Die Fraternisierung
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Die Fraternisierung
Als Fraternisierung, auch Fraternisation (Verbrüderung von lateinisch frater: „Bruder“) wird im Krieg bzw. in der Besatzungszeit die Zusammenarbeit von Soldaten einander feindlich gesinnter Kriegsparteien oder zwischen Besatzungssoldaten und der einheimischen Bevölkerung bezeichnet. Oft ist die Fraternisierung den Soldaten durch die militärische Führung verboten.
Fraternisierung hat daher oft militärrechtliche Konnotationen, im Gegensatz zum Begriff der Verbrüderung, der auch die Zusammenarbeit mehrerer Individuen, Personenverbünde und Staaten in Phasen des Friedens meint.
Theorie zur Fraternisierung
Die Verbrüderung ist nach der Ansicht des Politikwissenschaftlers Robert Axelrod eine Form der Kooperation.[1] In seinem 1984 im englischen Original erschienenen Werk Die Evolution der Kooperation schreibt er, dass aus modellierter spieltheoretischer Sicht die Fraternisation einem iterativen Gefangenendilemma gleicht, da kleinere örtlich begrenzte Einheiten in ruhigeren Frontabschnitten des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg idealisiert als Spieler betrachtet werden können.[2] Durch die längere zeitliche Bindung der gegnerischen Einheiten an einem Frontabschnitt kommt es zur mehrfachen Interaktion der Soldaten (als Spieler betrachtet), was zur Anwendung von bedingten Strategien führt, die im Fall eines einmaligen Ereignisses nicht auftreten würden.[3] Waffenruhe ist für Axelrod der Zustand, der zur Verbrüderung im Krieg führt. Diese Situation ergibt sich durch innere Faktoren wie die gleichzeitige Einnahme von Mahlzeiten, Zeichen zwischen den Gegnern und durch äußere Faktoren wie Zurückhaltung infolge von Schlechtwetterperioden.[4] Eine gleichartige Gegenaktion auf eine Aktion zwischen den Soldaten als Vergeltungsmaßnahme behindert Fraternisierung, weshalb sich als passives Verhalten der Einheiten und Soldaten ein Verzicht darauf ergibt.[5] Es gilt eine „Auge-um-Auge“-Situation, die nach Axelrod im Englischen als „Tit for Tat“ bezeichnet wird. Diese zwingt die handelnden Soldaten, ihrem eigenen Überlebenswillen nach, zur Passivität.[6] Darüber hinaus wird Verzicht dadurch aufrechterhalten, dass die Möglichkeit einer überproportionalen Gegenreaktion durch Demonstration des Potenzials aufgezeigt wird.[6] Das Prinzip „zwei für einen“ oder „drei für einen“ ist die Antwort auf unakzeptable Maßnahmen des Feinds. So wird eine Überreaktion gehemmt.[7]
Fraternisierungsverbote aus verhaltensbiologischer Sicht
Nach humanethnologischer Bewertung durch den Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt schwächt sich bei: „persönlicher Bekanntheit die Aggressivität deutlich ab. Daher werden im Krieg auch immer Gesetze gegen Verbrüderung erlassen, die verhindern sollen, dass die Gegner einander persönlich kennenlernen und auf freundliches Verhalten umschalten.“[8]
Fraternisierung während des Ersten Weltkrieges
Situation
Die Förderung des Angriffsgeists war für die Stäbe wichtig.[9] Die Alliierten verfolgten eine Zermürbungsstrategie (engl. War of Attrition – ‚Stellungskrieg‘), die für sie durch gleiche Verluste auf beiden Seiten zu einem Nettogewinn führen sollte, weil früher oder später die deutschen Kräfte zuerst erschöpft wären.[9] Der Erste Weltkrieg war auf Ebene der Staaten ein Nullsummenspiel, in dem Gewinn für die eine Seite den Verlust der anderen zur Folge hatte.[9] Auf lokaler Ebene führte dies jedoch zu wechselseitiger Zurückhaltung.[9] Bereits 1914, nach dem Erstarren des Bewegungskriegs zu einem Stellungskrieg, kam es zu Fraternisierung.[3]
Bis Weihnachten 1914 entstand eine „ausgedehnte“ Verbrüderung. Die zeitgleiche Einnahme von Mahlzeiten bedingten zu Anfang Waffenpausen (kurzweilige Waffenruhe)[3], die beispielsweise durch Luftschüsse kommuniziert wurden. Darüber hinaus gab es Zeichen, die Bereiche des Schlachtfelds von Kampfhandlungen ausnahmen. Ein Augenzeuge berichtete: „In einem Abschnitt war die Zeit von acht bis neun Uhr morgens »Privatangelegenheiten« gewidmet und bestimmte durch einen Wimpel gekennzeichnete Stellen galten für die Scharfschützen beider Seiten als verboten.“[4] Die Verbrüderung nahm kurzweilig sogar unerwartete Formen an. Es wurde beispielsweise Fußball gespielt zwischen Briten und Deutschen.[10]
Auffällig war die Verbrüderung zur Weihnachtszeit. Bereits zu Weihnachten 1914 fraternisierten Tausende deutsche mit englischen, französischen und belgischen Soldaten.[11] Ebenso wiederholte sich derartige Szenen 1915 sowie insbesondere an den Neujahrstagen von 1915 und 1916.[11][12] Es wurden Tabak, Getränke oder Essen im „Niemandsland“ ausgetauscht.[13]
Mittel gegen die Fraternisierung
Deutsche und britische Truppen während des Weihnachtsfriedens
Gegen die Verbrüderung wurden Propagandamittel eingesetzt.[14], Nachrichten über erfolgte Fraternisierung wurden von der Zensur unterdrückt.[11] Daneben gab es das ausdrückliche Verbot der Verbrüderung.[11]
Den schon 1914 entstanden offenen Waffenruhen wurde von der Führung der Kriegsparteien entgegengewirkt. Militärische Befehle sollten klarstellen, dass Soldaten: „in Frankreich waren, um zu kämpfen, und nicht, um mit dem Feind zu fraternisieren (Fifth Battalion the Camaronians 1936, 28).“ Zudem gab es Kriegsgerichte, die Soldaten bis hin zu ganzen Bataillonen aburteilten. Aufgrund der Gegenmaßnahmen der Stäbe sank die Zahl der Fraternisierungen.[4] Während der Kriegszeit interessierte die Soldaten und auch die Bevölkerung das Schicksal der durch den Vollzug der Todesstrafe Gerichteten. Dies führte bis hin zu Debatten im Parlament. Manche Erschießungen wurden als Justizirrtümer eingestuft und „korrigiert“.[15]
Propaganda wurde unsystematisch und „instinktiv“ zur Weihnachtszeit betrieben. Durch „kritisch-kämpferische“ Weihnachtsgedichte wurden die Soldaten jedoch kaum motiviert, da sie die Realität des Krieges kannten. Ein weiteres Mittel war die inszenierte »Weihnachtsfeier im Felde«, an der im Idealfall Wilhelm II. höchstselbst teilnahm.[14]
Durch die 1916 in der Brussilow-Offensive erstmals angewendete Taktik der Stoßtruppen – kurze Feuerüberfälle durch Artilleriebeschuss, gefolgt von einem Infanterieangriff – wurde das bis dahin praktizierte Verhalten geändert.[16]
Wegen gemehrter Schilderungen der Art: „Es gibt Stellungen, in denen man mit den Deutschen schwatzt. Sie zeigen uns Fotos und fassen uns bei der Hand, aber nicht, wenn Offiziere dabei sind, da dies streng verboten ist, – selbst eine Unterhaltung“ erging eine erste Weisung am 4. Dezember 1917 an die Armee zum Verbot solcher Begegnungen, die von Henri Philippe Pétain unterzeichnete wurde.[17] Eine weitere Weisung folgte am 29. Januar 1918.[18]
Besatzungszeit in Deutschland
Rund 500 Kinder entstanden aus Beziehungen zwischen weißen deutschen Frauen und schwarzen französischen Kolonialsoldaten, die bei der Rheinlandbesetzung zum Einsatz kamen. Die Ablehnung der deutschen Bevölkerung gegenüber den Kindern in den 1920er Jahren und später charakterisiert der Topos „Rheinlandbastard“ (siehe auch: Mulatte).[19]
Fraternisierung während des Spanischen Bürgerkrieges
Komitee des Internationalen Zivildienstes 1936, Die Mitglieder setzten sich für die Rettung gefährdeter Kinder ein
Situation
→ Hauptartikel: Spanischer Bürgerkrieg
Im Spanischen Bürgerkrieg zwischen Juli 1936 und April 1939 kam es zum Umsturz.[20] „Der Aufstand in Spanien war ausschließlich auf endogene Ursachen zurückzuführen.“[21] Der rechtsgerichtete General Francisco Franco putschte gegen die Spanische Republik.[20] Demgegenüber kämpften Freiwillige der Kommunistischen Internationale für eine kommunistische spanische Republik.[22] Diese sind bekannt als Internationale Brigaden.[22][23]
Im Zuge des Mitleids wurden in verschiedenen Ländern Flüchtlinge aus Spanien aufgenommen, wobei die Zahlen unterschiedlich ausfallen.[24] Nach Huge Thomas lebten im Juli 1939 etwa 352.000 spanisch-republikanische Flüchtlinge in der Emigration, davon 200.000 in französischen Lagern, 150.000 in Lateinamerika und es kehrten nach dem Krieg von diesen 50.000 zurück.[24] Das Schicksal der Waisenkinder führte zur Fraternisierung und wurde politisch propagandistisch ausgenutzt.[25]
Fraternisierung mit den Internationalen Brigaden
→ Hauptartikel: Internationale Brigaden
Die Interbrigaden wurden ab dem 9. Oktober 1936 aufgestellt. Militärischer Befehlshaber der XI. Internationalen Brigade wurde Manfred Stern (General Kleber).[26] Es kam unter dem kommunistisch gesinnten Bevölkerungsteil zur Verbrüderung mit den Internationalen Brigaden, wie etwa den Parteimitgliedern der spanischen kommunistischen Partei PCE. Das Militärwesen der spanischen Republik wurde von den Kommunisten und den politischen Kommissären der Sowjetunion aufgrund der Waffenlieferungen völlig dominiert.[27] Die genaue Zahl der sowjetischen Fachleute wird mit maximal 2150 angegeben, wobei sich zu keiner Zeit mehr als 800 sowjetische Fachleute in Spanien aufhielten.[28] Insgesamt kämpften rund 40.000 Interbrigadisten im Spanischen Bürgerkrieg.[Anm. 1]
Zur Verbrüderung gehörten auch Liebschaften und sexuelle Abenteuer zwischen Spaniern und den Frauen aus dem Ausland.[22] So schlossen, vor der Rückkehr nach Hause, von 70 bis 80 US-amerikanischen Interbrigadistinnen sieben eine Ehe mit einem Spanienkämpfer.[29] Ebenso gab es Schwangerschaften der Frauen in Beziehungen.[30]
Fraternisierung mit dem Deutschen Reich, Italien und Portugal
Deutscher Offizier der Legion Condor bei der Ausbildung von Offiziersanwärter der Putschisten
Franco ging zu Beginn des Konflikts auf die angebotene Unterstützung des seit 1933 nationalsozialistischen Deutschen Reiches ein.[31] Im Rahmen dieser Hilfeleistung wurde Kriegsgerät an die Putschisten geliefert und militärisch-personelle Beratung gewährt.[31] Neben dem Deutschen Reich engagierte sich auch das Königreich Italien unter Benito Mussolini am Konflikt, auf Seiten der Putschisten, zu Anfang stärker als Hitler.[32] Ab dem 28. August 1936 wurde das Verbot der aktiven Kampfbeteiligung aufgehoben und im November 1936 ein geschlossenes Luftwaffenkorps von 4.500 Mann nach Spanien aus Deutschland verlegt.[33] Unter wechselndem Oberbefehl beteiligte sich das eingesetzte Kontingent, benannt in „Legion Condor“, bis zum Sieg der franquistischen Truppen am Bürgerkrieg.[33]
Das Vertrauen und die Wertschätzung führten zu einer Verbrüderung der aufständischen Spanier mit dem ersten Befehlshaber Hugo Sperrle, den man „nur schweren Herzens ziehen ließ“.[33] Die 19.000 sogenannten „Freiwilligen“ – im Rotationsverfahren von neun Monaten eingesetzte Soldaten – teilten eine Verbundenheit mit den spanischen Partnern im Kampf gegen den Kommunismus, was nicht zuletzt in Veteranenvereinen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Widerhall fand.[34] Wie weitreichend diese Verbundenheit ging, ist ersichtlich in den begeisterten Begrüßungen der spanischen Truppenteile auf dem Schlachtfeld, für die deutschen Soldaten durch Ausrufe wie «Viva Alemania» oder «Viva el Führer».[35] Straßen wurden in Alemania benannt und die deutsche Flagge wehte zusammen mit der portugiesischen und der italienischen in manchen Vorgärten.[35] Zahlreiche Bürger beteiligten sich an Unterschriftensammlungen für Danksagungen an den „großen Helfer aus dem Norden“.[35] Unter dem Vorsatz der Hilfe für spätere Fälle, wurden Verträge zur Festigung der „freundschaftlichen Beziehungen“ zwischen dem Deutschen Reich und Spanien geschlossen.[36]
Fraternisierung während des Zweiten Weltkrieges
Während des Zweiten Weltkrieges kam es zu verschiedenen Formen der Fraternisierung. „Kollaboration“ ist in der europäischen Okkupationsforschung der allgemein anerkannte technische Terminus geworden für den modus vivendi, der in den okkupierten Ländern zwischen den dortigen Regierungen, bzw. Verwaltungen und der Besatzungsmacht geschaffen wurde. „Kollaboration“ ersetzt in der jüngeren Zeit mit spezifischer Bedeutung, die bisher benutzten Begriffe „Zusammenarbeitspolitik“ oder „Verhandlungspolitik“.[37] Der Übergang zur Verbrüderung insbesondere bei ideologischer Verbundenheit gestaltet sich fließend.
Situation in den durch das Deutsche Reich besetzten westlichen Gebieten
Die nationalsozialistische Sozialpolitik in der Kriegszeit war von der Vorstellung über die Geschlechterverhältnisse bestimmt, also eine Versorgung der Familie der Wehrmachtsoldaten. Der Staat subventionierte den Familienunterhalt. Dies sollte Loyalität zum Regime und die Zustimmung der Bevölkerung zum Krieg erzeugen, erwies sich aber als Hemmnis für die Mobilisierung weiblicher Arbeitskräfte ab 1940.[38] Nonkonformes Verhalten, das gegen die rassenpolitischen Grundsätze des Regimes verstieß, wie Beziehungen zu Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern oder vermeintliche „Asozialität“, wurden bestraft und der Familienunterhalt entzogen. Je nach Schwere wurde auch mit Einweisung in Konzentrationslager oder Todesstrafe sanktioniert.[38]
Um die Verbrüderung zu verhindern, sollten die ausländischen Freiwilligen der deutschen Streitkräfte in eigene Wehrmachtsbordelle gehen. In der Praxis wurde diese Regelung nicht immer durchgeführt. Die Spanne zwischen ideologischer Norm und sozialer Realität bestätigte sich, wenn untergebene Stellen mitunter abweichend von Befehlen ihrer Vorgesetzten agierten. Persönliche Kontakte, die nicht von der Wehrmachtführung kanalisiert und reguliert werden konnten, wurden unterbunden.[39] Die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten sollte verhindert werden. Wehrmachtangehörigen mit Geschlechtskrankheiten drohte eine Urlaubssperre.[39]
Bedenken aus „rassenpolitischen“ Gründen gegen den Kontakt mit der Zivilbevölkerung gab es, im Gegensatz zu Osteuropa, in Belgien, Holland, Nordfrankreich, Dänemark und Norwegen nicht, jedoch wurde „Fraternisierung“ von den nationalsozialistischen Machthabern abgelehnt.[40] Am 19. April 1939 erließ Heinrich Himmler das „Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Frauen einer andersrassigen Bevölkerung.“[41] Am 20. Januar 1942 wurde der Befehl erweitert, als es nun hieß, dass dieser sich „nur auf die besetzen russischen Gebiete“ beziehe.[41] Somit verbot sich der sexuelle Kontakt mit Frauen in den besetzten Gebieten für Angehörige der SS-Organisationseinheiten, wie etwa der Waffen-SS oder dem Lebensborn e. V.. Gegenüber Arbeitskräften aus Estland und Lettland sprach sich Himmler im September 1943 dafür aus, das Verbot aufzuheben.[42] Bei Angehörigen der baltischen Staaten machte er Unterschiede und verfügte, dass das Verbot für Litauer und Litauerinnen aufrechterhalten blieb.[42]
Benelux
Begrüßung der einrückenden deutschen Soldaten durch die Bevölkerung in Belgien
Während des Zweiten Weltkrieges standen die Beneluxländer vom 10. Mai 1940 bis zum 5. Mai 1945, unter deutscher Besatzung.[43] Der Westfeldzug gilt heute als weitgehend „sauberer“ Krieg.[43] Entgegen den Befürchtungen aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges wurde die Zivilbevölkerung wenig in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Waffenstillstand „kümmerten sich die Deutschen sogar mit Nachdruck um eine geregelte Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat“.[43] Das Deutsche Reich war darum bemüht, die rund 8,8 Millionen Niederländer auf ihre Seite zu ziehen, indem der zivile Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart eingesetzt wurde, der mit den niederländischen Nationalsozialisten zusammenarbeitete.[44][45] Eine um 1930 entstandene faschistische Organisation in Belgien, die Rexisten unter der Führung des wallonischen Populisten Léon Degrelle als katholisch-wallonische Bewegung, fraternisierte mit der nationalsozialistischen deutschen Besatzern in Belgien.[46]
Vor der Besatzung war die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden hoch.[44] Niederländische Industrielle und Beamte der Wirtschaftsbürokratie unternahmen Schritte in Richtung einer wirtschaftlichen Kooperation mit den Besatzern.[44] Schon im Juli 1940 arbeitenden zehntausende Niederländer für deutsche Projekte.[47] 100.000 Niederländer waren bis 1940 weitgehend freiwillig ins Deutsche Reich zur Arbeit gegangen.[48] Aus Belgien kamen bis Sommer 1941 189.000 Arbeitskräfte freiwillig.[48] Das Deutsche Reich wurde unter „verstärkter Zusammenarbeit“ zu einem Handelspartner, trotz aller Schwierigkeiten vor dem Krieg, weil nicht zuletzt die Abtrennung vom Weltmarkt und den Kolonien kompensiert werden musste.[47] In den Jahren 1940/41 brachte die Kollaboration der Wirtschaft eine „Hochkonjunktur“, welche erst mit der Eingliederung in die deutsche Kriegswirtschaft unter Albert Speer zurückging.[44]
In den Niederlanden wurde ab Mai 1940 für das Waffen-SS-Regiment „Westland“ geworben, welches zu Jahresende 4814 Niederländer umfasste.[49] Auch flämische Nationalisten in Nordbelgien meldeten sich freiwillig zur Waffen-SS.[50] Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges dienten rund 40.000 Niederländer in der Waffen-SS und bildeten das größte nichtdeutsche Kontingent.[51] Diese vergleichsweise hohe Zahl wurde politisch propagandistisch ausgenutzt.[51]
Dänemark
Zur öffentlichen Demütigung durch dänische Widerstandskämpfer vorgeführte Helfer der Gestapo
Während des Zweiten Weltkrieges stand Dänemark, vom 9. April 1940 bis zum 5. Mai 1945, unter deutscher Besatzung. Nach Warring: Anders als bei seinen übrigen Besatzungsregimen in Europa „hatte sich Deutschland gegenüber Dänemark bei dessen Kapitulation gerade zu jener Verbindlichkeit verpflichtet, die mit dem jus ad bellum im Grunde ausgeschlossen war: der Wahrung der territorialen und staatlichen Integrität des Landes, damit zur Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“. Aber diese Form der Besatzungsherrschaft wurde zunehmend ausgehöhlt und 1943 offen zugunsten direkter Eingriffsmöglichkeiten aufgegeben.[52][53][54] Die Politik der Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzung wurde von der überwiegenden Mehrheit der Dänen befürwortet, auch wenn keine Sympathie für die Deutschen bestand.[55] Es gab Vorbehalte gegen die deutsche Besatzung, jedoch forderte die Regierung die dänischen Beamten zur Pflege gesellschaftlichen Umgangs auf.[56] Dies lag unter anderem daran, dass die Alliierten die dänische Souveränität nicht beachteten und die Besetzung der Färöer-Inseln, Islands und Grönland vornahmen gegen den Protest der Regierung, hingegen für die Deutschen die Besetzung „friedlich“ sein und bleiben sollte.[55]
Hohe Arbeitslosigkeit hatte Dänemark in den Vorjahren belastet. Durch die Besatzung wurden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Während dieser Zeit vereinbarte der deutsch-dänischen Ausschuss für Handelsabkommen eine Kooperation für dänische Leiharbeiter in Deutschland. Bis 1941 wurden 64.000 dänische Staatsbürger angeworben. Insgesamt fanden 80.000 bis über 100.000 Dänen Arbeit in Deutschland.[55][48]
Bereits im Mai 1940 begann die Werbung für die SS-Standarte Nordland, in der Dänen und Norweger kämpften. Am 29. Juni 1941 wurde das Freikorps Danemark ausgehoben, in dem Freiwillige dienten, die vom Dienst freigestellt wurden sowie Ausreisegenehmigung erhielten, um im Ausland für das Deutsche Reich zu kämpfen. Diese Einheit operierten nur an der Ostfront.[56]
Nach Warring wurden die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit überschritten, weil beide Beteiligten „nolens volens“ in einer Doppelfunktion agierten: Sowohl der Soldat als auch die Frau seien Privatperson und Besatzer bzw. „Fraternisierende“ in einem gewesen.[57] Trotz der Steigerung von Partisanenaktion zu Ende des Krieges gab es selten negative Berichte über Dänen von Deutschen Soldaten. So schreibt der Wehrmachtsarzt Georg Pawlowski: „In Punkto Fraternisieren möchte ich noch ergänzen, dass während der Besetzung eine stark freundschaftliche Verflechtung der deutschen Soldaten mit der dänischen Zivilbevölkerung herrschte.“ Eine durch und durch feindselige Haltung der dänischen Bevölkerung, die nach der Kapitulation unter den Dänen vorherrschend war, relativiert sich durch die hohe Zahl an Kindern aus Beziehungen zwischen Deutschen und Däninnen. Bereits zum 5. Dezember 1940 schreibt der Reichskommissar Wilhelm Redieß an Himmler, dass nach Gespräch mit dem Flugbereichskommandanten im dänischen Aalborg auf 48.000 Einwohner und 4.000 deutsche Luftwaffensoldaten 800 Schwangerschaften gemeldet wurden.[58] Hingegen schätzt Havrehed die Zahl der deutsch-dänischen Kinder auf etwa 400-500.[59] Es wurden nach der Kapitulation diese Frauen ohne Rechtsgrundlage und ohne Rechtsschutz öffentlich angeprangert und gedemütigt.[60]
Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten werden am 12. Februar 1945 in einer vorläufigen Sammelstelle in Dänemark versorgt
Nach dem Vorrücken der Roten Armee wurden auf Befehl Hitlers ab Februar 1945 Hunderttausende Menschen vor allem aus Hinterpommern, Danzig sowie West- und Ostpreußen über die Ostsee in Sicherheit gebracht.[61] Die dänischen Behörden lehnten Hilfe ab. „Bei den Verhandlungen nahmen die dänischen Beamten mit Unterstützung der führenden Politiker […] eine klare Haltung ein. Bei der Einquartierung und Verpflegung der Flüchtlinge sollte den Deutschen nicht geholfen werden. Sie sollten im Gegenteil gezwungen werden, Beschlagnahmungen vorzunehmen und Bezugskarten für Lebensmittel zu requirieren.“[62] Am 9. Februar 1945 kamen die ersten Flüchtlinge mit den Flüchtlingsschiffen in Kopenhagen an. Es wurden Schulen, Hotels und Sportanlagen für ihre Aufnahme requiriert. Auf die Ankommenden wurde unterschiedlich reagiert.[63] Es gab Angst und Zurückhaltung auf Grund schlechter Erfahrung. Die Dänen wussten um die Racheakte der Widerstandskämpfer, wenn sie Kontakte zu Flüchtlingen hielten.[61]
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht wurde durch den britischen General Dewing mit der Heeresführung das Schicksal der deutschen Soldaten in Dänemark geklärt. Bis auf Kranke und Verletzte marschierten die Streitkräfte in Zügen zurück ins deutsche Gebiet. So verließen bis zum 29. Juli 1945 257.617 Soldaten das dänische Territorium. Auf dem Rückmarsch der deutschen Truppen gab es keine Belästigungen, oft aber kleine Geschäfte zwischen Soldaten und Dänen. Beispielsweise wurden Waffen gegen Lebensmittel getauscht.[64]
Die Flüchtlinge kamen zur Inhaftierung in Lager. Für Dänen, die nicht in der Lagerverwaltung zwangsläufig mit den Flüchtlingen Kontakt hatten, war jeder Umgang mit den Internierten sowie der Aufenthalt an den Begrenzungszäunen verboten. An den Lagern standen Warnschilder, die bei Übertretung Strafen androhten. Entsprechende Warnungen in deutscher Sprache gab es innerhalb der Lager. Im Ordnungsreglement für deutsche Flüchtlinge des Kgl. Dänischen Arbeits- und Sozialministerium vom Juli 1945 war beispielsweise unter Punkt 21 angeordnet: „Flüchtlinge dürfen sich nicht an offenen zur Straße gelegenen Fenstern aufhalten.“[65]
Weiteres dazu im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fraternisierung_(Krieg)
Fraternisierung hat daher oft militärrechtliche Konnotationen, im Gegensatz zum Begriff der Verbrüderung, der auch die Zusammenarbeit mehrerer Individuen, Personenverbünde und Staaten in Phasen des Friedens meint.
Theorie zur Fraternisierung
Die Verbrüderung ist nach der Ansicht des Politikwissenschaftlers Robert Axelrod eine Form der Kooperation.[1] In seinem 1984 im englischen Original erschienenen Werk Die Evolution der Kooperation schreibt er, dass aus modellierter spieltheoretischer Sicht die Fraternisation einem iterativen Gefangenendilemma gleicht, da kleinere örtlich begrenzte Einheiten in ruhigeren Frontabschnitten des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg idealisiert als Spieler betrachtet werden können.[2] Durch die längere zeitliche Bindung der gegnerischen Einheiten an einem Frontabschnitt kommt es zur mehrfachen Interaktion der Soldaten (als Spieler betrachtet), was zur Anwendung von bedingten Strategien führt, die im Fall eines einmaligen Ereignisses nicht auftreten würden.[3] Waffenruhe ist für Axelrod der Zustand, der zur Verbrüderung im Krieg führt. Diese Situation ergibt sich durch innere Faktoren wie die gleichzeitige Einnahme von Mahlzeiten, Zeichen zwischen den Gegnern und durch äußere Faktoren wie Zurückhaltung infolge von Schlechtwetterperioden.[4] Eine gleichartige Gegenaktion auf eine Aktion zwischen den Soldaten als Vergeltungsmaßnahme behindert Fraternisierung, weshalb sich als passives Verhalten der Einheiten und Soldaten ein Verzicht darauf ergibt.[5] Es gilt eine „Auge-um-Auge“-Situation, die nach Axelrod im Englischen als „Tit for Tat“ bezeichnet wird. Diese zwingt die handelnden Soldaten, ihrem eigenen Überlebenswillen nach, zur Passivität.[6] Darüber hinaus wird Verzicht dadurch aufrechterhalten, dass die Möglichkeit einer überproportionalen Gegenreaktion durch Demonstration des Potenzials aufgezeigt wird.[6] Das Prinzip „zwei für einen“ oder „drei für einen“ ist die Antwort auf unakzeptable Maßnahmen des Feinds. So wird eine Überreaktion gehemmt.[7]
Fraternisierungsverbote aus verhaltensbiologischer Sicht
Nach humanethnologischer Bewertung durch den Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt schwächt sich bei: „persönlicher Bekanntheit die Aggressivität deutlich ab. Daher werden im Krieg auch immer Gesetze gegen Verbrüderung erlassen, die verhindern sollen, dass die Gegner einander persönlich kennenlernen und auf freundliches Verhalten umschalten.“[8]
Fraternisierung während des Ersten Weltkrieges
Situation
Die Förderung des Angriffsgeists war für die Stäbe wichtig.[9] Die Alliierten verfolgten eine Zermürbungsstrategie (engl. War of Attrition – ‚Stellungskrieg‘), die für sie durch gleiche Verluste auf beiden Seiten zu einem Nettogewinn führen sollte, weil früher oder später die deutschen Kräfte zuerst erschöpft wären.[9] Der Erste Weltkrieg war auf Ebene der Staaten ein Nullsummenspiel, in dem Gewinn für die eine Seite den Verlust der anderen zur Folge hatte.[9] Auf lokaler Ebene führte dies jedoch zu wechselseitiger Zurückhaltung.[9] Bereits 1914, nach dem Erstarren des Bewegungskriegs zu einem Stellungskrieg, kam es zu Fraternisierung.[3]
Bis Weihnachten 1914 entstand eine „ausgedehnte“ Verbrüderung. Die zeitgleiche Einnahme von Mahlzeiten bedingten zu Anfang Waffenpausen (kurzweilige Waffenruhe)[3], die beispielsweise durch Luftschüsse kommuniziert wurden. Darüber hinaus gab es Zeichen, die Bereiche des Schlachtfelds von Kampfhandlungen ausnahmen. Ein Augenzeuge berichtete: „In einem Abschnitt war die Zeit von acht bis neun Uhr morgens »Privatangelegenheiten« gewidmet und bestimmte durch einen Wimpel gekennzeichnete Stellen galten für die Scharfschützen beider Seiten als verboten.“[4] Die Verbrüderung nahm kurzweilig sogar unerwartete Formen an. Es wurde beispielsweise Fußball gespielt zwischen Briten und Deutschen.[10]
Auffällig war die Verbrüderung zur Weihnachtszeit. Bereits zu Weihnachten 1914 fraternisierten Tausende deutsche mit englischen, französischen und belgischen Soldaten.[11] Ebenso wiederholte sich derartige Szenen 1915 sowie insbesondere an den Neujahrstagen von 1915 und 1916.[11][12] Es wurden Tabak, Getränke oder Essen im „Niemandsland“ ausgetauscht.[13]
Mittel gegen die Fraternisierung
Deutsche und britische Truppen während des Weihnachtsfriedens
Gegen die Verbrüderung wurden Propagandamittel eingesetzt.[14], Nachrichten über erfolgte Fraternisierung wurden von der Zensur unterdrückt.[11] Daneben gab es das ausdrückliche Verbot der Verbrüderung.[11]
Den schon 1914 entstanden offenen Waffenruhen wurde von der Führung der Kriegsparteien entgegengewirkt. Militärische Befehle sollten klarstellen, dass Soldaten: „in Frankreich waren, um zu kämpfen, und nicht, um mit dem Feind zu fraternisieren (Fifth Battalion the Camaronians 1936, 28).“ Zudem gab es Kriegsgerichte, die Soldaten bis hin zu ganzen Bataillonen aburteilten. Aufgrund der Gegenmaßnahmen der Stäbe sank die Zahl der Fraternisierungen.[4] Während der Kriegszeit interessierte die Soldaten und auch die Bevölkerung das Schicksal der durch den Vollzug der Todesstrafe Gerichteten. Dies führte bis hin zu Debatten im Parlament. Manche Erschießungen wurden als Justizirrtümer eingestuft und „korrigiert“.[15]
Propaganda wurde unsystematisch und „instinktiv“ zur Weihnachtszeit betrieben. Durch „kritisch-kämpferische“ Weihnachtsgedichte wurden die Soldaten jedoch kaum motiviert, da sie die Realität des Krieges kannten. Ein weiteres Mittel war die inszenierte »Weihnachtsfeier im Felde«, an der im Idealfall Wilhelm II. höchstselbst teilnahm.[14]
Durch die 1916 in der Brussilow-Offensive erstmals angewendete Taktik der Stoßtruppen – kurze Feuerüberfälle durch Artilleriebeschuss, gefolgt von einem Infanterieangriff – wurde das bis dahin praktizierte Verhalten geändert.[16]
Wegen gemehrter Schilderungen der Art: „Es gibt Stellungen, in denen man mit den Deutschen schwatzt. Sie zeigen uns Fotos und fassen uns bei der Hand, aber nicht, wenn Offiziere dabei sind, da dies streng verboten ist, – selbst eine Unterhaltung“ erging eine erste Weisung am 4. Dezember 1917 an die Armee zum Verbot solcher Begegnungen, die von Henri Philippe Pétain unterzeichnete wurde.[17] Eine weitere Weisung folgte am 29. Januar 1918.[18]
Besatzungszeit in Deutschland
Rund 500 Kinder entstanden aus Beziehungen zwischen weißen deutschen Frauen und schwarzen französischen Kolonialsoldaten, die bei der Rheinlandbesetzung zum Einsatz kamen. Die Ablehnung der deutschen Bevölkerung gegenüber den Kindern in den 1920er Jahren und später charakterisiert der Topos „Rheinlandbastard“ (siehe auch: Mulatte).[19]
Fraternisierung während des Spanischen Bürgerkrieges
Komitee des Internationalen Zivildienstes 1936, Die Mitglieder setzten sich für die Rettung gefährdeter Kinder ein
Situation
→ Hauptartikel: Spanischer Bürgerkrieg
Im Spanischen Bürgerkrieg zwischen Juli 1936 und April 1939 kam es zum Umsturz.[20] „Der Aufstand in Spanien war ausschließlich auf endogene Ursachen zurückzuführen.“[21] Der rechtsgerichtete General Francisco Franco putschte gegen die Spanische Republik.[20] Demgegenüber kämpften Freiwillige der Kommunistischen Internationale für eine kommunistische spanische Republik.[22] Diese sind bekannt als Internationale Brigaden.[22][23]
Im Zuge des Mitleids wurden in verschiedenen Ländern Flüchtlinge aus Spanien aufgenommen, wobei die Zahlen unterschiedlich ausfallen.[24] Nach Huge Thomas lebten im Juli 1939 etwa 352.000 spanisch-republikanische Flüchtlinge in der Emigration, davon 200.000 in französischen Lagern, 150.000 in Lateinamerika und es kehrten nach dem Krieg von diesen 50.000 zurück.[24] Das Schicksal der Waisenkinder führte zur Fraternisierung und wurde politisch propagandistisch ausgenutzt.[25]
Fraternisierung mit den Internationalen Brigaden
→ Hauptartikel: Internationale Brigaden
Die Interbrigaden wurden ab dem 9. Oktober 1936 aufgestellt. Militärischer Befehlshaber der XI. Internationalen Brigade wurde Manfred Stern (General Kleber).[26] Es kam unter dem kommunistisch gesinnten Bevölkerungsteil zur Verbrüderung mit den Internationalen Brigaden, wie etwa den Parteimitgliedern der spanischen kommunistischen Partei PCE. Das Militärwesen der spanischen Republik wurde von den Kommunisten und den politischen Kommissären der Sowjetunion aufgrund der Waffenlieferungen völlig dominiert.[27] Die genaue Zahl der sowjetischen Fachleute wird mit maximal 2150 angegeben, wobei sich zu keiner Zeit mehr als 800 sowjetische Fachleute in Spanien aufhielten.[28] Insgesamt kämpften rund 40.000 Interbrigadisten im Spanischen Bürgerkrieg.[Anm. 1]
Zur Verbrüderung gehörten auch Liebschaften und sexuelle Abenteuer zwischen Spaniern und den Frauen aus dem Ausland.[22] So schlossen, vor der Rückkehr nach Hause, von 70 bis 80 US-amerikanischen Interbrigadistinnen sieben eine Ehe mit einem Spanienkämpfer.[29] Ebenso gab es Schwangerschaften der Frauen in Beziehungen.[30]
Fraternisierung mit dem Deutschen Reich, Italien und Portugal
Deutscher Offizier der Legion Condor bei der Ausbildung von Offiziersanwärter der Putschisten
Franco ging zu Beginn des Konflikts auf die angebotene Unterstützung des seit 1933 nationalsozialistischen Deutschen Reiches ein.[31] Im Rahmen dieser Hilfeleistung wurde Kriegsgerät an die Putschisten geliefert und militärisch-personelle Beratung gewährt.[31] Neben dem Deutschen Reich engagierte sich auch das Königreich Italien unter Benito Mussolini am Konflikt, auf Seiten der Putschisten, zu Anfang stärker als Hitler.[32] Ab dem 28. August 1936 wurde das Verbot der aktiven Kampfbeteiligung aufgehoben und im November 1936 ein geschlossenes Luftwaffenkorps von 4.500 Mann nach Spanien aus Deutschland verlegt.[33] Unter wechselndem Oberbefehl beteiligte sich das eingesetzte Kontingent, benannt in „Legion Condor“, bis zum Sieg der franquistischen Truppen am Bürgerkrieg.[33]
Das Vertrauen und die Wertschätzung führten zu einer Verbrüderung der aufständischen Spanier mit dem ersten Befehlshaber Hugo Sperrle, den man „nur schweren Herzens ziehen ließ“.[33] Die 19.000 sogenannten „Freiwilligen“ – im Rotationsverfahren von neun Monaten eingesetzte Soldaten – teilten eine Verbundenheit mit den spanischen Partnern im Kampf gegen den Kommunismus, was nicht zuletzt in Veteranenvereinen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Widerhall fand.[34] Wie weitreichend diese Verbundenheit ging, ist ersichtlich in den begeisterten Begrüßungen der spanischen Truppenteile auf dem Schlachtfeld, für die deutschen Soldaten durch Ausrufe wie «Viva Alemania» oder «Viva el Führer».[35] Straßen wurden in Alemania benannt und die deutsche Flagge wehte zusammen mit der portugiesischen und der italienischen in manchen Vorgärten.[35] Zahlreiche Bürger beteiligten sich an Unterschriftensammlungen für Danksagungen an den „großen Helfer aus dem Norden“.[35] Unter dem Vorsatz der Hilfe für spätere Fälle, wurden Verträge zur Festigung der „freundschaftlichen Beziehungen“ zwischen dem Deutschen Reich und Spanien geschlossen.[36]
Fraternisierung während des Zweiten Weltkrieges
Während des Zweiten Weltkrieges kam es zu verschiedenen Formen der Fraternisierung. „Kollaboration“ ist in der europäischen Okkupationsforschung der allgemein anerkannte technische Terminus geworden für den modus vivendi, der in den okkupierten Ländern zwischen den dortigen Regierungen, bzw. Verwaltungen und der Besatzungsmacht geschaffen wurde. „Kollaboration“ ersetzt in der jüngeren Zeit mit spezifischer Bedeutung, die bisher benutzten Begriffe „Zusammenarbeitspolitik“ oder „Verhandlungspolitik“.[37] Der Übergang zur Verbrüderung insbesondere bei ideologischer Verbundenheit gestaltet sich fließend.
Situation in den durch das Deutsche Reich besetzten westlichen Gebieten
Die nationalsozialistische Sozialpolitik in der Kriegszeit war von der Vorstellung über die Geschlechterverhältnisse bestimmt, also eine Versorgung der Familie der Wehrmachtsoldaten. Der Staat subventionierte den Familienunterhalt. Dies sollte Loyalität zum Regime und die Zustimmung der Bevölkerung zum Krieg erzeugen, erwies sich aber als Hemmnis für die Mobilisierung weiblicher Arbeitskräfte ab 1940.[38] Nonkonformes Verhalten, das gegen die rassenpolitischen Grundsätze des Regimes verstieß, wie Beziehungen zu Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern oder vermeintliche „Asozialität“, wurden bestraft und der Familienunterhalt entzogen. Je nach Schwere wurde auch mit Einweisung in Konzentrationslager oder Todesstrafe sanktioniert.[38]
Um die Verbrüderung zu verhindern, sollten die ausländischen Freiwilligen der deutschen Streitkräfte in eigene Wehrmachtsbordelle gehen. In der Praxis wurde diese Regelung nicht immer durchgeführt. Die Spanne zwischen ideologischer Norm und sozialer Realität bestätigte sich, wenn untergebene Stellen mitunter abweichend von Befehlen ihrer Vorgesetzten agierten. Persönliche Kontakte, die nicht von der Wehrmachtführung kanalisiert und reguliert werden konnten, wurden unterbunden.[39] Die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten sollte verhindert werden. Wehrmachtangehörigen mit Geschlechtskrankheiten drohte eine Urlaubssperre.[39]
Bedenken aus „rassenpolitischen“ Gründen gegen den Kontakt mit der Zivilbevölkerung gab es, im Gegensatz zu Osteuropa, in Belgien, Holland, Nordfrankreich, Dänemark und Norwegen nicht, jedoch wurde „Fraternisierung“ von den nationalsozialistischen Machthabern abgelehnt.[40] Am 19. April 1939 erließ Heinrich Himmler das „Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Frauen einer andersrassigen Bevölkerung.“[41] Am 20. Januar 1942 wurde der Befehl erweitert, als es nun hieß, dass dieser sich „nur auf die besetzen russischen Gebiete“ beziehe.[41] Somit verbot sich der sexuelle Kontakt mit Frauen in den besetzten Gebieten für Angehörige der SS-Organisationseinheiten, wie etwa der Waffen-SS oder dem Lebensborn e. V.. Gegenüber Arbeitskräften aus Estland und Lettland sprach sich Himmler im September 1943 dafür aus, das Verbot aufzuheben.[42] Bei Angehörigen der baltischen Staaten machte er Unterschiede und verfügte, dass das Verbot für Litauer und Litauerinnen aufrechterhalten blieb.[42]
Benelux
Begrüßung der einrückenden deutschen Soldaten durch die Bevölkerung in Belgien
Während des Zweiten Weltkrieges standen die Beneluxländer vom 10. Mai 1940 bis zum 5. Mai 1945, unter deutscher Besatzung.[43] Der Westfeldzug gilt heute als weitgehend „sauberer“ Krieg.[43] Entgegen den Befürchtungen aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges wurde die Zivilbevölkerung wenig in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Waffenstillstand „kümmerten sich die Deutschen sogar mit Nachdruck um eine geregelte Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat“.[43] Das Deutsche Reich war darum bemüht, die rund 8,8 Millionen Niederländer auf ihre Seite zu ziehen, indem der zivile Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart eingesetzt wurde, der mit den niederländischen Nationalsozialisten zusammenarbeitete.[44][45] Eine um 1930 entstandene faschistische Organisation in Belgien, die Rexisten unter der Führung des wallonischen Populisten Léon Degrelle als katholisch-wallonische Bewegung, fraternisierte mit der nationalsozialistischen deutschen Besatzern in Belgien.[46]
Vor der Besatzung war die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden hoch.[44] Niederländische Industrielle und Beamte der Wirtschaftsbürokratie unternahmen Schritte in Richtung einer wirtschaftlichen Kooperation mit den Besatzern.[44] Schon im Juli 1940 arbeitenden zehntausende Niederländer für deutsche Projekte.[47] 100.000 Niederländer waren bis 1940 weitgehend freiwillig ins Deutsche Reich zur Arbeit gegangen.[48] Aus Belgien kamen bis Sommer 1941 189.000 Arbeitskräfte freiwillig.[48] Das Deutsche Reich wurde unter „verstärkter Zusammenarbeit“ zu einem Handelspartner, trotz aller Schwierigkeiten vor dem Krieg, weil nicht zuletzt die Abtrennung vom Weltmarkt und den Kolonien kompensiert werden musste.[47] In den Jahren 1940/41 brachte die Kollaboration der Wirtschaft eine „Hochkonjunktur“, welche erst mit der Eingliederung in die deutsche Kriegswirtschaft unter Albert Speer zurückging.[44]
In den Niederlanden wurde ab Mai 1940 für das Waffen-SS-Regiment „Westland“ geworben, welches zu Jahresende 4814 Niederländer umfasste.[49] Auch flämische Nationalisten in Nordbelgien meldeten sich freiwillig zur Waffen-SS.[50] Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges dienten rund 40.000 Niederländer in der Waffen-SS und bildeten das größte nichtdeutsche Kontingent.[51] Diese vergleichsweise hohe Zahl wurde politisch propagandistisch ausgenutzt.[51]
Dänemark
Zur öffentlichen Demütigung durch dänische Widerstandskämpfer vorgeführte Helfer der Gestapo
Während des Zweiten Weltkrieges stand Dänemark, vom 9. April 1940 bis zum 5. Mai 1945, unter deutscher Besatzung. Nach Warring: Anders als bei seinen übrigen Besatzungsregimen in Europa „hatte sich Deutschland gegenüber Dänemark bei dessen Kapitulation gerade zu jener Verbindlichkeit verpflichtet, die mit dem jus ad bellum im Grunde ausgeschlossen war: der Wahrung der territorialen und staatlichen Integrität des Landes, damit zur Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“. Aber diese Form der Besatzungsherrschaft wurde zunehmend ausgehöhlt und 1943 offen zugunsten direkter Eingriffsmöglichkeiten aufgegeben.[52][53][54] Die Politik der Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzung wurde von der überwiegenden Mehrheit der Dänen befürwortet, auch wenn keine Sympathie für die Deutschen bestand.[55] Es gab Vorbehalte gegen die deutsche Besatzung, jedoch forderte die Regierung die dänischen Beamten zur Pflege gesellschaftlichen Umgangs auf.[56] Dies lag unter anderem daran, dass die Alliierten die dänische Souveränität nicht beachteten und die Besetzung der Färöer-Inseln, Islands und Grönland vornahmen gegen den Protest der Regierung, hingegen für die Deutschen die Besetzung „friedlich“ sein und bleiben sollte.[55]
Hohe Arbeitslosigkeit hatte Dänemark in den Vorjahren belastet. Durch die Besatzung wurden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Während dieser Zeit vereinbarte der deutsch-dänischen Ausschuss für Handelsabkommen eine Kooperation für dänische Leiharbeiter in Deutschland. Bis 1941 wurden 64.000 dänische Staatsbürger angeworben. Insgesamt fanden 80.000 bis über 100.000 Dänen Arbeit in Deutschland.[55][48]
Bereits im Mai 1940 begann die Werbung für die SS-Standarte Nordland, in der Dänen und Norweger kämpften. Am 29. Juni 1941 wurde das Freikorps Danemark ausgehoben, in dem Freiwillige dienten, die vom Dienst freigestellt wurden sowie Ausreisegenehmigung erhielten, um im Ausland für das Deutsche Reich zu kämpfen. Diese Einheit operierten nur an der Ostfront.[56]
Nach Warring wurden die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit überschritten, weil beide Beteiligten „nolens volens“ in einer Doppelfunktion agierten: Sowohl der Soldat als auch die Frau seien Privatperson und Besatzer bzw. „Fraternisierende“ in einem gewesen.[57] Trotz der Steigerung von Partisanenaktion zu Ende des Krieges gab es selten negative Berichte über Dänen von Deutschen Soldaten. So schreibt der Wehrmachtsarzt Georg Pawlowski: „In Punkto Fraternisieren möchte ich noch ergänzen, dass während der Besetzung eine stark freundschaftliche Verflechtung der deutschen Soldaten mit der dänischen Zivilbevölkerung herrschte.“ Eine durch und durch feindselige Haltung der dänischen Bevölkerung, die nach der Kapitulation unter den Dänen vorherrschend war, relativiert sich durch die hohe Zahl an Kindern aus Beziehungen zwischen Deutschen und Däninnen. Bereits zum 5. Dezember 1940 schreibt der Reichskommissar Wilhelm Redieß an Himmler, dass nach Gespräch mit dem Flugbereichskommandanten im dänischen Aalborg auf 48.000 Einwohner und 4.000 deutsche Luftwaffensoldaten 800 Schwangerschaften gemeldet wurden.[58] Hingegen schätzt Havrehed die Zahl der deutsch-dänischen Kinder auf etwa 400-500.[59] Es wurden nach der Kapitulation diese Frauen ohne Rechtsgrundlage und ohne Rechtsschutz öffentlich angeprangert und gedemütigt.[60]
Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten werden am 12. Februar 1945 in einer vorläufigen Sammelstelle in Dänemark versorgt
Nach dem Vorrücken der Roten Armee wurden auf Befehl Hitlers ab Februar 1945 Hunderttausende Menschen vor allem aus Hinterpommern, Danzig sowie West- und Ostpreußen über die Ostsee in Sicherheit gebracht.[61] Die dänischen Behörden lehnten Hilfe ab. „Bei den Verhandlungen nahmen die dänischen Beamten mit Unterstützung der führenden Politiker […] eine klare Haltung ein. Bei der Einquartierung und Verpflegung der Flüchtlinge sollte den Deutschen nicht geholfen werden. Sie sollten im Gegenteil gezwungen werden, Beschlagnahmungen vorzunehmen und Bezugskarten für Lebensmittel zu requirieren.“[62] Am 9. Februar 1945 kamen die ersten Flüchtlinge mit den Flüchtlingsschiffen in Kopenhagen an. Es wurden Schulen, Hotels und Sportanlagen für ihre Aufnahme requiriert. Auf die Ankommenden wurde unterschiedlich reagiert.[63] Es gab Angst und Zurückhaltung auf Grund schlechter Erfahrung. Die Dänen wussten um die Racheakte der Widerstandskämpfer, wenn sie Kontakte zu Flüchtlingen hielten.[61]
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht wurde durch den britischen General Dewing mit der Heeresführung das Schicksal der deutschen Soldaten in Dänemark geklärt. Bis auf Kranke und Verletzte marschierten die Streitkräfte in Zügen zurück ins deutsche Gebiet. So verließen bis zum 29. Juli 1945 257.617 Soldaten das dänische Territorium. Auf dem Rückmarsch der deutschen Truppen gab es keine Belästigungen, oft aber kleine Geschäfte zwischen Soldaten und Dänen. Beispielsweise wurden Waffen gegen Lebensmittel getauscht.[64]
Die Flüchtlinge kamen zur Inhaftierung in Lager. Für Dänen, die nicht in der Lagerverwaltung zwangsläufig mit den Flüchtlingen Kontakt hatten, war jeder Umgang mit den Internierten sowie der Aufenthalt an den Begrenzungszäunen verboten. An den Lagern standen Warnschilder, die bei Übertretung Strafen androhten. Entsprechende Warnungen in deutscher Sprache gab es innerhalb der Lager. Im Ordnungsreglement für deutsche Flüchtlinge des Kgl. Dänischen Arbeits- und Sozialministerium vom Juli 1945 war beispielsweise unter Punkt 21 angeordnet: „Flüchtlinge dürfen sich nicht an offenen zur Straße gelegenen Fenstern aufhalten.“[65]
Weiteres dazu im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fraternisierung_(Krieg)
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