Theaterskandal oder Logenrandale
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Theaterskandal oder Logenrandale
Als Theaterskandal bezeichnet man Konflikte um Theateraufführungen, die an gesellschaftliche, moralische, religiöse oder künstlerische Tabus rühren, und dadurch die Reaktion der öffentlichen Meinung herausfordern. Es kommt dabei zu Missfallenskundgebungen, Protesten oder sogar Tätlichkeiten im Zuschauerraum, in der Folge auch zu Zeitungskampagnen oder politischen Konsequenzen wie Zensur oder Verbot.
„Pariser zischen neues Ballett aus“ – Bericht der New York Times über die Uraufführung von Igor Strawinskys Ballett Le Sacre du Printemps in Paris (1913).
Allgemein
Seitdem die Theaterregie als eigenständige künstlerische Leistung gilt, steht oft nicht nur das Werk selbst, sondern auch dessen Inszenierung im Mittelpunkt von Theaterskandalen. Solche Konflikte entzünden sich besonders heftig an „klassischen“ Werken sowie an der Oper, deren Publikum besonders traditionsorientiert ist. Auch Tabu-Brüche bei der Deutung von Werken der Operette rufen nicht selten heftige Reaktionen hervor.[1]
Theaterskandale sind zuweilen auch vorhersehbar oder ereignen sich geplant und gleichen dann Inszenierungen mit klaren Rollenvorgaben: Auf der einen Seite das Publikum, das sein Recht auf ungestörten Kunstgenuss einfordert, auf der anderen Seite der Künstler, der überzeugt ist, der Gesellschaft den Spiegel vorhalten zu müssen. Seitdem um die Mitte des 19. Jahrhunderts Künstler ihre Aufgabe nicht mehr darin sahen, den ästhetischen Normenkatalog zu erfüllen, sondern sie diese Normen zunehmend zu sprengen versuchten, ist der Skandal als „spezifische Erscheinung des institutionellen Kunsttheaters“[2] auch Ausweis einer selbstgewählten Außenseiterrolle.[3]
17. Jahrhundert
1664 Tartuffe von Molière löste bei seiner Uraufführung in Paris einen Skandal aus, vor dem nicht einmal König Ludwig XIV. seinen Protegé Molière schützen konnte. Der Klerus wie auch mächtige religiöse Laienorganisationen (darunter vor allem die Gruppe der „Dévots“, die unter anderem von der Königinmutter unterstützt wurden) fühlte sich durch das Stück auf Grund seiner drastischen und für die damalige Zeit revolutionären Kritik religiösen Heuchlertums, das Bigotterie und Verführungskunst anprangerte, angegriffen und erwirkte für die nächsten Jahre ein Aufführungsverbot der ersten und auch einer zweiten Fassung des Stücks, die 1667 aufgeführt wurde. Sowohl die öffentliche Aufführung wie auch der private Besitz des Stückes wurden untersagt, Molière selbst mit Exkommunikation und sogar Scheiterhaufen bedroht. Erst die dritte, extrem entschärfte Variante durfte dann 1669 (5 Jahre nach der Erstaufführung) auf die Bühne und wurde zu einem phänomenalen Erfolg.[4]
18. Jahrhundert
1727 Astianatte von Bononcini. Während einer Vorstellung am Haymarket Theatre in London kam es am 6. Juni auf offener Bühne zu einem Handgemenge zwischen den italienischen Sängerinnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni, das in einen regelrechten Skandal ausartete. „Der Disput wurde zunächst lediglich durch Zischen auf der einen Seite, Beifall auf der anderen ausgetragen; dann gab es Katzenrufe und weitere Ungehörigkeiten.“[5] Die Vorstellung wurde wegen des ungebührlichen Benehmens des Publikums in Anwesenheit der Prinzessin von Wales abgebrochen.[6] In Admeto von Georg Friedrich Händel hatte sich der Konflikt im Mai zuvor schon angekündigt, wobei nicht klar ist, inwieweit die Rivalität der Sopranistinnen tatsächlich bestand, oder mehr vom Publikum ausgetragen und von der Presse hochstilisiert wurde. Dieser Skandal bedeutete das vorläufige Ende der italienischen Oper in London. „Diese Partheyen waren so wider einander aufgebracht, daß die eine pfiff, wenn die andere in die Hände klatschete, und umgekehrt.“[7] In der Spottschrift The Rival Queen’s (Die rivalisierenden Königinnen) spielt sich die Szene im Tempel der Zwietracht ab. Händel steht schicksalsergeben daneben, während die beiden Damen übereinander herfallen. Der Streit diente auch als Vorlage für den Zank zwischen Lucy und Polly in The Beggar’s Opera (1728) von John Gay und Johann Christoph Pepusch und, auf dieser Ballad Opera fußend, dem Eifersuchtsduett der rivalisierenden Bräute in der Dreigroschenoper (1928) von Bertolt Brecht und Kurt Weill.
1735 Alcina von Georg Friedrich Händel. Die Primaballerina Marie Sallé, die den damaligen Bühnentanz revolutionierte, löste mit ihrem Auftritt in Händels Zauberoper am 16. April einen Theaterskandal aus, da sie darin die männliche Rolle des Cupido nur leicht bekleidet tanzte und dafür auf offener Bühne ausgepfiffen wurde.
1752 La serva padrona von Pergolesi löste in Paris den Buffonistenstreit (1752–1754) aus, der sich um die Priorität der französischen oder der italienischen Oper drehte. Die Hauptakteure der Kontroversen waren einerseits der konservative, die französische Oper bevorzugende Coin du Roi (Loge des Königs), und andererseits der progressive, die italienische Oper verfechtende Coin de la Reine (Loge der Königin). Zu Letzteren gehörten u. a. die Enzyklopädisten um Denis Diderot, Jean Baptiste le Rond d’Alembert, Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Melchior Grimm. Der Streit bahnte sich jedoch schon einige Zeit vorher an, die Konkurrenz zwischen französischen und italienischen Truppen hatte jahrzehntelange Tradition. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden mehr als 60 Schriften meist führender Philosophen publiziert. Der Streit führte zu tiefgreifenden Änderungen in der Opernästhetik, die später vor allem im Piccinnistenstreit zum Ausdruck kamen.
1782 Die Räuber von Friedrich Schiller endete bei der Uraufführung am Nationaltheater Mannheim am 13. Januar in einem Skandal, nachdem das Stück durch seine anonyme Veröffentlichung im Jahr zuvor bereits berüchtigt war. Das revolutionäre Stück spielte fast in der Gegenwart und konnte als Aufruf zum Umsturz verstanden werden. Ohnmachtsanfälle und hysterische Reaktionen bestimmten die Atmosphäre der Aufführung. Ein Augenzeuge berichtete: „Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!“[8]
19. Jahrhundert
Oper
1810 Die Schweizer Familie, ein Singspiel von Joseph Weigl und Ignaz Franz Castelli geriet bei einer Aufführung in Berlin im November zu einem Skandal, da sich Heinrich von Kleist nach Spannungen mit dem Theaterdirektor August Wilhelm Iffland journalistisch in die Besetzung der Hauptrolle eingemischt hatte.[9] Iffland bezeichnete den Vorfall „als eine barbarische Behandlung der Schauspieler und des Publicums“, schaltete die staatlichen Autoritäten ein und gab zu, sie „auf Maßregeln der Ruhe des Publicums aufmerksam gemacht zu haben“.[10] Das Geschehen hat Achim von Arnim (der bei der Aufführung anwesend war) in seiner Novelle Melück Maria Blainville umgesetzt.
1824 Der Freischütz von Carl Maria von Weber erregte am 7. Dezember im Theatre Odeon in Paris in der französischen Übersetzung und Bearbeitung von Castil-Blaze unter dem Titel Robin des Bois ou Les trois balles (Robin vom Walde oder Die drei Kugeln) einen Skandal. Als die Aufführung drohte, ein Misserfolg zu werden, verbreiteten die Autoren erfolgreich, dass es sich um die erste Fassung der Oper handle. Sie lösten damit einen Skandal aus, der noch Jahrzehnte nachwirkte.[11] Die Aufführung war so schlampig, dass sie vom Publikum von der Bühne gepfiffen wurde.
1830 Hernani von Victor Hugo führte bei der Uraufführung am 23. Februar zur Schlacht um Hernani. Die Aufführung artete in lautstarke und handfeste Auseinandersetzungen des Publikums aus. Auf der Bühne der renommierten Comédie-Française wurde eine Art Melodram aufgeführt, das an die proletarischen Theater am Boulevard du Temple erinnerte. Anhänger des klassischen Theaters lieferten sich mit den Unterstützern einer moderneren Form, die später Romantiker genannt wurden, eine regelrechte Theaterschlacht. In Paris gab es eine jahrhundertelange Tradition, politische Konflikte im Weg über das Theater auszutragen, wie im Buffonistenstreit seit 1752. Zudem waren dort die Spielpläne infolge des Napoleonischen Theaterdekrets (1807) sehr einheitlich: In jedes Theater ging eine bestimmte Gesellschaftsschicht mit ganz bestimmten Vorstellungen. So konnten selbst geringe Störungen dieser Erwartungen Missfallen beim Publikum auslösen, was manche Kulturschaffende als Reiz zur Provokation betrachteten.
1830 La muette de Portici (Die Stumme von Portici) von Daniel-François-Esprit Auber führte bei der Aufführung im Theater La Monnaie in Brüssel am 25. August, anlässlich des 59. Geburtstages von König Wilhelm I. der Niederlande, zu weitreichenden Folgen. Auslöser war das Duett Amour sacré de la patrie („Die heilige Liebe zum Vaterland“): „Geheiligte Liebe zum Vaterland, Gib uns Wagemut und Stolz zurück; Meinem Land verdanke ich das Leben. Es wird mir seine Freiheit verdanken.“ Die Zuschauer gerieten hierdurch in Erregung und als Massaniello mit einer Axt in der Hand sang: „Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf daß unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!“ erhob sich das Publikum und rief „Aux armes!“ (Zu den Waffen!). Es handelte sich hier nur bedingt um einen „Skandal“, sondern es kam zu einer revolutionären Mobilisierung des Publikums. Die nach der Opernaufführung ausgelösten Unruhen gegen die ungeliebte niederländische Herrschaft führten zur belgischen Revolution und schließlich zur Unabhängigkeit Belgiens.
1858 Der Barbier von Bagdad von Peter Cornelius. Die Uraufführung in Weimar am 15. Dezember unter dem Dirigenten Franz Liszt wurde zum größten Eklat der Weimarer Theatergeschichte, der vom Direktor Franz von Dingelstedt gegen Liszt angezettelt wurde. Bereits als Liszt vor das Ensemble trat, begannen Teile des Publikums zu raunen, und in den Begrüßungsapplaus mischte sich deutliches Zischen. Offensichtlich sollten die Mitwirkenden nervös gemacht werden. Während des Schlussapplauses eskalierte die Situation:
„Eine bis dahin in den Annalen Weimars noch nicht erhörte Opposition stellte sich mit hartnäckigem Zischen gleich von Anfang dem Applaus gegenüber, sie war eine bestellte, wohlorganisierte, zweckmäßig verteilte. […] Am Schluß erhob sich ein Kampf von zehn Minuten. Der Großherzog hatte anhaltend applaudiert, die Zischer fuhren nichts destoweniger fort.“[12]
1861 Tannhäuser von Richard Wagner erlebte bei der Pariser Premiere am 13. März in der Salle Le Peletier der Pariser Oper einen der berühmtesten Opernskandale der Musikgeschichte, begleitet von Feindseligkeiten fast der gesamten Pariser Presse, nachdem die Aufführung fast ein ganzes Jahr mit 164 Ensemble-Proben vorbereitet worden war.[13] Der Tradition des Hauses folgend war Wagner gezwungen, ein Ballett in seine Oper einzufügen, wozu er sich bereit erklärte, um sich durch einen Erfolg in der Pariser Musikwelt zu etablieren. Wagner weigerte sich jedoch, das Ballett im zweiten Akt einzuführen, was den Gewohnheiten des einflussreichen aristokratischen Jockey Club entgegengekommen wäre, deren Mitglieder während des ersten Aktes zu dinieren pflegten, und erst zum Ballett im zweiten Akt erschienen, um sich danach „hinter die Kulissen zu näherem Verkehr mit den springenden Nymphen“ zu begeben, und legte sein Ballett als Bacchanal der Venus stattdessen in den ersten Akt der Oper. Daraufhin veranstalteten die Mitglieder des Jockey Clubs, die auch Feindseligkeiten gegen Fürstin Pauline von Metternich, die Frau des österreichischen Botschafters, hegten, auf deren Initiative Kaiser Napoleon III. die Aufführung angeordnet hatte,[14] bei der zweiten Aufführung am 18. März eine inszenierte Störaktion:
„Die Ouvertüre und der erste Aufzug verliefen ohne Störung. Aber bei der Wandlung […] brach plötzlich der lang vorbereitete Angriff aus, und ein gewaltiges Pfeifen und Lärmen unterbrach die Musik. Die Herren des Jockey-Clubs betrieben ihre boshaften Störungen wegen des fehlenden Balletts nicht einmal im Verborgenen, sondern saßen, recht geflissentlich sichtbar, in ihren mit Glacéhandschuhen bedeckten Händen die kleine Trillerpfeife haltend. So ging es die ganze Aufführung weiter. Die Sänger benahmen sich dabei wirklich heldenmütig. Oft mußten sie 15 Minuten und noch länger anhalten, um den Sturm, der im Publikum tobte, vorüberzulassen.“[15]
Drei Aufführungen lang währte die „Schlacht um Tannhäuser“, die Oper war Tagesgespräch in Paris, und jeder, der auf sich hielt, bemühte sich, eine der raren Eintrittskarten zu ergattern. Der Jockey Club ließ silberne Trillerpfeifchen verteilen mit der Inschrift „Pour Tannhäuser“. Bei der dritten Aufführung am 24. März kam es zu mehreren Unterbrechungen, was Wagner veranlasste, die Oper zurückzuziehen.
Weiteres dazu im Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Theaterskandal
„Pariser zischen neues Ballett aus“ – Bericht der New York Times über die Uraufführung von Igor Strawinskys Ballett Le Sacre du Printemps in Paris (1913).
Allgemein
Seitdem die Theaterregie als eigenständige künstlerische Leistung gilt, steht oft nicht nur das Werk selbst, sondern auch dessen Inszenierung im Mittelpunkt von Theaterskandalen. Solche Konflikte entzünden sich besonders heftig an „klassischen“ Werken sowie an der Oper, deren Publikum besonders traditionsorientiert ist. Auch Tabu-Brüche bei der Deutung von Werken der Operette rufen nicht selten heftige Reaktionen hervor.[1]
Theaterskandale sind zuweilen auch vorhersehbar oder ereignen sich geplant und gleichen dann Inszenierungen mit klaren Rollenvorgaben: Auf der einen Seite das Publikum, das sein Recht auf ungestörten Kunstgenuss einfordert, auf der anderen Seite der Künstler, der überzeugt ist, der Gesellschaft den Spiegel vorhalten zu müssen. Seitdem um die Mitte des 19. Jahrhunderts Künstler ihre Aufgabe nicht mehr darin sahen, den ästhetischen Normenkatalog zu erfüllen, sondern sie diese Normen zunehmend zu sprengen versuchten, ist der Skandal als „spezifische Erscheinung des institutionellen Kunsttheaters“[2] auch Ausweis einer selbstgewählten Außenseiterrolle.[3]
17. Jahrhundert
1664 Tartuffe von Molière löste bei seiner Uraufführung in Paris einen Skandal aus, vor dem nicht einmal König Ludwig XIV. seinen Protegé Molière schützen konnte. Der Klerus wie auch mächtige religiöse Laienorganisationen (darunter vor allem die Gruppe der „Dévots“, die unter anderem von der Königinmutter unterstützt wurden) fühlte sich durch das Stück auf Grund seiner drastischen und für die damalige Zeit revolutionären Kritik religiösen Heuchlertums, das Bigotterie und Verführungskunst anprangerte, angegriffen und erwirkte für die nächsten Jahre ein Aufführungsverbot der ersten und auch einer zweiten Fassung des Stücks, die 1667 aufgeführt wurde. Sowohl die öffentliche Aufführung wie auch der private Besitz des Stückes wurden untersagt, Molière selbst mit Exkommunikation und sogar Scheiterhaufen bedroht. Erst die dritte, extrem entschärfte Variante durfte dann 1669 (5 Jahre nach der Erstaufführung) auf die Bühne und wurde zu einem phänomenalen Erfolg.[4]
18. Jahrhundert
1727 Astianatte von Bononcini. Während einer Vorstellung am Haymarket Theatre in London kam es am 6. Juni auf offener Bühne zu einem Handgemenge zwischen den italienischen Sängerinnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni, das in einen regelrechten Skandal ausartete. „Der Disput wurde zunächst lediglich durch Zischen auf der einen Seite, Beifall auf der anderen ausgetragen; dann gab es Katzenrufe und weitere Ungehörigkeiten.“[5] Die Vorstellung wurde wegen des ungebührlichen Benehmens des Publikums in Anwesenheit der Prinzessin von Wales abgebrochen.[6] In Admeto von Georg Friedrich Händel hatte sich der Konflikt im Mai zuvor schon angekündigt, wobei nicht klar ist, inwieweit die Rivalität der Sopranistinnen tatsächlich bestand, oder mehr vom Publikum ausgetragen und von der Presse hochstilisiert wurde. Dieser Skandal bedeutete das vorläufige Ende der italienischen Oper in London. „Diese Partheyen waren so wider einander aufgebracht, daß die eine pfiff, wenn die andere in die Hände klatschete, und umgekehrt.“[7] In der Spottschrift The Rival Queen’s (Die rivalisierenden Königinnen) spielt sich die Szene im Tempel der Zwietracht ab. Händel steht schicksalsergeben daneben, während die beiden Damen übereinander herfallen. Der Streit diente auch als Vorlage für den Zank zwischen Lucy und Polly in The Beggar’s Opera (1728) von John Gay und Johann Christoph Pepusch und, auf dieser Ballad Opera fußend, dem Eifersuchtsduett der rivalisierenden Bräute in der Dreigroschenoper (1928) von Bertolt Brecht und Kurt Weill.
1735 Alcina von Georg Friedrich Händel. Die Primaballerina Marie Sallé, die den damaligen Bühnentanz revolutionierte, löste mit ihrem Auftritt in Händels Zauberoper am 16. April einen Theaterskandal aus, da sie darin die männliche Rolle des Cupido nur leicht bekleidet tanzte und dafür auf offener Bühne ausgepfiffen wurde.
1752 La serva padrona von Pergolesi löste in Paris den Buffonistenstreit (1752–1754) aus, der sich um die Priorität der französischen oder der italienischen Oper drehte. Die Hauptakteure der Kontroversen waren einerseits der konservative, die französische Oper bevorzugende Coin du Roi (Loge des Königs), und andererseits der progressive, die italienische Oper verfechtende Coin de la Reine (Loge der Königin). Zu Letzteren gehörten u. a. die Enzyklopädisten um Denis Diderot, Jean Baptiste le Rond d’Alembert, Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Melchior Grimm. Der Streit bahnte sich jedoch schon einige Zeit vorher an, die Konkurrenz zwischen französischen und italienischen Truppen hatte jahrzehntelange Tradition. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden mehr als 60 Schriften meist führender Philosophen publiziert. Der Streit führte zu tiefgreifenden Änderungen in der Opernästhetik, die später vor allem im Piccinnistenstreit zum Ausdruck kamen.
1782 Die Räuber von Friedrich Schiller endete bei der Uraufführung am Nationaltheater Mannheim am 13. Januar in einem Skandal, nachdem das Stück durch seine anonyme Veröffentlichung im Jahr zuvor bereits berüchtigt war. Das revolutionäre Stück spielte fast in der Gegenwart und konnte als Aufruf zum Umsturz verstanden werden. Ohnmachtsanfälle und hysterische Reaktionen bestimmten die Atmosphäre der Aufführung. Ein Augenzeuge berichtete: „Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!“[8]
19. Jahrhundert
Oper
1810 Die Schweizer Familie, ein Singspiel von Joseph Weigl und Ignaz Franz Castelli geriet bei einer Aufführung in Berlin im November zu einem Skandal, da sich Heinrich von Kleist nach Spannungen mit dem Theaterdirektor August Wilhelm Iffland journalistisch in die Besetzung der Hauptrolle eingemischt hatte.[9] Iffland bezeichnete den Vorfall „als eine barbarische Behandlung der Schauspieler und des Publicums“, schaltete die staatlichen Autoritäten ein und gab zu, sie „auf Maßregeln der Ruhe des Publicums aufmerksam gemacht zu haben“.[10] Das Geschehen hat Achim von Arnim (der bei der Aufführung anwesend war) in seiner Novelle Melück Maria Blainville umgesetzt.
1824 Der Freischütz von Carl Maria von Weber erregte am 7. Dezember im Theatre Odeon in Paris in der französischen Übersetzung und Bearbeitung von Castil-Blaze unter dem Titel Robin des Bois ou Les trois balles (Robin vom Walde oder Die drei Kugeln) einen Skandal. Als die Aufführung drohte, ein Misserfolg zu werden, verbreiteten die Autoren erfolgreich, dass es sich um die erste Fassung der Oper handle. Sie lösten damit einen Skandal aus, der noch Jahrzehnte nachwirkte.[11] Die Aufführung war so schlampig, dass sie vom Publikum von der Bühne gepfiffen wurde.
1830 Hernani von Victor Hugo führte bei der Uraufführung am 23. Februar zur Schlacht um Hernani. Die Aufführung artete in lautstarke und handfeste Auseinandersetzungen des Publikums aus. Auf der Bühne der renommierten Comédie-Française wurde eine Art Melodram aufgeführt, das an die proletarischen Theater am Boulevard du Temple erinnerte. Anhänger des klassischen Theaters lieferten sich mit den Unterstützern einer moderneren Form, die später Romantiker genannt wurden, eine regelrechte Theaterschlacht. In Paris gab es eine jahrhundertelange Tradition, politische Konflikte im Weg über das Theater auszutragen, wie im Buffonistenstreit seit 1752. Zudem waren dort die Spielpläne infolge des Napoleonischen Theaterdekrets (1807) sehr einheitlich: In jedes Theater ging eine bestimmte Gesellschaftsschicht mit ganz bestimmten Vorstellungen. So konnten selbst geringe Störungen dieser Erwartungen Missfallen beim Publikum auslösen, was manche Kulturschaffende als Reiz zur Provokation betrachteten.
1830 La muette de Portici (Die Stumme von Portici) von Daniel-François-Esprit Auber führte bei der Aufführung im Theater La Monnaie in Brüssel am 25. August, anlässlich des 59. Geburtstages von König Wilhelm I. der Niederlande, zu weitreichenden Folgen. Auslöser war das Duett Amour sacré de la patrie („Die heilige Liebe zum Vaterland“): „Geheiligte Liebe zum Vaterland, Gib uns Wagemut und Stolz zurück; Meinem Land verdanke ich das Leben. Es wird mir seine Freiheit verdanken.“ Die Zuschauer gerieten hierdurch in Erregung und als Massaniello mit einer Axt in der Hand sang: „Laufet zur Rache! Die Waffen, das Feuer! Auf daß unsere Wachsamkeit unserem Leid ein Ende bereite!“ erhob sich das Publikum und rief „Aux armes!“ (Zu den Waffen!). Es handelte sich hier nur bedingt um einen „Skandal“, sondern es kam zu einer revolutionären Mobilisierung des Publikums. Die nach der Opernaufführung ausgelösten Unruhen gegen die ungeliebte niederländische Herrschaft führten zur belgischen Revolution und schließlich zur Unabhängigkeit Belgiens.
1858 Der Barbier von Bagdad von Peter Cornelius. Die Uraufführung in Weimar am 15. Dezember unter dem Dirigenten Franz Liszt wurde zum größten Eklat der Weimarer Theatergeschichte, der vom Direktor Franz von Dingelstedt gegen Liszt angezettelt wurde. Bereits als Liszt vor das Ensemble trat, begannen Teile des Publikums zu raunen, und in den Begrüßungsapplaus mischte sich deutliches Zischen. Offensichtlich sollten die Mitwirkenden nervös gemacht werden. Während des Schlussapplauses eskalierte die Situation:
„Eine bis dahin in den Annalen Weimars noch nicht erhörte Opposition stellte sich mit hartnäckigem Zischen gleich von Anfang dem Applaus gegenüber, sie war eine bestellte, wohlorganisierte, zweckmäßig verteilte. […] Am Schluß erhob sich ein Kampf von zehn Minuten. Der Großherzog hatte anhaltend applaudiert, die Zischer fuhren nichts destoweniger fort.“[12]
1861 Tannhäuser von Richard Wagner erlebte bei der Pariser Premiere am 13. März in der Salle Le Peletier der Pariser Oper einen der berühmtesten Opernskandale der Musikgeschichte, begleitet von Feindseligkeiten fast der gesamten Pariser Presse, nachdem die Aufführung fast ein ganzes Jahr mit 164 Ensemble-Proben vorbereitet worden war.[13] Der Tradition des Hauses folgend war Wagner gezwungen, ein Ballett in seine Oper einzufügen, wozu er sich bereit erklärte, um sich durch einen Erfolg in der Pariser Musikwelt zu etablieren. Wagner weigerte sich jedoch, das Ballett im zweiten Akt einzuführen, was den Gewohnheiten des einflussreichen aristokratischen Jockey Club entgegengekommen wäre, deren Mitglieder während des ersten Aktes zu dinieren pflegten, und erst zum Ballett im zweiten Akt erschienen, um sich danach „hinter die Kulissen zu näherem Verkehr mit den springenden Nymphen“ zu begeben, und legte sein Ballett als Bacchanal der Venus stattdessen in den ersten Akt der Oper. Daraufhin veranstalteten die Mitglieder des Jockey Clubs, die auch Feindseligkeiten gegen Fürstin Pauline von Metternich, die Frau des österreichischen Botschafters, hegten, auf deren Initiative Kaiser Napoleon III. die Aufführung angeordnet hatte,[14] bei der zweiten Aufführung am 18. März eine inszenierte Störaktion:
„Die Ouvertüre und der erste Aufzug verliefen ohne Störung. Aber bei der Wandlung […] brach plötzlich der lang vorbereitete Angriff aus, und ein gewaltiges Pfeifen und Lärmen unterbrach die Musik. Die Herren des Jockey-Clubs betrieben ihre boshaften Störungen wegen des fehlenden Balletts nicht einmal im Verborgenen, sondern saßen, recht geflissentlich sichtbar, in ihren mit Glacéhandschuhen bedeckten Händen die kleine Trillerpfeife haltend. So ging es die ganze Aufführung weiter. Die Sänger benahmen sich dabei wirklich heldenmütig. Oft mußten sie 15 Minuten und noch länger anhalten, um den Sturm, der im Publikum tobte, vorüberzulassen.“[15]
Drei Aufführungen lang währte die „Schlacht um Tannhäuser“, die Oper war Tagesgespräch in Paris, und jeder, der auf sich hielt, bemühte sich, eine der raren Eintrittskarten zu ergattern. Der Jockey Club ließ silberne Trillerpfeifchen verteilen mit der Inschrift „Pour Tannhäuser“. Bei der dritten Aufführung am 24. März kam es zu mehreren Unterbrechungen, was Wagner veranlasste, die Oper zurückzuziehen.
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