Die Thidrekssaga
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Die Thidrekssaga
Die Thidrekssaga ist eine umfangreiche Sagenkompilation des 13. Jahrhunderts in altnordischer Sprache; neben der älteren norwegischen Fassung (und mit ihr verwandten isländischen Fassungen) existiert auch eine knappere altschwedische aus dem 15. Jahrhundert (Didrikskrønike), von der zumeist angenommen wird, dass es sich um eine verkürzende und Widersprüche ausgleichende Übersetzung der uns erhaltenen norwegischen Handschrift handelt. Die Saga erzählt in Prosa (zu den Werken in Versform siehe Dietrichsepik) das Leben des Helden Þiðrekr af Bern, der im deutschen Sprachraum als Dietrich von Bern bekannt war.
Die Gestalt des Thidrek (Didrik, Dietrich) von Bern ist vermutlich an die Person des historischen Ostgotenkönigs Theoderich angelehnt. Die wesentlichen Veränderungen von der historischen Person zur Sagenfigur waren bereits zur Zeit Karls des Großen erreicht, der eine angebliche Theoderich-Statue aus Ravenna nach Aachen überführen ließ; schon im Hildebrandslied (aufgezeichnet um 830–840; vermutlich älter) musste Dietrich aus Italien zum Hunnenkönig fliehen; allerdings noch vor Odoakar, der tatsächlich sein Zeitgenosse war; nicht, wie in jüngeren Sagenformen, vor Ermanarich, der tatsächlich ca. 150 Jahre vor Theoderich lebte. Um diesen Thidrek gruppiert sich eine größere Zahl ursprünglich vermutlich in andere Kontexte gehörende Heldensagen, wie die von Siegfried, die Nibelungensage, die Sage von Wieland dem Schmied und die Wilzensage, deren Protagonisten mittels Gefolgschaft oder Verwandtschaft mit Thidrek verknüpft werden. Dadurch wird die Thidrekssaga zur frühesten Kompilation deutscher Heldensagen in Prosaform, weshalb sie in der germanistischen Forschung häufig benutzt wird.
Heinz Ritter-Schaumburg, der erstmals die altschwedische Fassung der Thidrekssaga ins Deutsche übersetzt hat, stellte im Gegensatz dazu die sehr umstrittene These auf, dass sich die Thidrekssaga auf historische Ereignisse der Völkerwanderungszeit Niederdeutschlands beziehe und Dietrich von Bern nicht mit dem Ostgotenkönig Theoderich identisch sei. Vielmehr handele es sich bei Dietrich um einen anderweitig nicht überlieferten Kleinkönig von Bonn.[1][2] Die These wird jedoch in der Forschung abgelehnt.
Der Sagaschreiber gibt an, seine Erzählung sei „zusammengestellt nach der Erzählung deutscher Männer, teilweise nach ihren Liedern, womit man große Herren unterhalten soll“. Vorlage der Saga wären demnach Quellen aus dem niederdeutschen Raum (Sachsenland), teils in Prosa, teils in Versen. Am Schluss des Niflungenteiles werden außerdem Gewährsleute aus Bremen, Münster und Soest[3] erwähnt. Seit dem Hochmittelalter, mit dem Eindringen einer niederdeutsch geprägten Adels- und Kaufmannskultur in den Norden (vgl. Hanse), vergrößerte sich das skandinavische Interesse an Dietrich zunächst in Dänemark, Schweden und Norwegen.
Quellenlage
Die Thidrekssaga ist uns in drei Pergament-Handschriften in altwestnordischer (altisländisch-altnorwegisch) Sprache und einer altschwedischen Fassung in zwei sehr ähnlichen Handschriften bekannt. Von zweien der altwestnordischen Pergament-Handschriften liegen heute jedoch nur noch Abschriften vor.
Die altwestnordischen Pergament-Handschriften
Von den drei Pergament-Handschriften gingen zwei verloren. Wahrscheinlich wurden sie bei dem Kopenhagener Stadtbrand im Jahr 1728 vernichtet. Allerdings existieren von beiden verlorenen Handschriften je zwei gute isländische Abschriften auf Papier in der Arnamagnæanischen Sammlung, die als A (AM 178 = Sigle A) mit E sowie B (AM 177=Sigle B) mit D bezeichnet werden.
Die dritte der Pergament-Handschriften ist nun die älteste und wird in der Königlichen Bibliothek in Stockholm aufbewahrt. Sie wird normalerweise „Membrane“ (Mb) genannt und dürfte in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts (am ehesten um 1280) in der norwegischen Hafenstadt Bergen aufgezeichnet worden sein. Diese Version wird bei der Übersetzung ins Deutsche bevorzugt benutzt. Der Text ist allerdings nicht mehr vollständig, vor allem am Anfang und am Schluss gibt es Lücken. Zur Ausfüllung dieser Lücken und zur Anzeige von Varianten werden etwa in der Thidrekssaga-Ausgabe von Bertselsen die arnamagnæanischen isländischen Papierhandschriften A und B benutzt.
Im 1308–1314 verfertigten Handschriftenverzeichnis des Bergener Bischofs Árni Sigurðarson ist eine Handschrift der Thidrekssaga vermerkt. Dahinter wird die heute in Stockholm verwahrte Membran vermutet. Wichtig ist die Lokalisierung einer solch alten Handschrift in der Hanse- und Königsstadt Bergen, da sie Rückschlüsse auf das Entstehungsmilieu der Thidrekssaga zulässt.
Die Stockholmer Membrane lässt die Hand von fünf verschiedenen Schreibern (MB1 bis MB5) erkennen. Die Schreiber MB2 und MB3 waren „Hauptschreiber“ bzw. „Abschriftleiter“. Diese Redaktoren lassen sich daran erkennen, dass sie offenbar verschiedene Vorlagen benutzten. Aber auch ein und derselbe Redaktor bzw. Schreiber benutzte oftmals verschiedene, inhaltlich zueinander widersprüchliche Vorlagen. Dadurch ist die ThS besonders wertvoll für die Sagengeschichte: Wir wissen durch sie, dass es in Deutschland verschiedene Versionen der einzelnen Sagen gab. Die bekanntesten Widersprüche innerhalb der ThS sind der mehrfache Tod des Wilzenkönigs Osantrix und die Herkunft der Niflungen – die letztgenannte vom selben Schreiber, Mb3, zweimal unmittelbar hintereinander mit unterschiedlichen Namen der Akteure. Es handelt sich also nicht um irrtümliche Verdoppelungen, sondern um absichtliche Aufnahme unterschiedlicher Sagenfassungen.
Die Membrane wurde bei Übersetzungen ins Deutsche meist bevorzugt, vor allem weil sie das älteste Textzeugnis der Thidrekssaga darstellt. Dabei enthalten die Abschriften A+E und B+D einige Abweichungen. Besonders die Handschrift A fällt dadurch auf, dass sie mit anderen nordischen Überlieferungen wie der Völsunga-Saga in vielem übereinstimmt. So nennt diese Handschrift Kriemhild unter dem Namen Gudrun, sie bezeichnet Brünhild als Budlis Tochter und erzählt als einzige von deren frühem Tod nach Siegfrieds Tod. Auch kennt sie den Namen von Siegfrieds Schwester Signy.
Die altschwedische Fassung
Neben diesen drei miteinander verwandten Handschriften gibt es noch eine altschwedische Fassung in zwei Handschriften (Sv A und Sv B) aus dem 15. Jahrhundert, die Didriks-Krönikan (Dietrichschronik) oder Sagan om Didrik af Bern genannt wird. Sie berichtet insgesamt sachlicher und kürzer, inhaltlich unterscheidet sie sich vor allem am Ende von den isländischen Überlieferungen (in Mb fehlt der Schluss). Dietrich kämpft am Ende mit Wideke Wielandssohn, der die Attilasöhne und Dietrichs Bruder getötet hatte, besiegt ihn, stirbt aber, nach Versenkung Mimungs in einem See, in Schwaben an seinen Wunden. Der Publizist Heinz Ritter-Schaumburg übersetzte sie erstmals ins Deutsche und belegte sie mit der Bezeichnung „Svava“, wobei es sich um ein Geisterwort handelt. Heinz Ritter hat die gängige Abkürzung für die altschwedische Version der Thidrekssaga (Didrikskrønike aus dem 15. Jahrhundert), nämlich „Sv“, wie sie von Bertelsen in seiner Ausgabe von 1905–11 zusammenfassend für die Skoklosterhandschrift Nr. 115–116, quarto, und die Handschrift K 45 in der Königlichen Bibliothek Stockholm verwendet wurde, offensichtlich missverstanden und willkürlich zu „Svava“ ergänzt. In Wirklichkeit steht „Sv“ für „svensk“ = „schwedisch“.
Dass es sich bei der schwedischen Fassung der Thidrekssaga um eine Übersetzung handelt, gibt sie selbst ganz am Schluss zu verstehen, mit den Worten: „Herrn Didriks Buch hat nun sein Enden, Gott möge seine Gnade senden Dem, der es tat auf Schwedisch wenden“. Vor allem deshalb wird die altschwedische Fassung im Allgemeinen für eine verkürzte Übersetzung der altwestnordischen Membrane betrachtet. Dass die schwedische Fassung keine eklatanten Widersprüche oder Doppelungen enthält, wie Mb, führt man darauf zurück, dass der Übersetzer bewusst versuchte, ein einheitliches und nicht in sich widersprüchliches Werk herzustellen.
Heinz Ritter bestreitet diese Abhängigkeit und hält die schwedische Fassung für die Übersetzung eines nicht mehr existierenden dänischen oder niederdeutschen Textes, wofür auch die verwendeten niederdeutschen Namen der Helden und zahlreiche Danismen sprächen. Er verweist auch auf das Verhältnis der beiden Handschriften (Sv A und Sv B) der schwedischen Fassung, die ihm zufolge eigenständige Übersetzungen ein und desselben Textes sein müssen. Dies wäre an den vielfach verwendeten gleichbedeutenden aber anders lautenden Worten erkennbar. Die ausländische Quelle müsse aber aufgrund der starken Verwandtschaft beider Handschriften dieselbe gewesen sein und könne somit nicht die Membrane sein. Die Handschrift Sv B enthält allerdings nur den ersten Teil der Thidrekssaga bis etwa zu Sevekins Rache, weshalb sich dies nicht auf den ganzen Text bezieht.
Die Abweichungen zwischen SvA und SvB halten sich jedoch im Rahmen dessen, was spätmittelalterlichen Schreibern zuzutrauen ist. Die Annahme einer zweimaligen Übersetzung ist daher unnötig. Wo die schwedische Fassung Namen verwendet, die deutschen Sagenfassungen ähnlicher sehen als die entsprechenden Namen in Mb, handelt es sich um im Spätmittelalter sehr populäre deutsche Sagen; der Übersetzer kannte offensichtlich außer seiner Vorlage, Mb, noch verschiedene Sagen in der damals in Deutschland aktuellen Form.
Inhalt
Überblick über den Inhalt der Kapitel
Im Folgenden die Inhaltsangabe der Membrane-Überlieferung (s.u.) nach Hanswilhelm Haefs (2004, S. 76–94), nach der Inhaltsangabe in Klammern die Anzahl der Unterkapitel. Die Unterteilung in die Erzählsequenzen stammt von Kramarz-Bein (2002).
I. Erzählsequenz: Jugend und Erprobung
Hier sind nur die isländischen Hss. A und B sowie die altschwedische Fassung Textzeugen. Der Anfang von Mb ist verloren.
Prolog. Enthält sagengeschichtlich wichtige Informationen über das Verständnis der Sagen und Angaben zu den Quellen der Saga.
Kap. 1 „Ritter Samson und seine Söhne“ (14): Ritter Samson, ein beinahe riesengroßer, schwarzhaariger Krieger, verliebt sich in Hildisvid, die Tochter des Jarl Rodgeir von Salerni (meist mit Salerno gleichgesetzt), und entführt sie mit ihrer Zustimmung. Zunächst lebt er mit ihr als Räuber in einem Wald; dort erschlägt er den Jarl sowie König Brunstein, die Hildisvid zurückholen wollen. Schließlich wird er von den Bürgern Salernis auf einem Thing zum Herzog gewählt und dann sogar zum König erhoben. Mit Hildisvid hat er zwei Söhne, Erminrik und Thetmar. Im Alter beginnt er noch einen Krieg gegen Jarl Elsung von Bern (meist mit Verona in Oberitalien gleichgesetzt). Er erschlägt Elsung eigenhändig und verheiratet dessen Tochter Odilia mit seinem jüngeren Sohn Thetmar, den er zum König von Bern macht. Mit seinem älteren Sohn, Erminrik, zieht er weiter nach Süden gegen Rom, stirbt aber auf dem Weg dorthin. Erminrik erobert den Großteil des Römergebietes "samt vielen Inseln des griechischen Meeres" (Die nüchterne altschwedische Fassung nennt hier nur Grekin). Seinen dritten Sohn, Aki, den er mit einer Nebenfrau hatte, machte Samson zum Herzog von Fritila.
Kap. 2 „Jung Thidrek“ (: Erzählt von König Thetmar und seinem Sohn Thidrek. Thidrek wächst zu einem Mann von gewaltiger Kraft und mit vielen guten Eigenschaften seines Großvaters Samson heran. Hildibrand (entspricht dem deutschen ‚Hildebrand’), Sohn des Herzogs von Venedi (oft mit Venedig gleichgesetzt), kommt nach Bern und wird von Thetmar zum Erzieher des jungen Thidrek bestellt. Thidrek fängt auf der Jagd den Zwerg Alfrik (die nordisierte Form des deutschen Namens ‚Alberich’), der ihm, um freigelassen zu werden, das von ihm selbst geschmiedete Schwert Nagelring ausliefert. Mit diesem großartigen Schwert kämpft Thidrek mit Hildebrands Hilfe gegen die zauberkundige Riesin Hild und ihren Mann Grim. Obwohl sich die Körperhälften der erschlagenen Hild durch Zauber wieder zusammenfügen können, gelingt es ihm, sie endgültig zu töten. Thidreks wertvollstes Beutestück ist der Hildigrim genannte Helm der beiden Ungeheuer. Durch diese und andere Großtaten wird Thidrek berühmt.
Heimir ist der Sohn des Studas, des Verwalters von Brynhilds Gestüt auf Burg Seegard in Schwaben. Vom Gestüt der Brynhild kommen die besten aller Heldenrosse. Heimir hieß ursprünglich nach seinem Vater ‚Studas’; da er jedoch so grimmig ist wie der Drache Heimir, der bösartigste aller Drachen, wird er später nach diesem benannt. Von seinem Vater Studas bekommt Heimir den Hengst Rispe. Heimir zieht zu Thidrek und fordert ihn zum Zweikampf auf; dem Sieger sollen die Waffen des Unterlegenen gehören. Thidrek siegt; Heimir lässt sich von ihm als Gefährten aufnehmen.
(Hier beginnt der erhaltene Teil von Mb)
Kap. 3 „Erste Redaktion der Wilzensaga“ (19): Die Wilzen sind ein Volk, das von der ThS widersprüchlich lokalisiert wird: meist südlich der Ostsee, manchmal näher an Russland, manchmal westlicher; manchmal aber auch als ‚Groß-Schweden’ mit Teilen nördlich und südlich der Ostsee. Diese Saga ist in Mb in zwei Fassungen ("Redaktionen") aufgenommen, die inhaltlich keine großen Unterschiede aufweisen, sich aber stilistisch unterscheiden. Es sieht so aus, als hätten zwei Übersetzer denselben deutschen Text übersetzt, oder, wahrscheinlicher, eine ursprüngliche Übersetzung wäre sehr frei bearbeitet worden, und der Redaktor Mb3 hätte sich entschlossen, auch die zweite Version aufzunehmen; diese folgt in Mb erst viel später: zwischen den Geschichten von ‚Herburt und Hilde’ und ‚Walther und Hildegund’. Die isländischen Handschriften bieten nur die „Zweite Redaktion“ der Wilzensaga, und zwar weder dort, wo Mb die "Erste Redaktion" noch dort, wo Mb die „Zweite Redaktion“ hat, sondern nach den Sagen von Velent, Vidga, Ecke und Fasold.
Der Inhalt der „Ersten Redaktion der Wilzensaga“: Erster Bericht über die Kämpfe zwischen Wilzen und Russen. Der Wilzenkönig Vilcinus besiegt den Russenkönig Hertnit, zieht in dessen Hauptstadt Holmgard (Nowgorod) ein und macht Russland tributpflichtig. Auf der Rückfahrt über die Ostsee nach dem Russenkrieg wird sein Schiff von einer Meerfrau angehalten; er geht an Land, wo sie ihm als Frau begegnet und ein Kind empfängt. Die Meerfrau überbringt das Neugeborene in das Reich des Vilcinus, wo es unter dem Namen Vadi zu einem Riesen heranwächst. Vilcinus übergibt Vadi 12 Höfe in Schweden. Vilcinus hat auch einen menschlichen, aber grimmigen und habgierigen Sohn Nordian. Nach dem Tode des Wilzinus gelingt es Hertnit, Nordian zu unterwerfen; dieser, und später Nordians riesenhafte Söhne Aventrod, Etgeir, Aspilian und Viðolfr werden Hertnit zinspflichtig. König von Wilzenland wird einer der Söhne Hertnits, Osantrix, während Russland und Polen ein anderer Sohn Hertnits, Waldimar, erbt. Hertnit überlässt Nordian nur Seeland.
Osantrix schickt zwei seiner Neffen auf Werbungsfahrt zu König Melias von Hunaland (das heutige Westfalen) um die Hand von dessen Tochter Oda. Der hochmütige Melias lässt jedoch die Werber ins Gefängnis werfen. Osantrix bedient sich auf dem Rachefeldzug einer List (er zieht inkognito an den Hof des Melias und gibt sich dort als Friedrich, König von Spanien, aus) und der Kraft der riesigen Söhne Nordians. Insbesondere Viðolfr Mittumstangi. (im König Rother, der das Vorbild für die Brautwerbung des Osantrix darstellt, heißt er Widolt mit der stangen) verbreitet solchen Schrecken, dass die anderen Riesen ihn an Eisenketten halten müssen, und er nur im ärgsten Kampfgetümmel losgelassen wird. Die Gefangenen werden befreit, die Königstochter wird entführt. Osantrix probiert ihr inkognito einen silbernen und dann einen goldenen Schuh an; die Schuhe passen. Dann gibt er sich zu erkennen. Die Schuhprobe ist hier unmotiviert; im König Rother hat sie Sinn. Osantrix heiratet Oda und zeugt mit ihr eine Tochter, Erka (diese wird später die Frau Attilas).
Kap. 4 „Attilas Brautwerbung“ (22): Der Friesenprinz Attila wird König von Hunaland, des Reiches der Hunir oder Hynir (nicht: Hunnen; die Schreibung von Doppelbuchstaben wurde im Mittelalter allerdings sehr unregelmäßig gehandhabt), indem er sich durch List in den Besitz der Wilzenprinzessin Erka (der Tochter des Osantrix) bringt. Die Werbung Attilas um Erka ist der Werbung des Osantrix um Oda strukturell ähnlich; insbesondere können beide Bräute nur durch Listen erworben werden. Während Osantrix bei seiner Werbung um Oda selbst die entscheindende Rolle spielt, verdankt Attila das Gelingen der Werbung weitgehend dem zweiten von ihm ausgesandten Werber, Markgraf Roðolfr von Bakalar; dieser entspricht dem mittelhochdeutschen Rüedeger von Bechelaren. (Pöchlarn in Niederösterreich).
Kap. 5 „Die Geschichte von Velent dem Schmied“ (29): Vadi, der riesische Sohn des König Vilcinus aus Kapitel 3 / Unterkapitel 3 mit einer Meerfrau vom Walde, hat einen Sohn namens Velent, der bei Zwergen in der Balver Höhle in die Schmiedelehre geht. Nach Vadis Tod erschlägt er die Zwerge, kommt nach Jütland zu König Nidung als Hofschmied, schmiedet sein berühmtes Schwert Mimung. Nidung lässt ihm die Fußsehnen durchschneiden, damit er nicht fliehen kann. Velent rächt sich dafür, indem er die Königssöhne erschlägt und ihre Schädel zu Schädelbechern verarbeitet, aus denen Nidung trinkt ohne es zu wissen, und indem er die Königstochter vergewaltigt. Velent flieht mit Hilfe eines aus Vogelflügeln konstruierten Flugapparates (wie der Daidalos der griechischen Sage). Auf Befehl Nidungs muss Velents Bruder Egil, der Meisterschütze, auf den Davonfliegenden schießen; es kommt zu Egils Meisterschuss. Egil hatte einst, um von Nidung aufgenommen zu werden, als Probe einen Apfel vom Haupt seines Sohnes schießen müssen, und dazu drei Pfeile zu sich gesteckt, obwohl ihm Nidung nur einen Schuss erlaubt hatte. Als Nidung nach dem Schuss fragte, weshalb, antwortete Egil freimütig, die beiden anderen Pfeile hätte er auf den König abgeschossen, falls er sein Kind getroffen hätte. Nun, bei der Flucht Velents, hat Egil die Gelegenheit, sich an Nidung zu rächen: Velent hatte mit Egil ausgemacht, er solle, im Falle Nidung ihm auf Velent zu schießen befehle, auf eine mit Blut gefüllte Blase, die Velent unter seiner Achsel befestigte, schießen, damit es so aussähe, als habe Egil seinen Auftrag erledigt. Egil trifft tatsächlich die Blase genau. Nidung glaubt, das Blut sei Velents, und erkennt daher nicht, dass Egil ihn betrog. Velent fliegt davon. Im Wegfliegen enthüllt Velent Nidung seine Rachetaten. Aus der Verbindung mit der Königstochter entspringt der Sohn Vidga, es kommt nach Nidungs Tod zur Versöhnung mit Nidungs Sohn.
‚Egils Meisterschuss’ ist direkt verwandt mit der Sage von Wilhelm Tell, die ihre Quelle in den ‚Gesta Danorum’ des Saxo Grammaticus in der Erzählung vom Meisterschützen Toko hat: Toko wurde vom dänischen König Harald gezwungen, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen; die Erzählung Saxos von Toko spielt im 10. Jahrhundert und entstand vor 1216; die Erzählung der ThS um 1250; die Schlacht von Sempach, in der Wilhelm Tell mitgekämpft haben soll, war erst 1307. Der Schweizer Chronist Ägidius Tschudi, den Schiller als Quelle für seinen ‚Wilhelm Tell’ benutzte, kannte die Fassung des Saxo Grammaticus und übertrug sie auf den erfundenen Schweizer Nationalhelden.
Durch die Figuren von Vidga (entspricht dem Witege oder Wittich genannten Helden der deutschen Sagen), Velent (Wieland der Schmied) und Attila ist die Wilzensaga mit Thidrek verknüpft.
Kap. 6 „Vidgas erste Ausfahrt“ (22): Vidga zieht nach Bern, um sich in einem Zweikampf gegen Thidrek zu erproben, und begegnet unterwegs Gefährten Thidreks, darunter Hildibrand. Dieser vertauscht das wunderbare Schwert Mimung im Zweikampf Vidgas gegen Thidrek, um Thidreks Leben zu schonen. Nur dadurch kann Thidrek siegen. Hildibrand gibt aber Vidga Mimung zurück, als Thidrek ihn erschlagen will. König Thetmar trennt Vidga und Thidrek; Vidga wird Gefährte Thidreks.
Kap. 7 „Thidreks Kämpfe mit Ecke und Fasold“ (13): Thidrek zieht aus, um Ruhm zu erwerben, erschlägt Ecke und gewinnt dessen Bruder Fasold als Gefährten.
Kap. 8 „Von Thetleif dem Dänen“ (-): Heimir wird verbannt und schließt sich einer Räuberbande an. Thetleif Aschenpuster wird vorgestellt, dieser kämpft auf seinem Weg zu Thidrek gegen Ingram und Heimir, Heimir kehrt nach Bern zurück, Thetleif wird Thidreks Mann. Es kommt zum Kampf zwischen Waltari von Wasgenstein und Thetleif. Amlung wird Kämpe Thidreks. König Thetmar stirbt.
Kap. 9 „Der Wilzensaga zweiter Teil“ (19): Vildiver kommt zu Thidrek, Herbrand wird Thidreks Bannerträger, Attila bittet Thidrek um Hilfe gegen Osantrix von Wilzenland, Vidga wird von den Wilzen gefangen genommen, Vildiver befreit Isung, Heimir entwendet dem ohnmächtigen Vidga Mimung, Attila lobt Thidreks Gefährten.
Kap. 10 „Der Zug gegen Jarl Rimstein“ (5): Auf Bitte seines Onkels Ermanrik, der als Kaiser in Rom herrscht, zieht Thidrek gegen Jarl Rimstein und besiegt ihn; Heimir und Vidga streiten, die Stadt Gerimsheim (Germersheim) wird erobert.
Kap. 11 „Jung-Sigurd“ (18): Sigmund, König von Tarlungaland, wirbt um Sisibe von Hispania. Sie wird verleumdet, ihn betrogen zu haben, und soll dafür im Wald ermordet werden. Die beiden gedungenen Mörder sind sich jedoch uneins; Sisibe entbindet im Wald und legt das Kind in ein gläsernes Metgefäß; die beiden Männer geraten in Kampf und stoßen dabei an das Gefäß, das in den Fluss rollt und meerwärts treibt. Sisibe stirbt vor Schmerz darüber. Das Glasgefäß zerschellt an einem Ufer; eine Hirschkuh säugt das Kind. Ein Schmied, Mimir, der im Wald Kohlen brennt, findet das Kind und zieht es auf. Er gibt ihm den Namen Siegfried (erst später erkennen die Schreiber, dass es sich beim ‚Siegfried’ ihrer deutschen Quellen um dieselbe Sagenfigur handelt, die in Skandinavien Sigurd genannt wird, und gehen zur nordischen Form ‚Sigurd’ über). Da dieser bald so stark wird, dass er die Schmiedeknechte verprügelt und den Amboss in den Boden schlägt, will Mimir ihn von seinem Bruder Regin, der als Drache im Wald lebt, umbringen lassen. Siegfried erschlägt den Drachen mit der Holzaxt und einem Baumstamm und kocht sich das Drachenfleisch. Mimir, voll Angst, schenkt ihm, um ihn gut zu stimmen, eine Rüstung und das Schwert Gram und verspricht ihm ein Ross von Brynhilds Gestüt; trotzdem erschlägt Siegfried/Sigurd Mimir. Sigurd kommt zu Brynhild, diese nennt ihm seine Herkunft, schenkt ihm ein Ross.
Kap. 12 „Die Heldenschau“ (21): Oda, die Frau des Königs Aldrian, schläft im Garten ein, ein Albe wohnt ihr bei, so wird der Sohn Hogni/Hagen gezeugt. Anschließend schreibt derselbe Schreiber dieselbe Erzählung nochmals, aber der Gatte Odas heißt jetzt Irung; auch die Zahl der Geschwister ist unterschiedlich. Die Helden an Thidreks Hof (Hildibrand, Heimir, Vidga, Jarl Hornbogi, Aumlung, Sintram, Fasold, Vildiver und Herbrand) werden vorgestellt.
Kap. 13 „Thidreks Zug ins Bertangenland“ (38): Thidrek zieht gegen König Isung im Bertrangenland. Dort kämpft Sigurd für Isung gegen Thidrek, mittels eines trügerischen Eides kann Thidrek in höchster Not Mimung einsetzen und gewinnt. Sigurd erkennt zwar den Betrug, wird aber trotzdem freiwillig Thidreks Mann.
II. Erzählsequenz: Heiraten
Kap. 14 „Sigurds und Gunnars Hochzeit“ (14): erzählt, wie Sigurd Gunnars Schwester Grimhild zur Frau bekommt und auf seiner Hochzeit Gunnar überredet, um die schönste Frau der Welt, Brynhild, zu werben. Zu viert brechen Gunnar, Thidrek, Sigurd und Hogni zu Brynhild auf. Diese ist nun auf Sigurd böse, weil er ihre Verlobung brach (im Bericht der ThS über die erste Begegnung Sigurds mit Brynhild ist allerdings keine Verlobung erwähnt). Da Sigurd nun verheiratet ist, stimmt sie der Heirat mit Gunnar zu. Brynhild wird also bei der Werbung nicht belogen. Trotzdem ist sie nicht glücklich darüber, dass Gunnar ihr Gatte werden soll, und verweigert sich ihm in der Hochzeitsnacht. Als er sich ihr trotzdem nähert, bindet sie ihn und hängt ihn an einen Nagel an der Wand. So geht es in drei aufeinander folgenden Nächten. Da bittet Gunnar Sigurd, Brynhild das Magdtum zu nehmen. Sigurd gelobt Stillschweigen. Sigurd schleicht sich in der Finsternis in Gunnars Schlafzimmer tauscht mit ihm die Kleider, überwältigt und vergewaltigt Brynhild. Dann zieht er ihr jedoch einen Ring vom Finger, ohne dass sie es merkt. Da ihre übernatürlichen Kräfte an die Jungfräulichkeit gebunden waren, ist sie nun so schwach wie jede andere Frau und ist in Hinkunft Gunnar zu Willen. Sigurd verschwindet wieder im Schutz der Finsternis. Die beiden tauschen die Kleider zurück. Niemand merkt etwas. Man reist an Gunnars Hof zurück; Gunnar regiert nun das Niflungenland zusammen mit seinen Brüdern Gernoz und Hogni, sowie mit Sigurd. Thidrek reist heim nach Bern.
Kap. 15 „Herbort und Hilde“ (11): Herbort zieht als Brautwerber für Thidrek zu König Artus von Britannien um dessen Tochter Hild, entflieht aber mit der Prinzessin, wohnt ihr bei, erschlägt seine Verfolger, wird Herzog bei einem fremden König und erwirbt sich bei diesem großen Ruhm. Thidrek gewinnt Gudilinda, die Tochter des Königs Drusian, zur Frau. Seine Gefährten Fasold und Thetleif der Däne heiraten Schwestern Gudilindas.
Kap. 16 „Valtari und Hildigund“ (4): Valtari (Walther) von Vaskastein (Wasgenstein), Neffe König Ermanriks, und Hildigund, Tochter des Herzogs Ilias von Griechenland, kommen zu König Attila von Susat als Geiseln. Sie fliehen gemeinsam, Valtari wird aller Verfolger Herr, auch Hognis, der ihn von hinten feig erschlagen will: Hildigund bemerkt ihn, warnt Valtari, der mit einem Wildschweinknochen, den er gerade abgenagt hat, Hogni ein Auge ausschlägt. Sie kommen zu König Ermanrik, der Attila durch große Geschenke freundlich stimmt.
Kap. 17 „Jarl Iron“ (34): Jarl Iron ist Sohn von König Artus von Britannien. Irons Frau heißt Isolde (diese Isolde hat nichts mit den Isolden der Tristan-Sage zu tun). Irons Bruder ist Apollonius von Tyra. Iron ist jagdsüchtig, bei einer der Jagden wird er Gefangener des Königs Salomon von Frankreich. Isolde erreicht seine Freilassung, stirbt aber bald darauf. Iron zieht als Witwer und Gefolgsmann Attilas zu einem Fest Ermanriks nach Rom. Er kehrt auf dem Weg dorthin bei Herzog Aki Örlungenschutz ein. Akis Frau Bolfriana und Iron verlieben sich ineinander. Der Jarl steckt Bolfriana einen Zauberring an. Herzog Aki erschlägt Iron, stirbt aber wenig später. Die verwitwete Bolfriana heiratet Vidga Velentssohn. Sie wird Mutter der Aumlungen (in der deutschen Sage: Harlungen; historisch: die Amelungen sind die Vorfahren Theoderichs), die später Opfer des Ermanrik werden.
Weiter geht es in Teil 2
Die Gestalt des Thidrek (Didrik, Dietrich) von Bern ist vermutlich an die Person des historischen Ostgotenkönigs Theoderich angelehnt. Die wesentlichen Veränderungen von der historischen Person zur Sagenfigur waren bereits zur Zeit Karls des Großen erreicht, der eine angebliche Theoderich-Statue aus Ravenna nach Aachen überführen ließ; schon im Hildebrandslied (aufgezeichnet um 830–840; vermutlich älter) musste Dietrich aus Italien zum Hunnenkönig fliehen; allerdings noch vor Odoakar, der tatsächlich sein Zeitgenosse war; nicht, wie in jüngeren Sagenformen, vor Ermanarich, der tatsächlich ca. 150 Jahre vor Theoderich lebte. Um diesen Thidrek gruppiert sich eine größere Zahl ursprünglich vermutlich in andere Kontexte gehörende Heldensagen, wie die von Siegfried, die Nibelungensage, die Sage von Wieland dem Schmied und die Wilzensage, deren Protagonisten mittels Gefolgschaft oder Verwandtschaft mit Thidrek verknüpft werden. Dadurch wird die Thidrekssaga zur frühesten Kompilation deutscher Heldensagen in Prosaform, weshalb sie in der germanistischen Forschung häufig benutzt wird.
Heinz Ritter-Schaumburg, der erstmals die altschwedische Fassung der Thidrekssaga ins Deutsche übersetzt hat, stellte im Gegensatz dazu die sehr umstrittene These auf, dass sich die Thidrekssaga auf historische Ereignisse der Völkerwanderungszeit Niederdeutschlands beziehe und Dietrich von Bern nicht mit dem Ostgotenkönig Theoderich identisch sei. Vielmehr handele es sich bei Dietrich um einen anderweitig nicht überlieferten Kleinkönig von Bonn.[1][2] Die These wird jedoch in der Forschung abgelehnt.
Der Sagaschreiber gibt an, seine Erzählung sei „zusammengestellt nach der Erzählung deutscher Männer, teilweise nach ihren Liedern, womit man große Herren unterhalten soll“. Vorlage der Saga wären demnach Quellen aus dem niederdeutschen Raum (Sachsenland), teils in Prosa, teils in Versen. Am Schluss des Niflungenteiles werden außerdem Gewährsleute aus Bremen, Münster und Soest[3] erwähnt. Seit dem Hochmittelalter, mit dem Eindringen einer niederdeutsch geprägten Adels- und Kaufmannskultur in den Norden (vgl. Hanse), vergrößerte sich das skandinavische Interesse an Dietrich zunächst in Dänemark, Schweden und Norwegen.
Quellenlage
Die Thidrekssaga ist uns in drei Pergament-Handschriften in altwestnordischer (altisländisch-altnorwegisch) Sprache und einer altschwedischen Fassung in zwei sehr ähnlichen Handschriften bekannt. Von zweien der altwestnordischen Pergament-Handschriften liegen heute jedoch nur noch Abschriften vor.
Die altwestnordischen Pergament-Handschriften
Von den drei Pergament-Handschriften gingen zwei verloren. Wahrscheinlich wurden sie bei dem Kopenhagener Stadtbrand im Jahr 1728 vernichtet. Allerdings existieren von beiden verlorenen Handschriften je zwei gute isländische Abschriften auf Papier in der Arnamagnæanischen Sammlung, die als A (AM 178 = Sigle A) mit E sowie B (AM 177=Sigle B) mit D bezeichnet werden.
Die dritte der Pergament-Handschriften ist nun die älteste und wird in der Königlichen Bibliothek in Stockholm aufbewahrt. Sie wird normalerweise „Membrane“ (Mb) genannt und dürfte in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts (am ehesten um 1280) in der norwegischen Hafenstadt Bergen aufgezeichnet worden sein. Diese Version wird bei der Übersetzung ins Deutsche bevorzugt benutzt. Der Text ist allerdings nicht mehr vollständig, vor allem am Anfang und am Schluss gibt es Lücken. Zur Ausfüllung dieser Lücken und zur Anzeige von Varianten werden etwa in der Thidrekssaga-Ausgabe von Bertselsen die arnamagnæanischen isländischen Papierhandschriften A und B benutzt.
Im 1308–1314 verfertigten Handschriftenverzeichnis des Bergener Bischofs Árni Sigurðarson ist eine Handschrift der Thidrekssaga vermerkt. Dahinter wird die heute in Stockholm verwahrte Membran vermutet. Wichtig ist die Lokalisierung einer solch alten Handschrift in der Hanse- und Königsstadt Bergen, da sie Rückschlüsse auf das Entstehungsmilieu der Thidrekssaga zulässt.
Die Stockholmer Membrane lässt die Hand von fünf verschiedenen Schreibern (MB1 bis MB5) erkennen. Die Schreiber MB2 und MB3 waren „Hauptschreiber“ bzw. „Abschriftleiter“. Diese Redaktoren lassen sich daran erkennen, dass sie offenbar verschiedene Vorlagen benutzten. Aber auch ein und derselbe Redaktor bzw. Schreiber benutzte oftmals verschiedene, inhaltlich zueinander widersprüchliche Vorlagen. Dadurch ist die ThS besonders wertvoll für die Sagengeschichte: Wir wissen durch sie, dass es in Deutschland verschiedene Versionen der einzelnen Sagen gab. Die bekanntesten Widersprüche innerhalb der ThS sind der mehrfache Tod des Wilzenkönigs Osantrix und die Herkunft der Niflungen – die letztgenannte vom selben Schreiber, Mb3, zweimal unmittelbar hintereinander mit unterschiedlichen Namen der Akteure. Es handelt sich also nicht um irrtümliche Verdoppelungen, sondern um absichtliche Aufnahme unterschiedlicher Sagenfassungen.
Die Membrane wurde bei Übersetzungen ins Deutsche meist bevorzugt, vor allem weil sie das älteste Textzeugnis der Thidrekssaga darstellt. Dabei enthalten die Abschriften A+E und B+D einige Abweichungen. Besonders die Handschrift A fällt dadurch auf, dass sie mit anderen nordischen Überlieferungen wie der Völsunga-Saga in vielem übereinstimmt. So nennt diese Handschrift Kriemhild unter dem Namen Gudrun, sie bezeichnet Brünhild als Budlis Tochter und erzählt als einzige von deren frühem Tod nach Siegfrieds Tod. Auch kennt sie den Namen von Siegfrieds Schwester Signy.
Die altschwedische Fassung
Neben diesen drei miteinander verwandten Handschriften gibt es noch eine altschwedische Fassung in zwei Handschriften (Sv A und Sv B) aus dem 15. Jahrhundert, die Didriks-Krönikan (Dietrichschronik) oder Sagan om Didrik af Bern genannt wird. Sie berichtet insgesamt sachlicher und kürzer, inhaltlich unterscheidet sie sich vor allem am Ende von den isländischen Überlieferungen (in Mb fehlt der Schluss). Dietrich kämpft am Ende mit Wideke Wielandssohn, der die Attilasöhne und Dietrichs Bruder getötet hatte, besiegt ihn, stirbt aber, nach Versenkung Mimungs in einem See, in Schwaben an seinen Wunden. Der Publizist Heinz Ritter-Schaumburg übersetzte sie erstmals ins Deutsche und belegte sie mit der Bezeichnung „Svava“, wobei es sich um ein Geisterwort handelt. Heinz Ritter hat die gängige Abkürzung für die altschwedische Version der Thidrekssaga (Didrikskrønike aus dem 15. Jahrhundert), nämlich „Sv“, wie sie von Bertelsen in seiner Ausgabe von 1905–11 zusammenfassend für die Skoklosterhandschrift Nr. 115–116, quarto, und die Handschrift K 45 in der Königlichen Bibliothek Stockholm verwendet wurde, offensichtlich missverstanden und willkürlich zu „Svava“ ergänzt. In Wirklichkeit steht „Sv“ für „svensk“ = „schwedisch“.
Dass es sich bei der schwedischen Fassung der Thidrekssaga um eine Übersetzung handelt, gibt sie selbst ganz am Schluss zu verstehen, mit den Worten: „Herrn Didriks Buch hat nun sein Enden, Gott möge seine Gnade senden Dem, der es tat auf Schwedisch wenden“. Vor allem deshalb wird die altschwedische Fassung im Allgemeinen für eine verkürzte Übersetzung der altwestnordischen Membrane betrachtet. Dass die schwedische Fassung keine eklatanten Widersprüche oder Doppelungen enthält, wie Mb, führt man darauf zurück, dass der Übersetzer bewusst versuchte, ein einheitliches und nicht in sich widersprüchliches Werk herzustellen.
Heinz Ritter bestreitet diese Abhängigkeit und hält die schwedische Fassung für die Übersetzung eines nicht mehr existierenden dänischen oder niederdeutschen Textes, wofür auch die verwendeten niederdeutschen Namen der Helden und zahlreiche Danismen sprächen. Er verweist auch auf das Verhältnis der beiden Handschriften (Sv A und Sv B) der schwedischen Fassung, die ihm zufolge eigenständige Übersetzungen ein und desselben Textes sein müssen. Dies wäre an den vielfach verwendeten gleichbedeutenden aber anders lautenden Worten erkennbar. Die ausländische Quelle müsse aber aufgrund der starken Verwandtschaft beider Handschriften dieselbe gewesen sein und könne somit nicht die Membrane sein. Die Handschrift Sv B enthält allerdings nur den ersten Teil der Thidrekssaga bis etwa zu Sevekins Rache, weshalb sich dies nicht auf den ganzen Text bezieht.
Die Abweichungen zwischen SvA und SvB halten sich jedoch im Rahmen dessen, was spätmittelalterlichen Schreibern zuzutrauen ist. Die Annahme einer zweimaligen Übersetzung ist daher unnötig. Wo die schwedische Fassung Namen verwendet, die deutschen Sagenfassungen ähnlicher sehen als die entsprechenden Namen in Mb, handelt es sich um im Spätmittelalter sehr populäre deutsche Sagen; der Übersetzer kannte offensichtlich außer seiner Vorlage, Mb, noch verschiedene Sagen in der damals in Deutschland aktuellen Form.
Inhalt
Überblick über den Inhalt der Kapitel
Im Folgenden die Inhaltsangabe der Membrane-Überlieferung (s.u.) nach Hanswilhelm Haefs (2004, S. 76–94), nach der Inhaltsangabe in Klammern die Anzahl der Unterkapitel. Die Unterteilung in die Erzählsequenzen stammt von Kramarz-Bein (2002).
I. Erzählsequenz: Jugend und Erprobung
Hier sind nur die isländischen Hss. A und B sowie die altschwedische Fassung Textzeugen. Der Anfang von Mb ist verloren.
Prolog. Enthält sagengeschichtlich wichtige Informationen über das Verständnis der Sagen und Angaben zu den Quellen der Saga.
Kap. 1 „Ritter Samson und seine Söhne“ (14): Ritter Samson, ein beinahe riesengroßer, schwarzhaariger Krieger, verliebt sich in Hildisvid, die Tochter des Jarl Rodgeir von Salerni (meist mit Salerno gleichgesetzt), und entführt sie mit ihrer Zustimmung. Zunächst lebt er mit ihr als Räuber in einem Wald; dort erschlägt er den Jarl sowie König Brunstein, die Hildisvid zurückholen wollen. Schließlich wird er von den Bürgern Salernis auf einem Thing zum Herzog gewählt und dann sogar zum König erhoben. Mit Hildisvid hat er zwei Söhne, Erminrik und Thetmar. Im Alter beginnt er noch einen Krieg gegen Jarl Elsung von Bern (meist mit Verona in Oberitalien gleichgesetzt). Er erschlägt Elsung eigenhändig und verheiratet dessen Tochter Odilia mit seinem jüngeren Sohn Thetmar, den er zum König von Bern macht. Mit seinem älteren Sohn, Erminrik, zieht er weiter nach Süden gegen Rom, stirbt aber auf dem Weg dorthin. Erminrik erobert den Großteil des Römergebietes "samt vielen Inseln des griechischen Meeres" (Die nüchterne altschwedische Fassung nennt hier nur Grekin). Seinen dritten Sohn, Aki, den er mit einer Nebenfrau hatte, machte Samson zum Herzog von Fritila.
Kap. 2 „Jung Thidrek“ (: Erzählt von König Thetmar und seinem Sohn Thidrek. Thidrek wächst zu einem Mann von gewaltiger Kraft und mit vielen guten Eigenschaften seines Großvaters Samson heran. Hildibrand (entspricht dem deutschen ‚Hildebrand’), Sohn des Herzogs von Venedi (oft mit Venedig gleichgesetzt), kommt nach Bern und wird von Thetmar zum Erzieher des jungen Thidrek bestellt. Thidrek fängt auf der Jagd den Zwerg Alfrik (die nordisierte Form des deutschen Namens ‚Alberich’), der ihm, um freigelassen zu werden, das von ihm selbst geschmiedete Schwert Nagelring ausliefert. Mit diesem großartigen Schwert kämpft Thidrek mit Hildebrands Hilfe gegen die zauberkundige Riesin Hild und ihren Mann Grim. Obwohl sich die Körperhälften der erschlagenen Hild durch Zauber wieder zusammenfügen können, gelingt es ihm, sie endgültig zu töten. Thidreks wertvollstes Beutestück ist der Hildigrim genannte Helm der beiden Ungeheuer. Durch diese und andere Großtaten wird Thidrek berühmt.
Heimir ist der Sohn des Studas, des Verwalters von Brynhilds Gestüt auf Burg Seegard in Schwaben. Vom Gestüt der Brynhild kommen die besten aller Heldenrosse. Heimir hieß ursprünglich nach seinem Vater ‚Studas’; da er jedoch so grimmig ist wie der Drache Heimir, der bösartigste aller Drachen, wird er später nach diesem benannt. Von seinem Vater Studas bekommt Heimir den Hengst Rispe. Heimir zieht zu Thidrek und fordert ihn zum Zweikampf auf; dem Sieger sollen die Waffen des Unterlegenen gehören. Thidrek siegt; Heimir lässt sich von ihm als Gefährten aufnehmen.
(Hier beginnt der erhaltene Teil von Mb)
Kap. 3 „Erste Redaktion der Wilzensaga“ (19): Die Wilzen sind ein Volk, das von der ThS widersprüchlich lokalisiert wird: meist südlich der Ostsee, manchmal näher an Russland, manchmal westlicher; manchmal aber auch als ‚Groß-Schweden’ mit Teilen nördlich und südlich der Ostsee. Diese Saga ist in Mb in zwei Fassungen ("Redaktionen") aufgenommen, die inhaltlich keine großen Unterschiede aufweisen, sich aber stilistisch unterscheiden. Es sieht so aus, als hätten zwei Übersetzer denselben deutschen Text übersetzt, oder, wahrscheinlicher, eine ursprüngliche Übersetzung wäre sehr frei bearbeitet worden, und der Redaktor Mb3 hätte sich entschlossen, auch die zweite Version aufzunehmen; diese folgt in Mb erst viel später: zwischen den Geschichten von ‚Herburt und Hilde’ und ‚Walther und Hildegund’. Die isländischen Handschriften bieten nur die „Zweite Redaktion“ der Wilzensaga, und zwar weder dort, wo Mb die "Erste Redaktion" noch dort, wo Mb die „Zweite Redaktion“ hat, sondern nach den Sagen von Velent, Vidga, Ecke und Fasold.
Der Inhalt der „Ersten Redaktion der Wilzensaga“: Erster Bericht über die Kämpfe zwischen Wilzen und Russen. Der Wilzenkönig Vilcinus besiegt den Russenkönig Hertnit, zieht in dessen Hauptstadt Holmgard (Nowgorod) ein und macht Russland tributpflichtig. Auf der Rückfahrt über die Ostsee nach dem Russenkrieg wird sein Schiff von einer Meerfrau angehalten; er geht an Land, wo sie ihm als Frau begegnet und ein Kind empfängt. Die Meerfrau überbringt das Neugeborene in das Reich des Vilcinus, wo es unter dem Namen Vadi zu einem Riesen heranwächst. Vilcinus übergibt Vadi 12 Höfe in Schweden. Vilcinus hat auch einen menschlichen, aber grimmigen und habgierigen Sohn Nordian. Nach dem Tode des Wilzinus gelingt es Hertnit, Nordian zu unterwerfen; dieser, und später Nordians riesenhafte Söhne Aventrod, Etgeir, Aspilian und Viðolfr werden Hertnit zinspflichtig. König von Wilzenland wird einer der Söhne Hertnits, Osantrix, während Russland und Polen ein anderer Sohn Hertnits, Waldimar, erbt. Hertnit überlässt Nordian nur Seeland.
Osantrix schickt zwei seiner Neffen auf Werbungsfahrt zu König Melias von Hunaland (das heutige Westfalen) um die Hand von dessen Tochter Oda. Der hochmütige Melias lässt jedoch die Werber ins Gefängnis werfen. Osantrix bedient sich auf dem Rachefeldzug einer List (er zieht inkognito an den Hof des Melias und gibt sich dort als Friedrich, König von Spanien, aus) und der Kraft der riesigen Söhne Nordians. Insbesondere Viðolfr Mittumstangi. (im König Rother, der das Vorbild für die Brautwerbung des Osantrix darstellt, heißt er Widolt mit der stangen) verbreitet solchen Schrecken, dass die anderen Riesen ihn an Eisenketten halten müssen, und er nur im ärgsten Kampfgetümmel losgelassen wird. Die Gefangenen werden befreit, die Königstochter wird entführt. Osantrix probiert ihr inkognito einen silbernen und dann einen goldenen Schuh an; die Schuhe passen. Dann gibt er sich zu erkennen. Die Schuhprobe ist hier unmotiviert; im König Rother hat sie Sinn. Osantrix heiratet Oda und zeugt mit ihr eine Tochter, Erka (diese wird später die Frau Attilas).
Kap. 4 „Attilas Brautwerbung“ (22): Der Friesenprinz Attila wird König von Hunaland, des Reiches der Hunir oder Hynir (nicht: Hunnen; die Schreibung von Doppelbuchstaben wurde im Mittelalter allerdings sehr unregelmäßig gehandhabt), indem er sich durch List in den Besitz der Wilzenprinzessin Erka (der Tochter des Osantrix) bringt. Die Werbung Attilas um Erka ist der Werbung des Osantrix um Oda strukturell ähnlich; insbesondere können beide Bräute nur durch Listen erworben werden. Während Osantrix bei seiner Werbung um Oda selbst die entscheindende Rolle spielt, verdankt Attila das Gelingen der Werbung weitgehend dem zweiten von ihm ausgesandten Werber, Markgraf Roðolfr von Bakalar; dieser entspricht dem mittelhochdeutschen Rüedeger von Bechelaren. (Pöchlarn in Niederösterreich).
Kap. 5 „Die Geschichte von Velent dem Schmied“ (29): Vadi, der riesische Sohn des König Vilcinus aus Kapitel 3 / Unterkapitel 3 mit einer Meerfrau vom Walde, hat einen Sohn namens Velent, der bei Zwergen in der Balver Höhle in die Schmiedelehre geht. Nach Vadis Tod erschlägt er die Zwerge, kommt nach Jütland zu König Nidung als Hofschmied, schmiedet sein berühmtes Schwert Mimung. Nidung lässt ihm die Fußsehnen durchschneiden, damit er nicht fliehen kann. Velent rächt sich dafür, indem er die Königssöhne erschlägt und ihre Schädel zu Schädelbechern verarbeitet, aus denen Nidung trinkt ohne es zu wissen, und indem er die Königstochter vergewaltigt. Velent flieht mit Hilfe eines aus Vogelflügeln konstruierten Flugapparates (wie der Daidalos der griechischen Sage). Auf Befehl Nidungs muss Velents Bruder Egil, der Meisterschütze, auf den Davonfliegenden schießen; es kommt zu Egils Meisterschuss. Egil hatte einst, um von Nidung aufgenommen zu werden, als Probe einen Apfel vom Haupt seines Sohnes schießen müssen, und dazu drei Pfeile zu sich gesteckt, obwohl ihm Nidung nur einen Schuss erlaubt hatte. Als Nidung nach dem Schuss fragte, weshalb, antwortete Egil freimütig, die beiden anderen Pfeile hätte er auf den König abgeschossen, falls er sein Kind getroffen hätte. Nun, bei der Flucht Velents, hat Egil die Gelegenheit, sich an Nidung zu rächen: Velent hatte mit Egil ausgemacht, er solle, im Falle Nidung ihm auf Velent zu schießen befehle, auf eine mit Blut gefüllte Blase, die Velent unter seiner Achsel befestigte, schießen, damit es so aussähe, als habe Egil seinen Auftrag erledigt. Egil trifft tatsächlich die Blase genau. Nidung glaubt, das Blut sei Velents, und erkennt daher nicht, dass Egil ihn betrog. Velent fliegt davon. Im Wegfliegen enthüllt Velent Nidung seine Rachetaten. Aus der Verbindung mit der Königstochter entspringt der Sohn Vidga, es kommt nach Nidungs Tod zur Versöhnung mit Nidungs Sohn.
‚Egils Meisterschuss’ ist direkt verwandt mit der Sage von Wilhelm Tell, die ihre Quelle in den ‚Gesta Danorum’ des Saxo Grammaticus in der Erzählung vom Meisterschützen Toko hat: Toko wurde vom dänischen König Harald gezwungen, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen; die Erzählung Saxos von Toko spielt im 10. Jahrhundert und entstand vor 1216; die Erzählung der ThS um 1250; die Schlacht von Sempach, in der Wilhelm Tell mitgekämpft haben soll, war erst 1307. Der Schweizer Chronist Ägidius Tschudi, den Schiller als Quelle für seinen ‚Wilhelm Tell’ benutzte, kannte die Fassung des Saxo Grammaticus und übertrug sie auf den erfundenen Schweizer Nationalhelden.
Durch die Figuren von Vidga (entspricht dem Witege oder Wittich genannten Helden der deutschen Sagen), Velent (Wieland der Schmied) und Attila ist die Wilzensaga mit Thidrek verknüpft.
Kap. 6 „Vidgas erste Ausfahrt“ (22): Vidga zieht nach Bern, um sich in einem Zweikampf gegen Thidrek zu erproben, und begegnet unterwegs Gefährten Thidreks, darunter Hildibrand. Dieser vertauscht das wunderbare Schwert Mimung im Zweikampf Vidgas gegen Thidrek, um Thidreks Leben zu schonen. Nur dadurch kann Thidrek siegen. Hildibrand gibt aber Vidga Mimung zurück, als Thidrek ihn erschlagen will. König Thetmar trennt Vidga und Thidrek; Vidga wird Gefährte Thidreks.
Kap. 7 „Thidreks Kämpfe mit Ecke und Fasold“ (13): Thidrek zieht aus, um Ruhm zu erwerben, erschlägt Ecke und gewinnt dessen Bruder Fasold als Gefährten.
Kap. 8 „Von Thetleif dem Dänen“ (-): Heimir wird verbannt und schließt sich einer Räuberbande an. Thetleif Aschenpuster wird vorgestellt, dieser kämpft auf seinem Weg zu Thidrek gegen Ingram und Heimir, Heimir kehrt nach Bern zurück, Thetleif wird Thidreks Mann. Es kommt zum Kampf zwischen Waltari von Wasgenstein und Thetleif. Amlung wird Kämpe Thidreks. König Thetmar stirbt.
Kap. 9 „Der Wilzensaga zweiter Teil“ (19): Vildiver kommt zu Thidrek, Herbrand wird Thidreks Bannerträger, Attila bittet Thidrek um Hilfe gegen Osantrix von Wilzenland, Vidga wird von den Wilzen gefangen genommen, Vildiver befreit Isung, Heimir entwendet dem ohnmächtigen Vidga Mimung, Attila lobt Thidreks Gefährten.
Kap. 10 „Der Zug gegen Jarl Rimstein“ (5): Auf Bitte seines Onkels Ermanrik, der als Kaiser in Rom herrscht, zieht Thidrek gegen Jarl Rimstein und besiegt ihn; Heimir und Vidga streiten, die Stadt Gerimsheim (Germersheim) wird erobert.
Kap. 11 „Jung-Sigurd“ (18): Sigmund, König von Tarlungaland, wirbt um Sisibe von Hispania. Sie wird verleumdet, ihn betrogen zu haben, und soll dafür im Wald ermordet werden. Die beiden gedungenen Mörder sind sich jedoch uneins; Sisibe entbindet im Wald und legt das Kind in ein gläsernes Metgefäß; die beiden Männer geraten in Kampf und stoßen dabei an das Gefäß, das in den Fluss rollt und meerwärts treibt. Sisibe stirbt vor Schmerz darüber. Das Glasgefäß zerschellt an einem Ufer; eine Hirschkuh säugt das Kind. Ein Schmied, Mimir, der im Wald Kohlen brennt, findet das Kind und zieht es auf. Er gibt ihm den Namen Siegfried (erst später erkennen die Schreiber, dass es sich beim ‚Siegfried’ ihrer deutschen Quellen um dieselbe Sagenfigur handelt, die in Skandinavien Sigurd genannt wird, und gehen zur nordischen Form ‚Sigurd’ über). Da dieser bald so stark wird, dass er die Schmiedeknechte verprügelt und den Amboss in den Boden schlägt, will Mimir ihn von seinem Bruder Regin, der als Drache im Wald lebt, umbringen lassen. Siegfried erschlägt den Drachen mit der Holzaxt und einem Baumstamm und kocht sich das Drachenfleisch. Mimir, voll Angst, schenkt ihm, um ihn gut zu stimmen, eine Rüstung und das Schwert Gram und verspricht ihm ein Ross von Brynhilds Gestüt; trotzdem erschlägt Siegfried/Sigurd Mimir. Sigurd kommt zu Brynhild, diese nennt ihm seine Herkunft, schenkt ihm ein Ross.
Kap. 12 „Die Heldenschau“ (21): Oda, die Frau des Königs Aldrian, schläft im Garten ein, ein Albe wohnt ihr bei, so wird der Sohn Hogni/Hagen gezeugt. Anschließend schreibt derselbe Schreiber dieselbe Erzählung nochmals, aber der Gatte Odas heißt jetzt Irung; auch die Zahl der Geschwister ist unterschiedlich. Die Helden an Thidreks Hof (Hildibrand, Heimir, Vidga, Jarl Hornbogi, Aumlung, Sintram, Fasold, Vildiver und Herbrand) werden vorgestellt.
Kap. 13 „Thidreks Zug ins Bertangenland“ (38): Thidrek zieht gegen König Isung im Bertrangenland. Dort kämpft Sigurd für Isung gegen Thidrek, mittels eines trügerischen Eides kann Thidrek in höchster Not Mimung einsetzen und gewinnt. Sigurd erkennt zwar den Betrug, wird aber trotzdem freiwillig Thidreks Mann.
II. Erzählsequenz: Heiraten
Kap. 14 „Sigurds und Gunnars Hochzeit“ (14): erzählt, wie Sigurd Gunnars Schwester Grimhild zur Frau bekommt und auf seiner Hochzeit Gunnar überredet, um die schönste Frau der Welt, Brynhild, zu werben. Zu viert brechen Gunnar, Thidrek, Sigurd und Hogni zu Brynhild auf. Diese ist nun auf Sigurd böse, weil er ihre Verlobung brach (im Bericht der ThS über die erste Begegnung Sigurds mit Brynhild ist allerdings keine Verlobung erwähnt). Da Sigurd nun verheiratet ist, stimmt sie der Heirat mit Gunnar zu. Brynhild wird also bei der Werbung nicht belogen. Trotzdem ist sie nicht glücklich darüber, dass Gunnar ihr Gatte werden soll, und verweigert sich ihm in der Hochzeitsnacht. Als er sich ihr trotzdem nähert, bindet sie ihn und hängt ihn an einen Nagel an der Wand. So geht es in drei aufeinander folgenden Nächten. Da bittet Gunnar Sigurd, Brynhild das Magdtum zu nehmen. Sigurd gelobt Stillschweigen. Sigurd schleicht sich in der Finsternis in Gunnars Schlafzimmer tauscht mit ihm die Kleider, überwältigt und vergewaltigt Brynhild. Dann zieht er ihr jedoch einen Ring vom Finger, ohne dass sie es merkt. Da ihre übernatürlichen Kräfte an die Jungfräulichkeit gebunden waren, ist sie nun so schwach wie jede andere Frau und ist in Hinkunft Gunnar zu Willen. Sigurd verschwindet wieder im Schutz der Finsternis. Die beiden tauschen die Kleider zurück. Niemand merkt etwas. Man reist an Gunnars Hof zurück; Gunnar regiert nun das Niflungenland zusammen mit seinen Brüdern Gernoz und Hogni, sowie mit Sigurd. Thidrek reist heim nach Bern.
Kap. 15 „Herbort und Hilde“ (11): Herbort zieht als Brautwerber für Thidrek zu König Artus von Britannien um dessen Tochter Hild, entflieht aber mit der Prinzessin, wohnt ihr bei, erschlägt seine Verfolger, wird Herzog bei einem fremden König und erwirbt sich bei diesem großen Ruhm. Thidrek gewinnt Gudilinda, die Tochter des Königs Drusian, zur Frau. Seine Gefährten Fasold und Thetleif der Däne heiraten Schwestern Gudilindas.
Kap. 16 „Valtari und Hildigund“ (4): Valtari (Walther) von Vaskastein (Wasgenstein), Neffe König Ermanriks, und Hildigund, Tochter des Herzogs Ilias von Griechenland, kommen zu König Attila von Susat als Geiseln. Sie fliehen gemeinsam, Valtari wird aller Verfolger Herr, auch Hognis, der ihn von hinten feig erschlagen will: Hildigund bemerkt ihn, warnt Valtari, der mit einem Wildschweinknochen, den er gerade abgenagt hat, Hogni ein Auge ausschlägt. Sie kommen zu König Ermanrik, der Attila durch große Geschenke freundlich stimmt.
Kap. 17 „Jarl Iron“ (34): Jarl Iron ist Sohn von König Artus von Britannien. Irons Frau heißt Isolde (diese Isolde hat nichts mit den Isolden der Tristan-Sage zu tun). Irons Bruder ist Apollonius von Tyra. Iron ist jagdsüchtig, bei einer der Jagden wird er Gefangener des Königs Salomon von Frankreich. Isolde erreicht seine Freilassung, stirbt aber bald darauf. Iron zieht als Witwer und Gefolgsmann Attilas zu einem Fest Ermanriks nach Rom. Er kehrt auf dem Weg dorthin bei Herzog Aki Örlungenschutz ein. Akis Frau Bolfriana und Iron verlieben sich ineinander. Der Jarl steckt Bolfriana einen Zauberring an. Herzog Aki erschlägt Iron, stirbt aber wenig später. Die verwitwete Bolfriana heiratet Vidga Velentssohn. Sie wird Mutter der Aumlungen (in der deutschen Sage: Harlungen; historisch: die Amelungen sind die Vorfahren Theoderichs), die später Opfer des Ermanrik werden.
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Teil 2
III. Erzählsequenz: Untergang und Tod
Kap. 18 „Sifkas Rache“ (: König Ermanrik schändet in Abwesenheit seines bis dahin getreuen Ratgebers Sifka dessen Frau. Sifka veranlasst den König zuerst, seine Söhne zum Tode zu verurteilen oder in den Tod zu schicken. Danach führt er den Tod der Aumlungen-Neffen herbei. Das Vermögen Vidgas, ihres Stiefvaters, wird vernichtet. Auf Fürsprache Thidreks entschädigt Ermanrik Vidga.
Kap. 19 „Thidreks Flucht“ (7): Sifka hetzt Ermanrik gegen Thidrek auf, Ermanrik zieht gegen Thidrek, Heime verfeindet sich mit Ermanrik, Thidrek flieht erst zu Rodingeir (deutsch: Rüdiger), dann nach Susat zu Attila.
Kap. 20 „Der Wilzensaga dritter Teil“ (25): schildert die Kriegsfahrten Thidreks gegen die Ostländer der Wilzen und Russen.
Kap. 21 „Thidreks Zug gegen Ermanrik“ (26): Thidrek erhält von Attila nach Fürsprache der Königin Erka ein Heer. Sogar die Söhne Attilas werden ihm anvertraut. Es kommt zur Schlacht von Gronsport an der Mosel (in der Dietrichepik die Rabenschlacht; Raben ist der alte deutsche Name für Ravenna, wo Theoderich begraben liegt und die deutsche Sage diese ‚Ravennaschlacht’ ansiedelt). In der Schlacht fällt Herzog Naudung; Attilas Söhne und Thidreks jüngerer Bruder Thether kommen durch Vidgas Mimung zu Tode, worauf dieser von Dietrich verfolgt, aber nicht erreicht wird. Thidrek kehrt glücklos zu Attila zurück. Wieder setzt sich Königin Erka bei Attila für Thidrek ein; er wird von der Schuld für den Tod der Attilasöhne freigesprochen. Königin Erka stirbt. Thidrek dient weiter bei Attila.
Kap. 22 Der nächste Teil der Nibelungensage: „Sigurds Tod“ (7): Lange Zeit war seit den beiden Hochzeiten vergangen, und das Reich der Nibelungen, mit der Hauptstadt Werniza (nach der Meinung der meisten Forscher: Worms am Rhein) herrscht König Gunnar mit seinem Bruder Hogni und seinem Schwager Jung Sigurd. Das Reich floriert vor allem wegen der Stärke und Weisheit Sigurds. Eines Tages betritt Brynhild die Halle, in der schon Grimhild, Sigurds Frau, im Hochsitz sitzt, und verlangt von ihr, diesen zu verlassen, weil er ihr allein gebühre (ein Hochsitz bot zwei bis drei Personen Platz; der Streit geht also allein von Brynhild aus). Grimhild antwortet, das sei der Sitz ihrer Mutter. Da beschimpft Brynhild sie, dass Sigurd hinter einer Hirschkuh hergelaufen sei (eine Anspielung auf Sigurds Jugend im Wald), und daher seine Frau hinter Gunnars Frau zurücktreten müsse. Daraufhin wird sie von Grimhild bloßgestellt, die ihr vor den Anwesenden das Geheimnis von Brynhilds Entjungferung verrät und zum Beweis einen Ring vorzeigt, den Sigurd Brynhild abzog, als er sie überwand. Brynhild ist nicht einmal sonderlich überrascht: sie ahnte, was geschehen war, und fordert Sigurds Ermordung nach dem Streit mit Grimhild nicht, weil Sigurd Gunnar in diesem Punkt geholfen hatte, sondern weil er es Grimhild verraten und damit ihre Schande publik gemacht hatte. Sie klagt Gunnar, Hogni und Gernoz ihr Leid und fordert Sigurds Tod und reizt die Niflungen dadurch gegen ihn auf, dass sie darauf aufmerksam macht, dass Sigurd immer mächtiger wird und ihnen die Herrschaft entreißen könnte. Der Mord braucht keine Requisiten (wie im Nibelungenlied ein auf Siegfrieds Gewand genähtes Kreuzchen): es genügt, dass Hogni Sigurd einen Speer zwischen die Schulterblätter stößt, als der sich auf der zu diesem Zweck inszenierten Jagd auf den Boden legt, um aus einem Bach zu trinken. Die Leiche tragen sie heim und werfen sie Grimhild ins Bett. Sie behaupten, ein Eber hätte ihn auf der Jagd getötet. „Dieser Eber bist du gewesen“, sagt Grimhild Hogni auf den Kopf zu.
Kap. 23 „Hertnidis Kampf mit Isung“ (7): Tod von Fasold und Thetleif – Valtari war schon vor Gronsport gefallen – Thidrek vereinsamt immer mehr.
Kap. 24 „Grimhilds Rache“ (42): In diesem längsten Kapitel der ganzen Saga kommt es zu wesentlich geringeren Abweichungen vom Nibelungenlied als in früheren Abschnitten. Stellenweise merkt man deutlich die Benutzung einer gemeinsamen Vorlage, z. B. dass Oda (Nibelungenlied: Ute) ihren Söhnen vor der Abreise an den Hof Attilas einen warnenden Traum von toten Vögeln erzählt. Es gibt jedoch auch wesentliche Abweichungen beider Werke von ihrer vermuteten gemeinsamen Vorlage. So liegt der Hof Attilas in Susat (= Soest) im heutigen Westfalen, nicht in Ungarn wie im Nibelungenlied. Nach überwiegender Meinung der Forscher änderte hier die Ths, indem sie, wie auch in anderen Sagen, das Geschehen nordwärts verlegte (siehe oben zu 'Ravennaschlacht'). Eine weitere offensichtliche Änderung der ThS ist, dass Gunnar von Osid, einem Neffen Attilas, gefangen genommen und dann, wie in anderen nordischen Versionen der Sage, von Attila in einen Schlangenturm geworfen wird. Der Gunther des Nibelungenliedes wird dagegen von Dietrich von Bern besiegt und an Kriemhild ausgeliefert. Sicherlich die ältere Version bewahrt die ThS dagegen darin, dass Thidrek Grimhild auf Befehl Attilas erschlägt, nicht Hildebrand im Alleingang, wie im Nibelungenlied. Grimhild handelt in der ThS objektiv teuflisch, auch in den Augen des Erzählers, sodass sogar ihr Gatte ihren Tod fordert, während das Nibelungenlied sie teilweise entschuldigt und Hildebrand nicht den Charakter eines ‚objektiven’ Rächers erhält. In der ThS tötet sie nicht Hagen, sondern ihren schwer verletzten Bruder Giselher, indem sie ihm ein brennendes Scheit in den Mund stößt. Attila (entspricht deutsch Etzel) ist goldgierig, wie auch in anderen skandinavischen Dichtungen. Hogni wurde von Thidrek schwer verwundet, lebt aber noch einen ganzen Tag lang, bis er stirbt. In dieser Nacht zeugt er noch einen Sohn und gibt der Frau den Schlüssel zum 'Siegfriedskeller', den sie dem Kind geben soll, wenn es herangewachsen ist. Auch kennt die ThS keinen „Koch“ und daher auch nicht ‚Rumolds Rat’ des Nibelungenliedes.
An einigen Stellen benutzt die Ths (bzw. ihre Quelle) aber anscheinend nicht nur dieselbe Vorlage wie das Nibelungenlied, sondern kennt auch dieses selbst und benutzt es als 'Nebenquelle'. Einige Formulierungen der Ths ähneln nämlich mehr der jüngeren Bearbeitung "C" des Nibelungenliedes als dessen ursprünglicher Fassung.
Kap. 25 „Thidreks Heimkehr“ (: Berichtet wird der Abschied von Attila, die Klage über Rodingeirs Tod, das Treffen mit und der Sieg über Jarl Elsung "von Babilonia". Thidrek erfährt, dass Ermanrik erkrankt ist.
Kap. 26 „Thidreks und Hildibrands Empfang in Bern“ (9): Hildebrand trifft seinen Sohn Alibrand. Nachdem der Vater den Sohn besiegt hat, geben sie sich zu erkennen, Alibrand übergibt Thidrek Bern. Ermanrik stirbt, Sifka will Herrscher werden. Thidrek zieht zur Schlacht gegen Sifka.
Kap. 27 „Thidreks Sieg“ (4): Thidrek siegt in der Schlacht gegen Sifka, Thidrek besteigt den Thron zu Romaburg. Hildebrand und die Königin Herrad sterben.
Kap. 28 „Thidreks Drachenkampf“ (7): König Hernit findet im Kampf gegen einen Drachen den Tod. Seine Frau, wieder eine Isolde, wartet vergebens. Thidrek kann den Drachen besiegen, reitet in Hernits Rüstung nach dessen Burg und heiratet Isolde.
Kap. 29 „Attilas Tod“ (6): Aldrian, Sohn Hagens, wächst an Attilas Hof auf. Seine Mutter informiert ihn über den Tod seines Vaters und übergibt ihm die Schlüssel zum 'Siegfriedskeller'. Aldrian rächt daraufhin den Tod Hognis an Attila, indem er den goldgierigen Attila in den Siegfriedskeller führt und von außen die Tür zuschlägt, sodass Attila bei den Schätzen verhungern muss. Nach Attilas Tod wird Thidrek auch König von Hunenland.
Kap. 30 „Heimirs und Thidreks Ende“ (10): Bericht über dieser beiden letzten Helden Tod.
Heimir wird zum Mönch, tötet als Klosterbruder einen Riesen, der das Kloster bedroht. Davon erfährt Thidrek, holt den einzig noch lebenden der alten Gesellen zu sich und rächt ihn später, indem er einen anderen Riesen tötet, welcher Heimir erschlagen hat. Bald danach wird Thidrek von einem schwarzen Ross aus dem Bad entführt. Das Ross ist zwar der Teufel, doch gelingt es Thidrek noch, Gott und Maria anzurufen, daher kann seine Seele noch gerettet werden. Hier endet die isländische Fassung. In der altschwedischen Überlieferung endet die Erzählung allerdings anders: das schwarze Ross war nicht der Teufel, sondern eine List Didriks, der, ohne dass jemand etwas davon weiß, Wideke Welanssohn (= Vidga Velentssohn) suchen und erschlagen will. Er findet ihn schließlich auf einer Ostseeinsel, besiegt und tötet ihn, erleidet jedoch selbst dabei so große Wunden, dass er auf dem Heimweg in Schwaben an ihnen stirbt. Vor seinem Tod wirft er noch das Schwert Mimung in den größten See von Schwaben. Mit welchem der beiden Schlüsse die norwegische Fassung endete, ist unbekannt, da in der Membran der Schluss fehlt.
Nibelungen und Thidrekssaga
Mehrere, durch andere Erzählungen unterbrochene Episoden der Ths behandeln die Nibelungensage, wobei die Nibelungen hier durchweg Niflungen genannt werden. Einige Episoden erzählen die Geschichte ähnlich wie das deutsche Nibelungenlied, andere Passagen weichen sehr stark von ihm ab. Noch größer sind die Unterschiede der Ths zu den anderen nordischen Fassungen (Liederedda, Snorra Edda, Völsungasaga). So ist Brynhild, die im Nibelungenlied als amazonenhafte Königin aus dem fernen Island dargestellt wird, in der Ths anfangs Herrin über einen Ort Namens Seegard in Schwaben (womit nicht zwingend das heutige Schwaben gemeint sein muss – zu karolingischer Zeit existierte auch ein Svava-Gau in Ostsachsen). Dort hat sie ein berühmtes Gestüt, von dem die Streithengste der berühmtesten Helden kommen; auch das Ross Sigurds (das er von ihr erhält). Zudem wird sie von Sigurd (= Siegfried) entjungfert – im Nibelungenlied hilft Siegfried lediglich König Gunther, die widerspenstige Brünhild in der zweiten Brautnacht zu bezwingen, damit Gunther den Beischlaf mit ihr vollziehen kann. Ganz anders verläuft dies in der übrigen altnordischen Überlieferung: dort wirbt Sigurd in Gunnars (= Gunthers) Gestalt um Brynhild, weil dieser die Hindernisse (Flammenwall) auf dem Weg zu ihr nicht überwinden kann, legt aber in der darauffolgenden Nacht, die er als Hochzeitsnacht mit ihr verbringen muss, sein Schwert zwischen beide, um sie für den Freund jungfräulich zu bewahren.
In der Ths fordert Brynhild Sigurds Tötung, weil Sigurd Grimhild das Geheimnis der Brautnacht verraten hatte. Dass sie mit Gunnar einen geringeren Helden als Sigurd heiraten musste, ist der Grund für ihre Verweigerung in der Hochzeitsnacht.
Unterschiede zur oberdeutschen Dietrichepik
Im Unterschied zur mittelhochdeutschen Dietrichepik wird die Figur Dietrichs in der Thidrekssaga weniger positiv gezeichnet. Sein Zögern, mit Ecke zu kämpfen, scheint eher auf Angst denn – wie im oberdeutschen Eckenlied auf moralisch begründete Bedachtsamkeit gegründet. Siegfried besiegt er zwar – wie im Rosengarten zu Worms, doch nur mit einer List, die es ihm ermöglicht, Vidgas Mimung einzusetzen, einer List, die ihn unfair erscheinen lässt und Siegfried als einen Betrogenen. Demgegenüber ist die Figur des Vidga viel positiver gezeichnet als der in der mittelhochdeutschen Dichtung entsprechende Verräter Wittich. Es spricht auch nach Ansicht mancher nicht für Thidrek, dass er Heime, der sich zeitweise einer Räuberbande anschließt, immer wieder unterstützt, und ihn wieder an den Hof aufnimmt, nachdem er als Räuberhauptmann von Thetlef dem Dänen (im Mittelhochdeutschen: Dietleip von Stîre [Steiermark]) besiegt wurde. Doch kann man darin auch einen Vorzug Thidreks sehen, der seine Gefolgsleute wieder aufnimmt, wenn sie reuig zurückkehren. Dietrich/Thidrek ist das Ideal eines Gefolgsherrn, der sich bedingungslos für seine Gefolgsleute einsetzt. Darauf beruht wesentlich seine Beliebtheit in mittelalterlicher Dichtung. Seine Tragik ist, dass die Rivalität unter den Helden letztlich die Oberhand gewinnt und seine Bemühungen, die Gruppe zusammenzuhalten, scheitern.
Das Motiv des teuflischen schwarzen Rosses, das Thidrek an seinem Ende aus dem Bad entführt, stammt aus der Abneigung der katholischen Kirche gegen den Arianer Theoderich. Es wurde in der deutschen Dietrichdichtung abgeändert, um den vorbildlichen Helden nicht in die Hölle fahren zu lassen; ähnlich in der ThS: in der isländischen Version ruft Thidrek noch Gott und Maria an und kann daher gerettet werden; in der altschwedischen Fassung ist die Entführung durch ein schwarzes Ross nur eine List Didriks, um unerkannt Wideke ausforschen zu können.
Wenngleich die Sage wesentlich weiter südlich beginnt – der Ahnherr Dietrichs, Samson, herrscht in Salerni (altschwedische Fassung: Salerna in Appolii), das meist mit Salerno und Apulien (oder, unwahrscheinlich, Salurn) gleichgesetzt wird, und gewinnt Bern erst später für sich – ist der geographische Schwerpunkt mit Susat (Soest) und den Wilzenkämpfen mehr in den Norden verlagert. Dadurch kommt es zu geographischen Unklarheiten, z. B. in der Episode um den Jarl Iron, dessen Hauptstand Brandinaburg (Brandenburg?) heißt, der aber im benachbarten Valslongu-Wald der "westlich an Frankenland gelegen" war, jagen kann. Jarl Irons Hauptstadt müsste demnach mehr im Westen liegen. Die altschwedische Fassung nennt in diesem Zusammenhang allerdings nur Brandenburg.
Der wesentliche Unterschied liegt in der Form. Eine an der Biographie Dietrich von Berns ausgerichtete Prosaerzählung gibt es weder in der oberdeutschen noch in der niederdeutschen Überlieferung. Sie ist am ehesten mit der ebenfalls altnorwegischen Karlamagnús Saga (13. Jahrhundert), dem französischen Prosa-Lancelot (vermutlich kurz vor der Thidrekssaga, 1. Drittel 13. Jahrhundert) und Sir Thomas Malorys Artusroman Le Morte Darthur (1469–1470 entstanden, 1485 publiziert) zu vergleichen. Die rheinische Karlskompilation Karlmeinet (um 1320) ist ebenfalls später und von geringerer Qualität als die Thidrekssaga und zudem in Versform. Es ist ein Kennzeichen der Übersetzungen deutscher und französischer Werke ins Norwegische des 13. Jahrhunderts, dass die Versform der Vorlagen in Prosa umgewandelt wird.
Struktur der Sage und Rückschluss auf ihre Entstehungsgeschichte
Die Thidrekssaga ähnelt der zeitgleich geschriebenen Karlamagnus saga und der Legandarischen Óláfssaga (um 1200), beide auch altnorwegisch. Entsprechende Belege für eine Erzähltradition im Niederdeutschen fehlen. Das spricht dafür, dass die Thidrekssaga nicht eine Übersetzung eines niederdeutschen Textes ist, sondern am norwegischen Königshof in der Hansestadt Bergen aus niederdeutschen kleineren Formen (eher heldenbuchartigen schriftlichen Prosatexten als Liedern) selbständig entsprechend der entstandenen norwegischen Lebenszyklus-Saga-Tradition komponiert wurde. Zwar werden im niederdeutschen Sprachraum des 13. Jahrhunderts bedeutende Prosawerke wie der Sachsenspiegel und die Sächsische Weltchronik geschaffen, doch gehören diese anderen Literaturgattungen an. Sie zeigen, dass die Prosa im niederdeutschen Sprachraum im Gegensatz zum mittelhochdeutschen Sprachraum als literaturwürdig gilt.
Gegen die These einer selbständigen Entstehung in Norwegen spricht, dass in der Thidrekssaga stellenweise die Spuren direkter Übernahmen aus schriftlichen deutschen Quellen erkennbar sind, etwa wenn die Saga an mehreren Stellen 'Siegfried' statt 'Sigurd' schreibt. Der von Abschnitt zu Abschnitt uneinheitliche Sprachstil und zahlreiche Widersprüche innerhalb des Werkes zeigen, dass ursprünglich voneinander unabhängige Übersetzungen verschiedener, großteils schriftlicher deutscher Texte nachträglich aneinandergefügt wurden, ohne dass der Redaktor sich bemühte, sie zu vereinheitlichen. Manchmal wurde sogar zweimal hintereinander dieselbe Geschichte in widersprüchlicher Form aufgenommen. Gerade das macht die Thidrekssaga so wertvoll für die Sagenforschung, weil sie widersprüchliche Fassungen mehrerer Sagen dokumentiert. Bekannteste Beispiele für widersprüchliche Doppelungen in der Thidrekssaga: der Tod des Wilzenkönigs Osantrix und die 'Abstammung der Niflungen' (= Nibelungen). Die altschwedische Fassung der Thidrekssaga enthält allerdings keine derartig widersprüchlichen Dopplungen.
Klassifizierung der Thidrekssaga
Die Thidrekssaga geht nach allgemeiner Ansicht auf niederdeutsche Quellen, vermutlich altniederdeutsche Lieder zurück, die durch die hansischen Handelsbeziehungen zwischen dem norwegischen Bergen und Deutschland im Mittelalter nach Skandinavien gelangten. Schriftliche, im niederdeutschen Raum vermutete Quellen der Thidrekssaga sind nicht erhalten. Daher gewinnt die Thidrekssaga auch einen Quellenwert für die mündliche Sagenüberlieferung auf deutschem Boden im 12./13. Jahrhundert, etwa in Form des Heldenzeitliedes. Für die germanistische Forschung handelt es sich um ein eigenwilliges Zeugnis, das deutlich von der oberdeutschen mittelhochdeutschen Dietrichepik und dem Nibelungenlied abweicht. Auch die skandinavische Forschung versuchte, sie entweder als Riddarasaga (Rittersage) oder als Fornaldarsaga (Vorzeitsage) zu klassifizieren, obwohl sie keiner der beiden klassischen Genredefinitionen entspricht.
Seit langem ist in der Forschung auch strittig, ob es sich um eine Übersetzung oder um eine Kompilation handelt. Die Übersetzungsthese wird vor allem von deutschen, die Kompilationsthese vor allem von skandinavischen Forschern vertreten. Die Vertreter der Übersetzungshypothese gehen vom Vorhandensein einer bis jetzt nicht gefundenen niederdeutschen Gesamtvorlage aus, die in Norwegen nur übersetzt wurde. Ein bekannter Vertreter dieser Übersetzungsthese ist Heinz Ritter-Schaumburg. Die Anhänger der Kompilationsthese halten über Hanseaten nach Norwegen gelangte mündlich tradierte niederdeutsche Lieder für die Grundlage, die erst in Norwegen selbst zum Gesamtwerk der Thidrekssaga geformt wurden. Dazwischen gibt es vermittelnde Positionen, die vermuten, ein großer Teil der Quellen seien verlorene schriftliche niederdeutsche Texte gewesen; die Endkompilation sei jedoch in Norwegen erfolgt.
Die Erforschung der Struktur der Thidrekssaga zeigt, dass die Thidrekssaga im Gegensatz zu älteren Annahmen keine Kompilation im Sinne von einem kunstlosen ‚Sammelsurium‘ darstellt, sondern einen Strukturplan aufweist, der anderen Groß-Kompilationen aus der gleichen Zeit in Norwegen ähnelt, z. B. der Karlamagnús Saga. Der Anteil der sogenannten hansischen Literaturbeziehungen, konkret der hansischen deutschen Kaufleute in Bergen, wird heute weniger hoch eingeschätzt, da ein Kontor der Hanse erst 100 Jahre nach der vermutlichen Entstehung der Thidrekssaga um 1350 gegründet wurde. Auch die in Bergen gefundenen sich auf die Hanse beziehenden Texte beziehen sich eher auf den Rechtsbereich oder das alltäglichen Leben, weniger auf Literatur. Die Darstellung der Thidrekssaga spricht möglicherweise für eine Entstehung direkt am Königshof von Håkon IV. (Norwegen). Durch eine Rezeption der entsprechenden kontinentalen höfischen Literatur um Thidrek/Dietrich/Theoderich, Karl oder den sagenhaften Artus könnte er beabsichtigt haben, eine Art Reichsidee und damit auch eine Konsolidierung seiner Herrschaft zu fördern.
Thidrekssaga als historische Quelle
Einer breiteren deutschen Öffentlichkeit ist die Thidrekssaga seit einigen Jahrzehnten ein Begriff geworden, weil die Publizisten Heinz Ritter-Schaumburg und Reinhard Schmoeckel sie zu Hauptzeugen für eine sagenhistorische Neuinterpretation des Nibelungenstoffs erhoben. In einigen medienwirksamen Veröffentlichungen vertraten sie die These, dass die Thidrekssaga nicht als später Ausläufer der ursprünglich südgermanischen Dietrichsepik, sondern als Bericht von historischen Ereignissen im norddeutschen Raum des 5./6. Jahrhunderts n. Chr. zu gelten habe. Eine wichtige Grundlage für diese Neuinterpretation war eine andere Auslegung der Ortsnamen sowie die Annahme, dass nicht die altnorwegische Thidrek-Sage in der Membrane-Fassung, sondern der kürzere schwedische Sv-Text näher an den nicht erhaltenen Urtexten dieser Sage sei. Dies ließe sich unter anderem daran erkennen, dass die Personennamen in Sv in der niederdeutschen Fassung erhalten seien, in der altnorwegischen Fassung dagegen übersetzt wurden (Siehe auch Quellenlage). Daher habe die Thidrekssaga als historische Quelle für die germanische Frühgeschichte des Rhein-Weser-Raums einen hohen Wert.
Heinrich Beck stimmte 1993 zwar zu, dass das Ortsgerüst der Thidreksaga auf den naiven Leser leicht den Eindruck erweckt, es handle sich hier um einen geschichtlichen Bericht und zwar – eben aufgrund der Ortsnamen – um eine aus dem niederdeutschen Raum. Doch die Thidreksaga sei eben kein historischer Bericht, sondern ein literarischer Text. Und bei der Sagentradition, der oft mündlichen Weitervermittlung geht es dem Übermittler weniger um historische Genauigkeit als vielmehr darum, das zu Übermittelnde an die aktuellen Gegebenheiten von Raum und Zeit anzupassen.
Beispielhaft kann die Problematik der Ortsnamen an der Schlacht von Gränsport (Gronsport) dargestellt werden. Bei der Schlacht von Gronsport an der Mosel (in der Dietrichepik die Rabenschlacht) fallen Attilas Söhne und Thidreks Bruder durch Vidgas Schwert Mimung. Raben ist der alte deutsche Name für Ravenna, wo Theoderich begraben liegt und die deutsche Sage diese ‚Ravennaschlacht’ ansiedelt; Gronsport ist grandis portus, der große Hafen von Ravenna. Nach der Membrane verfolgt Thidrek Vidga „bis dorthin, wo die Mosel ins Meer mündet“ und schießt ihm seinen Speer nach, bevor Vidga im Meer versinkt. Der Speer bleibt stecken, „und jeder, der dorthin kommt, kann ihn heute noch sehen“.
Einige Autoren sind der Meinung, ein großer Teil der Ths (oder ihrer niederdeutschen Vorlagen) übertrage mechanisch südliche Sagenstoffe in nördlichere Gebiete Deutschlands oder auch Dänemark. Dabei bliebe die Umgebung unverändert. Sie sehen in "dorthin" den Ort, an dem die Mosel ins Meer fließt. Sie mündet allerdings in den Rhein. Die (bairische) 'Rabenschlacht' war hier sicher primär; die Lokalisierung der Ths ist sekundär. Daher, so diese Forscher, kann die Ths auch Donau und Rhein ("rin und duna") zusammenfließen lassen, wenn die Nibelungensage nach Westfalen versetzt wird (wofür ein Beweis Markgraf Rodingeir, mittelhochdeutsch Rüdeger von Bechelaren, ist, der bei Pöchlarn schon ca. 40 Jahre vor dem Nibelungenlied, bei Metellus von Tegernsee, als Sagenfigur bezeugt ist). Allerdings gibt es hier keinen Widerspruch, wenn "duna" als "Dhünn" interpretiert wird.[4] Die altschwedische Fassung der Thidrekssaga, die durchweg sachlicher und logischer berichtet und von Heinz Ritter-Schaumburg als die ursprünglichste Version der Sage angesehen wird, kennt diese Widersprüche nicht. Vidga jagt hier lediglich „am Fluß der Moselstrom heißt“ entlang, „sprengte in die Flut und sank gleich unter Wasser“.
Ritter vermutet die ihm zufolge historische Schlacht von Gränsport an der Moselmündung. Gerade die Herstellung stimmiger Versionen wird aber in der Forschung allgemein als Charakteristikum sekundärer Bearbeitungen angesehen. So nimmt man an, dass der Schreiber der altschwedischen Fassung den "Fehler" mit der Moselmündung am Meer ausgebessert hat. Allerdings argumentiert Ritter genau andersherum, dass die anderen Versionen zum Teil Zusätze enthalten, die beim Gedanken an Theoderich den Großen entstanden wären. Demnach wäre die Mündung der Mosel ins Meer eine sekundäre Zufügung, die im Gedanken an die Küstenstadt Ravenna entstand. Primär war Ritter zufolge ein See, der einst im Bereich der Moselmündung gelegen habe, bis das Binger Loch gesprengt wurde.
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Kap. 18 „Sifkas Rache“ (: König Ermanrik schändet in Abwesenheit seines bis dahin getreuen Ratgebers Sifka dessen Frau. Sifka veranlasst den König zuerst, seine Söhne zum Tode zu verurteilen oder in den Tod zu schicken. Danach führt er den Tod der Aumlungen-Neffen herbei. Das Vermögen Vidgas, ihres Stiefvaters, wird vernichtet. Auf Fürsprache Thidreks entschädigt Ermanrik Vidga.
Kap. 19 „Thidreks Flucht“ (7): Sifka hetzt Ermanrik gegen Thidrek auf, Ermanrik zieht gegen Thidrek, Heime verfeindet sich mit Ermanrik, Thidrek flieht erst zu Rodingeir (deutsch: Rüdiger), dann nach Susat zu Attila.
Kap. 20 „Der Wilzensaga dritter Teil“ (25): schildert die Kriegsfahrten Thidreks gegen die Ostländer der Wilzen und Russen.
Kap. 21 „Thidreks Zug gegen Ermanrik“ (26): Thidrek erhält von Attila nach Fürsprache der Königin Erka ein Heer. Sogar die Söhne Attilas werden ihm anvertraut. Es kommt zur Schlacht von Gronsport an der Mosel (in der Dietrichepik die Rabenschlacht; Raben ist der alte deutsche Name für Ravenna, wo Theoderich begraben liegt und die deutsche Sage diese ‚Ravennaschlacht’ ansiedelt). In der Schlacht fällt Herzog Naudung; Attilas Söhne und Thidreks jüngerer Bruder Thether kommen durch Vidgas Mimung zu Tode, worauf dieser von Dietrich verfolgt, aber nicht erreicht wird. Thidrek kehrt glücklos zu Attila zurück. Wieder setzt sich Königin Erka bei Attila für Thidrek ein; er wird von der Schuld für den Tod der Attilasöhne freigesprochen. Königin Erka stirbt. Thidrek dient weiter bei Attila.
Kap. 22 Der nächste Teil der Nibelungensage: „Sigurds Tod“ (7): Lange Zeit war seit den beiden Hochzeiten vergangen, und das Reich der Nibelungen, mit der Hauptstadt Werniza (nach der Meinung der meisten Forscher: Worms am Rhein) herrscht König Gunnar mit seinem Bruder Hogni und seinem Schwager Jung Sigurd. Das Reich floriert vor allem wegen der Stärke und Weisheit Sigurds. Eines Tages betritt Brynhild die Halle, in der schon Grimhild, Sigurds Frau, im Hochsitz sitzt, und verlangt von ihr, diesen zu verlassen, weil er ihr allein gebühre (ein Hochsitz bot zwei bis drei Personen Platz; der Streit geht also allein von Brynhild aus). Grimhild antwortet, das sei der Sitz ihrer Mutter. Da beschimpft Brynhild sie, dass Sigurd hinter einer Hirschkuh hergelaufen sei (eine Anspielung auf Sigurds Jugend im Wald), und daher seine Frau hinter Gunnars Frau zurücktreten müsse. Daraufhin wird sie von Grimhild bloßgestellt, die ihr vor den Anwesenden das Geheimnis von Brynhilds Entjungferung verrät und zum Beweis einen Ring vorzeigt, den Sigurd Brynhild abzog, als er sie überwand. Brynhild ist nicht einmal sonderlich überrascht: sie ahnte, was geschehen war, und fordert Sigurds Ermordung nach dem Streit mit Grimhild nicht, weil Sigurd Gunnar in diesem Punkt geholfen hatte, sondern weil er es Grimhild verraten und damit ihre Schande publik gemacht hatte. Sie klagt Gunnar, Hogni und Gernoz ihr Leid und fordert Sigurds Tod und reizt die Niflungen dadurch gegen ihn auf, dass sie darauf aufmerksam macht, dass Sigurd immer mächtiger wird und ihnen die Herrschaft entreißen könnte. Der Mord braucht keine Requisiten (wie im Nibelungenlied ein auf Siegfrieds Gewand genähtes Kreuzchen): es genügt, dass Hogni Sigurd einen Speer zwischen die Schulterblätter stößt, als der sich auf der zu diesem Zweck inszenierten Jagd auf den Boden legt, um aus einem Bach zu trinken. Die Leiche tragen sie heim und werfen sie Grimhild ins Bett. Sie behaupten, ein Eber hätte ihn auf der Jagd getötet. „Dieser Eber bist du gewesen“, sagt Grimhild Hogni auf den Kopf zu.
Kap. 23 „Hertnidis Kampf mit Isung“ (7): Tod von Fasold und Thetleif – Valtari war schon vor Gronsport gefallen – Thidrek vereinsamt immer mehr.
Kap. 24 „Grimhilds Rache“ (42): In diesem längsten Kapitel der ganzen Saga kommt es zu wesentlich geringeren Abweichungen vom Nibelungenlied als in früheren Abschnitten. Stellenweise merkt man deutlich die Benutzung einer gemeinsamen Vorlage, z. B. dass Oda (Nibelungenlied: Ute) ihren Söhnen vor der Abreise an den Hof Attilas einen warnenden Traum von toten Vögeln erzählt. Es gibt jedoch auch wesentliche Abweichungen beider Werke von ihrer vermuteten gemeinsamen Vorlage. So liegt der Hof Attilas in Susat (= Soest) im heutigen Westfalen, nicht in Ungarn wie im Nibelungenlied. Nach überwiegender Meinung der Forscher änderte hier die Ths, indem sie, wie auch in anderen Sagen, das Geschehen nordwärts verlegte (siehe oben zu 'Ravennaschlacht'). Eine weitere offensichtliche Änderung der ThS ist, dass Gunnar von Osid, einem Neffen Attilas, gefangen genommen und dann, wie in anderen nordischen Versionen der Sage, von Attila in einen Schlangenturm geworfen wird. Der Gunther des Nibelungenliedes wird dagegen von Dietrich von Bern besiegt und an Kriemhild ausgeliefert. Sicherlich die ältere Version bewahrt die ThS dagegen darin, dass Thidrek Grimhild auf Befehl Attilas erschlägt, nicht Hildebrand im Alleingang, wie im Nibelungenlied. Grimhild handelt in der ThS objektiv teuflisch, auch in den Augen des Erzählers, sodass sogar ihr Gatte ihren Tod fordert, während das Nibelungenlied sie teilweise entschuldigt und Hildebrand nicht den Charakter eines ‚objektiven’ Rächers erhält. In der ThS tötet sie nicht Hagen, sondern ihren schwer verletzten Bruder Giselher, indem sie ihm ein brennendes Scheit in den Mund stößt. Attila (entspricht deutsch Etzel) ist goldgierig, wie auch in anderen skandinavischen Dichtungen. Hogni wurde von Thidrek schwer verwundet, lebt aber noch einen ganzen Tag lang, bis er stirbt. In dieser Nacht zeugt er noch einen Sohn und gibt der Frau den Schlüssel zum 'Siegfriedskeller', den sie dem Kind geben soll, wenn es herangewachsen ist. Auch kennt die ThS keinen „Koch“ und daher auch nicht ‚Rumolds Rat’ des Nibelungenliedes.
An einigen Stellen benutzt die Ths (bzw. ihre Quelle) aber anscheinend nicht nur dieselbe Vorlage wie das Nibelungenlied, sondern kennt auch dieses selbst und benutzt es als 'Nebenquelle'. Einige Formulierungen der Ths ähneln nämlich mehr der jüngeren Bearbeitung "C" des Nibelungenliedes als dessen ursprünglicher Fassung.
Kap. 25 „Thidreks Heimkehr“ (: Berichtet wird der Abschied von Attila, die Klage über Rodingeirs Tod, das Treffen mit und der Sieg über Jarl Elsung "von Babilonia". Thidrek erfährt, dass Ermanrik erkrankt ist.
Kap. 26 „Thidreks und Hildibrands Empfang in Bern“ (9): Hildebrand trifft seinen Sohn Alibrand. Nachdem der Vater den Sohn besiegt hat, geben sie sich zu erkennen, Alibrand übergibt Thidrek Bern. Ermanrik stirbt, Sifka will Herrscher werden. Thidrek zieht zur Schlacht gegen Sifka.
Kap. 27 „Thidreks Sieg“ (4): Thidrek siegt in der Schlacht gegen Sifka, Thidrek besteigt den Thron zu Romaburg. Hildebrand und die Königin Herrad sterben.
Kap. 28 „Thidreks Drachenkampf“ (7): König Hernit findet im Kampf gegen einen Drachen den Tod. Seine Frau, wieder eine Isolde, wartet vergebens. Thidrek kann den Drachen besiegen, reitet in Hernits Rüstung nach dessen Burg und heiratet Isolde.
Kap. 29 „Attilas Tod“ (6): Aldrian, Sohn Hagens, wächst an Attilas Hof auf. Seine Mutter informiert ihn über den Tod seines Vaters und übergibt ihm die Schlüssel zum 'Siegfriedskeller'. Aldrian rächt daraufhin den Tod Hognis an Attila, indem er den goldgierigen Attila in den Siegfriedskeller führt und von außen die Tür zuschlägt, sodass Attila bei den Schätzen verhungern muss. Nach Attilas Tod wird Thidrek auch König von Hunenland.
Kap. 30 „Heimirs und Thidreks Ende“ (10): Bericht über dieser beiden letzten Helden Tod.
Heimir wird zum Mönch, tötet als Klosterbruder einen Riesen, der das Kloster bedroht. Davon erfährt Thidrek, holt den einzig noch lebenden der alten Gesellen zu sich und rächt ihn später, indem er einen anderen Riesen tötet, welcher Heimir erschlagen hat. Bald danach wird Thidrek von einem schwarzen Ross aus dem Bad entführt. Das Ross ist zwar der Teufel, doch gelingt es Thidrek noch, Gott und Maria anzurufen, daher kann seine Seele noch gerettet werden. Hier endet die isländische Fassung. In der altschwedischen Überlieferung endet die Erzählung allerdings anders: das schwarze Ross war nicht der Teufel, sondern eine List Didriks, der, ohne dass jemand etwas davon weiß, Wideke Welanssohn (= Vidga Velentssohn) suchen und erschlagen will. Er findet ihn schließlich auf einer Ostseeinsel, besiegt und tötet ihn, erleidet jedoch selbst dabei so große Wunden, dass er auf dem Heimweg in Schwaben an ihnen stirbt. Vor seinem Tod wirft er noch das Schwert Mimung in den größten See von Schwaben. Mit welchem der beiden Schlüsse die norwegische Fassung endete, ist unbekannt, da in der Membran der Schluss fehlt.
Nibelungen und Thidrekssaga
Mehrere, durch andere Erzählungen unterbrochene Episoden der Ths behandeln die Nibelungensage, wobei die Nibelungen hier durchweg Niflungen genannt werden. Einige Episoden erzählen die Geschichte ähnlich wie das deutsche Nibelungenlied, andere Passagen weichen sehr stark von ihm ab. Noch größer sind die Unterschiede der Ths zu den anderen nordischen Fassungen (Liederedda, Snorra Edda, Völsungasaga). So ist Brynhild, die im Nibelungenlied als amazonenhafte Königin aus dem fernen Island dargestellt wird, in der Ths anfangs Herrin über einen Ort Namens Seegard in Schwaben (womit nicht zwingend das heutige Schwaben gemeint sein muss – zu karolingischer Zeit existierte auch ein Svava-Gau in Ostsachsen). Dort hat sie ein berühmtes Gestüt, von dem die Streithengste der berühmtesten Helden kommen; auch das Ross Sigurds (das er von ihr erhält). Zudem wird sie von Sigurd (= Siegfried) entjungfert – im Nibelungenlied hilft Siegfried lediglich König Gunther, die widerspenstige Brünhild in der zweiten Brautnacht zu bezwingen, damit Gunther den Beischlaf mit ihr vollziehen kann. Ganz anders verläuft dies in der übrigen altnordischen Überlieferung: dort wirbt Sigurd in Gunnars (= Gunthers) Gestalt um Brynhild, weil dieser die Hindernisse (Flammenwall) auf dem Weg zu ihr nicht überwinden kann, legt aber in der darauffolgenden Nacht, die er als Hochzeitsnacht mit ihr verbringen muss, sein Schwert zwischen beide, um sie für den Freund jungfräulich zu bewahren.
In der Ths fordert Brynhild Sigurds Tötung, weil Sigurd Grimhild das Geheimnis der Brautnacht verraten hatte. Dass sie mit Gunnar einen geringeren Helden als Sigurd heiraten musste, ist der Grund für ihre Verweigerung in der Hochzeitsnacht.
Unterschiede zur oberdeutschen Dietrichepik
Im Unterschied zur mittelhochdeutschen Dietrichepik wird die Figur Dietrichs in der Thidrekssaga weniger positiv gezeichnet. Sein Zögern, mit Ecke zu kämpfen, scheint eher auf Angst denn – wie im oberdeutschen Eckenlied auf moralisch begründete Bedachtsamkeit gegründet. Siegfried besiegt er zwar – wie im Rosengarten zu Worms, doch nur mit einer List, die es ihm ermöglicht, Vidgas Mimung einzusetzen, einer List, die ihn unfair erscheinen lässt und Siegfried als einen Betrogenen. Demgegenüber ist die Figur des Vidga viel positiver gezeichnet als der in der mittelhochdeutschen Dichtung entsprechende Verräter Wittich. Es spricht auch nach Ansicht mancher nicht für Thidrek, dass er Heime, der sich zeitweise einer Räuberbande anschließt, immer wieder unterstützt, und ihn wieder an den Hof aufnimmt, nachdem er als Räuberhauptmann von Thetlef dem Dänen (im Mittelhochdeutschen: Dietleip von Stîre [Steiermark]) besiegt wurde. Doch kann man darin auch einen Vorzug Thidreks sehen, der seine Gefolgsleute wieder aufnimmt, wenn sie reuig zurückkehren. Dietrich/Thidrek ist das Ideal eines Gefolgsherrn, der sich bedingungslos für seine Gefolgsleute einsetzt. Darauf beruht wesentlich seine Beliebtheit in mittelalterlicher Dichtung. Seine Tragik ist, dass die Rivalität unter den Helden letztlich die Oberhand gewinnt und seine Bemühungen, die Gruppe zusammenzuhalten, scheitern.
Das Motiv des teuflischen schwarzen Rosses, das Thidrek an seinem Ende aus dem Bad entführt, stammt aus der Abneigung der katholischen Kirche gegen den Arianer Theoderich. Es wurde in der deutschen Dietrichdichtung abgeändert, um den vorbildlichen Helden nicht in die Hölle fahren zu lassen; ähnlich in der ThS: in der isländischen Version ruft Thidrek noch Gott und Maria an und kann daher gerettet werden; in der altschwedischen Fassung ist die Entführung durch ein schwarzes Ross nur eine List Didriks, um unerkannt Wideke ausforschen zu können.
Wenngleich die Sage wesentlich weiter südlich beginnt – der Ahnherr Dietrichs, Samson, herrscht in Salerni (altschwedische Fassung: Salerna in Appolii), das meist mit Salerno und Apulien (oder, unwahrscheinlich, Salurn) gleichgesetzt wird, und gewinnt Bern erst später für sich – ist der geographische Schwerpunkt mit Susat (Soest) und den Wilzenkämpfen mehr in den Norden verlagert. Dadurch kommt es zu geographischen Unklarheiten, z. B. in der Episode um den Jarl Iron, dessen Hauptstand Brandinaburg (Brandenburg?) heißt, der aber im benachbarten Valslongu-Wald der "westlich an Frankenland gelegen" war, jagen kann. Jarl Irons Hauptstadt müsste demnach mehr im Westen liegen. Die altschwedische Fassung nennt in diesem Zusammenhang allerdings nur Brandenburg.
Der wesentliche Unterschied liegt in der Form. Eine an der Biographie Dietrich von Berns ausgerichtete Prosaerzählung gibt es weder in der oberdeutschen noch in der niederdeutschen Überlieferung. Sie ist am ehesten mit der ebenfalls altnorwegischen Karlamagnús Saga (13. Jahrhundert), dem französischen Prosa-Lancelot (vermutlich kurz vor der Thidrekssaga, 1. Drittel 13. Jahrhundert) und Sir Thomas Malorys Artusroman Le Morte Darthur (1469–1470 entstanden, 1485 publiziert) zu vergleichen. Die rheinische Karlskompilation Karlmeinet (um 1320) ist ebenfalls später und von geringerer Qualität als die Thidrekssaga und zudem in Versform. Es ist ein Kennzeichen der Übersetzungen deutscher und französischer Werke ins Norwegische des 13. Jahrhunderts, dass die Versform der Vorlagen in Prosa umgewandelt wird.
Struktur der Sage und Rückschluss auf ihre Entstehungsgeschichte
Die Thidrekssaga ähnelt der zeitgleich geschriebenen Karlamagnus saga und der Legandarischen Óláfssaga (um 1200), beide auch altnorwegisch. Entsprechende Belege für eine Erzähltradition im Niederdeutschen fehlen. Das spricht dafür, dass die Thidrekssaga nicht eine Übersetzung eines niederdeutschen Textes ist, sondern am norwegischen Königshof in der Hansestadt Bergen aus niederdeutschen kleineren Formen (eher heldenbuchartigen schriftlichen Prosatexten als Liedern) selbständig entsprechend der entstandenen norwegischen Lebenszyklus-Saga-Tradition komponiert wurde. Zwar werden im niederdeutschen Sprachraum des 13. Jahrhunderts bedeutende Prosawerke wie der Sachsenspiegel und die Sächsische Weltchronik geschaffen, doch gehören diese anderen Literaturgattungen an. Sie zeigen, dass die Prosa im niederdeutschen Sprachraum im Gegensatz zum mittelhochdeutschen Sprachraum als literaturwürdig gilt.
Gegen die These einer selbständigen Entstehung in Norwegen spricht, dass in der Thidrekssaga stellenweise die Spuren direkter Übernahmen aus schriftlichen deutschen Quellen erkennbar sind, etwa wenn die Saga an mehreren Stellen 'Siegfried' statt 'Sigurd' schreibt. Der von Abschnitt zu Abschnitt uneinheitliche Sprachstil und zahlreiche Widersprüche innerhalb des Werkes zeigen, dass ursprünglich voneinander unabhängige Übersetzungen verschiedener, großteils schriftlicher deutscher Texte nachträglich aneinandergefügt wurden, ohne dass der Redaktor sich bemühte, sie zu vereinheitlichen. Manchmal wurde sogar zweimal hintereinander dieselbe Geschichte in widersprüchlicher Form aufgenommen. Gerade das macht die Thidrekssaga so wertvoll für die Sagenforschung, weil sie widersprüchliche Fassungen mehrerer Sagen dokumentiert. Bekannteste Beispiele für widersprüchliche Doppelungen in der Thidrekssaga: der Tod des Wilzenkönigs Osantrix und die 'Abstammung der Niflungen' (= Nibelungen). Die altschwedische Fassung der Thidrekssaga enthält allerdings keine derartig widersprüchlichen Dopplungen.
Klassifizierung der Thidrekssaga
Die Thidrekssaga geht nach allgemeiner Ansicht auf niederdeutsche Quellen, vermutlich altniederdeutsche Lieder zurück, die durch die hansischen Handelsbeziehungen zwischen dem norwegischen Bergen und Deutschland im Mittelalter nach Skandinavien gelangten. Schriftliche, im niederdeutschen Raum vermutete Quellen der Thidrekssaga sind nicht erhalten. Daher gewinnt die Thidrekssaga auch einen Quellenwert für die mündliche Sagenüberlieferung auf deutschem Boden im 12./13. Jahrhundert, etwa in Form des Heldenzeitliedes. Für die germanistische Forschung handelt es sich um ein eigenwilliges Zeugnis, das deutlich von der oberdeutschen mittelhochdeutschen Dietrichepik und dem Nibelungenlied abweicht. Auch die skandinavische Forschung versuchte, sie entweder als Riddarasaga (Rittersage) oder als Fornaldarsaga (Vorzeitsage) zu klassifizieren, obwohl sie keiner der beiden klassischen Genredefinitionen entspricht.
Seit langem ist in der Forschung auch strittig, ob es sich um eine Übersetzung oder um eine Kompilation handelt. Die Übersetzungsthese wird vor allem von deutschen, die Kompilationsthese vor allem von skandinavischen Forschern vertreten. Die Vertreter der Übersetzungshypothese gehen vom Vorhandensein einer bis jetzt nicht gefundenen niederdeutschen Gesamtvorlage aus, die in Norwegen nur übersetzt wurde. Ein bekannter Vertreter dieser Übersetzungsthese ist Heinz Ritter-Schaumburg. Die Anhänger der Kompilationsthese halten über Hanseaten nach Norwegen gelangte mündlich tradierte niederdeutsche Lieder für die Grundlage, die erst in Norwegen selbst zum Gesamtwerk der Thidrekssaga geformt wurden. Dazwischen gibt es vermittelnde Positionen, die vermuten, ein großer Teil der Quellen seien verlorene schriftliche niederdeutsche Texte gewesen; die Endkompilation sei jedoch in Norwegen erfolgt.
Die Erforschung der Struktur der Thidrekssaga zeigt, dass die Thidrekssaga im Gegensatz zu älteren Annahmen keine Kompilation im Sinne von einem kunstlosen ‚Sammelsurium‘ darstellt, sondern einen Strukturplan aufweist, der anderen Groß-Kompilationen aus der gleichen Zeit in Norwegen ähnelt, z. B. der Karlamagnús Saga. Der Anteil der sogenannten hansischen Literaturbeziehungen, konkret der hansischen deutschen Kaufleute in Bergen, wird heute weniger hoch eingeschätzt, da ein Kontor der Hanse erst 100 Jahre nach der vermutlichen Entstehung der Thidrekssaga um 1350 gegründet wurde. Auch die in Bergen gefundenen sich auf die Hanse beziehenden Texte beziehen sich eher auf den Rechtsbereich oder das alltäglichen Leben, weniger auf Literatur. Die Darstellung der Thidrekssaga spricht möglicherweise für eine Entstehung direkt am Königshof von Håkon IV. (Norwegen). Durch eine Rezeption der entsprechenden kontinentalen höfischen Literatur um Thidrek/Dietrich/Theoderich, Karl oder den sagenhaften Artus könnte er beabsichtigt haben, eine Art Reichsidee und damit auch eine Konsolidierung seiner Herrschaft zu fördern.
Thidrekssaga als historische Quelle
Einer breiteren deutschen Öffentlichkeit ist die Thidrekssaga seit einigen Jahrzehnten ein Begriff geworden, weil die Publizisten Heinz Ritter-Schaumburg und Reinhard Schmoeckel sie zu Hauptzeugen für eine sagenhistorische Neuinterpretation des Nibelungenstoffs erhoben. In einigen medienwirksamen Veröffentlichungen vertraten sie die These, dass die Thidrekssaga nicht als später Ausläufer der ursprünglich südgermanischen Dietrichsepik, sondern als Bericht von historischen Ereignissen im norddeutschen Raum des 5./6. Jahrhunderts n. Chr. zu gelten habe. Eine wichtige Grundlage für diese Neuinterpretation war eine andere Auslegung der Ortsnamen sowie die Annahme, dass nicht die altnorwegische Thidrek-Sage in der Membrane-Fassung, sondern der kürzere schwedische Sv-Text näher an den nicht erhaltenen Urtexten dieser Sage sei. Dies ließe sich unter anderem daran erkennen, dass die Personennamen in Sv in der niederdeutschen Fassung erhalten seien, in der altnorwegischen Fassung dagegen übersetzt wurden (Siehe auch Quellenlage). Daher habe die Thidrekssaga als historische Quelle für die germanische Frühgeschichte des Rhein-Weser-Raums einen hohen Wert.
Heinrich Beck stimmte 1993 zwar zu, dass das Ortsgerüst der Thidreksaga auf den naiven Leser leicht den Eindruck erweckt, es handle sich hier um einen geschichtlichen Bericht und zwar – eben aufgrund der Ortsnamen – um eine aus dem niederdeutschen Raum. Doch die Thidreksaga sei eben kein historischer Bericht, sondern ein literarischer Text. Und bei der Sagentradition, der oft mündlichen Weitervermittlung geht es dem Übermittler weniger um historische Genauigkeit als vielmehr darum, das zu Übermittelnde an die aktuellen Gegebenheiten von Raum und Zeit anzupassen.
Beispielhaft kann die Problematik der Ortsnamen an der Schlacht von Gränsport (Gronsport) dargestellt werden. Bei der Schlacht von Gronsport an der Mosel (in der Dietrichepik die Rabenschlacht) fallen Attilas Söhne und Thidreks Bruder durch Vidgas Schwert Mimung. Raben ist der alte deutsche Name für Ravenna, wo Theoderich begraben liegt und die deutsche Sage diese ‚Ravennaschlacht’ ansiedelt; Gronsport ist grandis portus, der große Hafen von Ravenna. Nach der Membrane verfolgt Thidrek Vidga „bis dorthin, wo die Mosel ins Meer mündet“ und schießt ihm seinen Speer nach, bevor Vidga im Meer versinkt. Der Speer bleibt stecken, „und jeder, der dorthin kommt, kann ihn heute noch sehen“.
Einige Autoren sind der Meinung, ein großer Teil der Ths (oder ihrer niederdeutschen Vorlagen) übertrage mechanisch südliche Sagenstoffe in nördlichere Gebiete Deutschlands oder auch Dänemark. Dabei bliebe die Umgebung unverändert. Sie sehen in "dorthin" den Ort, an dem die Mosel ins Meer fließt. Sie mündet allerdings in den Rhein. Die (bairische) 'Rabenschlacht' war hier sicher primär; die Lokalisierung der Ths ist sekundär. Daher, so diese Forscher, kann die Ths auch Donau und Rhein ("rin und duna") zusammenfließen lassen, wenn die Nibelungensage nach Westfalen versetzt wird (wofür ein Beweis Markgraf Rodingeir, mittelhochdeutsch Rüdeger von Bechelaren, ist, der bei Pöchlarn schon ca. 40 Jahre vor dem Nibelungenlied, bei Metellus von Tegernsee, als Sagenfigur bezeugt ist). Allerdings gibt es hier keinen Widerspruch, wenn "duna" als "Dhünn" interpretiert wird.[4] Die altschwedische Fassung der Thidrekssaga, die durchweg sachlicher und logischer berichtet und von Heinz Ritter-Schaumburg als die ursprünglichste Version der Sage angesehen wird, kennt diese Widersprüche nicht. Vidga jagt hier lediglich „am Fluß der Moselstrom heißt“ entlang, „sprengte in die Flut und sank gleich unter Wasser“.
Ritter vermutet die ihm zufolge historische Schlacht von Gränsport an der Moselmündung. Gerade die Herstellung stimmiger Versionen wird aber in der Forschung allgemein als Charakteristikum sekundärer Bearbeitungen angesehen. So nimmt man an, dass der Schreiber der altschwedischen Fassung den "Fehler" mit der Moselmündung am Meer ausgebessert hat. Allerdings argumentiert Ritter genau andersherum, dass die anderen Versionen zum Teil Zusätze enthalten, die beim Gedanken an Theoderich den Großen entstanden wären. Demnach wäre die Mündung der Mosel ins Meer eine sekundäre Zufügung, die im Gedanken an die Küstenstadt Ravenna entstand. Primär war Ritter zufolge ein See, der einst im Bereich der Moselmündung gelegen habe, bis das Binger Loch gesprengt wurde.
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