Universalgelehrter
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Universalgelehrter
Als Universalgelehrter wird ein Gelehrter mit ungewöhnlich vielseitigen Kenntnissen in verschiedenen Gebieten der Wissenschaften bezeichnet. Ein veraltendes Synonym, das vornehmlich mit Bezug auf antike Gelehrte verwendet wird, ist Polyhistor (von altgriechisch πολυΐστωρ polyhístōr „viel wissend, gelehrt“).[1][2]
Leonardo da Vinci,
Selbstbildnis als alter Mann, um 1512; Biblioteca Reale, Turin
Während lat. genius universalis („universaler Geist“) weitgehend dieselbe Bedeutung hat, enthält der moderne Begriff Universalgenie den Aspekt, dass der Gelehrte auf verschiedenen Gebieten außergewöhnliche Leistungen oder geniale Erfindungen hervorgebracht hat.[3]
Geschichte
Gottfried Wilhelm Leibniz,
Porträt von Christoph Bernhard Francke, um 1700; Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Der altägyptische Erfinder und Ratgeber Imhotep gilt als erster namentlich genannter Polyhistor (ca. 2700 v. Chr.). Als Beispiel für einen Polyhistor aus der griechischen Antike lässt sich Aristoteles nennen, dessen Werke bis in die frühe Neuzeit maßgebend waren. In der römischen Antike nennt man Marcus Terentius Varro als wichtigsten Polyhistor.
Beispiele für vielseitige Autoren im arabischen Kulturkreis sind der Syrer Ibn an-Nafis aus dem 13. Jahrhundert, Entdecker des Lungenkreislaufs und Verfasser eines religionsphilosophischen Romans, sowie der Kairiner Gelehrte as-Suyūtī (1445–1505), der in seinem Werk beinahe alle Wissenszweige behandelte, von der Koranauslegung über Fiqh, Hadith-Wissenschaft, Literatur, Lexikographie, Geschichte, Geographie, bis hin zu Pharmazie und Erotica.
Albertus Magnus, der Aristoteles wieder im Abendland bekannt machte, war ein mittelalterlicher christlicher Universalgelehrter. Er war nicht nur Theologe und Philosoph, sondern in sämtlichen Bereichen der Naturforschung gebildet.
Als Inbegriff des Universalgenies gilt zweifelsohne Leonardo da Vinci. Im Reformationszeitalter ist Philipp Melanchthon eine Gestalt, die für ihr vielseitiges Wissen bekannt wurde. Berühmtes Beispiel eines barocken Universalgelehrten ist Gottfried Wilhelm Leibniz sowie sein Zeitgenosse Isaac Newton. Auch Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt und Rabindranath Tagore werden in einigen Quellen als Universalgenies bezeichnet.
Seit dem 19. Jahrhundert ging die Zahl der Universalgelehrten zurück, weil das Wissen der Fachgebiete in gewaltigem Ausmaß zunahm. Heutzutage ist es den Gelehrten kaum mehr möglich, auch nur das Wissen einer einzigen Disziplin wie Geschichte oder Mathematik vollständig zu überblicken. Die Wissenschaft ist von einer immer stärkeren Spezialisierung der Fachgebiete und der Fachleute geprägt. Aus diesem Grund gibt es heute keine Universalgelehrten im ursprünglichen Sinne. Man spricht heute eher von Universalisten oder Generalisten – Menschen, die sehr vielseitig interessiert oder auf vielen Gebieten tätig sind.[4]
Zitate
In dem Gedicht Der Polyhistor[5] stellt der fromme Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) einen stolzen Polyhistor einem Mann ohne Bildung gegenüber, der demütig auftritt. Beide stehen als Schatten „an jenem Fluß, zu dem wir alle müssen“, und warten darauf, dass Charon sie ans andere Ufer bringt. Der eitle Polyhistor lacht den einfachen Mann aus und will sich vordrängeln. Doch Charon erkennt, welcher von beiden der Kluge ist:
»Zurück!« rief Charon ziemlich hart,
»Ich muß zuerst den Klugen überfahren,
Kaum einer kömmt in hundert Jahren;
Allein an Leuten Eurer Art,
Die stolze Polyhistor waren,
Hab ich mich schon bald lahm gefahren.«
Der österreichische Kulturphilosoph Franz Martin Wimmer resümiert:
„In der Polyhistorie ist das Ideal der Umfassendheit vor allem wirksam geworden: alles, was geschrieben ist, findet ihr Interesse, ihr Gegenstand ist die res literaria als solche. Der Polyhistor bibliographiert und rezensiert, und was er veröffentlicht, ist eine möglichst umfassende kommentierte Bibliographie. Solche Bücher, nach Disziplinen geordnete Werkverzeichnisse, erscheinen schon ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Der bedeutendste Polyhistor des 17. Jahrhunderts, Daniel Georg Morhof (1639–1691) schafft in seinem ‚Polyhistor literarius, philosophicus et practicus‘ die Voraussetzung für die Weltgeschichten der Philosophie, die im 18. Jahrhundert entstehen.“[6]
Siehe auch
Universalmensch
Quzelle - Literatur & Einzelnachweise
Leonardo da Vinci,
Selbstbildnis als alter Mann, um 1512; Biblioteca Reale, Turin
Während lat. genius universalis („universaler Geist“) weitgehend dieselbe Bedeutung hat, enthält der moderne Begriff Universalgenie den Aspekt, dass der Gelehrte auf verschiedenen Gebieten außergewöhnliche Leistungen oder geniale Erfindungen hervorgebracht hat.[3]
Geschichte
Gottfried Wilhelm Leibniz,
Porträt von Christoph Bernhard Francke, um 1700; Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Der altägyptische Erfinder und Ratgeber Imhotep gilt als erster namentlich genannter Polyhistor (ca. 2700 v. Chr.). Als Beispiel für einen Polyhistor aus der griechischen Antike lässt sich Aristoteles nennen, dessen Werke bis in die frühe Neuzeit maßgebend waren. In der römischen Antike nennt man Marcus Terentius Varro als wichtigsten Polyhistor.
Beispiele für vielseitige Autoren im arabischen Kulturkreis sind der Syrer Ibn an-Nafis aus dem 13. Jahrhundert, Entdecker des Lungenkreislaufs und Verfasser eines religionsphilosophischen Romans, sowie der Kairiner Gelehrte as-Suyūtī (1445–1505), der in seinem Werk beinahe alle Wissenszweige behandelte, von der Koranauslegung über Fiqh, Hadith-Wissenschaft, Literatur, Lexikographie, Geschichte, Geographie, bis hin zu Pharmazie und Erotica.
Albertus Magnus, der Aristoteles wieder im Abendland bekannt machte, war ein mittelalterlicher christlicher Universalgelehrter. Er war nicht nur Theologe und Philosoph, sondern in sämtlichen Bereichen der Naturforschung gebildet.
Als Inbegriff des Universalgenies gilt zweifelsohne Leonardo da Vinci. Im Reformationszeitalter ist Philipp Melanchthon eine Gestalt, die für ihr vielseitiges Wissen bekannt wurde. Berühmtes Beispiel eines barocken Universalgelehrten ist Gottfried Wilhelm Leibniz sowie sein Zeitgenosse Isaac Newton. Auch Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt und Rabindranath Tagore werden in einigen Quellen als Universalgenies bezeichnet.
Seit dem 19. Jahrhundert ging die Zahl der Universalgelehrten zurück, weil das Wissen der Fachgebiete in gewaltigem Ausmaß zunahm. Heutzutage ist es den Gelehrten kaum mehr möglich, auch nur das Wissen einer einzigen Disziplin wie Geschichte oder Mathematik vollständig zu überblicken. Die Wissenschaft ist von einer immer stärkeren Spezialisierung der Fachgebiete und der Fachleute geprägt. Aus diesem Grund gibt es heute keine Universalgelehrten im ursprünglichen Sinne. Man spricht heute eher von Universalisten oder Generalisten – Menschen, die sehr vielseitig interessiert oder auf vielen Gebieten tätig sind.[4]
Zitate
In dem Gedicht Der Polyhistor[5] stellt der fromme Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) einen stolzen Polyhistor einem Mann ohne Bildung gegenüber, der demütig auftritt. Beide stehen als Schatten „an jenem Fluß, zu dem wir alle müssen“, und warten darauf, dass Charon sie ans andere Ufer bringt. Der eitle Polyhistor lacht den einfachen Mann aus und will sich vordrängeln. Doch Charon erkennt, welcher von beiden der Kluge ist:
»Zurück!« rief Charon ziemlich hart,
»Ich muß zuerst den Klugen überfahren,
Kaum einer kömmt in hundert Jahren;
Allein an Leuten Eurer Art,
Die stolze Polyhistor waren,
Hab ich mich schon bald lahm gefahren.«
Der österreichische Kulturphilosoph Franz Martin Wimmer resümiert:
„In der Polyhistorie ist das Ideal der Umfassendheit vor allem wirksam geworden: alles, was geschrieben ist, findet ihr Interesse, ihr Gegenstand ist die res literaria als solche. Der Polyhistor bibliographiert und rezensiert, und was er veröffentlicht, ist eine möglichst umfassende kommentierte Bibliographie. Solche Bücher, nach Disziplinen geordnete Werkverzeichnisse, erscheinen schon ab der Mitte des 16. Jahrhunderts. Der bedeutendste Polyhistor des 17. Jahrhunderts, Daniel Georg Morhof (1639–1691) schafft in seinem ‚Polyhistor literarius, philosophicus et practicus‘ die Voraussetzung für die Weltgeschichten der Philosophie, die im 18. Jahrhundert entstehen.“[6]
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