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Der Welfenschatz

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Der Welfenschatz  Empty Der Welfenschatz

Beitrag  Andy Do Nov 10, 2016 10:07 pm

Der Welfenschatz ist der Reliquienschatz der Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig. Er besteht aus kunsthandwerklichen Gegenständen, die in der Zeit zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert gefertigt wurden, größtenteils handelt es sich dabei um Goldschmiedearbeiten. Als „Welfenschatz“ wird er allerdings erst nach 1866 bezeichnet, als er sich im Privatbesitz der exilierten Familie der Welfen befand, deren Vorfahren ihn einst dem Dom gestiftet hatten.

Der Welfenschatz  90px-Braunschweig_Brunswick_Armreliquiar_St._Blasius_Rueckseite
Armreliquiar: Rückansicht

Der Welfenschatz  320px-Braunschweig_Brunswick_Armreliquiar_St._Blasius_Vorderseite

Geschichte

Die brunonische Gräfin Gertrud die Ältere von Braunschweig († 1077, Gattin Liudolfs von Braunschweig) hatte bereits dem Vorgängerbau des Domes um 1030 verschiedene wertvolle Ausstattungsgegenstände gestiftet. Von diesen befinden sich noch heute einige im Welfenschatz, darunter z. B. das Armreliquiar des Heiligen Blasius,[1] des Namensgebers des Braunschweiger Domes. Es befindet sich heute in der Mittelaltersammlung des Herzog Anton Ulrich-Museums in der Burg Dankwarderode.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Schatz durch Vermächtnisse und Stiftungen erheblich vermehrt, so enthält ein Inventar aus dem Jahre 1482 140 Gegenstände. 1545 kamen Teile des Kirchenschatzes des Braunschweiger Cyriakusstiftes hinzu.

1574 wurde zum ersten Mal ein Diebstahl aus dem Schatz verzeichnet: Es wurden 20 Gegenstände – hauptsächlich Monstranzen – gestohlen, die seither verschollen sind. 1658 und in den folgenden Jahren entnahm Herzog Anton Ulrich zahlreiche Teile.

Übergabe des Schatzes an die Welfen

Nachdem die protestantische Stadt Braunschweig am 12. Juni 1671 ihre Unabhängigkeit verloren hatte, wurde der Schatz – bis auf das Armreliquiar des Namenspatrons des Domes – an den 1651 zum Katholizismus übergetretenen Herzog Johann Friedrich ausgehändigt. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Schatzes am 16. Juli 1671 war er noch ungeteilt. Johann Friedrich ließ ihn zunächst in die Schlosskirche in Hannover bringen, wo der Schatz nur sehr selten und nur wenigen ausgewählten Personen präsentiert wurde. Johann Friedrich war Sammler und baute die bestehende Sammlung weiter aus. Er bestellte den Abt des Klosters Loccum Gerhard Wolter Molanus zum Kustos der Sammlung. Dieser erstellte 1697 einen neuen Katalog, der auch für den Papst in die lateinische Sprache übersetzt wurde.

Im Verlaufe der Napoleonischen Kriege wurde der Schatz zum Schutz vor den feindlichen Truppen nach England in Sicherheit gebracht, kehrte dann aber wieder nach Hannover zurück, wo er im von König Georg V. 1861 gegründeten und 1862 eröffneten „Königlichen Welfenmuseum“ ausgestellt wurde.

Nachdem das Königreich Hannover 1866 von Preußen annektiert worden war, wurde der Schatz Georg V. als privates Eigentum zuerkannt, woraufhin er ihn mit ins Exil nach Österreich nahm und im Wiener Museum für Kunst und Industrie der Öffentlichkeit zugänglich machte. Im Jahre 1891 erschien schließlich der erste wissenschaftliche Katalog, in dem von dem österreichischen Zisterzienser und Kirchenhistoriker Wilhelm Anton Neumann alle verbliebenen Teile des Schatzes aufgelistet und beschrieben wurden.
Verkauf und Zerschlagung des Schatzes

1928 schließlich bemühte sich ein Enkel Georgs V., Herzog Ernst-August von Braunschweig-Lüneburg, die verbliebenen 82 Stücke des Schatzes zu Geld zu machen, da er etliche Schlösser zu unterhalten und erhebliche Pensionslasten zu tragen, jedoch durch die Revolution von 1918 seine wesentliche Einkunftsquelle verloren hatte. Auch große Teile des Hausvermögens der Welfen waren von 1866 bis zur Einigung im Streit um den Welfenfonds im Jahr 1933 eingefroren. Ernst-August forderte 24 Millionen Reichsmark für den gesamten Schatz. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise fand sich jedoch zunächst kein Käufer.

Zahlreiche deutsche Museen bemühten sich nun, den Reliquienschatz als Ganzes für Deutschland zu erhalten und einer drohenden Zerschlagung entgegenzuwirken. Aber selbst Eingaben beim Reichskanzler und der Preußischen Staatsregierung blieben aufgrund der nicht verhandelbaren Bedingungen seitens des Welfenherzogs vergeblich. Andererseits wurde ein Angebot Ernst-Augusts an die Stadt Hannover, den gesamten Welfenschatz zusammen mit den Herrenhäuser Gärten für 10 Millionen RM zu erwerben, aufgrund der desolaten Finanzlage am 30. Dezember 1929 von der Stadt abgelehnt.

Daraufhin erwarb ein Konsortium von drei namhaften jüdischen Frankfurter Kunsthändlern, die Firmen J. & S. Goldschmidt (Julius Falk Goldschmidt), I. Rosenbaum (Isaak Rosenbaum, Saemy Rosenberg) und Z. M. Hackenbroch (Zacharias Max Hackenbroch), den aus 82 Einzelexponaten bestehenden Reliquienschatz für 7,5 Millionen Reichsmark am 5. Oktober 1929. Bei verschiedenen nachfolgenden Ausstellungen in Frankfurt, Berlin und den USA wurden schließlich bis 1932 40 Exponate für insgesamt etwa 1,5 Millionen Reichsmark in private und öffentliche Sammlungen in die USA verkauft.[2] Die meisten Stücke, darunter den sog. Gertrudis-Tragaltar, sicherte sich das Cleveland Museum of Art, aber auch das Art Institute of Chicago erhielt acht Teile.

Zum Verbleib aller 1930 erworbenen Teile siehe: Welfenschatz (Liste).
Erwerb durch den preußischen Staat 1935

Die beteiligten Kunsthändler, die infolge der Weltwirtschaftskrise und der unmittelbar nach der nationalsozialistischen Machtergreifung Anfang 1933 einsetzenden antisemitischen Verfolgung offenbar innerhalb kurzer Zeit in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten und zum Teil bereits vor 1935 ins Ausland emigrieren mussten, verhandelten augenscheinlich ab 1934 mit verschiedenen preußischen Ministerien über den Ankauf der Restsammlung, die sich zum Zeitpunkt der Verhandlungen in Amsterdam befand. Deren Wert wurde mit immerhin noch 6 bis 7 Millionen Reichsmark beziffert.

In die Verhandlungen über den Ankauf der Sammlung waren 1934 auf Seiten des Landes Preußen sowohl der später als NS-Kriegsverbrecher verurteilte Jurist SS-Obergruppenführer Dr. Wilhelm Stuckart [3] als auch der später als Widerstandskämpfer hingerichtete Finanzminister Johannes Popitz maßgeblich beteiligt.

Für die nationalsozialistische Reichsregierung, mehr noch für den damals pro forma noch existierenden Staat Preußen unter seinem Ministerpräsidenten Hermann Göring war die "Rückführung" des Welfenschatz ins Deutsche Reich von überragender kulturpolitischer Bedeutung, denn die Ankaufsverhandlungen wurden maßgeblich vom preußischen Finanzminister Johannes Popitz, Bernhard Rust, damals preußischer Kultusminister und Mitinitiator des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums koordiniert und mit Zustimmung Görings durchgesetzt (aus dem Vorwort des Begleitkataloges zur Ausstellung des Welfenschatz 1935 in Berlin: "...Daß der Schatz nach seinen Irrfahrten durch die neue Welt nun doch noch für seine deutsche Heimat gerettet worden ist, danken wir der kulturbewußten und zielsicheren Energie des Preußischen Finanzministers, Herrn Dr. Popitz, und des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Herrn Bernhard Rust, die beide mit freudigster Zustimmung des Herrn Ministerpräsidenten Göring die Erwerbung des Schatzes beschlossen und durchgesetzt haben").[4]

Schließlich erwarb der Staat Preußen mit Hilfe der Dresdner Bank im Juni 1935 für die Staatlichen Museen Berlin die unverkauft gebliebenen 42 Stücke aus dem Besitz des Händlerkonsortiums (zwei weitere kurz darauf aus anderem Besitz) für einen Kaufpreis von angeblich 4,25 Millionen Reichsmark, darunter das „Welfenkreuz“, den Eilbertus-Tragaltar, das Kuppelreliquiar sowie das Plenar Ottos des Milden. Diese Stücke gelten als die kunsthistorisch bedeutendsten Teile des (verbliebenen) Schatzes.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Gegenstände ausgelagert und konnten so vor Zerstörung oder Raub gerettet werden.
Verbleib nach 1945

Nach Kriegsende wurde sie von US-Truppen beschlagnahmt. Der Schatz wurde anschließend treuhänderisch an das Land Hessen und 1955 schließlich an Niedersachsen übergeben. 1957 ging der Welfenschatz in das Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über. Von 1957 bis November 1963 war der Welfenschatz wieder in der Burg Dankwarderode zu besichtigen, bevor er – gegen großen Widerstand der Stadt Braunschweig, aber auch des Landes Niedersachsen – wieder nach Berlin in das dortige Kunstgewerbemuseum gesandt wurde, wo er seither ausgestellt wird. Es handelt sich weltweit um den umfangreichsten in einem Kunst-Museum ausgestellten Kirchenschatz. Er bildet den Höhepunkt der Mittelaltersammlung des Kunstgewerbemuseums.

In Braunschweig verblieben neben dem ältesten Armreliquiar weitere Teile, die nach 1945 vom Herzog Anton Ulrich-Museum erworben worden waren.
Restitutionsanspruch

Die Erben der Kunsthändler machen seit 2008 Ansprüche auf Rückgabe der Kunstgegenstände geltend[5]. Sie berufen sich auf die internationalen Verträge zum Umgang mit Raubkunst und führen an, dass der Verkauf 1935 nur unter dem Druck der rassistischen Verfolgung erfolgt wäre, der Kaufpreis nicht angemessen gewesen wäre und dass ihre Vorfahren über den Kaufpreis nicht frei hätten verfügen können. Diese Kriterien wurden in der Washingtoner Erklärung von 1999 entwickelt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verweigerte die Herausgabe, erkannte die Ansprüche nicht an, stimmte aber der Anrufung der Limbach-Kommission zu, die formal unverbindliche Empfehlungen zu streitigen Restitutionsfällen abgibt.

Im Zuge des Verfahrens wurden von beiden Parteien Gutachten eingeholt. Die Gutachter der Stiftung kamen zum Ergebnis, dass der Kaufpreis der Situation des Kunstmarkts 1935 angemessen war und der preußische Staat der einzige Interessent an den Kunstwerken gewesen war. Er gäbe ferner keine Hinweise, dass die Käufer nicht frei über den Erlös verfügen konnten. Zudem habe sich der Schatz zum Zeitpunkt des Verkaufs im Ausland, sicher vor dem Zugriff des deutschen bzw. preußischen Staates, befunden und sei erst nach Zahlung des Kaufpreises nach Berlin geschickt worden. Zwei Gutachter für die Erben kamen auf der anderen Seite zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Rückgabe gegeben seien, insbesondere hätte der Staat die Notlage der Händler erst durch seine antisemitische Politik herbeigeführt und diese Situation dann ausgenutzt.[6] Im September 2013 schaltete sich die israelische Kulturministerin Limor Livnat in den Streit ein und setzte sich in einem Schreiben an Kulturstaatsminister Bernd Neumann für die Erben ein. Damit erreicht die Angelegenheit eine politische Ebene.[7][8] Die Limbach-Kommission sprach am 20. März 2014 eine Empfehlung gegen eine Rückgabe aus, da nach ihrer Auffassung die Ursache für den Eigentumsverlust der Kunsthändler nicht in der NS-Verfolgung der Kunsthändler gelegen habe (es sich also nicht um Raubkunst handele).[9] Die Kommission führt aus, es lägen

„keine Indizien vor, die darauf hindeuten, dass die Kunsthändler und ihre Geschäftspartner in dem von der Beratenden Kommission zu beurteilenden speziellen Fall in den Verhandlungen – etwa von Göring – unter Druck gesetzt worden sind; zudem hatte man es auch 1934/1935 mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu tun. Schließlich einigten sich beide Seiten auf einen Kaufpreis, der zwar unter dem Einkaufspreis von 1929 lag, aber der Lage auf dem Kunstmarkt nach der Weltwirtschaftskrise entsprach. Die Kunsthändler verwendeten den Erlös zu einem wesentlichen Teil für die Rückzahlung der finanziellen Beiträge ihrer in- und ausländischen Geschäftspartner. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kunsthändler und ihre Geschäftspartner über den Erlös nicht frei verfügen konnten.[10]“

Seit Februar 2015 klagen zwei Erben der Kunsthändler[11] vor dem US-Bundesbezirksgericht für den District of Columbia gegen die Bundesrepublik Deutschland und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Herausgabe der 1935 erworbenen 42 Berliner Stücke des Welfenschatzes.[12] Sie argumentieren, der Verkauf [13] an Preußen gehe auf Zwang zurück. Preußen habe unter seinem Ministerpräsidenten Göring mit Hilfe vieler bekannter Nazis gehandelt und zum Schein die Dresdner Bank als Käuferin auftreten lassen (S. 29). Der 1929 für 7,5 Mio. RM gekaufte Schatz habe, als er im Juni 1935 verkauft wurde, einen deutlich höheren Wert gehabt als die 4,35 Mio. RM, die schließlich vereinbart wurden. Im Laufe der Verhandlungen, die Anfang 1934 begonnen hätten, sei der Verfolgungsdruck auf die Verkäufer, die sich in Deutschland befanden, immer größer geworden, was nicht zuletzt wirtschaftlich ihre Möglichkeiten, abzuwarten, bis sich ein besserer Käufer finde, stark eingeschränkt habe, selbst wenn ihnen das möglich gewesen wäre (S. 30 - 42).

Im Herbst 2015 beantragten die Bundesrepublik Deutschland und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit einer motion to dismiss, die Klage abzuweisen.[14] Die Beklagten argumentieren, dass ein amerikanisches Gericht aus völkerrechtlichen Gründen nicht über den deutschen Staat (dem die Stiftung zugerechnet wird) richten dürfe. Die Ausnahmen, die das amerikanische Recht nach dem Foreign Sovereign Immunities Act vorsehe, seien nicht erfüllt. Insbesondere sei der deutsche Staat im Zusammenhang mit dem Bild in den USA nicht kommerziell in Erscheinung getreten (wie das etwa beim Kauf amerikanischer Waren durch deutsche staatliche Stellen der Fall wäre). Auch liege keine Enteignung vor, die ebenfalls die Zuständigkeit eines amerikanischen Gerichts begründen könne. In der Klageerwiderung wird ein Fall diskutiert, in dem ein amerikanisches Gericht im Jahre 2012 ausnahmsweise seine Zuständigkeit für eine Klage bejaht hat, bei der es um einen Vermögensverlust ging, der 1944 durch NS-Verfolgung verursacht worden war[15]. In diesem Zusammenhang heißt es in dem Schriftsatz (S. 24):

„Unlike the allegations in Abelesz, which involved takings in 1944–45, in the midst of the Holocaust, the alleged taking of the Welfenschatz in 1935 predated the Holocaust by several years. And unlike the property in Abelesz, the Welfenschatz was not seized and auctioned to fund genocide.“

„Anders als bei den Behauptungen im Fall Ablesz, bei denen es um Wegnahmen 1944/45, mitten im Holocaust, ging, ging die angebliche Wegnahme des Welfenschatzes dem Holocaust um mehrere Jahre voraus. Und anders als beim Eigentum im Fall Abelsz, wurde der Welfenschatz nicht entzogen und versteigert, um einen Völkermord zu finanzieren.“

Dieses Argument wurde von Historikern wie Timothy Snyder, Yale University und Marion Kaplan, New York University kritisiert.[16] Auch gebe es in Deutschland ein ausreichendes System zum Umgang mit Fällen wie diesem, nämlich die Mediation durch die Limbach-Kommission. Die Kläger seien also nicht darauf angewiesen, ein amerikanisches Gericht anzurufen (was ausnahmsweise zur Zuständigkeit amerikanischer Gerichte führen könnte).

Die NS-Verfolgung der Vorgänger der Kläger sei nicht die Ursache für den Verlust gewesen (S. 57). Außerdem berufen sich die Beklagten auf Verjährung (S. 67).
Kulturgutschutz

Am 4. April 2014 leitete das Land Berlin das Verfahren zur Eintragung der 44 Berliner Stücke in das Verzeichnis des national wertvollen Kulturguts nach dem Kulturgutschutzgesetz ein.[17] Die Eintragung erfolgte am 6. Februar 2015. Damit ist die Ausfuhr der Sammlung oder einzelner Teile davon nur mit ministerieller Genehmigung möglich.[18]

Quelle
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