Wilh. Werhahn KG
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Wilh. Werhahn KG
Die Wilh. Werhahn KG ist ein in Familienbesitz gehaltener Mischkonzern mit Sitz in Neuss, welcher auf Wilhelm Werhahn zurückgeht.
Wilh. Werhahn KG
Rechtsform KG
Sitz Neuss
Leitung Anton Werhahn
Mitarbeiter 9.189 (2011)
Umsatz 2,9 Milliarden EUR (2011)
Branche Baustoffe, Schneidwaren, Mehl, Backmittel, Immobilien, Finanzdienstleistungen
Website Werhahn Gruppe
Geschichte
Entstanden war die heutige Unternehmensgruppe um zahlreiche Öl- und Getreidemühlen und einen Land- und Holzhandel, die im 19. Jahrhundert durch Peter Wilhelm Werhahn und dann durch dessen Sohn Peter Werhahn geführt wurden.
Nach dem Tode Peter Werhahns führte Wilhelm Werhahn das Familienunternehmen erfolgreich fort: Unter seiner Leitung steuerte das Familienunternehmen erfolgreich durch die Hyperinflation von 1923. Da die Familie Werhahn einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in ausgedehntem Immobilienbesitz in Neuss, Köln, Berlin und dem Ruhrgebiet unterhielt, verloren sie – anders als andere Familienunternehmen – auch während der Weltwirtschaftskrise nichts von ihrem Standing. Die Wicküler-Küpper Brauerei, damals noch in Wuppertal, wurde während Werhahns Zeit an der Spitze des Familienkonzerns erworben und unter der Leitung des Managers Henry Reichert innerhalb von 10 Jahren von einer nur mäßig florierenden Regionalbrauerei zu einer der erfolgreichsten Großbrauereien ausgebaut. Wicküler war auch an der Münchener Löwenbräu mit 25 % beteiligt. An der Berliner Schultheiss-Brauerei und der Dortmunder Union-Brauerei hielten die Werhahns eine so große Beteiligung, dass sie ein Aufsichtsratmandat erhielten.[3] Brauereien benötigen Getreide, mit dem der Neusser Konzern traditionell ebenso handelt wie mit Holz, aus dem für Brauereien traditionell Fässer und Gaststättenmobiliar hergestellt wurden. Da Brauereien gleichzeitig gegenüber Gastwirten seit alters her eine den Banken nahezu gleichbedeutende Stellung einnehmen (sie lassen im Gegenzug Hypotheken auf Gastwirtschaften eintragen), indem sie nicht allein die Gastwirtschaften auf Kredit beliefern, sondern nicht selten dem Gastwirt das gesamte Mobiliar finanzieren und gegenüber dem Hauseigentümer als Mieter auftreten, geriet dieser nahezu krisensichere Sektor der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in das Visier Wilhelm Werhahns. Auch die Gaststätten- und Hotelbetriebsgesellschaft mbH gehörte zu den Wicküler-Töchtern.[3]
Ähnliche Interessen dürften die Werhahns auch mit der Grundstücksverwertung Meierei C. Bolle verbunden haben, die aus der traditionellen Berliner Großmolkerei Bolle hervorging und die spätere Berliner Lebensmittelsupermarktkette Bolle betrieb. Es war vor allem Wilhelm Werhahn, der den Ausbau des Familienkonzerns im Einzelhandelsbereich durch die Feinkostkette Schade & Füllgrabe mit 100 Filialen im Rhein-Main-Gebiet und die Supermarktkette Georg Schätzlein im Ruhrgebiet betrieb. Auch im Hamburger Raum betrieben die Werhahns Großraumläden.[4] Ergänzt wurde das Einzelhandelsimperium durch die Ladenbaufirma Hansa-Kontor Außenhandel GmbH, die sich damals auch mit dem Import von Teppichen beschäftigte. Dieses Geschäftsfeld wurde zum 1. Januar 2008 an die schwedische ITAB-Gruppe verkauft. Auch an der Neusser Lagerhausgesellschaft und der Gesellschaft für Buchdruckerei AG in Neuss, der auch Anteile an der Rheinischen Post in Düsseldorf gehörten, war und ist die Neusser Unternehmerfamilie beteiligt.[5]
Als während des Dritten Reiches ein Mitglied der Familie Werhahn „bei den Nazis mitmachte“, wurde er noch während der Diktatur von den übrigen ausbezahlt und war von da an aus dem Familienunternehmen ausgeschlossen.[6] Als die Nazis 1939 den Finanzdezernenten der Provinz Kassel, Franz-Josef Wuermeling feuerten, übernahmen die Werhahns ihn als Vorstandsmitglied der Linzer Basalt AG. Noch vor Kriegsende begann Wilhelm Werhahn mit den amerikanischen Besatzern über den Wiederaufbau der Neusser IHK zu verhandeln.[7]
Im Zuge der Arisierung erwarben Hermann und Wilhelm Werhahn im Januar 1936 von den Brüdern Wilhelm und Hugo Cohen die Rheinischen Mühlenwerke in Duisburg, an die heute nur noch die ehemalige Werhahnmühle erinnert, in der heute das Explorado Kindermuseum untergebracht ist. Die Werhahns ließen daraufhin 1938 für die Rheinischen Mühlenwerke Werhahn im Duisburger Hafen ein 11stöckiges Silo errichten, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde.[8] Heute bilden die Mühle Georg Plange KG mit der Marke Diamant Mehl in Neuss und die Pfälzischen Mühlenwerke in Mannheim mit der Marke Goldpuder gemeinsam mit den Unternehmen Diamant Österreich, Dresdener Mühle, Langhorst Wassermühle, die Braunschweiger Mühle Rüningen und der Kyllburger (Eifel) Nikolaus Zahnen & Sohn GmbH und Co. die Werhahn-Mühlen KG.[9][10]
Das Neusser Familienunternehmen unterhielt bereits seit langem auch beträchtliche Interessen im Braunkohlebergbau und -handel, waren die Gruben doch jahrzehntelang einer der wichtigsten Verbraucher von Holz. Die Horremer Brikettfabrik wurde jahrelang als Betriebsabteilung der OHG Wilh. Werhahn geführt.[11] Daneben waren die Werhahns noch an der GmbH Wachtberg I Braunkohlenwerke und der Clarenberg AG für Kohlen- und Tonindustrie in Frechen beteiligt[12] und betrieben über die Berliner F.A. Meier & Co sowie die Kölner Schunck & Dreschmann KG einen ausgedehnten Kohlenhandel.[13] Wilhelm Werhahn stärkte die Stellung des Familienunternehmens auf dem Kohlensektor.[14] Doch die ostdeutschen Zechen in Senftenberg, Tröbitz und Meurostollen wurden zugunsten eines Volkseigenen Betriebs enteignet [15]. Jedoch durch ihr weitgestreutes Eigentum an 177 Mutungsfeldern im Rheinischen Braunkohlenrevier Anfang der 1960er Jahre verfügte Werhahn über den Schlüssel zum Erfolg der RWE-Tochter Rheinbraun [16]. Folgerichtig saß Wilhelm Werhahn auch 1967 für die mit ca. 10 % größten privaten Anteilseigner beim Mutterkonzern RWE im Aufsichtsrat, den er über viele Jahre führte [17]. 1956 verkaufte Werhahn die Gewerkschaft Elwerath an den Eschweiler Bergwerksverein. Er engagierte sich auch für die Elektrifizierung der Eisenbahn [18], was dem Stromabsatz beim RWE sicherlich förderlich war. Die Verbundenheit der Werhahn mit dem RWE ist sicherlich auch daran abzulesen, dass noch heute ein Mitglied der Familie, Dr. Michael Werhahn im Aufsichtsrat die Interessen der Familie wahrt [19] und Enkel Wilhelm Werhahn 1998 im Vorstand der Lausitzer Braunkohle AG und der Lahmeyer AG saß [20]. Lange Zeit unterhielten die Neusser auch große Anteile an einem anderen wichtigen Kohlekunden: dem Dortmunder Hoesch-Konzern[21] , der den Bergbau mit erheblichen Mengen von Stahlprodukten versorgte.
Ende der 1950er Jahre war Werhahn Präsident des Aufsichtsrats der Heinrich Bergbau AG in Essen-Kupferdreh, die zu diesem Zeitpunkt über vier Zechen verfügte und an der die Familie Werhahn etwa 15 % des Aktienkapitals hielt. Alle übrigen Gesellschafter waren Kleinaktionäre. Die Heinrich Bergbau AG verfügte über ein Gesellschaftskapital von DM 15 Mio., von dem sie auf eindringliche Empfehlung Werhahns gegen den Widerstand von Mitaktionären DM 14 Mio. in die Modernisierung ihrer Schachtanlage „Alter Hellweg“ und den Bau einer neuen in Unna-Massen namens „Heide“ steckte. Da die Zechen seit der aufwendigen Modernisierung noch unrentabler als zuvor arbeiteten, wurde der vergebliche Versuch eines Verkaufs unternommen, bevor die beiden Schachtanlagen im Sommer 1961 endgültig stillgelegt wurden [22]. Da die Heinrich Bergbau AG daraufhin einen erheblichen Verlust einfuhr, verloren 2.000 der einstmals 6.000 bei Heinrich beschäftigten Bergleute ihren Arbeitsplatz und der Kurs der Aktie fiel, woraufhin viele Kleinaktionäre ihre Aktien verkauften und Werhahn seinen Aufsichtsratsvorsitz zur Verfügung stellte. Allerdings erhöhte die OHG Wilh. Werhahn zusammen mit der Commerzbank nach und nach bei fallenden Kursen ihren Anteil bis 1967 auf über 50 % des Aktienkapitals [23]. Da die Heinrich Bergbau AG sich jedoch unter ihrem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, Wilhelm Werhahns Neffen Dr. Peter C. Werhahn auf den Verkauf von Anthrazit-Hausbrandkohle und das Pressen von Steinkohlenbriketts konzentrierte, konnte sie ihre Krise bald überwinden und ihren Kurs bis 1967 trotz der einsetzenden Krise des Ruhrbergbaus verdreifachen. Aus der Heinrich Bergbau AG wurde zwischenzeitlich die Heinrich Industrie- und Handels AG, an der die Neusser Unternehmerfamilie mit mehr als 51 % beteiligt ist. Unter dem Geschäftsbereich Heinrich Industrie betreibt die Werhahn-Gruppe heute die Hersteller von Elektronikbauteilen und Sicherungen Wilhelm Pudenz GmbH in Dünsen, die Efen GmbH in Eltville am Rhein und Wickmann-Werke GmbH in Witten.
Profiteur der einsamen Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Heinrich Bergbau AG war die Kölner Strabag Bau AG, die die Schachtanlage „Heide“ errichtete und mit einigen Tochterunternehmen einen Teil des dafür erforderlichen Materials lieferte. Die bergbautechnische Ausrüstung lieferten Unternehmen, die zur Grevenbroicher Bau-Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG gehörten [24]. An beiden Konzernen war die Familie Werhahn lange Zeit maßgeblich beteiligt. 1974 verkaufte sie 75 % der Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG an die Krupp Industrietechnik Rheinhausen, der ein Jahr später die restliche Beteiligung folgte. Am Ende des ostdeutschen Baubooms rechtzeitig vor der Krise in der Baubranche trennte sich die Werhahn-Bank und die Schunck & Dreschmann GmbH & Co KG 1998 auch von ihrer Beteiligung an der international tätigen Kölner Strabag AG. Die Kölner Strabag war bei ihren Straßenbau-, Flughafenbau- und Eisenbahnbauprojekten wichtiger Kunde einer anderen Werhahn Gesellschaft, der Basalt AG aus Linz am Rhein, die lange Zeit als Muttergesellschaft der Strabag und zwölf weiterer Gesellschaften fungierte und heute als Muttergesellschaft für große Teile der Asphaltmischwerke in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Dass die Partnerschaft zwischen Strabag und Werhahn auch heute noch funktioniert, wurde 2002 deutlich: Als die Tochter der insolventen Frankfurter Philipp Holzmann AG, die Neu-Isenburger Deutsche Asphalt GmbH zum Verkauf anstand, bemühten sich beide Unternehmen gemeinsam um deren Übernahme [25].
Das Handelsblatt beleuchtete einmal die Dividendenpolitik der von Werhahn kontrollierten Unternehmen folgendermaßen: „Die 8 % Dividenden (1963) bei Buckau bedeutet, dass die Gesellschaft nichts von ihren eigenen Erträgen an ihre Aktionäre auszahlte. Sie leitete damit nur ihre Beteiligungserträge weiter. Besonders extreme Thesaurierungspolitik betrieb die Strabag: Die ertragsabhängigen Steuern betrugen das Elffache des ausgewiesenen Gewinns! Und bei Wicküler erreichte dieser Posten das Vierfache... Demnach wird auch künftig das Rezept für den Anleger bleiben: An Gesellschaften, bei denen Werhahns Großaktionäre sind, sollte sich nur der beteiligen, der mit Vermögenszuwachs mehr als mit Dividenden rechnet.“ [21] . Zu den legendären Kennzeichen der Werhahn-Familie, insbesondere zu Wilhelm Werhahns persönlichen Charakterzügen gehörten die extreme Sparsamkeit, die dank der zahllos kursierenden Anekdoten auch als Geiz angesehen werden kann und die extreme Verschwiegenheit. Obwohl Wilhelm Werhahn zeitlebens in einem Atemzug mit dem Bankier der Deutschen Bank Hermann Josef Abs und dem Privatbankier Baron Friedrich Carl von Oppenheim genannt wurde, gaben die von Werhahn beherrschten Unternehmen bei seinem Ableben für die zahlreichen Traueranzeigen etwa das Fünfundachtzigfache dessen aus, das die ausgedehnte Familie samt angeheiratetem Bundeskanzler dafür verausgabten [24].
Unternehmen heute
Der traditionelle Holzhandel der Werhahns befindet sich inzwischen nicht mehr am Neusser Hafen, wo er jahrzehntelang den Abschluss eines wichtigen innerstädtischen Straßenausbaus verhinderte. Die Familie Werhahn hat die traditionelle Diskretion etwas gelüftet, da das Familienunternehmen inzwischen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde und den üblichen Publizitätsregeln unterliegt. Die Familie gab sich einen modernen Gesellschaftsvertrag, der mit der Tradition aufräumte, dass jeder Familienstamm ein Mitglied in den Vorstand entsenden kann [26].
Mittlerweile hat sich Werhahn aus den meisten Beteiligungen im Kohlen- und Einzelhandel und der Braunkohle ebenso zurückgezogen, wie sie im Bankensektor und auch bei den Brauereien ein Desinvestment vorgenommen hat. Neu hinzugekommen sind im Wesentlichen der Solinger Schneidwarenhersteller Zwilling J. A. Henckels. Daneben betreibt der Familienkonzern mit der auf Schieferprodukte spezialisierten Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme ZN neben der Basalt AG ein weiteres traditionsreiches Unternehmen im Baustoffbereich. Durch die Übernahme der Preusse Bauholding im August 2005, deren Hoch- und Tiefbaugeschäft der Strabag im März 2006 verkauft wurde, expandierte die Gruppe weiter im Bereich Asphaltmischwerke [27]. Mit der Potsdamer Märkischen Bau Union (MBU) engagiert sie sich ebenfalls weiterhin auf dem Sektor schlüsselfertige Wohn- und Gewerbebauten und Bausanierung. Gleichzeitig expandiert der Konzern weiterhin im Bereich Mehl sowie Zutaten und Enzyme für Backmittel[28].
Als unabhängiges Kreditinstitut der Wilh. Werhahn KG ist die abcbank auf die Refinanzierung von Forderungen aus dem Leasing- und Factoringgeschäft der abcfinance spezialisiert. [29] Daneben besitzt Werhahn mit der Bank11 für Privatkunden und Handel GmbH eine Teilzahlungsbank.[30] Diese übernimmt die C&A Money Bank zum 1. September 2013. Diese Direktbank firmiert als Bank11direkt mit Sitz in Neuss. [31]
Der Familienkonzern schrieb per Saldo seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Verlust. Häufig wurde nur ein Drittel des Jahresüberschusses ausgeschüttet und die Thesaurierungspolitik Wilhelm Werhahns weitgehend fortgesetzt [32]. Der Umsatz der Holding Wilh. Werhahn KG schrumpfte von 2,006 Mrd. EUR (2001) auf 1,645 Mrd. (2004) [33] mit einem Auslandsanteil von 27 % und einer Eigenkapitalquote von 76 %. Sie kündigte eine Expansion nach Osteuropa und Asien an [34]. 7.520 Menschen wurden 2003 in den etwa 130 Unternehmen des Mischkonzerns beschäftigt. Im Februar 2001 übernahm der nicht zur Familie gehörende Norbert Wiemers vom Darmstädter Plexiglashersteller Röhm als persönlich haftender Gesellschafter den Vorsitz im Familienunternehmen [35]. Doch schon im November 2005 löste ihn ein Repräsentant der drei Werhahn-Stämme in fünfter Generation, Anton Werhahn, als Vorstandssprecher wieder ab [36]. Anton Werhahn ist mit der Tochter des Iphöfer Gipsmilliardärs Nikolaus Knauf verheiratet [37]. Der 1939 geborene Enkel Wilhelm Werhahn, der bis zum 31. Januar 2003 neben Michael Werhahn dem Vorstand der Holding angehörte, ist inzwischen vom Stellvertretenden Vorsitzenden der IHK Mittlerer Niederrhein zu deren Vorsitzenden aufgerückt.
Quelle
Wilh. Werhahn KG
Rechtsform KG
Sitz Neuss
Leitung Anton Werhahn
Mitarbeiter 9.189 (2011)
Umsatz 2,9 Milliarden EUR (2011)
Branche Baustoffe, Schneidwaren, Mehl, Backmittel, Immobilien, Finanzdienstleistungen
Website Werhahn Gruppe
Geschichte
Entstanden war die heutige Unternehmensgruppe um zahlreiche Öl- und Getreidemühlen und einen Land- und Holzhandel, die im 19. Jahrhundert durch Peter Wilhelm Werhahn und dann durch dessen Sohn Peter Werhahn geführt wurden.
Nach dem Tode Peter Werhahns führte Wilhelm Werhahn das Familienunternehmen erfolgreich fort: Unter seiner Leitung steuerte das Familienunternehmen erfolgreich durch die Hyperinflation von 1923. Da die Familie Werhahn einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in ausgedehntem Immobilienbesitz in Neuss, Köln, Berlin und dem Ruhrgebiet unterhielt, verloren sie – anders als andere Familienunternehmen – auch während der Weltwirtschaftskrise nichts von ihrem Standing. Die Wicküler-Küpper Brauerei, damals noch in Wuppertal, wurde während Werhahns Zeit an der Spitze des Familienkonzerns erworben und unter der Leitung des Managers Henry Reichert innerhalb von 10 Jahren von einer nur mäßig florierenden Regionalbrauerei zu einer der erfolgreichsten Großbrauereien ausgebaut. Wicküler war auch an der Münchener Löwenbräu mit 25 % beteiligt. An der Berliner Schultheiss-Brauerei und der Dortmunder Union-Brauerei hielten die Werhahns eine so große Beteiligung, dass sie ein Aufsichtsratmandat erhielten.[3] Brauereien benötigen Getreide, mit dem der Neusser Konzern traditionell ebenso handelt wie mit Holz, aus dem für Brauereien traditionell Fässer und Gaststättenmobiliar hergestellt wurden. Da Brauereien gleichzeitig gegenüber Gastwirten seit alters her eine den Banken nahezu gleichbedeutende Stellung einnehmen (sie lassen im Gegenzug Hypotheken auf Gastwirtschaften eintragen), indem sie nicht allein die Gastwirtschaften auf Kredit beliefern, sondern nicht selten dem Gastwirt das gesamte Mobiliar finanzieren und gegenüber dem Hauseigentümer als Mieter auftreten, geriet dieser nahezu krisensichere Sektor der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in das Visier Wilhelm Werhahns. Auch die Gaststätten- und Hotelbetriebsgesellschaft mbH gehörte zu den Wicküler-Töchtern.[3]
Ähnliche Interessen dürften die Werhahns auch mit der Grundstücksverwertung Meierei C. Bolle verbunden haben, die aus der traditionellen Berliner Großmolkerei Bolle hervorging und die spätere Berliner Lebensmittelsupermarktkette Bolle betrieb. Es war vor allem Wilhelm Werhahn, der den Ausbau des Familienkonzerns im Einzelhandelsbereich durch die Feinkostkette Schade & Füllgrabe mit 100 Filialen im Rhein-Main-Gebiet und die Supermarktkette Georg Schätzlein im Ruhrgebiet betrieb. Auch im Hamburger Raum betrieben die Werhahns Großraumläden.[4] Ergänzt wurde das Einzelhandelsimperium durch die Ladenbaufirma Hansa-Kontor Außenhandel GmbH, die sich damals auch mit dem Import von Teppichen beschäftigte. Dieses Geschäftsfeld wurde zum 1. Januar 2008 an die schwedische ITAB-Gruppe verkauft. Auch an der Neusser Lagerhausgesellschaft und der Gesellschaft für Buchdruckerei AG in Neuss, der auch Anteile an der Rheinischen Post in Düsseldorf gehörten, war und ist die Neusser Unternehmerfamilie beteiligt.[5]
Als während des Dritten Reiches ein Mitglied der Familie Werhahn „bei den Nazis mitmachte“, wurde er noch während der Diktatur von den übrigen ausbezahlt und war von da an aus dem Familienunternehmen ausgeschlossen.[6] Als die Nazis 1939 den Finanzdezernenten der Provinz Kassel, Franz-Josef Wuermeling feuerten, übernahmen die Werhahns ihn als Vorstandsmitglied der Linzer Basalt AG. Noch vor Kriegsende begann Wilhelm Werhahn mit den amerikanischen Besatzern über den Wiederaufbau der Neusser IHK zu verhandeln.[7]
Im Zuge der Arisierung erwarben Hermann und Wilhelm Werhahn im Januar 1936 von den Brüdern Wilhelm und Hugo Cohen die Rheinischen Mühlenwerke in Duisburg, an die heute nur noch die ehemalige Werhahnmühle erinnert, in der heute das Explorado Kindermuseum untergebracht ist. Die Werhahns ließen daraufhin 1938 für die Rheinischen Mühlenwerke Werhahn im Duisburger Hafen ein 11stöckiges Silo errichten, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde.[8] Heute bilden die Mühle Georg Plange KG mit der Marke Diamant Mehl in Neuss und die Pfälzischen Mühlenwerke in Mannheim mit der Marke Goldpuder gemeinsam mit den Unternehmen Diamant Österreich, Dresdener Mühle, Langhorst Wassermühle, die Braunschweiger Mühle Rüningen und der Kyllburger (Eifel) Nikolaus Zahnen & Sohn GmbH und Co. die Werhahn-Mühlen KG.[9][10]
Das Neusser Familienunternehmen unterhielt bereits seit langem auch beträchtliche Interessen im Braunkohlebergbau und -handel, waren die Gruben doch jahrzehntelang einer der wichtigsten Verbraucher von Holz. Die Horremer Brikettfabrik wurde jahrelang als Betriebsabteilung der OHG Wilh. Werhahn geführt.[11] Daneben waren die Werhahns noch an der GmbH Wachtberg I Braunkohlenwerke und der Clarenberg AG für Kohlen- und Tonindustrie in Frechen beteiligt[12] und betrieben über die Berliner F.A. Meier & Co sowie die Kölner Schunck & Dreschmann KG einen ausgedehnten Kohlenhandel.[13] Wilhelm Werhahn stärkte die Stellung des Familienunternehmens auf dem Kohlensektor.[14] Doch die ostdeutschen Zechen in Senftenberg, Tröbitz und Meurostollen wurden zugunsten eines Volkseigenen Betriebs enteignet [15]. Jedoch durch ihr weitgestreutes Eigentum an 177 Mutungsfeldern im Rheinischen Braunkohlenrevier Anfang der 1960er Jahre verfügte Werhahn über den Schlüssel zum Erfolg der RWE-Tochter Rheinbraun [16]. Folgerichtig saß Wilhelm Werhahn auch 1967 für die mit ca. 10 % größten privaten Anteilseigner beim Mutterkonzern RWE im Aufsichtsrat, den er über viele Jahre führte [17]. 1956 verkaufte Werhahn die Gewerkschaft Elwerath an den Eschweiler Bergwerksverein. Er engagierte sich auch für die Elektrifizierung der Eisenbahn [18], was dem Stromabsatz beim RWE sicherlich förderlich war. Die Verbundenheit der Werhahn mit dem RWE ist sicherlich auch daran abzulesen, dass noch heute ein Mitglied der Familie, Dr. Michael Werhahn im Aufsichtsrat die Interessen der Familie wahrt [19] und Enkel Wilhelm Werhahn 1998 im Vorstand der Lausitzer Braunkohle AG und der Lahmeyer AG saß [20]. Lange Zeit unterhielten die Neusser auch große Anteile an einem anderen wichtigen Kohlekunden: dem Dortmunder Hoesch-Konzern[21] , der den Bergbau mit erheblichen Mengen von Stahlprodukten versorgte.
Ende der 1950er Jahre war Werhahn Präsident des Aufsichtsrats der Heinrich Bergbau AG in Essen-Kupferdreh, die zu diesem Zeitpunkt über vier Zechen verfügte und an der die Familie Werhahn etwa 15 % des Aktienkapitals hielt. Alle übrigen Gesellschafter waren Kleinaktionäre. Die Heinrich Bergbau AG verfügte über ein Gesellschaftskapital von DM 15 Mio., von dem sie auf eindringliche Empfehlung Werhahns gegen den Widerstand von Mitaktionären DM 14 Mio. in die Modernisierung ihrer Schachtanlage „Alter Hellweg“ und den Bau einer neuen in Unna-Massen namens „Heide“ steckte. Da die Zechen seit der aufwendigen Modernisierung noch unrentabler als zuvor arbeiteten, wurde der vergebliche Versuch eines Verkaufs unternommen, bevor die beiden Schachtanlagen im Sommer 1961 endgültig stillgelegt wurden [22]. Da die Heinrich Bergbau AG daraufhin einen erheblichen Verlust einfuhr, verloren 2.000 der einstmals 6.000 bei Heinrich beschäftigten Bergleute ihren Arbeitsplatz und der Kurs der Aktie fiel, woraufhin viele Kleinaktionäre ihre Aktien verkauften und Werhahn seinen Aufsichtsratsvorsitz zur Verfügung stellte. Allerdings erhöhte die OHG Wilh. Werhahn zusammen mit der Commerzbank nach und nach bei fallenden Kursen ihren Anteil bis 1967 auf über 50 % des Aktienkapitals [23]. Da die Heinrich Bergbau AG sich jedoch unter ihrem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden, Wilhelm Werhahns Neffen Dr. Peter C. Werhahn auf den Verkauf von Anthrazit-Hausbrandkohle und das Pressen von Steinkohlenbriketts konzentrierte, konnte sie ihre Krise bald überwinden und ihren Kurs bis 1967 trotz der einsetzenden Krise des Ruhrbergbaus verdreifachen. Aus der Heinrich Bergbau AG wurde zwischenzeitlich die Heinrich Industrie- und Handels AG, an der die Neusser Unternehmerfamilie mit mehr als 51 % beteiligt ist. Unter dem Geschäftsbereich Heinrich Industrie betreibt die Werhahn-Gruppe heute die Hersteller von Elektronikbauteilen und Sicherungen Wilhelm Pudenz GmbH in Dünsen, die Efen GmbH in Eltville am Rhein und Wickmann-Werke GmbH in Witten.
Profiteur der einsamen Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Heinrich Bergbau AG war die Kölner Strabag Bau AG, die die Schachtanlage „Heide“ errichtete und mit einigen Tochterunternehmen einen Teil des dafür erforderlichen Materials lieferte. Die bergbautechnische Ausrüstung lieferten Unternehmen, die zur Grevenbroicher Bau-Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG gehörten [24]. An beiden Konzernen war die Familie Werhahn lange Zeit maßgeblich beteiligt. 1974 verkaufte sie 75 % der Maschinenfabrik Buckau R. Wolf AG an die Krupp Industrietechnik Rheinhausen, der ein Jahr später die restliche Beteiligung folgte. Am Ende des ostdeutschen Baubooms rechtzeitig vor der Krise in der Baubranche trennte sich die Werhahn-Bank und die Schunck & Dreschmann GmbH & Co KG 1998 auch von ihrer Beteiligung an der international tätigen Kölner Strabag AG. Die Kölner Strabag war bei ihren Straßenbau-, Flughafenbau- und Eisenbahnbauprojekten wichtiger Kunde einer anderen Werhahn Gesellschaft, der Basalt AG aus Linz am Rhein, die lange Zeit als Muttergesellschaft der Strabag und zwölf weiterer Gesellschaften fungierte und heute als Muttergesellschaft für große Teile der Asphaltmischwerke in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Dass die Partnerschaft zwischen Strabag und Werhahn auch heute noch funktioniert, wurde 2002 deutlich: Als die Tochter der insolventen Frankfurter Philipp Holzmann AG, die Neu-Isenburger Deutsche Asphalt GmbH zum Verkauf anstand, bemühten sich beide Unternehmen gemeinsam um deren Übernahme [25].
Das Handelsblatt beleuchtete einmal die Dividendenpolitik der von Werhahn kontrollierten Unternehmen folgendermaßen: „Die 8 % Dividenden (1963) bei Buckau bedeutet, dass die Gesellschaft nichts von ihren eigenen Erträgen an ihre Aktionäre auszahlte. Sie leitete damit nur ihre Beteiligungserträge weiter. Besonders extreme Thesaurierungspolitik betrieb die Strabag: Die ertragsabhängigen Steuern betrugen das Elffache des ausgewiesenen Gewinns! Und bei Wicküler erreichte dieser Posten das Vierfache... Demnach wird auch künftig das Rezept für den Anleger bleiben: An Gesellschaften, bei denen Werhahns Großaktionäre sind, sollte sich nur der beteiligen, der mit Vermögenszuwachs mehr als mit Dividenden rechnet.“ [21] . Zu den legendären Kennzeichen der Werhahn-Familie, insbesondere zu Wilhelm Werhahns persönlichen Charakterzügen gehörten die extreme Sparsamkeit, die dank der zahllos kursierenden Anekdoten auch als Geiz angesehen werden kann und die extreme Verschwiegenheit. Obwohl Wilhelm Werhahn zeitlebens in einem Atemzug mit dem Bankier der Deutschen Bank Hermann Josef Abs und dem Privatbankier Baron Friedrich Carl von Oppenheim genannt wurde, gaben die von Werhahn beherrschten Unternehmen bei seinem Ableben für die zahlreichen Traueranzeigen etwa das Fünfundachtzigfache dessen aus, das die ausgedehnte Familie samt angeheiratetem Bundeskanzler dafür verausgabten [24].
Unternehmen heute
Der traditionelle Holzhandel der Werhahns befindet sich inzwischen nicht mehr am Neusser Hafen, wo er jahrzehntelang den Abschluss eines wichtigen innerstädtischen Straßenausbaus verhinderte. Die Familie Werhahn hat die traditionelle Diskretion etwas gelüftet, da das Familienunternehmen inzwischen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde und den üblichen Publizitätsregeln unterliegt. Die Familie gab sich einen modernen Gesellschaftsvertrag, der mit der Tradition aufräumte, dass jeder Familienstamm ein Mitglied in den Vorstand entsenden kann [26].
Mittlerweile hat sich Werhahn aus den meisten Beteiligungen im Kohlen- und Einzelhandel und der Braunkohle ebenso zurückgezogen, wie sie im Bankensektor und auch bei den Brauereien ein Desinvestment vorgenommen hat. Neu hinzugekommen sind im Wesentlichen der Solinger Schneidwarenhersteller Zwilling J. A. Henckels. Daneben betreibt der Familienkonzern mit der auf Schieferprodukte spezialisierten Rathscheck Schiefer und Dach-Systeme ZN neben der Basalt AG ein weiteres traditionsreiches Unternehmen im Baustoffbereich. Durch die Übernahme der Preusse Bauholding im August 2005, deren Hoch- und Tiefbaugeschäft der Strabag im März 2006 verkauft wurde, expandierte die Gruppe weiter im Bereich Asphaltmischwerke [27]. Mit der Potsdamer Märkischen Bau Union (MBU) engagiert sie sich ebenfalls weiterhin auf dem Sektor schlüsselfertige Wohn- und Gewerbebauten und Bausanierung. Gleichzeitig expandiert der Konzern weiterhin im Bereich Mehl sowie Zutaten und Enzyme für Backmittel[28].
Als unabhängiges Kreditinstitut der Wilh. Werhahn KG ist die abcbank auf die Refinanzierung von Forderungen aus dem Leasing- und Factoringgeschäft der abcfinance spezialisiert. [29] Daneben besitzt Werhahn mit der Bank11 für Privatkunden und Handel GmbH eine Teilzahlungsbank.[30] Diese übernimmt die C&A Money Bank zum 1. September 2013. Diese Direktbank firmiert als Bank11direkt mit Sitz in Neuss. [31]
Der Familienkonzern schrieb per Saldo seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Verlust. Häufig wurde nur ein Drittel des Jahresüberschusses ausgeschüttet und die Thesaurierungspolitik Wilhelm Werhahns weitgehend fortgesetzt [32]. Der Umsatz der Holding Wilh. Werhahn KG schrumpfte von 2,006 Mrd. EUR (2001) auf 1,645 Mrd. (2004) [33] mit einem Auslandsanteil von 27 % und einer Eigenkapitalquote von 76 %. Sie kündigte eine Expansion nach Osteuropa und Asien an [34]. 7.520 Menschen wurden 2003 in den etwa 130 Unternehmen des Mischkonzerns beschäftigt. Im Februar 2001 übernahm der nicht zur Familie gehörende Norbert Wiemers vom Darmstädter Plexiglashersteller Röhm als persönlich haftender Gesellschafter den Vorsitz im Familienunternehmen [35]. Doch schon im November 2005 löste ihn ein Repräsentant der drei Werhahn-Stämme in fünfter Generation, Anton Werhahn, als Vorstandssprecher wieder ab [36]. Anton Werhahn ist mit der Tochter des Iphöfer Gipsmilliardärs Nikolaus Knauf verheiratet [37]. Der 1939 geborene Enkel Wilhelm Werhahn, der bis zum 31. Januar 2003 neben Michael Werhahn dem Vorstand der Holding angehörte, ist inzwischen vom Stellvertretenden Vorsitzenden der IHK Mittlerer Niederrhein zu deren Vorsitzenden aufgerückt.
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