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Diktatur des Proletariats

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Diktatur des Proletariats Empty Diktatur des Proletariats

Beitrag  checker Do Apr 14, 2016 10:57 am

Diktatur des Proletariats ist ein zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommender Begriff, der die politische Herrschaft der bis dahin noch nicht im Staat repräsentierten Gesellschaftsgruppen, speziell der Arbeiterklasse, umschreibt. Der Begriff wurde durch die Rezeption des Werkes von Karl Marx und Friedrich Engels geprägt. Unumstritten ist, dass sie unter der Diktatur des Proletariats die Herrschaft der Arbeiterklasse als der Mehrheit über die Minderheit der expropriierten Kapitalisten verstanden, die den Übergang von einer bürgerlichen Klassengesellschaft zur klassenlosen Gesellschaft vollziehen sollte. (Den Annahmen von Marx und Engels zufolge würden die proletarischen Revolutionen zuerst in hochindustrialisierten Ländern auftreten.) Die Frage, wie dies geschehen solle, war dagegen, auch angesichts des historischen Sprachgebrauchs, der noch nicht zwangsläufig die Bedeutung von „Gewaltherrschaft“ voraussetzte, Gegenstand andauernder Kontroversen. Der Begriff der „Diktatur des Proletariats“ wird in den Schriften von Marx nicht oft verwendet. In der Rezeption der Theorien von Marx und Engels hat der Begriff aber eine herausragende Stellung.

Georgi Plechanow nahm den Begriff der Diktatur des Proletariats gegen Ende des 19. Jahrhunderts in das Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands auf. In der daraus entstehenden Kommunistischen Partei Russlands spielte der Begriff nach den Aprilthesen 1917 eine bedeutende Rolle. Im Zeitraum nach der Oktoberrevolution und während der Bedingungen des Bürgerkrieges in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (siehe Kriegskommunismus) wurde Lenins Vorstellung einer Diktatur des Proletariats prinzipiell zu verwirklichen versucht. Nach 1925 in seiner Bedeutung immer mehr uminterpretiert, wurde der Begriff in den stalinistisch geprägten Ostblockstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg neben der wohl ansprechenderen Bezeichnung „sozialistische Demokratie“ verwendet.

In den 1970er Jahren distanzierten sich eurokommunistische Parteien von der Parole der Diktatur des Proletariats, auch um sich von den realsozialistischen Staaten abzugrenzen. Die eurokommunistische Programmatik verwarf das von Karl Marx entworfene Revolutionsmodell und setzte in der politischen Praxis de facto auf Reformismus.

Fälschlicherweise wurde der Begriff des Öfteren auch Louis-Auguste Blanqui zugerechnet, in seinen Schriften findet er jedoch keine Erwähnung.[1] Das Konzept einer Diktatur des Proletariats war jedoch für blanquistische Strömungen von zentraler Bedeutung.

Zum Begriff „Diktatur des Proletariats“

Diktatur des Proletariats Barricade18March1871
Barrikade zur Zeit der Pariser Kommune, 18. März 1871

Während der Begriff des Proletariats eine ziemlich einheitliche Nutzung erfuhr, muss der Begriff der Diktatur näher betrachtet werden um die unterschiedlichen Verständnisse einer Diktatur des Proletariats nachvollziehen zu können.
Proletariat

Das Proletariat (ursprünglich im nicht-marxistisch vom lat. proletarius „der untersten Volksschicht angehörend“) bezeichnet die mit der Entwicklung des Kapitalismus und der Industrialisierung entstandene neue Klasse von Lohnabhängigen in den aufkommenden Manufakturen und Fabriken. Marx definiert den Proletarier als doppelt freien Lohnarbeiter: Frei von Leibeigenschaft, also im Besitz seiner selbst und „frei“ von Produktionsmitteln, die ihm ein Überleben durch Arbeit sichern könnten. Marx schildert die Entstehung dieses doppelt freien Lohnarbeiters in Das Kapital am Beispiel Englands, wo einerseits Bauern das Land weggenommen wurde, um Schafsweiden für die neuen Woll-Manufakturen und Fabriken zu schaffen. Andererseits waren Handwerker und Weber durch die effektiveren Maschinen nicht mehr konkurrenzfähig und wurden durch eine Gesetzgebung gegen den Vagabundismus zur Arbeit in den Fabriken gezwungen. Nach Karl Marx ist somit das Proletariat diejenige gesellschaftliche Klasse, die innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft ihre Arbeitskraft in Form der Lohnarbeit veräußern muss, um zu überleben.

Diktatur des Proletariats Pyramid_of_Capitalist_System
Karl Marx: „Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird.“[2] (Bild 1911)

Diktatur
Kurze Begriffsgeschichte

Der Begriff „Diktatur“ kam erstmals in Zusammenhang mit der Römischen Republik (500-27 v. Chr.) auf, in der die Möglichkeit bestand, dass Konsul und Senat zeitlich begrenzt einen Diktator ernannten, dem alle Ämter unterstanden. Dementsprechend wurde der Begriff lange Zeit genutzt, um einen Ausnahmezustand politischer Gewalt zu beschreiben. Eine Analogie zum Kriegsrecht besteht, da beide Formen einer Krisenregierung innerhalb des institutionellen Systems darstellen. Aus dieser Begriffsherkunft bildete sich auch das heutige Verständnis des Begriffes der Diktatur. Als im Juni 1848 in Paris der Bürgerkrieg ausbrach, übertrug die Nationalversammlung Louis-Eugène Cavaignac die Befugnisse für eine Militärdiktatur. In Anlehnung darauf wurde 1871 im Deutschen Reich ein Diktaturparagraph eingeführt, dessen Entwicklung über die Weimarer Republik (1919–1933) bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren Verordnung zum Schutz von Volk und Staat zu verfolgen ist. Heute bezeichnet der Begriff der Diktatur die Herrschaft durch einen einzelnen Diktator, eine politische Partei, eine Minderheit oder Gruppe von Menschen, die sich die Macht über ein Volk aneignet, sie monopolisiert und ohne Einschränkungen ausübt, im Gegensatz zur Demokratie, in der die Herrschaft vom Volk ausgeht.

Begriffsnutzung um das 19. Jahrhundert

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„Die Freiheit führt das Volk“ (1830); Die bürgerlichen Revolutionen und demokratische Bestrebungen wurden von Gegnern oftmals mit dem Begriff der „Diktatur“ verbunden.

Während der Französischen Revolution 1789 bis 1799 wurde die konstitutionelle und legislative Versammlung – der Nationalkonvent – von Gegnern ebenso als Diktatur bezeichnet wie das Britische Parlament oder die Pariser Kommune von 1871. Im 19. Jahrhundert war in reaktionären Kreisen der Begriff der Diktatur für nach heutigem Verständnis eher demokratischen Regierungsformen durchaus üblich. Das Wort Diktatur hatte noch nicht seine heutige Bedeutung, und kann nicht mit Begriffen wie Despotismus, Tyrannis, Absolutismus oder Autokratie gleichgesetzt werden, es war ebenso noch kein Gegenbegriff zur Demokratie. Ideengeschichtlich lässt sich eine negative Nutzung des Begriffs der Demokratie als Tyrannei der Vielen bis zu den Staatstheorien Platons oder Aristoteles zurückführen, wobei hervorzuheben ist, dass diese den Begriff Demokratie anders nutzten als heute gebräuchlich ist. Die bürgerlichen Revolutionen 1848 waren in reaktionären Kreisen eine „Tyrannei der Demokratie“ oder „Tyrannei der Massen“.[3] So stellte der spanische Diplomat, Politiker und Staatsphilosoph Juan Donoso Cortés (1809–1853), der heute als politischer Vordenker moderner Diktaturen gilt, noch um diese Zeit bezüglich des englischen Parlaments fest: „Wer, meine Herren, hat je eine monströsere Diktatur gesehen?“[4]
Verbindung zur frühen politischen Linken

Die Verbindung des Begriffs Diktatur mit der politisch linken Seite lässt sich erstmals auf François Noël Babeuf (1760–1797) und seine Gemeinschaft der Gleichen zurückführen. Zu einer Zeit, wo auch erstmals der Begriff der politischen Linken aufkam. Die Ansätze der Gemeinschaft machte Babeufs Weggefährte Filippo Buonarroti (1761–1837) etwa 30 Jahre nach dessen Tod wieder publik. Die revolutionäre Regierung, in Form einer Diktatur einer kleinen revolutionären Gruppe, sollte die Massen zur Demokratie erziehen. Dieses Konzept wurde für die Blanquisten der 1830er und 1840er Jahre bestimmend. So hielt Blanqui (1805–1881) beispielsweise fest: „Daß Frankreich vor bewaffneten Arbeitern strotzt, ist der Beginn des Sozialismus.“[5] Wilhelm Weitling (1808–1871) trat für eine Personendiktatur ein, ein „Messias“ würde die proletarische Revolution anführen. Ganz anders hingegen ist die Verwendung der Begrifflichkeit der Diktatur auch bei dem Anarchisten Bakunin (1814–1876) mit seinem Konzept einer innerhalb der Anarchie von Geheimgesellschaften ausgeübten „geheimen“ oder „unsichtbaren Diktatur“[6] zu finden.

Begriff zur Zeit der bürgerlichen 1848er-Revolutionen

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Ist jede Revolution mit einem diktatorischen Moment verbunden? – Die Februarrevolution 1848 in Frankreich.

Auch für die revolutionären bürgerlichen und gemäßigten linken Kräfte wie Louis Blanc (1811–1882) war die Durchsetzung der Demokratie mit einem diktatorischen Moment verbunden, muss doch jedes fundamental neue Herrschaftssystem die Gesetze des alten Herrschaftssystem außer Kraft setzen und neue erschaffen.[7] Friedrich Engels (1820–1895) hielt im selben Zusammenhang fest: „Das Recht auf Revolution ist ja überhaupt das einzige wirklich ‚historische Recht‘, das einzige, worauf alle modernen Staaten ohne Ausnahme beruhen.“[8] So sprach auch Karl Marx (1818–1883) von einer Diktatur, als er in der Neuen Rheinische Zeitung für einen härteren Kurs der bürgerlichen Kräfte Preußens gegen die alten absolutistisch-feudalistischen Verhältnisse und für Demokratie eintrat: „Jeder provisorische Staatszustand nach einer Revolution erfordert eine Diktatur, und zwar eine energische Diktatur. Wir haben es Camphausen [Anm. preußischer Ministerpräsident in der Revolutionszeit von März bis Juli 1848] von Anfang an vorgeworfen, daß er nicht diktatorisch auftrat, daß er die Überbleibsel der alten Institutionen nicht sogleich zerschlug und entfernte.“[9] Lorenz von Stein (1815–1890), der einen eigenständigen, antirevolutionären Standpunkt formulierte, entwickelte einen theoretischen Ansatz der sich mit dem Klassenkampf und dem Begriff der Diktatur auseinandersetzte.
Nutzung des Schlagwortes „Diktatur des Proletariats“

Die Nutzung des Begriffes der Diktatur und der Diktatur des Proletariats bei Marx und Engels, die unter zweiteren die Herrschaft der Arbeiterklasse verstanden, ist ausführlich dokumentiert. In den 1870er Jahren wurde der Begriff der Diktatur des Proletariats in der blanquistischen Strömung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) als politisches Konzept aufgenommen, diese hatte jedoch keine einflussreiche Stellung innerhalb der Arbeiterbewegung. Nach Friedrich Engels Tod im Jahr 1895 wurde erstmals geschichtswirksam das Konzept einer proletarischen Diktatur in der marxistisch orientierten deutschen Sozialdemokratie diskutiert, beispielhaft von Kautsky (1854–1938), Bernstein (1850–1932) oder Luxemburg (1871–1919). Plechanow (1856–1918) und vor allem Lenin (1870–1924) prägten den Begriff Diktatur des Proletariats gemeinsam mit den gesellschaftlichen Umwälzungen im kaiserlichen Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er wurde in das Parteiprogramm der russischen Kommunisten aufgenommen und sollte beginnend mit den russischen Revolutionen 1905 und 1917 bis zum Zusammensturz der Sowjetunion 1991 ein bedeutender Begriff sein, sowohl auf Seiten der Unterstützer wie Gegner des politischen Systems, wobei er demgemäß in ganz unterschiedlicher Weise genutzt wurde.

Weiteres zu dieser Geschichte im Link:

https://de.wikipedia.org/wiki/Diktatur_des_Proletariats
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