Der Urkommunismus
Seite 1 von 1
Der Urkommunismus
Urkommunismus bezeichnet vor allem in der Geschichtsphilosophie des Historischen Materialismus (Marxismus) eine frühe menschliche Form der sozialen und politischen Organisation, bei der gemeinschaftlicher Besitz an lebensnotwendigen Ressourcen und Gütern vorherrschte (Kollektiveigentum), im Unterschied zur später folgenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Warenproduktion mit entsprechender Ausbildung von sozialen Klassen. Demnach bestanden urkommunistische Verhältnisse während einer langen Zeitperiode vor der Herausbildung der Kernfamilie (Eltern mit ihren Kindern), als sich ursprüngliche Gruppen von Jägern, Fischern und Sammlern (Wildbeutern) in Horden- und später in Stammesgesellschaften organisierten.
Im Urkommunismus wurde nur zum Eigenbedarf gewirtschaftet, ohne nennenswerte Mehrproduktion zum Tauschen oder Handeln (Subsistenzwirtschaft), Gebrauchsgüter wurden fast nur für den eigenen und baldigen Verbrauch in der eigenen Gruppe hergestellt. Unbekannt waren Geld und Privateigentum an gesellschaftlichen Produktionsmitteln (Werkzeugen und Produktionsstätten). Durch die selbstversorgende Wirtschaftsweise wird eine Anhäufung von Waren und Werten als Grundlage gesellschaftlicher Bereicherung und politischer Herrschaft ausgeschlossen (siehe auch Herrschaftsfreiheit). In diesem Sinne entspricht der Urkommunismus dem hochentwickelten „Kommunismus“, den der Marxismus als letztendliche Entwicklungsstufe nach dem derzeitigen Kapitalismus sieht.
Urkommunismusthese von Engels
Friedrich Engels definierte in seinem Aufsatz Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats diese Zeit der „Wildheit“ vor dem Aufkommen des Privateigentums als Urkommunismus.[1] In diesen Gesellschaftsformationen nimmt er weder persönliches Eigentum noch Familie, soziale Differenzierung, Herrschaft, Überproduktion oder Ideologie an.
Ob ein Urkommunismus aber allgemein als frühgeschichtliches Stadium der Menschheitsentwicklung wie im marxistischen historischen Materialismus anzusehen ist, ist umstritten. Nach der marxistischen Theorie verändern sich gesellschaftliche Formationen mit der Produktivkraftentwicklung und den Produktionsverhältnissen. Im Urkommunismus bedeutete das konkret, dass mit zunehmender Produktivkraftentwicklung die Jäger und Sammler zu Hirten und mehr ortsgebundenen Züchtern und Bauern wurden. Urbar gemachtes Land, Vieh und Menschen schufen jedoch die Voraussetzung für die Sklavenhaltergesellschaften und den späteren Feudalismus. Diese Sesshaftigkeit und die beginnende Über- und Vorratsproduktion zusammen mit den Mitteln der Lebensmittelkonservierung und dem Bevölkerungswachstum, schufen den Bedarf und die Möglichkeit des Handels, also den Tausch von zunächst Ware gegen Ware - später auch von Ware gegen Geld. Nach marxistischer Ansicht, Marx: „Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von Klassenkämpfen“, führten diese Produktionsverhältnisse zum Übergang zur Sklavenhaltergesellschaft und dem Feudalismus, da wegen des Überprodukts, dem Handel und der Haltbarkeit von Waren und Werten nicht mehr alle arbeiten mussten, sofern sie in der Lage waren sich Reichtümer anderer anzueignen. Der Raub von Leibeigenen, Land und Vieh beendete somit den Urkommunismus.
Urkommunismusthese ab 1900
Da „Urkommunismus“ ein marxistisch hochbedeutsamer, aber stofflich entlegener Begriff war, fand sich unter marxistischen Gelehrten zunächst niemand mit dem Ehrgeiz, ihn über Engels Studie hinausgehend zu entwickeln. Das änderte sich im 20. und 21. Jahrhundert, als Ernest Mandel, Rosa Luxemburg, Ian Hodder, Marija Gimbutas und andere die Thesen aufgriffen und untermauerten.[2] In der nichtmarxistischen Ur- und Frühgeschichte wurde der Begriff wenig ernst genommen, obwohl gelegentlich mitbehandelt, dann aber oft abgetan.
Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich schloss 1932 in seinem Werk Der Einbruch der Sexualmoral auf das Vorhandensein eines Urkommunismus aus den Angaben in Bronisław Malinowskis Schrift The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. Der Philosoph Erich Fromm hält diese Schlussfolgerung allerdings nicht für zwingend.[3] An Reichs Deutungen knüpft u. a. der österreichische Anthropologe Ernst Bornemann 1975 in seinem Werk Das Patriarchat an.[4]
Sowjetische Archäologen deuteten die in den 1920er und 30er Jahren entdeckten altsteinzeitlichen Venusfiguren als Beleg für ein urkommunistisches Matriarchat, in dem Frauen entscheidenden Einfluss auf Entscheidungsprozesse hatten.[5]
Der Archäologe Vere Gordon Childe führte ab den 1920ern umfangreiche Grabungen in Schottland durch und schloss auf eine jungsteinzeitliche klassenlose Gesellschaft, die bis zu den Orkneyinseln reichte.[6]
Historische Texte
Karl August Wittfogel: Vom Urkommunismus bis zur proletarischen Revolution. Eine Skizze der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Teil 1: Urkommunismus und Feudalismus. Junge Garde, Berlin 1922.
Heinrich Eildermann: Urkommunismus und Urreligion: Geschichtsmaterialistisch beleuchtet. Nabu, 2011, ISBN 978-1245831512 (Nachdruck von 1921); Ausgabe von 1921 in der Open Library der University of Connecticut: [1]
Quelle
Im Urkommunismus wurde nur zum Eigenbedarf gewirtschaftet, ohne nennenswerte Mehrproduktion zum Tauschen oder Handeln (Subsistenzwirtschaft), Gebrauchsgüter wurden fast nur für den eigenen und baldigen Verbrauch in der eigenen Gruppe hergestellt. Unbekannt waren Geld und Privateigentum an gesellschaftlichen Produktionsmitteln (Werkzeugen und Produktionsstätten). Durch die selbstversorgende Wirtschaftsweise wird eine Anhäufung von Waren und Werten als Grundlage gesellschaftlicher Bereicherung und politischer Herrschaft ausgeschlossen (siehe auch Herrschaftsfreiheit). In diesem Sinne entspricht der Urkommunismus dem hochentwickelten „Kommunismus“, den der Marxismus als letztendliche Entwicklungsstufe nach dem derzeitigen Kapitalismus sieht.
Urkommunismusthese von Engels
Friedrich Engels definierte in seinem Aufsatz Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats diese Zeit der „Wildheit“ vor dem Aufkommen des Privateigentums als Urkommunismus.[1] In diesen Gesellschaftsformationen nimmt er weder persönliches Eigentum noch Familie, soziale Differenzierung, Herrschaft, Überproduktion oder Ideologie an.
Ob ein Urkommunismus aber allgemein als frühgeschichtliches Stadium der Menschheitsentwicklung wie im marxistischen historischen Materialismus anzusehen ist, ist umstritten. Nach der marxistischen Theorie verändern sich gesellschaftliche Formationen mit der Produktivkraftentwicklung und den Produktionsverhältnissen. Im Urkommunismus bedeutete das konkret, dass mit zunehmender Produktivkraftentwicklung die Jäger und Sammler zu Hirten und mehr ortsgebundenen Züchtern und Bauern wurden. Urbar gemachtes Land, Vieh und Menschen schufen jedoch die Voraussetzung für die Sklavenhaltergesellschaften und den späteren Feudalismus. Diese Sesshaftigkeit und die beginnende Über- und Vorratsproduktion zusammen mit den Mitteln der Lebensmittelkonservierung und dem Bevölkerungswachstum, schufen den Bedarf und die Möglichkeit des Handels, also den Tausch von zunächst Ware gegen Ware - später auch von Ware gegen Geld. Nach marxistischer Ansicht, Marx: „Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von Klassenkämpfen“, führten diese Produktionsverhältnisse zum Übergang zur Sklavenhaltergesellschaft und dem Feudalismus, da wegen des Überprodukts, dem Handel und der Haltbarkeit von Waren und Werten nicht mehr alle arbeiten mussten, sofern sie in der Lage waren sich Reichtümer anderer anzueignen. Der Raub von Leibeigenen, Land und Vieh beendete somit den Urkommunismus.
Urkommunismusthese ab 1900
Da „Urkommunismus“ ein marxistisch hochbedeutsamer, aber stofflich entlegener Begriff war, fand sich unter marxistischen Gelehrten zunächst niemand mit dem Ehrgeiz, ihn über Engels Studie hinausgehend zu entwickeln. Das änderte sich im 20. und 21. Jahrhundert, als Ernest Mandel, Rosa Luxemburg, Ian Hodder, Marija Gimbutas und andere die Thesen aufgriffen und untermauerten.[2] In der nichtmarxistischen Ur- und Frühgeschichte wurde der Begriff wenig ernst genommen, obwohl gelegentlich mitbehandelt, dann aber oft abgetan.
Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich schloss 1932 in seinem Werk Der Einbruch der Sexualmoral auf das Vorhandensein eines Urkommunismus aus den Angaben in Bronisław Malinowskis Schrift The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. Der Philosoph Erich Fromm hält diese Schlussfolgerung allerdings nicht für zwingend.[3] An Reichs Deutungen knüpft u. a. der österreichische Anthropologe Ernst Bornemann 1975 in seinem Werk Das Patriarchat an.[4]
Sowjetische Archäologen deuteten die in den 1920er und 30er Jahren entdeckten altsteinzeitlichen Venusfiguren als Beleg für ein urkommunistisches Matriarchat, in dem Frauen entscheidenden Einfluss auf Entscheidungsprozesse hatten.[5]
Der Archäologe Vere Gordon Childe führte ab den 1920ern umfangreiche Grabungen in Schottland durch und schloss auf eine jungsteinzeitliche klassenlose Gesellschaft, die bis zu den Orkneyinseln reichte.[6]
Historische Texte
Karl August Wittfogel: Vom Urkommunismus bis zur proletarischen Revolution. Eine Skizze der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Teil 1: Urkommunismus und Feudalismus. Junge Garde, Berlin 1922.
Heinrich Eildermann: Urkommunismus und Urreligion: Geschichtsmaterialistisch beleuchtet. Nabu, 2011, ISBN 978-1245831512 (Nachdruck von 1921); Ausgabe von 1921 in der Open Library der University of Connecticut: [1]
Quelle
checker- Moderator
- Anzahl der Beiträge : 49566
Anmeldedatum : 03.04.11
Ort : Braunschweig
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Gestern um 6:18 am von Andy
» ## Helloween ##
Gestern um 1:16 am von checker
» Heavy Metal Hamsters
Gestern um 1:13 am von checker
» Superium
Gestern um 1:09 am von checker
» Aram Bedrosian
Gestern um 1:04 am von checker
» KSHMR & OTIOT
Gestern um 1:00 am von checker
» The Gasoline Gypsies
Gestern um 12:57 am von checker
» zozyblue
Gestern um 12:54 am von checker
» PIRY-Just a Dream
Gestern um 12:51 am von checker