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Die Konservative Revolution

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Die Konservative Revolution Empty Die Konservative Revolution

Beitrag  Andy Sa Apr 22, 2017 12:25 am

„Konservative Revolution“ ist in der heute verwendeten Form ein 1950 von Armin Mohler eingeführter und bis heute umstrittener Sammelbegriff[1] für eine Gruppe ideologischer Strömungen und der sie tragenden Akteure, die sich im Kontext der Weimarer Republik entwickelten. Gemeinsam war diesen Akteuren, dass ihre Ideologien entschieden antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Züge trugen. Ihr Rechtskonservatismus unterschied sich vom traditionellen Konservatismusbegriff der Deutschen Zentrumspartei oder der Deutschnationalen Volkspartei grundlegend und manifestierte sich nicht in einer politischen Partei. Die Konservative Revolution wird in der Geschichtswissenschaft als Wegbereiter für den Nationalsozialismus behandelt.[2] Heute greifen Vertreter der Neuen Rechten auf Ideologiemuster der Konservativen Revolution zurück.[3]

Seltener wird der Begriff in jüngster Zeit auch für verschiedene, meist dem Neokonservatismus oder Neoliberalismus zugeordnete Vorgänge, Personen und Tendenzen der jüngeren Vergangenheit verwendet.

Begriffsgeschichte

Der Begriff wurde ursprünglich nicht für eine bestimmte Strömung, sondern für ganz verschiedene Sachverhalte verwendet. So schrieb Friedrich Engels 1848 in Bezug auf den polnischen Novemberaufstand von 1830:[4]

„Der Aufstand von 1830 war weder eine nationale […] noch eine soziale oder politische Revolution; er änderte nichts an der inneren Lage des Volkes; das war eine konservative Revolution.“

Als Buchtitel tauchte der Ausdruck „konservative Revolution“ bereits 1875 bei Jurij Samarin (1819–1876), einem der Vorkämpfer für die Abschaffung der Leibeigenschaft in Russland, auf. Charles Maurras benutzte den Begriff in seinem Werk Enquête sur la monarchie (1900). Er beschreibt damit eine radikale Reaktion als Revolution gegen die Revolution, durch eine entschlossene und gut organisierte Minorität.[5]

„In der Praxis wird man eine Revolution, vor allem eine konservative Revolution, eine Restauration, eine Rückkehr zur Ordnung nur mit der Hilfe gewisser Elemente in Verwaltung und Militär erfolgreich durchführen.“[6]

Thomas Mann bezog ihn in seiner Russischen Anthologie (1921) auf Friedrich Nietzsche:[7]

„Seine Synthese ist die von Aufklärung und Glauben, von Freiheit und Gebundenheit, von Geist und Fleisch, ‚Gott‘ und ‚Welt‘. Es ist, künstlerisch ausgedrückt, die von Sinnlichkeit und Kritizismus, politisch ausgedrückt, die von Konservatismus und Revolution. Denn Konservatismus braucht nur Geist zu haben, um revolutionärer zu sein als irgendwelche positivistisch liberalistische Aufklärung, und Nietzsche selbst war von Anbeginn, schon in den ‚Unzeitgemäßen Betrachtungen‘, nichts anderes als konservative Revolution.“

Hugo von Hofmannsthal machte den Begriff mit seiner Rede Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927) populär:[8]

„Der Prozess von dem ich rede, ist nichts anderes als eine konservative Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt. Ihr Ziel ist Form, eine neue deutsche Wirklichkeit, an der die ganze Nation teilnehmen könne.“

Er wollte ausgehend von der Literatur ein nationales Traditionsbewusstsein schaffen, das auch durch historische Umwälzungen nicht zerrissen werden könnte. Während Frankreich als Nation durch ein unzerreißbares Gewebe der Sprache und des Geistes zusammengehalten werde, seien die „produktiven Geisteskräfte“ Deutschlands zerrissen; hier sei der Begriff der geistigen Tradition kaum anerkannt. Obwohl der Begriff bei Hofmannsthal noch nicht unmittelbar politisch gemeint war,[9] wurde die Rede von national-konservativer Seite positiv aufgegriffen. Das veranlasste Thomas Mann[10] gegenüber Hofmannsthal kurz darauf zu sorgenvollen Einwänden, wie er 1955 in einem Brief an Willy Haas schrieb:

„Und doch, in was für Mäuler ist das Wort von der Konservativen Revolution dann übergegangen! Es sind mir auch nicht ganz die Rechten, so fein sie sind, die auch heute diese Rede besonders hochhalten.“[11]

Ab etwa 1930 verwendeten der konservative Volkstums-Theoretiker Wilhelm Stapel und der Jurist und Politiker Edgar Julius Jung[12] den Begriff in ihren politischen Schriften. Durch die von Jung verfasste Marburger Rede erhielt der Begriff politische Bedeutung.

1941 erschien in den Vereinigten Staaten das Buch The Conservative Revolution (dt.: Die Konservative Revolution – Versuch und Bruch mit Hitler) von Hermann Rauschning. Der ehemalige Senatspräsident Danzigs hatte sich von einem 1939 erschienenen Aufsatz des Germanisten Detlev W. Schumann (1900–1986) über Hofmannsthals Rede inspirieren lassen.[13][14] Darin definiert Rauschning die Konservative Revolution als Gegenkraft gegen die Bewegung, die mit der Französischen Revolution zum Sieg gekommen war, namentlich den Glauben an die Veränderbarkeit des Menschen, die verstandesmäßige Durchschaubarkeit aller Dinge und den Versuch, jeden Gegenstand allein aus sich selbst zu begreifen.[15]

1950 löste Armin Mohlers Buch Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 eine breite historisch-politische Debatte aus. Mohler bezog den Begriff auf etwa 350 Personen, die er fünf verschiedenen republikfeindlichen, aber nur zum Teil nationalsozialistischen Gruppen zuordnete. Damit stellte er eine eigenständige Strömung der Weimarer Zeit mit einem politischen Profil dar, das sich zum Teil deutlich vom Nationalsozialismus unterschieden habe. Das Buch stieß bei Historikern auf Widerspruch: Mohler habe den Begriff nur als Opposition zur Weimarer Verfassung und zu liberalen Gesellschaftsmodellen, nicht aber positiv definiert. Dies lassen heutige Politikwissenschaftler nicht als Kriterium für eine eigene politische Richtung gelten.

Für Louis Dupeux jedoch war die Konservative Revolution in der Weimarer Republik die dominierende Ideologie, die als deutscher Präfaschismus (préfascisme allemand) anzusehen sei.[16]

Für den Soziologen Stefan Breuer ist der Begriff unzutreffend, aber dennoch historisch wirksam geworden:

„Das Syntagma Konservative Revolution ist eine der erfolgreichsten Schöpfungen der neueren Ideengeschichtsschreibung. […] … ein unhaltbarer Begriff, der mehr Verwirrung als Klarheit stiftet.“[17]

Trotz ähnlicher Denker und Strömungen in anderen europäischen Ländern – etwa Georges Sorel, Maurice Barrès, Julius Evola, Vilfredo Pareto oder Wladimir Zeev Jabotinsky[18] – wird der Begriff im Deutschen meist nur auf die deutsche Fraktion aus der Zeit der Weimarer Republik bezogen.
Bekannte Vertreter

Ein wirkungsmächtiger geistiger Einfluss auf Vertreter dieser Strömung wird nach Mohler dem Dichter Stefan George zugesprochen.[19]

Zu der Richtung oder ihrem Umfeld zählt Mohler mit unterschiedlicher Gewichtung u. a.:[20]

Hans Freyer
Hugo von Hofmannsthal und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe
die Brüder Ernst Jünger und Friedrich Georg Jünger
Edgar Julius Jung



Ludwig Klages
Thomas Mann
Arthur Moeller van den Bruck und dessen Juniklub
Ernst Niekisch
Martin Niemöller
Georg Quabbe



Ernst von Salomon
Carl Schmitt
Othmar Spann
Oswald Spengler
Wilhelm Stapel
August Winnig
Hans Zehrer und der Tat-Kreis

Thomas Mann distanzierte sich ab 1922 zunehmend von seiner konservativ-monarchistischen Einstellung, die er noch in den Betrachtungen eines Unpolitischen und in anderen Publikationen gezeigt hatte, und trat für die Weimarer Republik und ihre Werte ein. In einer Tagebuchnotiz vom 26. September 1933 bezeichnete er den Nationalsozialismus als „politische Wirklichkeit jener konservativen Revolution“, einer geistigen Bewegung, der er aus „Abscheu vor ihrer Realität“ widerstanden habe.[21]

Auch die Zuordnung von Ernst Jünger zur Konservativen Revolution bzw. den Jungkonservativen ist umstritten.[22]

Der konservativ-katholische Staatsrechtler Carl Schmitt kann dieser Strömung nur sehr eingeschränkt zugerechnet werden. Obwohl Schmitt dezidierter Antiliberaler war, richtet er sich scharf gegen eine „politische Romantik“, der wie Othmar Spann oder der Tat-Kreis viele der „konservativen Revolutionäre“ anhingen. Die Zuordnung Schmitts zur Konservativen Revolution geht auf das o.g. Standardwerk seines Schülers Armin Mohler zurück.
Ideenwelt

Die Autoren der Konservativen Revolution bildeten keine feste Gruppe, sondern eher ein verzweigtes publizistisches Geflecht. Sie schufen keine einheitliche Doktrin, bemühten sich jedoch alle, ähnlich dem italienischen Faschismus, die „Phänomene der Moderne“ in eine theoretische Synthese mit einer rechten Weltanschauung zu bringen. Die Konservative Revolution kann auch als Reaktion auf eine als krisenhaft empfundene gesellschaftliche Modernisierung verstanden werden, als eine neokonservative intellektuelle Suchbewegung im Umbruch der sich durchsetzenden Moderne. So interpretiert Rolf Peter Sieferle sie als einen „deutschen antiwestlichen Übermodernismus“ und „den Versuch einer revolutionären Überwindung der Technikkritik“,[23] und Richard Herzinger sieht in ihr „den Versuch der Überbietung des Modernisierungsprozesses“.[24]

Die Konservative Revolution ist anhand ihres Verhältnisses zu und ihrer Definition von wesentlichen Begriffen und Theorien der Geistesgeschichte und Gesellschaftslehre zu charakterisieren. Aufgrund der mangelnden Trennschärfe des Begriffs „Konservative Revolution“ zu anderen rechtsgerichteten, aber auch gänzlich anders orientierten Bestrebungen der Zeit, sowie wegen der Uneinheitlichkeit ihrer Untergruppierungen (nach Mohler) und des ausgeprägten Individualismus ihrer „wichtigsten Vertreter“, sollte dies aber stets als ein eher „andeutender Versuch der gedanklichen Annäherung“ als eine strikte Einordnung betrachtet werden.

Wie Mohler beschreibt, können viele Widersprüche dieser angeblichen Bewegung verstanden werden, wenn man ihre Ziele analysiert. So habe sie versucht, die gegensätzlichen (antagonistischen) – aus ihrer Sicht nur scheinbaren und „Deutschland spaltenden“ – Begriffe des politischen Spektrums wie „rechts – links“, „konservativ – revolutionär“, „nationalistisch – sozialistisch“, „individualistisch – kollektivistisch“ u. a. zu überwinden und in Gebilden wie einer unklar definierten „Mitte“ bzw. einem „dritten Weg“ (Drittes Reich) aufzulösen bzw. zu integrieren.[25]

Speziell das wissenschaftlich umstrittene, weltanschaulich sehr widersprüchliche Verhältnis der Konservativen Revolution zum Nationalsozialismus lässt sich nach Kurt Sontheimer nur beschreiben, wenn die gemeinsamen Wurzeln, aber auch Unterschiede zwischen beiden berücksichtigt werden. Die inneren Widersprüche der Konservativen Revolution und des Nationalsozialismus sowie die internen Machtkämpfe zu Beginn der nationalsozialistischen Bewegung und „Machtergreifung“ sollten dabei nicht übersehen werden.[26]
Kritik politischer Vernunft

Der „neue Konservatismus“ heftet sich nicht an angeblich „bloß Historisches“ sowie Formen und Typen politischer Gestaltung. Er lehnt eine rein zweckgerichtete, politische Vernunftordnung ab.[27] Er ist in wesentlichen Teilen bewusst irrational und beruft sich stattdessen auf vorgeblich ewig gültige Werte und Ideale als Basis der Gesellschaft.[28] Er ist nach Gustav Steinbömer „orientiert an der ewigen ‚ordre de cœur‘ [Ordnung des Herzens], nicht an den wechselnden Idealen der Ratio“.[29] Einer ihrer Vertreter, Edgar Julius Jung, drückte dies 1932 in folgenden Worten aus:

„Konservative Revolution nennen wir die Wiedereinsetzung aller jener elementaren Gesetze und Werte, ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann. An Stelle der Gleichheit tritt die innere Wertigkeit, an Stelle der sozialen Gesinnung der gerechte Einbau in die gestufte Gesellschaft, …“[30]

Hans Mommsens Analyse geht in eine ähnliche Richtung. Ein antibürgerlicher Affekt großer Teile der Kriegs- und Nachkriegsgeneration habe sich in einer emotionalen Abkehr von interessenorientierter Politik ausgedrückt. Diese Einstellung habe Ernst von Salomon auf die autobiographisch geprägte Formel gebracht: „Was wir als politisch erkannten, das war schicksalsmäßig bedingt. Jenseits unserer Welt war die Politik interessenmäßig bedingt.“[31] Dieses Bekenntnis zum politischen Irrationalismus finde sich auch in einer Wendung Ernst Jüngers, der Instinkt sei der Intelligenz überlegen. Beide Autoren seien nicht nur für neokonservative Strömungen repräsentativ, sondern für die Angehörigen ihrer Altersgruppe, weil sie aus gesinnungsethischen Gründen das „unheroische Tagesgeschehen“ als „politischen Kuhhandel“ abtaten.[32]

Einzelne Autoren erkennen in den Zielen, Idealen und Ideologien der Konservativen Revolution sogar eine starke Politikfremdheit.[33] Carl von Ossietzky bezeichnete Moellers Drittes Reich als ein „politikfremdes Lamento von monotoner Melancholie“.[34]
Konservatismus

Der Begriff Konservatismus bzw. konservativ bezeichnete zunächst im Sinne des Strukturkonservatismus eine Haltung, die eine gewachsene Gesellschaftsordnung bewahren will und sich positiv auf deren konstituierende Wertvorstellungen bezieht. Die konservative Revolution sei in diesem klassischen Sinne nicht mehr konservativ. Sie wolle nicht Tradiertes bewahren, sondern neue „lebendige Werte“ setzen. Arthur Moeller van den Bruck, Vertreter der Konservativen Revolution, schreibt dazu:

„Der konservative Mensch […] sucht heute wieder die Stelle, die Anfang ist. Er ist jetzt notwendiger Erhalter und Empörer zugleich. Er wirft die Frage auf: was ist erhaltenswert?“[35]

Dies „zu Erhaltende“ gilt es nach Auffassung des revolutionären Konservatismus erst noch zu schaffen. In diesem Sinne formulierte Moeller van den Bruck eine neue Definition, die noch heute von Konservativen und Neuen Rechten aufgegriffen wird:

„Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“[36]

Tatsächlich traten viele Autoren der Konservativen Revolution nicht für eine konservative Restaurierung, sondern für eine radikale Erneuerung der Gesellschaft ein. Ihre Gedanken waren nicht antimodern, zielten aber auf eine „andere, eine deutsche Moderne“. Die Konservative Revolution grenzte sich dabei ebenso von den alten, als reaktionär begriffenen Konservativen wie vom Liberalismus ab. Sie trat dabei als eine vornehmlich literarisch-publizistische Bewegung in Erscheinung, die innerhalb eines sehr viel breiteren konservativen Spektrums zunehmende intellektuelle Anziehungskraft entfaltete.
Scheinbarer Begriffswiderspruch

Aus diesem Selbstverständnis wird auch der aus heutiger Sicht schwer verständliche und unüberbrückbar erscheinende Widerspruch zwischen den scheinbar einander ausschließenden Begriffen „konservativ“ als „bewahrend“ und „Revolution“ als „Veränderung“ leichter begreiflich. So meinte der französische Neurechte Alain de Benoist in einem Interview:

„Was den Ausdruck ‚Konservative Revolution‘ betrifft, scheiden sich an ihm die Geister, vor allem weil er als ein Oxymoron erscheint, ein paradoxer oder widersprüchlicher Begriff.“[37]

Er habe also nicht zwangsläufig, wie der herkömmliche Konservatismus, die Bewahrung eines aktuellen, für gut erachteten gesellschaftlich oder kulturellen Status quo, sondern die Bewahrung bzw. Wiederherstellung eines fiktiven, vorgeblich schon immer gegebenen „natürlichen Idealzustandes“ zum Ziel.[38] Da er sich an außerhalb der Historie festgemachten Werten und einer angeblich existenziellen Substanz, der genannten Ordre de coeur, orientiert, kann er also situativ ebenso revolutionär schaffend und zerstörend wie konservativ erhaltend und auch reaktionär orientiert sein.[28] Dass er sich in der damaligen Zeit eher als revolutionär begriff, liegt allein an den aus seiner Sicht „momentan zugeschütteten Ewigkeitswerten“. So schreibt Gustav Steinbömer im Jahr 1932:

„Um die Verknüpfung der Welt mit einer höheren Ordnung zu erhalten, muß der Konservatismus heute zerstören und kann gegenüber dem rechnerisch und nihilistischen Werteempfinden und dessen politisch-institutioneller Entsprechung in der Demoplutokratie nur revolutionär sein [...].“[39]

Verhältnis zum Liberalismus

Die durchgehende Ablehnung des Liberalismus und der auf ihm beruhenden Institutionen war ein wesentliches, aber kein alleiniges Merkmal annähernd aller Vertreter der Konservativen Revolution, das sie mit einem Großteil der damaligen Bevölkerung und Parteien – unabhängig von deren politischer Ausrichtung – verband.[40]

„Der Liberalismus war der Prügelknabe der Weimarer Republik, von links wie von rechts. Er galt als Inbegriff und Wurzel aller negativen Entwicklungen und Erscheinungen. Aus seiner Ideenwelt stammt der Parlamentarismus, und mit ihm die Einrichtung von politischen Parteien.“[41]

Als historischen Ausgangspunkt der aus ihrer Sicht „verhängnisvollen Entwicklung“ verortet die Konservative Revolution die Aufklärung und speziell die Französische Revolution.[42] Der Liberalismus und seine Auswirkungen werden in den Schriften ihrer Vertreter durch Gleichsetzung mit Formulierungen wie „seelenloser Mechanismus“, „Atomismus“, „krankhafter Individualismus“, „Nihilismus“, „Wertelosigkeit“ oder „kultureller Verfall“ polemisch diskreditiert. So schreibt Moeller van den Bruck in Das Dritte Reich:

„Der Liberalismus hat Kulturen untergraben. Er hat Religionen vernichtet. Er hat Vaterländer zerstört. Er war die Selbstauflösung der Menschheit.“[43]

Als Gegenmodell zu einer Gesellschaft, die letztendlich nur auf einer „Summierung von Einzelinteressen“ beruhen würde, wurden in Weiterentwicklung des auf Ferdinand Tönnies beruhenden Modells (Gemeinschaft und Gesellschaft) diverse Gemeinschaftsmodelle propagiert.

Die Kritik beschäftigte sich dabei gleichermaßen mit konkreten und aktuellen Erscheinungsformen des Parlamentarismus wie mit einer grundsätzlichen und nicht nur ephemeren Kritik an dessen Axiomen.

So bemerkt z. B. der in seinen Grundprinzipien antiliberale Carl Schmitt,[44] dass es ihm im Prinzip darum gehe, „den letzten Kern der Institution des Parlamentarismus zu treffen“.[45] Auch manche damalige Schriften des sich selber allerdings als „unpolitischen Sensor“ sehenden Ernst Jünger sind von einem starken Antiliberalismus geprägt.[46] So schreibt Jünger 1926 über den zukünftigen Staat:

„Er wird national sein. Er wird sozial sein. Er wird wehrhaft sein. Er wird autoritativ gegliedert sein.“[47]

Liberales Gedankengut und Demokratie wurde von Vertretern der Konservativen Revolution wie dem TAT-Kreis mitunter in folgenden Worten abgelehnt:

„… Man suche sich die Formen und Gestaltungen heraus, die der Liberalismus hervorgebracht hat und die seine ureigensten Produkte sind. Man kann heute an jede von ihm ein Kreuz machen. Sie ist dem Untergang geweiht.“[48]

Dem Gedanken des Liberalismus entspringende Ideen wie Demokratie, Parlamentarismus, Repräsentation, Parteien u. a. wurden als einfache Folgeerscheinungen des Liberalismus entweder abgelehnt oder in „entkernender Weise“ umgedeutet. Demokratische Vordenker wie Jean-Jacques Rousseau wurden von Vertretern der Konservativen Revolution in vager Berufung auf die Volonté générale beliebig uminterpretiert.

„Wer Individualist ist, Mechanisierung und Gleichheit wirklich will, kann Demokrat sein, wer aber den Kulturstaat will, wer etwas Geistiges vom Staate verlangt, kann nicht mehr Demokrat sein.“[49]

Ein treffendes Beispiel für eine vollkommene Umdeutung des heutigen Demokratiebegriffs von Vertretern der Konservativen Revolution ist dabei folgender Satz:

„Der Ruf nach einer demokratischen Diktatur wird verständlich, weil sie geeignet erscheint, die Berührung zwischen Führer und Volk erneut herzustellen.“[50]

Staatsgedanke und Gesellschaftsmodelle

Mit der Ablehnung des modernen, demokratischen Staatsgedankens der Weimarer Republik standen die Vertreter der Konservativen Revolution nicht allein da. Einflussreiche Denker wie Alfred Weber oder Carl Schmitt formulierten ähnliche Kritik an Theorie und Praxis von Staat und Gesellschaft.

Man verachtete die Weimarer Republik als einen schwachen (von den Siegermächten mit Absicht so entworfenen) Nachtwächterstaat ohne wirkliche äußere Souveränität.[51] Er sei der Austragung von Interessengegensätzen von Parteien, Verbänden und Einzelnen ausgesetzt und werde daran zugrunde gehen. Hierbei wurde besonders das Vordringen wirtschaftlicher Mächte in die Politik kritisiert und abgelehnt. Dieses Interessenkampfes sollte er enthoben werden, um die Nation als eine über allen Parteiungen stehende machtvolle Instanz wieder in Zucht und Ordnung zu halten.[52] Der jungkonservative Publizist Heinrich von Gleichen-Rußwurm formulierte dies folgendermaßen:

„Im Weimarer Staat machten sich die Machtansprüche der Parteien geltend. Hier mußte ein Ende gemacht werden. Man hatte endlich begriffen, daß ein Staat Staat sein muß, d. h. um der staatlichen Hoheit willen.“[53]

Speziell der individualistische Ausgangspunkt des auf Thomas Hobbes, John Locke und Jean-Jacques Rousseau zurückgehenden staatstheoretischen Vertragsdenkens wurde als „typisch britisch“ abgelehnt. Es würde dem „deutschen Wesen“ diametral entgegenstehen und die Bildung einer wahren Volksgemeinschaft verhindern. Oswald Spengler drückte dies 1919 in folgenden Worten aus:

„Im Politischen gibt es keine Wahl; jede Kultur und jedes einzelne Volk einer Kultur führt seine Geschäfte und erfüllt sein Schicksal in Formen, die mit ihm geboren und die dem Wesen nach unabänderlich sind. […] Wir brauchen die Befreiung von den Formen der englisch-französischen Demokratie. Wir haben eine eigene.“[54]

Die Demokratie sah er als „Formlosigkeit in jedem Sinne als Prinzip“, den Parlamentarismus als „verfassungsmäßige Anarchie“ und die Republik als „Verneinung jeder Art von Autorität“.[55]

Stattdessen wurde ein starker, autoritärer und keiner innerweltlichen oder transzendenten Legitimation von außen mehr bedürfender Staat angestrebt. Dieser wird damit in Nachfolge des hegelschen Staatsgedankens[56] fast zu einem höchstens noch vagen „Volkswillen oder Wohl“ verpflichteten Selbstzweck bzw. zu einem „Staat um seiner selbst willen“. Julius Binder beschrieb diesen 1933 als eine „ursprüngliche, selbstherrliche, nicht von den Bürgern abgeleitete Herrschaft, eine autoritäre Gewalt,“[57] und Friedrich Gogarten meinte 1932: „Die Hoheit des Staates bedarf keiner weiteren Sanktionierung, auch nicht durch die Kirche.“[58]

Von vielen Vertretern der Konservativen Revolution wurden ständische, korporative Modelle als Organisationsformen der Gesellschaft angestrebt. Diese seien organische Staatsauffassungen, die aus der Betonung der Ungleichheit der Menschen die Notwendigkeit einer – vorgeblich in der Natur begründeten – hierarchischen Ordnung in an die Ständeordnung des Mittelalters angelehnten Stufen ableiten.[59] Wegweisend war hierfür Othmar Spanns Schrift Der wahre Staat aus dem Jahr 1921, in der er ausführt,

„daß jeder niedere Stand geistig vom jeweils höheren nach dem geistigen Lebensgesetz aller Gemeinschaft und Gemeinschaftsverbindung Unterordnung des Niedern unter das Höhere geführt wird.“[60]

Ständestaatlichen Ideen ist somit eine Elitevorstellung zu eigen, die auch einen autoritären oder totalen Staat – trotz der Bedeutung von Dezentralisierung und Selbstverwaltung im Ständestaat – und das Führerprinzip als durchaus damit vereinbar und sich ergänzend erscheinen lässt. Dennoch ist zu erwähnen, dass sich zumindest der TAT-Kreis um Hans Zehrer gleichermaßen gegen die Versuche der Errichtung eines autoritären Staates durch Franz von Papen als auch die Absolutsetzung einer Partei im Nationalsozialismus wandte.[61]

Weiteres dazu im Link:

https://de.wikipedia.org/wiki/Konservative_Revolution

Andy
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