Der Erlkönig
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Der Erlkönig
Erlkönig ist eine gängige Bezeichnung für den Prototyp eines Autos. Während die Hersteller versuchen, das genaue Aussehen dieser Fahrzeuge geheim zu halten, wird ihnen von Fotojournalisten, sogenannten Erlkönig-Jägern, nachgestellt, die danach die gemachten Fotos an Fachmagazine oder die Boulevardpresse verkaufen.
Erlkönig als Blickfang für eine Ausstellung über das Automotive Testing Papenburg (2011)
Namensgebung
Die Namensgebung geht auf die Ballade „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe zurück, die mit dem Vers „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind“ beginnt und von Journalisten Anfang der 1950er Jahre umgedichtet wurde. Erstmals im Zusammenhang mit Prototypen wurde der Begriff von den beiden Motorjournalisten Heinz-Ulrich Wieselmann, Chefredakteur der Automobilzeitschrift auto motor und sport, und Werner Oswald, von Anfang 1950 bis Ende 1957 zweiter Mann in der Redaktion, verwendet. Ab Heft 15 (vom 19. Juli 1952) erschien eine Zeitlang in jeder Ausgabe das mehr oder weniger deutliche Bild eines Automobilprototyps.
„Diese nach heutigen Maßstäben lächerlich harmlosen Bildchen galten damals als nie dagewesene Provokation der Automobilindustrie. Deshalb hatten wir zuvor wochen-, ja vielleicht monatelang überlegt, ob und in welcher Form wir uns den Abdruck dieser Amateurfotos erlauben konnten. Chefredakteur Wieselmann kam schließlich auf die Idee, durch liebenswürdige Begleittexte den betroffenen Industriefirmen die bittere Pille ein wenig zu versüßen. In diesem Sinn reimte er eines schönen Sonntags für die ersten paar Bilder je ein kleines Achtzeilen-Gedicht im Stil des Erlkönig-Poems. Die legte er mir Montagfrüh auf den Tisch mit dem Auftrag, hieraus für die nächsten Hefte eine Folge vorzubereiten und diese mit einer gleichbleibenden Überschrift zu versehen. Nach kurzer Überlegung meinte ich: »Schreiben wir doch einfach ›Erlkönig‹ drüber!« […] Fortan bezeichnete ich in auto motor und sport konsequent jeden Prototyp, gleich welcher Herkunft, als Erlkönig, und so wurde das Wort bekannt und bald zu einem geläufigen Ausdruck.“
– Werner Oswald: Mercedes-Benz Personenwagen 1886–1986[1]
Erlkönig Nummer eins war der Prototyp des damals mit Spannung erwarteten Mercedes-Benz 180. Die Bildunterschrift lautete wie folgt:
Erlkönig
1. Folge
Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind?
Ist es ein Straßenkreuzer von drüben,
der nur im Umfang zurückgeblieben
oder gar Daimlers jüngstes Kind?
Der stille Betrachter wär gar nicht verwundert,
wenn jenes durchgreifend neue Modell,
das selbst dem Fotografen zu schnell,
nichts anderes wär als der Sohn vom »Dreihundert«.
Gründe der Geheimhaltung
Der Produktlebenszyklus eines Fahrzeugs beträgt in der Regel einige Jahre. Nach dieser Zeit werden von den Automobilherstellern Nachfolger auf den Markt gebracht, die mit neuerer Technik ausgestattet sind. Im Kontext des Erlkönigs spielt jedoch das Design (Exterieur und Interieur) des neuen Modells eine entscheidende Rolle. Die Verkaufszahlen des Vorgängermodells sinken normalerweise am Ende des Produktlebenszyklus, da die Käufer die neuen Modelle abwarten. Diese Verkaufszahlen würden sich nochmals reduzieren, wenn vor dem Ende des Produktlebenszyklus des Vorgängermodells Bilder vom ungetarnten Nachfolgemodell in den Medien erschienen. Außerdem werden durch Tarnmaßnahmen Technik- bzw. Design-Details vor der Konkurrenz verschleiert.
Um dem frühzeitigen Lüften der Geheimnisse entgegenzuwirken, werden die Fahrzeuge bei den Testfahrten häufig optisch verändert, wobei dies meist in mehreren Stufen geschieht. So fahren die ersten Prototypen mit neuer Technik oft in angepassten Karosserien ihrer Vorgänger oder anderen Modellen des Herstellers. Erlkönige dieser Stufe werden oftmals als Muletto bezeichnet, in Anspielung auf die Mischung aus neuer Technik und fremder oder alter Hülle. Steht das neue Design fest, geht die Tarnung der Karosserie zuerst in Richtung Vollverkleidung und nimmt dann mit Näherrücken der Präsentation immer mehr ab. Dazu werden an markanten Konturen Abdeckungen und Verkleidungen angebracht, die das tatsächliche Aussehen verschleiern sollen.
Auch das Interieur ist oftmals durch Kunststoffteile abgedeckt, um das Aussehen des Armaturenbretts und der Ablagen zu verschleiern.
Die Automobilkonzerne handhaben den Umgang mit ihren Erlkönigen unterschiedlich. Dabei reicht die Palette von der Fahr- und Parkerlaubnis der Prototypen im öffentlichen Verkehrsraum bereits im frühesten Teststadium (zum Beispiel Fiat) bis hin zum Fahrverbot für Prototypen in der Öffentlichkeit bis zur Präsentation des Modells (wie etwa bei VW).
In anderen Branchen, vor allem bei Schallplatten und CDs, werden Testprodukte mit verschleiertem Hersteller als White Label bezeichnet.
Bildergalerie mit verschiedenen Beispielen
Die eingesetzten Tarnmethoden unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller und dem Entwicklungsstand. Mit zunehmender Serienreife wird die Tarnung immer weiter verringert, bis letztlich nur noch einzelne Komponenten und das Markenemblem verborgen bleiben.
Testgebiete
Um die neuen Bauteile und Fahrzeuge unter extremen Witterungsverhältnissen zu testen, finden die meisten Kältetests im schwedischen Arjeplog[2] und die Hitze- und Staubtests in der Mojave-Wüste (insbesondere im Death Valley) von Arizona statt.
Quelle
Erlkönig als Blickfang für eine Ausstellung über das Automotive Testing Papenburg (2011)
Namensgebung
Die Namensgebung geht auf die Ballade „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe zurück, die mit dem Vers „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind“ beginnt und von Journalisten Anfang der 1950er Jahre umgedichtet wurde. Erstmals im Zusammenhang mit Prototypen wurde der Begriff von den beiden Motorjournalisten Heinz-Ulrich Wieselmann, Chefredakteur der Automobilzeitschrift auto motor und sport, und Werner Oswald, von Anfang 1950 bis Ende 1957 zweiter Mann in der Redaktion, verwendet. Ab Heft 15 (vom 19. Juli 1952) erschien eine Zeitlang in jeder Ausgabe das mehr oder weniger deutliche Bild eines Automobilprototyps.
„Diese nach heutigen Maßstäben lächerlich harmlosen Bildchen galten damals als nie dagewesene Provokation der Automobilindustrie. Deshalb hatten wir zuvor wochen-, ja vielleicht monatelang überlegt, ob und in welcher Form wir uns den Abdruck dieser Amateurfotos erlauben konnten. Chefredakteur Wieselmann kam schließlich auf die Idee, durch liebenswürdige Begleittexte den betroffenen Industriefirmen die bittere Pille ein wenig zu versüßen. In diesem Sinn reimte er eines schönen Sonntags für die ersten paar Bilder je ein kleines Achtzeilen-Gedicht im Stil des Erlkönig-Poems. Die legte er mir Montagfrüh auf den Tisch mit dem Auftrag, hieraus für die nächsten Hefte eine Folge vorzubereiten und diese mit einer gleichbleibenden Überschrift zu versehen. Nach kurzer Überlegung meinte ich: »Schreiben wir doch einfach ›Erlkönig‹ drüber!« […] Fortan bezeichnete ich in auto motor und sport konsequent jeden Prototyp, gleich welcher Herkunft, als Erlkönig, und so wurde das Wort bekannt und bald zu einem geläufigen Ausdruck.“
– Werner Oswald: Mercedes-Benz Personenwagen 1886–1986[1]
Erlkönig Nummer eins war der Prototyp des damals mit Spannung erwarteten Mercedes-Benz 180. Die Bildunterschrift lautete wie folgt:
Erlkönig
1. Folge
Wer fährt da so rasch durch Regen und Wind?
Ist es ein Straßenkreuzer von drüben,
der nur im Umfang zurückgeblieben
oder gar Daimlers jüngstes Kind?
Der stille Betrachter wär gar nicht verwundert,
wenn jenes durchgreifend neue Modell,
das selbst dem Fotografen zu schnell,
nichts anderes wär als der Sohn vom »Dreihundert«.
Gründe der Geheimhaltung
Der Produktlebenszyklus eines Fahrzeugs beträgt in der Regel einige Jahre. Nach dieser Zeit werden von den Automobilherstellern Nachfolger auf den Markt gebracht, die mit neuerer Technik ausgestattet sind. Im Kontext des Erlkönigs spielt jedoch das Design (Exterieur und Interieur) des neuen Modells eine entscheidende Rolle. Die Verkaufszahlen des Vorgängermodells sinken normalerweise am Ende des Produktlebenszyklus, da die Käufer die neuen Modelle abwarten. Diese Verkaufszahlen würden sich nochmals reduzieren, wenn vor dem Ende des Produktlebenszyklus des Vorgängermodells Bilder vom ungetarnten Nachfolgemodell in den Medien erschienen. Außerdem werden durch Tarnmaßnahmen Technik- bzw. Design-Details vor der Konkurrenz verschleiert.
Um dem frühzeitigen Lüften der Geheimnisse entgegenzuwirken, werden die Fahrzeuge bei den Testfahrten häufig optisch verändert, wobei dies meist in mehreren Stufen geschieht. So fahren die ersten Prototypen mit neuer Technik oft in angepassten Karosserien ihrer Vorgänger oder anderen Modellen des Herstellers. Erlkönige dieser Stufe werden oftmals als Muletto bezeichnet, in Anspielung auf die Mischung aus neuer Technik und fremder oder alter Hülle. Steht das neue Design fest, geht die Tarnung der Karosserie zuerst in Richtung Vollverkleidung und nimmt dann mit Näherrücken der Präsentation immer mehr ab. Dazu werden an markanten Konturen Abdeckungen und Verkleidungen angebracht, die das tatsächliche Aussehen verschleiern sollen.
Auch das Interieur ist oftmals durch Kunststoffteile abgedeckt, um das Aussehen des Armaturenbretts und der Ablagen zu verschleiern.
Die Automobilkonzerne handhaben den Umgang mit ihren Erlkönigen unterschiedlich. Dabei reicht die Palette von der Fahr- und Parkerlaubnis der Prototypen im öffentlichen Verkehrsraum bereits im frühesten Teststadium (zum Beispiel Fiat) bis hin zum Fahrverbot für Prototypen in der Öffentlichkeit bis zur Präsentation des Modells (wie etwa bei VW).
In anderen Branchen, vor allem bei Schallplatten und CDs, werden Testprodukte mit verschleiertem Hersteller als White Label bezeichnet.
Bildergalerie mit verschiedenen Beispielen
Die eingesetzten Tarnmethoden unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller und dem Entwicklungsstand. Mit zunehmender Serienreife wird die Tarnung immer weiter verringert, bis letztlich nur noch einzelne Komponenten und das Markenemblem verborgen bleiben.
Testgebiete
Um die neuen Bauteile und Fahrzeuge unter extremen Witterungsverhältnissen zu testen, finden die meisten Kältetests im schwedischen Arjeplog[2] und die Hitze- und Staubtests in der Mojave-Wüste (insbesondere im Death Valley) von Arizona statt.
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