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Der Formatkrieg

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Beitrag  checker Sa Jun 04, 2016 11:29 am

Als Formatkrieg oder „Video-Krieg“ wird der Wettbewerb konkurrierender Videokassettensysteme der späten 1970er und frühen 1980er Jahre bezeichnet. Zu einem Zeitpunkt, als sich Heim-Videokassettenrekorder gerade zu einem industriellen Massenprodukt entwickelt hatten, existierten mehrere untereinander inkompatible Systeme, von denen sich dann etwa 1984 das VHS-Format weltweit durchsetzte.

Ursachen

1971 starteten Grundig und Philips mit ihrem VCR das „Videozeitalter“ im Heimbereich. Die dazu benutzte Kassette hatte eine Spielzeit von rund einer Stunde, Zweikanalton und eine sogenannte Color-under-Farbaufzeichnung. Durch das Erscheinen eines japanischen Dreistundensystems im Jahr 1976 wurde die VCR-Kassette technisch überrundet, denn sie lief noch immer nur knapp über eine Stunde, während das japanische Konkurrenzprodukt VHS Filme in Spielfilmlänge ohne Unterbrechung aufzeichnen konnte. Die aufkommende Konkurrenzsituation zwang Philips und Grundig, ihr VCR-System kurzfristig weiterzuentwickeln. Es entstanden mehrere inkompatible Varianten, die bis zu fünf Stunden bei einer sehr akzeptablen Bildqualität liefen, und 1979 das Nachfolgersystem Video 2000 mit einer Spielzeit von zunächst zweimal vier Stunden.

So konkurrierten nach nur kurzer Zeit folgende Videoformate: das europäische VCR-System von Philips und Grundig in drei untereinander inkompatiblen Varianten, die japanischen Formate VHS und ein weiteres, 1978 von der japanischen Firma Sony entwickeltes Zweidreiviertelstundensystem namens Betamax. Grundig und Philips wechselten ab 1979 völlig zu ihrer Neuentwicklung Video 2000 und gaben VCR im Heimbereich auf. Alle Konzerne verfolgten dabei unterschiedliche Marketingkonzepte.
Marketing von JVC

Alle Firmen weltweit, die unter ihrem eigenen Namen JVC-kompatible Videokassettenrekorder vertreiben wollten und weder Patente auf noch Produktionskapazitäten für Videorekorder besaßen, legten mit dem Lieferanten JVC lediglich ihr Firmen-Layout und eventuelle Besonderheiten fest. Dann wurden vorerst alle Geräte, unabhängig vom Lizenznehmer, bei JVC in Japan produziert. Das System von JVC hieß VHS und startete in Europa Ende 1976.
Marketing von Sony

Die Firma Sony bestand bei ihren Partnern darauf, dass diese eigene Produktionsstätten im jeweiligen Vertriebsland aufbauten, was naturgemäß lange Produktions-Anlaufzeiten schaffte. Danach lizenzierte man ihnen das Sony-Videosystem zum Nachbau. Dieses System Betamax wurde 1978 in Europa eingeführt.

Marketing von Grundig und Philips, die Situation in Westeuropa

Der Formatkrieg  N1500_v2
Philips N1500

Philips und Grundig waren die eigentlichen Pioniere der Heimvideosysteme gewesen. Ihr 1971 eingeführtes erstes Kassettensystem VCR bot eine Laufzeit von zunächst maximal 65 Minuten als Antwort auf das japanische Videoformat U-matic, das 1968 eine ähnliche Laufzeit pro Kassette zur Verfügung gestellt hatte, jedoch ausschließlich für semiprofessionelle Anwendungen gedacht war wie Schul- oder Industriefernsehen.

Im Heimvideobereich spielt eine lange Laufzeit eine bedeutendere Rolle als im Schul- oder TV-Bereich. Man wollte Spielfilme oder lange Unterhaltungssendungen am Stück speichern können. Erst 1977, kurz nach Erscheinen eines Dreistundenrekorders aus Japan, dem ersten VHS-Gerät der Victor Company of Japan (JVC), setzte man bei VCR dazu (neben einigen weiteren konstruktiven Änderungen) die Bandgeschwindigkeit herab und erreichte so eine Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden pro Kassette.

Da der japanische Konkurrent JVC aber im selben Jahr eine Videokassette mit einer Laufzeit von vier Stunden ankündigte, entwickelte Grundig im Alleingang und ohne Philips das System nochmals weiter und schuf 1978 ein drittes, mit den vorausgegangenen Ein- und Zweistunden-VCR-Verfahren inkompatibles Videosystem (Super Video Recordering, kurz: SVR). Es lief bis zu fünf Stunden. Gleichzeitig begann die Massenproduktion. Grundig errichtete im Nürnberger Stadtteil Langwasser für mehr als 50 Millionen DM eigens ein Videorekorderwerk für dieses neue Super-Longplay-VCR-Gerät.

Philips erreichte unter Verwendung eines dünneren Bandmaterials mit der älteren Zweistunden-Systemvariante von 1977 zeitgleich die Drei-Stunden-Marke. Die Grundig-Kassetten waren nun nicht mehr auf Philips-Geräten abspielbar. Käufer der Grundig-Geräte mit der mittellangen Laufzeit von 1977 konnten ihre Kassetten zwar auf den neuesten Geräten von Philips, allerdings nicht mehr auf den aktuellen Grundig-SVR-Rekordern mit der ganz langen Laufzeit abspielen.

Der technische Hintergrund dazu: Grundig hatte 1975 ein vollelektronisch gesteuertes, neuartiges Videolaufwerk entwickelt und setzte es bereits erfolgreich sowohl für die Ein- als auch die Zweistundenvariante von VCR ein. Es war in der Herstellung äußerst kostspielig und geeignet auch für das Fünfstundensystem SVR. Das Philips-Laufwerk arbeitete noch immer – wie auch alle VHS-Geräte der damaligen Zeit – vollkommen mechanisch. Elektronisch geregelt war lediglich die Trommelrotation und der Bandvorschub. Die damit zu erzielende geringe Präzision reichte nicht aus, um damit ein SVR-Gerät im Hause Philips realisieren zu können.

Die Kunden des neuen Mediums reagierten verunsichert. Viele wandten sich von Grundig und Philips ab und kauften stattdessen die vorgenannten japanischen Produkte von JVC und Sony. Dazu rieten auch viele Grundig- und Philips-Händler, die das Marketingkonzept um VCR Longplay und SVR nicht mehr verstanden.

Anstatt sich mit Grundig nun auf eine der drei Varianten zu einigen, bot man bei Philips und Grundig ab 1979 überraschend ein viertes, mit den bisherigen drei Systemvarianten erneut inkompatibles Format an, ein konzeptionell anderes, neues System. Es nannte sich Video 2000. Die Kunden blieben verunsichert, gerade in der wichtigen Periode des aufkommenden Massenmarktes für Videogeräte.

Akzeptanzprobleme von Video 2000

Der Formatkrieg  Vr2020
Ein Video-2000–Rekorder

Die Folgen zeigten sich wenig später. Die überstürzte Markteinführung sowohl der Superlongplay-Version des VCR als auch kurz darauf des Video 2000 führte bei Grundig zu unausgereiften, unzuverlässig arbeitenden Geräten. Bei Philips gestaltete sich die Situation nur unwesentlich besser. Die Spieldauer des neuen Systems währte bis zu acht Stunden – nach vier Stunden wurde die Kassette umgedreht und konnte mit weiteren vier Stunden bespielt werden.

1981 war das VCR-System (abgesehen von einigen professionellen Geräten für Spezialanwendungen) vom Markt genommen, und es konkurrierten hauptsächlich VHS, Video 2000 und Betamax.

Ein wichtiger Punkt in dieser Zeit war die Verfügbarkeit von Miet- und Kaufkassetten. Videotheken richteten ihr Angebot auf das am meisten verbreitete System aus. Zu dieser Zeit war es bereits das VHS-Format. Und wie üblich bei neuen Medien war auch hier die Sex- und Pornofilmindustrie vorrangig vertreten. Philips erlaubte nach einigen mündlichen Quellen keinen Vertrieb von Pornographie im VCR- oder Video-2000-Format.

Bei einem Kaufpreis von mindestens DM 2200,- kam angesichts der Systemvielfalt bei den Verbrauchern spätestens 1979 große Unsicherheit auf. 1982 konkurrierten im Endverbrauchermarkt nur noch VHS, Betamax und Video 2000. Grundig hatte entgegen anders lautenden Ankündigungen das SVR-System noch 1981 vom Markt genommen und brachte 1984 erste eigene VHS-Rekorder heraus. Der Marktanteil von VHS wuchs stetig.

1986 hatte sich VHS mit einem Marktanteil von 93 % durchgesetzt. Video 2000 kam noch auf 4 %, Betamax war auf 3 % gesunken.

Die Situation im Jahr 1989: Video-2000-Geräte wurden nicht mehr produziert, der Herstellungsstopp lag bereits drei Jahre zurück. Sony bot noch Betamax-Geräte an, einen echten Käuferkreis gab es nicht mehr. Die fabrikneuen Geräte waren wohl mehr für die großen Archive gedacht oder für außereuropäische Länder, in denen Betamax eine größere Bedeutung hatte erlangen können. Grundig und Philips verkauften ausschließlich VHS-Videorekorder.

Die Situation 2012: VHS war noch immer das weltweit führende analoge Videosystem. Es gab dafür auch noch neue Videokassetten und Geräte zu kaufen. Im Gegensatz zu Kassetten der Systeme VCR und Video 2000 waren auch Betamax-Kassetten zumindest noch auf Sonderbestellung erhältlich. Bei der Beschaffung von Videokassetten der Systeme VCR und Video 2000 war man auf Restposten oder Gebrauchtware angewiesen. Meist wiesen allerdings selbst die noch verpackten Altbestände große Lagerschäden auf und waren kaum noch zu verwenden.

Die Situation 2015: Sony hat angekündigt, den Verkauf der Betamax-Videokassetten nach 40 Jahren im März 2016 einzustellen.[1] Auch die Produktion von VHS-Kassetten ist bereits eingestellt, im Endeffekt beschränkt sich der Verkauf auf Restbestände und Lagerräumungen.[2]
Marktsituation 1980
Marktanteile
System Marktanteil Anbieter
VHS-Rekorder 53 % JVC (Systementwickler), Akai, Blaupunkt, Graetz, Hitachi, Mitsubishi, Panasonic, Nordmende, SABA (zu Thomson), Sharp und Telefunken.
Beta-Rekorder 23 % Sony (Systementwickler), Fisher, NEC, Sanyo, Toshiba und Wega.
Video-2000-Geräte 16 % Grundig und Philips (Systementwickler), Bang & Olufsen, ITT, Ingelen, Körting, Loewe Opta, Metz und Siemens.
VCR-Rekorder, SVR-Rekorder 8 % Grundig und Philips (Systementwickler), ITT und Siemens
Preise

1980 kostete eine E240-VHS-Kassette umgerechnet etwa 27 bis 35 Euro, eine L195-Betamax-Kassette ca. 24 bis 27 Euro, eine VCR-VC60-Kassette (65 min/ 120 min / 240 min, je nach Systemvariante) rund 30 bis 38 Euro und eine Video-2000-Kassette 31 bis 40 Euro.

Abgesehen davon waren Kassetten mit den genannten Spielzeiten nicht die gängigen Größen: Leicht verfügbar waren bei VHS die Länge E180 (180 min), bei Betamax L500 (120 min), bei VCR die VC30, die bei anderen Anbietern auch SVC-2 hieß (30/60/120 min) und die VCC 360 für das System Video 2000 mit zweimaligen 180 min.

Bei den Videorekordern hielten sich fast alle Verkäufer bis 1980 an die von den Herstellern empfohlenen Verkaufspreise. Diese lagen selten unter 1.500 Euro, meist eher weit darüber.

Beispiel aus dem Quelle-Winterkatalog 1978/79

Philips VCR Video-Kassetten-Rekorder N 1700 Long Play mit einer VC 30: DM 2.898,-

Einzelkassetten: VC 30 (30 bzw. 65 Minuten): 55 DM − VC 60 (60 bzw. 130 Minuten): 75 DM – VC 70 (70 bzw. 150 Minuten): 85 DM

Akai VHS Video-Kassetten-Rekorder VS-9300: DM 2.989,-

Einzelkassetten: E-60: 39 DM – E-120: 55 DM – E-180: 65 DM

Homevideo heute – nach einem weiteren Formatkrieg

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Ein moderner DVD-Rekorder

Die Einführung der DVD als Wiedergabe- und seit dem Jahr 2000 zunehmend auch als Aufnahmemedium für Privatanwender hat analoge bandbasierte Videogeräte bereits weitgehend vom Markt verdrängt. Allerdings möchten viele Anwender ihre analogen Aufzeichnungen weiter nutzen, weshalb sie auch ihre Rekorder behalten. Daher sind auch immer noch VHS-Rekorder als Neugeräte erhältlich. Zusätzlich kamen Kombi-Geräte hinzu, die ein VHS-Laufwerk und einen DVD-Rekorder vereinen, womit ein einfaches, meist automatisiertes Kopieren (Überspielen) von Videokassetten auf DVD möglich ist.

Der letztlich von VHS gewonnene Kampf um Marktanteile zwischen den Formaten wiederholte sich in ähnlicher Form ab etwa 2005 als Wettbewerb zwischen HD-DVD, VMD und Blu-ray, die alle als Nachfolger der DVD entwickelt wurden. Dieser „Krieg“ wurde von Blu-ray durch Rückzug der Filmerechtebesitzer (Filmstudios) aus den Konkurrenzformaten bzw. Aufgabe der Mitbewerber für sich entschieden, die anderen beiden Formate verschwanden vollständig vom Markt.

Quelle
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