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Die Altkolonier

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Die Altkolonier Empty Die Altkolonier

Beitrag  checker So Jan 22, 2017 2:15 am

Die Altkolonier sind eine Untergruppe der Russlandmennoniten und gehören damit zu der bis zur Reformation im frühen 16. Jahrhundert zurückreichenden freikirchliche Tradition der Mennoniten. Unter ihnen finden sich sehr traditionalistische Gruppen, die den Mennoniten alter Ordnung ähneln, beispielsweise darin, dass sie bis heute mit der Kutsche fahren und das Auto ablehnen. Die heutige Zahl der Altkolonier beträgt weit über 100.000 Menschen, die alle auf dem amerikanischen Doppelkontinent leben, vor allem in Mittel- und Südamerika, jedoch auch in Kanada und den USA.

Name

Die Altkolonier 220px-Mennonit_in_Bolivien
Ein Altkolonier in der "Colonia Del Norte", Bolivien

Der Name der Altkolonier geht auf die Zeit der ersten mennonitischen Siedlungen in der damals russischen Ukraine zurück. Als erste Kolonie entstand im Jahr 1789 Chortitza. Sie wurde "Alte Kolonie" genannt, ihre Bewohner und die ihrer Tochterkolonien Altkolonier Mennoniten oder kurz Altkolonier.
Geschichte
Russland

Nachdem sich die Bedingungen für die pazifistischen Mennoniten im Weichseldelta mit der Eingliederung ihrer Siedlungsgebiete in die Provinz Westpreußen des Preußischen Staates infolge der ersten polnischen Teilung im Jahre 1772 verschlechterte, folgten Tausende der Einladung Katharinas der Großen in Neurussland, in der heutigen Ukraine zu siedeln.

Als erste Kolonie entstand im Jahr 1789 Chortitza. Im Jahr 1803 folgte schließlich die Kolonie Molotschna. Beide umfassten mehrere Dorfgemeinschaften im Prinzip gleicher ethnisch-religiöser Herkunft. Dennoch bildete sich in Chortitza und ihren Tochterkolonien bald ein religiöser und kultureller Konservatismus heraus, der nach der Flucht der Russlandmennoniten nach Nordamerika nach 1874 zur Keimzelle der Altkolonier wurde.
Kanada

Hintergrund für die Auswanderung der russlanddeutschen Mennoniten nach Kanada 1874 war vor allem die Einführung des russischen Militärdienstes. Als christliche Pazifisten standen die russlanddeutschen Mennoniten der Einführung des Militärdienstes ablehnend gegenüber und so begann die Suche nach neuen Ansiedlungsmöglichkeiten. Die Wahl fiel schließlich auf Kanada, wo den russlanddeutschen Mennoniten große unbesiedelte Landflächen in Manitoba zum Kauf angeboten wurden, die entsprechend ihrer geografischen Lage östlich und westlich des Red Rivers als Ost- und Westreserve bezeichnet wurden.

Zudem garantierten die britisch-kanadischen Behörden eine Form kulturell-religiöser Autonomie, die auch die Freiheit vom Militärdienst einschloss. So wanderten 1874 etwa 3.400 konservative Mennoniten aus dem Umfeld der Kolonie Chortitza nach Nordamerika aus. Der kleinere Teil (aus der Siedlung Bergthal kommend) siedelte sich in der Ostreserve, der größere Teil (direkt aus Chortitza und der Siedlung Fürstenland kommend) in der Westreserve nieder.

Dennoch kam es auch in Kanada zunehmend zu Konflikten. Nicht zuletzt unter dem Druck der kanadischen Behörden, die die dörflichen Selbstverwaltungen schrittweise auflösten, entwickelten sich die Altkolonier nun als deutlich fassbare Gruppierung, die sich in ihrem Konservatismus auch immer stärker von den übrigen Mennoniten unterschieden. Nachdem es während des Ersten Weltkrieges zu Ausschreitungen gegen deutschsprachige Kanadier gekommen war, aggressiv für Kriegsanleihen geworben wurde und schließlich das gesamte Schulwesen in den mennonitischen Siedlungen unter staatliche Kontrolle mit Englisch als alleiniger Unterrichtssprache gestellt werden sollte, entstanden neue Emigrationspläne.
Mexiko und Paraguay

Nach dem Scheitern von Vermittlungsgesprächen im Jahr 1920, folgte nach 1921 schließlich eine größere Auswanderungswelle von Altkoloniern nach Mexiko. Ab 1928 entstand zudem eine Ansiedlung in Paraguay. Etwa die Hälfte der Altkolonier verließ in jener Zeit Kanada.
Bolivien, Belize und Argentinien

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts siedelten sich auch viele besonders konservative Altkolonier in Belize und Bolivien an. Vor allem Bolivien wurde in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Rückzugsgebiet traditionalistischer Mennonitengemeinden.[1] Im Jahre 1986 begannen Altkolonier aus Mexiko sich in Argentinien anzusiedeln. Im Jahre 2015 gab es vier größere Kolonien von Altkolonier in Argentinien.
Gruppierungen

Altkolonier im eigentlichen Sinne sind vor allem die Reinländer, im weiteren Sinne werden auch die Bergthaler und Sommerfelder zu den Altkoloniern gezählt.[2]
Reinländer

Die Reinländer bildeten sich im Jahre 1875 nach der Übersiedlung aus der Ukraine ins kanadische Manitoba unter der Führung des Ältesten Johann Wiebe (1837–1905). Die Gruppe siedelte vor allem westlich des Flusses Red River auf der Westreserve und bildete sich direkt aus Emigranten aus der ersten mennonitischen Kolonie in der Ukraine Chortitza und ihrer Tochtersiedlung Fürstenland. Aufgrund ihrer Herkunft wurden die Reinländer daher bald als Altkolonier (aus der alten Kolonie kommend) bezeichnet. Der Name Reinländer geht auf den von ihnen gegründeten Ort Reinland in Manitoba zurück. Nach Konflikten mit dem kanadischen Staat wanderten zwischen 1922 und 1926 etwa zwei Drittel der in Kanada lebenden Reinländer weiter nach Mexiko aus, was faktisch das Ende der reinländischen Kirche in Kanada bedeutete. Erst 1936 organisierten sich die in Kanada verbliebenen Reinländer als Old Colony Mennonite Church (Altkolonier Mennonitengemeinde) neu.[3]
Bergthaler

Die Gruppe der Bergthaler geht auf Emigranten aus der Siedlung Bergthal in der Ukraine zurück, die 1836 als Tochterkolonie Chortitzas entstanden war. Anders als die auf der Westreserve siedelnden Reinländer siedelten sich die Bergthaler unter der Führung des Ältesten Gerhard Wiebe (1827–1900) 1874 östlich des Flusses Red River auf der Ostreserve an. Aufgrund besserer Bodenbeschaffenheit übersiedelte jedoch schon 1880 ein Großteil der Bergthaler ebenfalls auf die Westreserve. Die Gruppe der Bergthaler erstreckte sich so schließlich über beide Seiten des Red Rivers.

Die Bergthaler östlich des Red Rivers behielten Gerhard Wiebe als ihren Ältesten bei, während die westlich des Red Rivers Johann Funk (1836–1917) als ihren neuen Ältesten wählten. Die Bergthaler teilten sich später in mehrere Gruppen wie zum Beispiel die Sommerfelder (auf der Westreserve), die Chortitzer Church/Chortitzer Mennonite Conference (auf der Ostreserve) und die Saskatchewan Bergthaler (in Saskatchewan) auf. Die (auf der Westreserve) verbliebene Bergthal Church löste sich 1972 als selbstständige Kirche auf.[4]

Die Mehrheit der Bergthaler östlich des Red Rivers unter Führung Gerhard Wiebes lehnte die Reformen der Bergthaler unter Johann Funk um 1890 ebenfalls ab und firmierte schließlich nach dem Wohnort Gerhard Wiebes Chortitz als Chortitzer Church (Mennonitische Gemeinde zu Chortitz).[5] Die Chortitzer Church auf der Ostreserve und die Sommerfelder auf der Westreserve vertraten letztlich im Prinzip identische Positionen und arbeiteten in vielen Bereich eng zusammen. Nachdem jedoch 1948 etwa 1700 Mitglieder der Chortitzer Church nach Paraguay auswanderten, durchlief die in Kanada verbliebene Gruppe eine Reihe von Reformen, übernahm die englische Sprache und tritt heute als Chortitzer Mennonite Conference auf.[6]
Sommerfelder

Die Gruppe der Sommerfelder entstand nach 1890, nachdem sich die Bergthaler in eine kleinere progressive Gruppe unter Führung Johann Funks und eine größere konservative Gruppe unter Führung Abram Doerksens aufgespalten hatte. Letztere nannte sich nach dem Wohnort ihres Ältesten Sommerfeld auf der Westreserve Sommerfelder, während erstere den Namen Bergthaler beibehielten. Die Bergthaler unter Johann Funk begannen mit Unterstützung der britisch-kanadischen Regierung in den 1890er Jahren das Schulwesen in den mennonitischen Siedlungen zu reformieren und partiell auch zu anglisieren[7], was von den konservativeren Sommerfeldern als Amerikanisierung abgelehnt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten viele Sommerfelder dem Beispiel der Reinländer und übersiedelten nach Mexiko. Später wanderten größere Gruppen von Sommerfeldern auch nach Paraguay und Bolivien aus.[8] Der Gruppe der Sommerfelder können auch die Gemeinden der Saskatchewan Bergthaler im kanadischen Saskatchewan zugerechnet werden, die nach 1890 von weiter westwärts ziehenden Siedlern gegründet wurden.

Viele der Saskatchewan Bergthaler übersiedelten 1926 und 1948 ebenfalls nach Paraguay und später auch nach Honduras und Bolivien. Um 1937 trennte sich die Gruppe der evangelistischen Rudnerweider Mennoniten von den Sommerfeldern, die sich schließlich seit 1959 Evangelical Mennonite Mission Conference nennt.[9] Eine weitere Gruppe trennte sich 1958 von den Sommerfeldern und tritt als Reinland Mennonite Church (nicht zu verwechseln mit den eigentlichen Reinländern) auf.Die Sommerfelder auf der Westreserve vertraten letztlich im Prinzip identische Positionen wie die Chortitzer und arbeiteten mit ihnen in vielen Bereich eng zusammen.[10]
Ethnizität

In vielen Bereichen stehen die Altkolonier den Mennoniten alter Ordnung und den Amischen nahe. Wie diese stehen auch die Altkolonier für einen bewusst schlichten Lebensstil und sind beruflich meist in der Landwirtschaft tätig. Während jedoch die Altmennoniten und Amischen eine südwestdeutsch-schweizerische Herkunft haben und entsprechend noch größtenteils Pennsylvaniadeutsch als Umgangssprache benutzen, haben die Altkolonier eine russlanddeutsche bzw. niederländisch-norddeutsche Herkunft und entsprechend das Plautdietsche als Umgangssprache.
Bevölkerungszahl

Die Zahl der in Nord- und Südamerika lebenden Altkolonier wird heute auf etwa 40. bis 45.000 getaufte Erwachsene geschätzt. Der Großteil von ihnen ist beruflich in der Landwirtschaft eingebunden. In vielen Regionen stehen die Altkolonier mit ihrer traditionalistischen Lebensweise unter Druck, nicht zuletzt auch durch progressive mennonitische Gemeindeverbände.
Charakteristika

Während sich ein Teil der Altkolonier im Verlauf des 20. Jahrhunderts für moderne Gemeinde- und Gottesdienstformen und die englische Sprache geöffnet hat, verblieb ein anderer Teil stark traditionalistisch geprägt. Trotz größerer Unterschiede in Hinblick auf Lebenswandel und Religiosität eint viele Altkolonier bis heute ein strikter religiöser-kultureller Rigorismus, der auch von anderen täuferisch-mennonitischen Denominationen kaum noch nachvollzogen werden kann.

Der Gottesdienst ist sehr schlicht und dauert zwei bis drei Stunden. Die Predigt wird auf Hochdeutsch gehalten und kann bis zu einer Stunde andauern. Zum Teil werden auch ältere Predigten vorgelesen.[11] Meist sitzen Männer und Frauen getrennt voneinander. Der musikalische Teil des Gottesdienstes besteht aus einstimmigem Gemeindegesang. Die Begleitung des Gottesdienstes mit Musikinstrumenten, mehrstimmiger Gesang oder Chöre werden abgelehnt. Bei Predigt, Taufe und Abendmahl treten die Ältesten in vielen Gemeinden noch immer mit hohen, schwarzen Schaftstiefeln (nach Epheser 6,15) auf. Die Gemeindezucht wird streng gehandhabt. Verfehlungen können (nach Matthäus 18) zu einem Bann und somit praktisch zu einem Ausschluss aus der Gemeinde führen. Dies beinhaltet in der Regel auch einen Abbruch gesellschaftlicher und wirtschaftlichen Beziehungen. Traditionalistische Gemeinden der Altkolonier sind auch keinem übergemeindlichen Verband und keinen gemeinsamen Konferenzen angeschlossen. Sie betreiben keine Mission oder Diakonie (abgesehen von Nachbarschaftshilfen) und nehmen auch nicht an der Zusammenarbeit in internationalen mennonitischen Organisationen wie der Mennonitischen Weltkonferenz oder der Hilfsorganisation MCC teil.[12]

Die Taufe findet meist im Alter zwischen 18 und 20 Jahren statt. Der Taufe geht ein Katechismusunterricht voran, der auf Basis eines aus dem Jahr 1783 in Elbing verfassten Katechismus stammt. Die Taufen selber finden an Pfingsten statt. Oftmals geht der Taufe noch die Heirat voran.

Das Schulwesen in den Siedlungen der traditionalistischen Altkolonier ist in der Regel kaum ausgebaut. Meist werden nur Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt. Die Lehrkräfte selber verfügen über keine professionelle Ausbildung. Für die Jungen bestehen sieben, für die Mädchen nur sechs Jahre Schulpflicht. Eine Jugendarbeit mit Musik, Sport und Ähnlichem findet nicht statt.[13] Immer wieder flüchten Jugendliche vor der Tristesse in den Siedlungen der Altkolonier in Drogen- und Alkoholmissbrauch. Hilfsorganisationen wie das MCC bemühen sich inzwischen diesen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken.[14]

Quelle
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