sind heute bedeutende Akteure auf diesem Markt. Hinzu kommen Länder mit großen Bevölkerungen wie China, Südkorea und Indien.[6] Die Investitionen finden meist in Entwicklungsländern mit niedrigen Produktionskosten und weniger knappen Land- und Wasserressourcen statt.
In Ergänzung zur öffentlichen Debatte um den Erwerb großer Ländereien durch Staaten und Großunternehmen in Afrika wird gelegentlich betont, dass auch in Afrika land grabbing nicht ausschließlich von staatlichen Akteuren und ausländischen Investoren betrieben werde, sondern mittlerweile "everybody’s business" geworden sei.[7]
Ausländischer Landerwerb in Entwicklungsländern
Beispiele
Im November 2008 wurde berichtet, dass Libyen 250.000 Hektar in der Ukraine erworben hat. Im Januar 2009 wurde bekannt, dass Katar 40.000 Hektar in Kenia erworben hat.[6] Nach Medienberichten im Januar 2010 soll China in der Demokratischen Republik Kongo 2,8 Millionen Hektar Land erworben haben, um die größte Ölpalmenplantage der Welt aufzubauen, während Äthiopien bis Ende 2009 bereits 600.000 Hektar Land an ausländische Investoren verpachtet hatte.[8] In Madagaskar sollen die Verhandlungen mit der Daewoo Logistics Corporation über den Kauf von 1,3 Millionen Hektar Land für den Anbau von Mais und Ölpalmplantagen bei den politischen Konflikten eine Rolle gespielt haben, die 2009 zum Sturz der Regierung führten.[5] Ein (angefochtenes) Gerichtsurteil erging 2013 in Uganda gegen die Kaffee-Plantage "Kaweri", die im Besitz der Hamburger Neumann Kaffee Gruppe steht. Vom Land der etwa 2.500 ha großen Plantage waren Kleinbauern teilweise gewaltsam und ohne ausreichende Entschädigung vertrieben worden.
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, dass in Entwicklungsländern seit 2001 über 220 Millionen Hektar Land von ausländischen Investoren aufgekauft wurde oder gepachtet wird.[9]
Waldverlust als Konsequenz von Landgrabbing
Waldverlust zählt zu den großen Problemen der Menschheit. Nach Angaben der Food and Agricultural Organization of the United Nations ist dieser unter anderem durch Armut, Landgrabbing und starkes Bevölkerungswachstum in den betroffenen Regionen bedingt.[10]
Beurteilung
Der Agrarökonom Harald von Witzke hält es grundsätzlich für richtig, dass gerade in armen Ländern investiert werde, da die landwirtschaftliche Produktivität dringend steigen müsse und neues Agrarland kaum mehr zu erschließen sei. Das ausländische Kapital ermögliche Technologietransfer und Zugang zu neuen Märkten. Nachteilig für die Investoren sei, dass ihre Verträge aufgrund unsicherer Eigentumsrechte bei einem Machtwechsel an Gültigkeit verlieren könnten.[11] Nach einem Bericht des UNO-Sonderberichterstatters für das Recht auf angemessene Ernährung, Olivier De Schutter, können großflächige Investitionen einen Beitrag zur Realisierung des Rechts auf Nahrung leisten, wenn einige institutionelle Bedingungen erfüllt werden, wie Information, Zustimmung und Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.[12] Auch der Bildungs- und Gesundheitssektor sowie der Arbeitsmarkt kann in den betreffenden Ländern von den Investitionen profitieren.[6] Laut Joachim von Braun (IFPRI) hat der Landerwerb in Entwicklungsländern das Potential, dringend benötigte Investitionen in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu bringen. Auf der anderen Seite gebe es Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf Arme, deren Zugang zu Land gefährdet sei.[13]
Hans-Heinrich Bass (Institute for Transport and Development, Bremen) weist darauf hin, dass das von Regierungen verpachtete Land oft kein Niemandsland sei, sondern Teil traditioneller Landnutzungssysteme, für die es selten einklagbare Eigentumsrechte gebe. Oft gebe es keine hinreichenden Entschädigungen und für die Befriedigung des lokalen Bedarfs stehe weniger Fläche zur Verfügung. Auch die Wassernutzung könne zum Problem werden, wenn umliegenden Regionen weniger Wasser erhielten.[14] Gemäß Jacques Diouf, dem Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), stellt sich die Frage, ob solche Entwicklungen nicht zu einer Form von Neokolonialismus führen.[15]
Laut dem GIGA German Institute of Global and Area Studies legen erste Forschungsergebnisse nahe, dass ausländische Großagrarinvestitionen sowohl positive, z. B. wichtige landwirtschaftliche Investitionen, als auch negative Auswirkungen, wie mangelnde Zugriffsrechte auf Land für die betroffene Region und deren Bevölkerung, zur Folge haben können. Daher sei weder eine ausschließlich positive Bewertung noch eine grundsätzliche Ablehnung ausländischer Agrarinvestitionen sinnvoll. Vielmehr seien die Rahmenbedingungen, die der ausländischen Agrarinvestition zu Grunde liegen, wie Transparenz der Vergabepraxis, wichtige Elemente.[16]
Siehe auch
Enclosure Movement
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