Dampfwagen
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Dampfwagen
Ein Dampfwagen ist ein Automobil, das von einer Dampfmaschine mit Hilfe von Wasserdampf angetrieben wird. Das Brennmaterial zur Erhitzung des Kessels kann dabei Koks, Braunkohle, Holz oder Öl sein.
Der Fardier von Nicholas Cugnot, 1769
Erster gewerblicher Dampfwagen, die London Steam Carriage von Richard Trevithick, 1803
Dampfwagen waren die ersten echten Automobile überhaupt. Den Anfang machte 1769 Nicholas Cugnot mit einer Artilleriezugmaschine (frz. fardier = Lastenschlepper). Ein Dampfwagen, die „La Mancelle“ von Amédée Bollée von 1878, war mit 50 Exemplaren das erste in Serie gebaute Dampfautomobil. 1906 stellte Fred Marriott in Daytona Beach mit dem Model „Stanley Rocket“ einen Geschwindigkeitsweltrekord für Automobile mit Dampfantrieb auf: 205,5 km/h.[1]
Während in den Anfangszeiten des Automobils mal die Dampfwagen, mal die Elektroautos (z. B. fuhr „La Jamais Contente“ als erstes Auto über 100 km/h) die Nase vorn hatten, setzte sich schließlich der Verbrennungsmotor fast vollständig durch. Nur in Randbereichen – als Zugmaschinen und Straßenwalzen – überlebte der Dampfwagen bis in die 1950er-Jahre, während die ebenfalls schon lange totgeglaubten Elektroautos heutzutage gerade auch aus ökologischen Gründen eine Renaissance erleben. So hatte bspw. der Geschwindigkeitsrekord für Dampfwagen von 1906 bis 2009 bestanden.[2]
L’Obéissante von Amédée Bollée photographiert 1875
Abgrenzung
Dampftraktor „Lena“ von Wallis & Steevens, Baujahr 1905
In diesem Artikel werden Dampfwagen beschrieben, also Automobile und Nutzfahrzeuge mit Dampfantrieb, gebaut zum Personen- oder Warentransport. Dies im Unterschied zu Dampftraktoren, Dampfwalzen (und anderen Baumaschinen) oder Lokomobilen. Letzteres sind dampfbetriebene Maschinenträger, die gelegentlich – aber nicht immer – über einen Eigenantrieb verfügen. Deren Zweck ist nicht der Transport, sondern die Verrichtung mechanischer Arbeit an wechselnden Orten.
Geschichte und Hersteller
1769: das erste Automobil, der Fardier, von Nicholas Cugnot
Ein Dampfwagen wurde erstmals von Nicholas Cugnot 1769 in Paris vorgestellt, der damit das erste mit eigenem Antrieb fahrende Fahrzeug der Welt schuf. Zuvor wurden Wagen von Menschen oder Tieren, oder selten, vom Wind bewegt. Die im Fardier verbaute Dampfmaschine entsprach jener des Russen Polsunow von 1763.[3] Vermutlich über Veröffentlichungen in den Sibierischen Briefen des Forschungsreisenden Laxmann kam es zum Informationsfluss nach Frankreich. Dem Fardier war von Anfang an jedoch kein dauerhafter Erfolg beschert, weil das Fahrzeug bei einer Vorführung vor hohen Militärs in die Umfassungsmauer der Militärkaserne fuhr und sie durchbrach; Cugnot hatte vergessen, den Dampfwagen mit Bremsen auszustatten.
Der Original-Fardier wurde zunächst im Arsenal aufbewahrt und befindet sich seit 1800 im Pariser Musée des Arts et Métiers, eine funktionsfähige Replika gehört dem DB-Museum in Nürnberg und ist dort wieder ausgestellt, nachdem es von 2005 bis 2011 als Leihgabe im Tampa Bay Automobile Museum in den USA gezeigt wurde.
Der englische Pionier: Richard Trevithicks Modelle von 1797, 1801, 1803
Nachbau der Straßenlokomotive Puffing Devil von Richard Trevithick (1801)
Der britische Erfinder, Ingenieur und Maschinenbauer Richard Trevithick baute 1797 sein erstes Dampfwagenmodell. Die Kesselheizung erfolgte mit Hilfe eines glühenden Gusseisenstabes, der anstelle der echten Feuerung in das Flammrohr gesteckt wurde. 1801 stellte er in Camborne eine seiner neuen kleinen Dampfmaschinen auf Rädern. Diese „Straßenlokomotive“, bekannt als Puffing Devil, beförderte Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h, und das sogar über Steigungen.
Nachdem er 1802 die erste Eisenbahndampflokomotive der Welt gebaut hatte, konstruierte er 1803 ein weiteres selbstfahrendes Fahrzeug, den „London Steam Carriage“ (Londoner Dampfwagen), der im Prinzip eine mit einer Dampfmaschine ausgerüstete Postkutsche war. Es erregte die Aufmerksamkeit von Publikum und Presse, war aber im Betrieb wesentlich teurer als eine gewöhnliche Pferdekutsche und konnte sich deshalb nicht durchsetzen.
Bodenantriebe mit Stelzen und Schubstangen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte eine lebhafte Forschungstätigkeit ein, um grundsätzliche Probleme der mit Dampf angetriebenen Automobile in den Griff zu bekommen. 1811 ließ der britische Ingenieur William Brunton (1777–1852) einen Antrieb für Dampfwagen patentieren, der sich an den Vorderläufen von Pferden orientierte. Eine Dampfmaschine auf Rädern trieb dieses stelzenartige Gestänge an und erreichte mit umgerechnet zwei Pferdestärken Schrittgeschwindigkeit. „Brunton’s mechanical traveller“ gelangte nicht über das Prototypstadium hinaus; der Dampfkessel explodierte und tötete mehrere Zuschauer.
Im Dezember 1824 reichte der schottische Erfinder David Gordon (1774–1829) ein Patent ein, das mit Hilfe von Schubstangen die Fortbewegung des „Steam Carriage“ auch auf Steigungen realisieren sollte. Die Times beschrieb das Problem 1825 so:
„Ein großes Problem bereiten die Räder, die auf der Straße durchrutschen, ohne voranzukommen, sobald die kleinste Steigung oder eine schwere Beladung die Reibung auf der Achse größer als die zwischen dem Rand der Räder und dem Boden macht; die ganze Kraft der Maschine dient dann nur noch dem Durchdrehen der Räder, ohne dass der Wagen auch nur einen Zentimeter vorankommt.“
Die Kleinbusse, die Gordon und sein Konkurrent Gurney fast zeitgleich bauten, wurden vom mehreren Schubstangen angetrieben, die über Achsen mit der Dampfmaschine verbunden waren. Um zu beschleunigen, senkte der Fahrer die Stangenspitzen abwärts; wenn es den Berg hinab ging, hob er die Konstruktion an. Gordons Wagen hatte im Unterschied zu Gurneys Frontantrieb. Sechs Schubstangen waren im Einsatz. Zum leichteren Lenken wies das Automobil vorne nur ein Rad auf. Die Passagiere saßen in einer Reihe hintereinander.[4]
Dampfomnibusse als öffentliches Verkehrsmittel: Goldsworthy Gurney 1826, Walter Hancock 1827
Nachbau von Walter Hancocks Enterprise, dem ersten für den Linienverkehr entworfenen Dampfomnibus (1833)
1826 konstruierte der Engländer Sir Goldsworthy Gurney einen Dampfomnibus.[5] Ihm folgte sein Landsmann Walter Hancock (1799–1852), der ab 1827 Dampfomnibusse herstellte, mit denen bis in die 1830er-Jahre Linienverkehr betrieben wurde. 1829 wurde die Linie von Fulham nach Brompton mit einem achtsitzigen Wagen aufgenommen, der 12 MPH (knapp 20 km/h) schnell war. Sein Dampfwagen Infant, 1829 gebaut, war ein kompakterer Zehnsitzer, der ab 1831 zunächst im Probebetrieb die Strecke von Stratford nach London-Whitechapel bediente. Diese wurde 1833 als zweite öffentliche Dampfwagenverbindung eingerichtet. Zur Premiere soll der Wagen jedoch von Zuschauern mit Steinen beworfen worden sein. Die erste Linie war kurz zuvor von der London and Paddington Steam Carriage Company eingerichtet worden. Sie führte von London Wall via Islington nach Paddington und wurde mit Hancocks Enterprise betrieben, dem ersten eigens für den öffentlichen Verkehr gebauten Motorfahrzeug. 1836 gab es bereits 700 Fahrten.
Einige grundlegende Probleme der Fahrwerkstechnik wurden von englischen Konstrukteuren in dieser Zeit gelöst. 1825 patentierte William Henry James (1796–1873) einen Antrieb mit je einer Dampfmaschine pro Hinterrad, womit er Probleme mit einem Differential umging – eine Lösung, auf die Amédée Bollée (1844–1917) 1873 wieder zurückgriff[6] und die De Dion, Bouton & Trépardoux bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendete. Schon früher hatte Erasmus Darwin (1731–1802) die Achsschenkellenkung erfunden aber nicht patentiert. In Unkenntnis davon wurde sie später drei Mal neu erfunden und patentiert: 1816 von Georg Lankensperger (1779–1847) und Rudolph Ackermann (1764–1834), 1873 ebenfalls von Bollée père und 1891 von Carl Benz. Mit der sogenannten Ackermann- oder A-Steuerung wurde ein weiteres grundlegendes Problem jedes Motorfahrzeugs gelöst.[7]
Boom und Rückschlag in England
Dr. Churchs Dampfkutsche (1835); die etwas verklärende Illustration von 1900 nennt ein falsches Datum
Im 19. Jahrhundert gab es gerade in England eine Vielzahl von Dampfwagen, etwa von Bishop & Sons, die auch mit Omnibus-Aufbauten versehen wurden.
Zahlreiche Unfälle, vor allem Achsenbrüche und Dampfrohrexplosionen trübten die Euphorie und führten auch zu rechtlichen Einschränkungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem dem Red Flag Act, der den Dampfwagenführern das freie Umherfahren verbot.
Der erste Dampfwagen von Burstall & Hill (1824)
Der deutsche Ingenieur Joseph Ritter von Baader kritisierte in seinem 1835 erschienenen Buch „Die Unmöglichkeit, Dampfwagen auf gewöhnlichen Straßen mit Vortheil als allgemeines Transportmittel einzuführen“ die angeblichen englischen Erfolge mit „Chaussee-Dampfwagen“, also straßengängigen, mit Dampfkraft betriebenen Automobilen, respektive Omnibussen. Er hielt die Idee, den Erfolg der Dampfeisenbahn auf die normale Straße zu übertragen, für technisch undurchführbar, vor allem wegen der Unebenheiten. Er berechnete die Kraft, die ein solches Dampfmobil aufwenden musste, um ein Rad aus einer Vertiefung herauszubewegen, und verglich sie mit der aufgrund der Hebelwirkung erheblichen geringeren Kraft, die ein Pferd für denselben Vorgang benötigen würde. Mit Genugtuung zitierte er englische Misserfolge mit Dampfwagen, wie diesen vom Juli 1827:
„Die Erfinder[8] probirten ihren Dampfwagen. Nachdem derselbe in dem Umfang ihres Hofraumes, gegenüber von Neu-Bedlam“ (etwas ominös!) „herumgelaufen war, kam er heraus, und, indem er eine leichte Wendung machte, um auf die große Straße zu kommen, blieb eines der Räder in einem Geleise von weichem Grunde stecken. Hierauf sprang der Kessel mit einer starken Explosion. Es wurden dabei nur ein kleiner Dienstjunge und ein Maschinist schwer verwundet, obwohl gegen zwanzig Personen sich anstrengten, das Rad aus dem Geleise wieder heraus zu bringen.“[9]
Timothy Burstall (1776–1860) war ein Eisenbahningenieur. Er hielt verschiedene Patente zum Straßentransport. Der verunfallte Wagen war sein zweiter Dampfwagen, ein Dreiachser mit vom Kessel getrenntem Wagenkasten.
Um 1840 ließ das Interesse an Dampfwagenverbindungen nach. Neben dem behördlichen Widerstand trugen dazu hohe Straßenzölle und der Lobbyismus von Fuhrhaltern und Landadel bei. Fatal wirkte sich eine Kesselexplosion infolge eines Bedienungsfehlers aus, welche Infant 1840 zerstörte. In der Folge verloren die Dampfomnibusse ihre Zulassung. Danach ging viel Fachwissen verloren, das sich die Pioniere der zweiten Generation (die überwiegend aus Frankreich kamen) wieder aneignen mussten. Infant war bereits 1831 imstande, eine Steigung von 5 % auf gefrorenem Grund zu nehmen, wo Pferdefuhrwerke versagten.[10]
Grenville Steam Carriage (1875), das wahrscheinlich älteste fahrbereite Dampfauto
Dreiräder blieben die bevorzugte Konstruktionsweise. Man war gewillt, den Nachteil geringerer Stabilität in Kauf zu nehmen und Probleme mit einer komplizierten und möglicherweise anfälligen Lenkung zu umgehen. Bis in die 1880er-Jahre war Kohle das bevorzugte Brennmaterial.
Ein englischer Vertreter dieser zweiten Generation war Thomas Rickett aus Buckingham (Buckinghamshire), der ab 1858 leichte Dampf-Tricycles baute und einige verkaufen konnte.[11] Catley und Ayres aus York bauten 1868 ein sehr einfach konstruiertes Dampf-Tricycle. Wahrscheinlich ließ sich der Kessel nur bei stehendem Fahrzeug beheizen. Gelenkt wurde mit einem Hebel und die Kraft wurde mittels Kette auf ein Hinterrad übertragen. Weil das andere frei drehte, benötigte das Fahrzeug kein Differential. Dafür war der Wagen mit liegend angebrachter Zweikolbenmaschine und stehendem Kessel im Heck leicht und sehr schön verarbeitet.[12][13] Robert Neville Grenville baute 1875 mit George Jackson Churchward, dem späteren Leiter der Lokomotivabteilung der Great Western Railway, einen Dampfwagen, der noch exististiert und sogar gelegentlich gefahren wird.
Weiteres zu dieser Geschichte im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dampfwagen
Der Fardier von Nicholas Cugnot, 1769
Erster gewerblicher Dampfwagen, die London Steam Carriage von Richard Trevithick, 1803
Dampfwagen waren die ersten echten Automobile überhaupt. Den Anfang machte 1769 Nicholas Cugnot mit einer Artilleriezugmaschine (frz. fardier = Lastenschlepper). Ein Dampfwagen, die „La Mancelle“ von Amédée Bollée von 1878, war mit 50 Exemplaren das erste in Serie gebaute Dampfautomobil. 1906 stellte Fred Marriott in Daytona Beach mit dem Model „Stanley Rocket“ einen Geschwindigkeitsweltrekord für Automobile mit Dampfantrieb auf: 205,5 km/h.[1]
Während in den Anfangszeiten des Automobils mal die Dampfwagen, mal die Elektroautos (z. B. fuhr „La Jamais Contente“ als erstes Auto über 100 km/h) die Nase vorn hatten, setzte sich schließlich der Verbrennungsmotor fast vollständig durch. Nur in Randbereichen – als Zugmaschinen und Straßenwalzen – überlebte der Dampfwagen bis in die 1950er-Jahre, während die ebenfalls schon lange totgeglaubten Elektroautos heutzutage gerade auch aus ökologischen Gründen eine Renaissance erleben. So hatte bspw. der Geschwindigkeitsrekord für Dampfwagen von 1906 bis 2009 bestanden.[2]
L’Obéissante von Amédée Bollée photographiert 1875
Abgrenzung
Dampftraktor „Lena“ von Wallis & Steevens, Baujahr 1905
In diesem Artikel werden Dampfwagen beschrieben, also Automobile und Nutzfahrzeuge mit Dampfantrieb, gebaut zum Personen- oder Warentransport. Dies im Unterschied zu Dampftraktoren, Dampfwalzen (und anderen Baumaschinen) oder Lokomobilen. Letzteres sind dampfbetriebene Maschinenträger, die gelegentlich – aber nicht immer – über einen Eigenantrieb verfügen. Deren Zweck ist nicht der Transport, sondern die Verrichtung mechanischer Arbeit an wechselnden Orten.
Geschichte und Hersteller
1769: das erste Automobil, der Fardier, von Nicholas Cugnot
Ein Dampfwagen wurde erstmals von Nicholas Cugnot 1769 in Paris vorgestellt, der damit das erste mit eigenem Antrieb fahrende Fahrzeug der Welt schuf. Zuvor wurden Wagen von Menschen oder Tieren, oder selten, vom Wind bewegt. Die im Fardier verbaute Dampfmaschine entsprach jener des Russen Polsunow von 1763.[3] Vermutlich über Veröffentlichungen in den Sibierischen Briefen des Forschungsreisenden Laxmann kam es zum Informationsfluss nach Frankreich. Dem Fardier war von Anfang an jedoch kein dauerhafter Erfolg beschert, weil das Fahrzeug bei einer Vorführung vor hohen Militärs in die Umfassungsmauer der Militärkaserne fuhr und sie durchbrach; Cugnot hatte vergessen, den Dampfwagen mit Bremsen auszustatten.
Der Original-Fardier wurde zunächst im Arsenal aufbewahrt und befindet sich seit 1800 im Pariser Musée des Arts et Métiers, eine funktionsfähige Replika gehört dem DB-Museum in Nürnberg und ist dort wieder ausgestellt, nachdem es von 2005 bis 2011 als Leihgabe im Tampa Bay Automobile Museum in den USA gezeigt wurde.
Der englische Pionier: Richard Trevithicks Modelle von 1797, 1801, 1803
Nachbau der Straßenlokomotive Puffing Devil von Richard Trevithick (1801)
Der britische Erfinder, Ingenieur und Maschinenbauer Richard Trevithick baute 1797 sein erstes Dampfwagenmodell. Die Kesselheizung erfolgte mit Hilfe eines glühenden Gusseisenstabes, der anstelle der echten Feuerung in das Flammrohr gesteckt wurde. 1801 stellte er in Camborne eine seiner neuen kleinen Dampfmaschinen auf Rädern. Diese „Straßenlokomotive“, bekannt als Puffing Devil, beförderte Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h, und das sogar über Steigungen.
Nachdem er 1802 die erste Eisenbahndampflokomotive der Welt gebaut hatte, konstruierte er 1803 ein weiteres selbstfahrendes Fahrzeug, den „London Steam Carriage“ (Londoner Dampfwagen), der im Prinzip eine mit einer Dampfmaschine ausgerüstete Postkutsche war. Es erregte die Aufmerksamkeit von Publikum und Presse, war aber im Betrieb wesentlich teurer als eine gewöhnliche Pferdekutsche und konnte sich deshalb nicht durchsetzen.
Bodenantriebe mit Stelzen und Schubstangen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte eine lebhafte Forschungstätigkeit ein, um grundsätzliche Probleme der mit Dampf angetriebenen Automobile in den Griff zu bekommen. 1811 ließ der britische Ingenieur William Brunton (1777–1852) einen Antrieb für Dampfwagen patentieren, der sich an den Vorderläufen von Pferden orientierte. Eine Dampfmaschine auf Rädern trieb dieses stelzenartige Gestänge an und erreichte mit umgerechnet zwei Pferdestärken Schrittgeschwindigkeit. „Brunton’s mechanical traveller“ gelangte nicht über das Prototypstadium hinaus; der Dampfkessel explodierte und tötete mehrere Zuschauer.
Im Dezember 1824 reichte der schottische Erfinder David Gordon (1774–1829) ein Patent ein, das mit Hilfe von Schubstangen die Fortbewegung des „Steam Carriage“ auch auf Steigungen realisieren sollte. Die Times beschrieb das Problem 1825 so:
„Ein großes Problem bereiten die Räder, die auf der Straße durchrutschen, ohne voranzukommen, sobald die kleinste Steigung oder eine schwere Beladung die Reibung auf der Achse größer als die zwischen dem Rand der Räder und dem Boden macht; die ganze Kraft der Maschine dient dann nur noch dem Durchdrehen der Räder, ohne dass der Wagen auch nur einen Zentimeter vorankommt.“
Die Kleinbusse, die Gordon und sein Konkurrent Gurney fast zeitgleich bauten, wurden vom mehreren Schubstangen angetrieben, die über Achsen mit der Dampfmaschine verbunden waren. Um zu beschleunigen, senkte der Fahrer die Stangenspitzen abwärts; wenn es den Berg hinab ging, hob er die Konstruktion an. Gordons Wagen hatte im Unterschied zu Gurneys Frontantrieb. Sechs Schubstangen waren im Einsatz. Zum leichteren Lenken wies das Automobil vorne nur ein Rad auf. Die Passagiere saßen in einer Reihe hintereinander.[4]
Dampfomnibusse als öffentliches Verkehrsmittel: Goldsworthy Gurney 1826, Walter Hancock 1827
Nachbau von Walter Hancocks Enterprise, dem ersten für den Linienverkehr entworfenen Dampfomnibus (1833)
1826 konstruierte der Engländer Sir Goldsworthy Gurney einen Dampfomnibus.[5] Ihm folgte sein Landsmann Walter Hancock (1799–1852), der ab 1827 Dampfomnibusse herstellte, mit denen bis in die 1830er-Jahre Linienverkehr betrieben wurde. 1829 wurde die Linie von Fulham nach Brompton mit einem achtsitzigen Wagen aufgenommen, der 12 MPH (knapp 20 km/h) schnell war. Sein Dampfwagen Infant, 1829 gebaut, war ein kompakterer Zehnsitzer, der ab 1831 zunächst im Probebetrieb die Strecke von Stratford nach London-Whitechapel bediente. Diese wurde 1833 als zweite öffentliche Dampfwagenverbindung eingerichtet. Zur Premiere soll der Wagen jedoch von Zuschauern mit Steinen beworfen worden sein. Die erste Linie war kurz zuvor von der London and Paddington Steam Carriage Company eingerichtet worden. Sie führte von London Wall via Islington nach Paddington und wurde mit Hancocks Enterprise betrieben, dem ersten eigens für den öffentlichen Verkehr gebauten Motorfahrzeug. 1836 gab es bereits 700 Fahrten.
Einige grundlegende Probleme der Fahrwerkstechnik wurden von englischen Konstrukteuren in dieser Zeit gelöst. 1825 patentierte William Henry James (1796–1873) einen Antrieb mit je einer Dampfmaschine pro Hinterrad, womit er Probleme mit einem Differential umging – eine Lösung, auf die Amédée Bollée (1844–1917) 1873 wieder zurückgriff[6] und die De Dion, Bouton & Trépardoux bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendete. Schon früher hatte Erasmus Darwin (1731–1802) die Achsschenkellenkung erfunden aber nicht patentiert. In Unkenntnis davon wurde sie später drei Mal neu erfunden und patentiert: 1816 von Georg Lankensperger (1779–1847) und Rudolph Ackermann (1764–1834), 1873 ebenfalls von Bollée père und 1891 von Carl Benz. Mit der sogenannten Ackermann- oder A-Steuerung wurde ein weiteres grundlegendes Problem jedes Motorfahrzeugs gelöst.[7]
Boom und Rückschlag in England
Dr. Churchs Dampfkutsche (1835); die etwas verklärende Illustration von 1900 nennt ein falsches Datum
Im 19. Jahrhundert gab es gerade in England eine Vielzahl von Dampfwagen, etwa von Bishop & Sons, die auch mit Omnibus-Aufbauten versehen wurden.
Zahlreiche Unfälle, vor allem Achsenbrüche und Dampfrohrexplosionen trübten die Euphorie und führten auch zu rechtlichen Einschränkungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem dem Red Flag Act, der den Dampfwagenführern das freie Umherfahren verbot.
Der erste Dampfwagen von Burstall & Hill (1824)
Der deutsche Ingenieur Joseph Ritter von Baader kritisierte in seinem 1835 erschienenen Buch „Die Unmöglichkeit, Dampfwagen auf gewöhnlichen Straßen mit Vortheil als allgemeines Transportmittel einzuführen“ die angeblichen englischen Erfolge mit „Chaussee-Dampfwagen“, also straßengängigen, mit Dampfkraft betriebenen Automobilen, respektive Omnibussen. Er hielt die Idee, den Erfolg der Dampfeisenbahn auf die normale Straße zu übertragen, für technisch undurchführbar, vor allem wegen der Unebenheiten. Er berechnete die Kraft, die ein solches Dampfmobil aufwenden musste, um ein Rad aus einer Vertiefung herauszubewegen, und verglich sie mit der aufgrund der Hebelwirkung erheblichen geringeren Kraft, die ein Pferd für denselben Vorgang benötigen würde. Mit Genugtuung zitierte er englische Misserfolge mit Dampfwagen, wie diesen vom Juli 1827:
„Die Erfinder[8] probirten ihren Dampfwagen. Nachdem derselbe in dem Umfang ihres Hofraumes, gegenüber von Neu-Bedlam“ (etwas ominös!) „herumgelaufen war, kam er heraus, und, indem er eine leichte Wendung machte, um auf die große Straße zu kommen, blieb eines der Räder in einem Geleise von weichem Grunde stecken. Hierauf sprang der Kessel mit einer starken Explosion. Es wurden dabei nur ein kleiner Dienstjunge und ein Maschinist schwer verwundet, obwohl gegen zwanzig Personen sich anstrengten, das Rad aus dem Geleise wieder heraus zu bringen.“[9]
Timothy Burstall (1776–1860) war ein Eisenbahningenieur. Er hielt verschiedene Patente zum Straßentransport. Der verunfallte Wagen war sein zweiter Dampfwagen, ein Dreiachser mit vom Kessel getrenntem Wagenkasten.
Um 1840 ließ das Interesse an Dampfwagenverbindungen nach. Neben dem behördlichen Widerstand trugen dazu hohe Straßenzölle und der Lobbyismus von Fuhrhaltern und Landadel bei. Fatal wirkte sich eine Kesselexplosion infolge eines Bedienungsfehlers aus, welche Infant 1840 zerstörte. In der Folge verloren die Dampfomnibusse ihre Zulassung. Danach ging viel Fachwissen verloren, das sich die Pioniere der zweiten Generation (die überwiegend aus Frankreich kamen) wieder aneignen mussten. Infant war bereits 1831 imstande, eine Steigung von 5 % auf gefrorenem Grund zu nehmen, wo Pferdefuhrwerke versagten.[10]
Grenville Steam Carriage (1875), das wahrscheinlich älteste fahrbereite Dampfauto
Dreiräder blieben die bevorzugte Konstruktionsweise. Man war gewillt, den Nachteil geringerer Stabilität in Kauf zu nehmen und Probleme mit einer komplizierten und möglicherweise anfälligen Lenkung zu umgehen. Bis in die 1880er-Jahre war Kohle das bevorzugte Brennmaterial.
Ein englischer Vertreter dieser zweiten Generation war Thomas Rickett aus Buckingham (Buckinghamshire), der ab 1858 leichte Dampf-Tricycles baute und einige verkaufen konnte.[11] Catley und Ayres aus York bauten 1868 ein sehr einfach konstruiertes Dampf-Tricycle. Wahrscheinlich ließ sich der Kessel nur bei stehendem Fahrzeug beheizen. Gelenkt wurde mit einem Hebel und die Kraft wurde mittels Kette auf ein Hinterrad übertragen. Weil das andere frei drehte, benötigte das Fahrzeug kein Differential. Dafür war der Wagen mit liegend angebrachter Zweikolbenmaschine und stehendem Kessel im Heck leicht und sehr schön verarbeitet.[12][13] Robert Neville Grenville baute 1875 mit George Jackson Churchward, dem späteren Leiter der Lokomotivabteilung der Great Western Railway, einen Dampfwagen, der noch exististiert und sogar gelegentlich gefahren wird.
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