Die Atmende Wand
Seite 1 von 1
Die Atmende Wand
Die Vorstellung, eine Wand müsse atmen können, um ein behagliches Raumklima zu schaffen und Schimmel an Wandstellen zu vermeiden, geht auf einen Irrtum Max von Pettenkofers (1818–1901) zurück und wurde beziehungsweise war in verschiedenen Ausdeutungen populär.
In der modernen Bauphysik werden die daraus resultierenden Forderungen teils nicht mehr aufrechterhalten, teils anders gewichtet und stattdessen Wert auf die Wasserdampfdurchlässigkeit von Bauteilen oder Baustoffen gelegt, wofür man den Terminus „diffusionsoffen“ verwendet.
Historisches
Pettenkofer stellte bei frühen Luftwechsel-Messungen in einem Raum fest, dass sich nach dem vermeintlichen Abdichten sämtlicher Fugen die Luftwechselrate weniger als erwartet verminderte und erklärte dies durch einen erheblichen Luftaustausch durch die Ziegelwände hindurch. Nach heutigem Kenntnisstand hatte er jedoch übersehen, den Kamin eines im Raum befindlichen Ofens abzudichten. Dass Ziegel, Luftkalkmörtel und ähnliche poröse Baustoffe in der Tat luftdurchlässig sind, demonstrierte er durch einen Versuch, in dem er auf die Stirnflächen eines wenige Zentimeter großen zylindrischen und seitlich abgedichteten Probenstücks einen kleinen Trichter aufsetzte und durch kräftiges Blasen durch die Probe hindurch eine Kerze ausblasen konnte. Der Luftaustausch durch die Zimmerwände hindurch sei, so Pettenkofer, ein wesentlicher Beitrag zur Reinigung der Raumluft. Nasse Wände hingegen würden den Luftwechsel behindern (wie ebenfalls im Versuch demonstrierbar) und dadurch ein ungesundes Wohnklima erzeugen.
Es trifft zu, dass zahlreiche poröse Baustoffe im Sinne Pettenkofers luftdurchlässig sind. Ein Lufttransport durch das Porengefüge hindurch kann jedoch nur durch einen Luftdruck-Unterschied zwischen den beiden Seiten einer Wand in Gang gesetzt werden. Da sich der Luftdruck im Gebäude üblicherweise fast nicht vom Außenluftdruck unterscheidet, ist keine treibende Kraft für einen solchen Transportvorgang vorhanden. Der vom Wind verursachte Staudruck an der Außenoberfläche ist zu geringfügig, um Luftaustauschraten zu erzeugen, die im Vergleich zu den sonstigen Undichtigkeiten von Bedeutung sein könnten. Außerdem werden derartige Baustoffe in der Praxis immer in Verbindung mit einer luftdichten Schicht, z. B. Putzen, Bauplatten etc. eingesetzt, so dass die Wand als Ganzes ohnehin nicht luftdurchlässig ist.
Der Darmstädter Professor für Thermodynamik Glaser suchte um 1958 nach einem Verfahren, mit dem er feuchteunempfindliche Materialien für die Außenbauteile von Kühlhäusern dimensionieren konnte. Aufgrund der ganzjährigen Innentemperatur von −18 °C liegt dort ein starkes und konstantes Temperatur- und Feuchtegefälle von außen nach innen vor. Die Nichtbeachtung der Wasserdampfdiffusion führte damals zu starken Schäden in Wärmedämmungen aus Holzwolleleichtbauplatten und Kork und bei Bimssteinwänden. Glaser machte Vorschläge zur Anbringung einer Dampfsperre, um den Diffusionsstrom von Wasserdampf in die Konstruktion zu verhindern, kapillare Wassertransportvorgänge wurden nicht untersucht.[1]
Feuchteabfuhr
Später wurden die Begriffe atmende Wand bzw. Raumatmung auf den Austausch von Luftfeuchtigkeit zwischen Raumluft und Außenluft (und umgekehrt) übertragen, da die bedeutende Rolle der Wasserdampfdurchlässigkeit im Feuchtehaushalt eines Bauteils erkannt wurde. Einige Autoren sprachen wasserdampfdurchlässigen (bzw. diffusionsoffenen) Materialien wie Holz und Ziegel im Vergleich zu modernen Baustoffen wie Glas, Beton oder Kunststoffen größere 'Natürlichkeit' zu. Außerdem sei die Feuchteabfuhr durch die Wand nötig, um zu hohe Feuchtigkeit in Wohnräumen, auch ohne ständiges Lüften, zu verhindern.
Jeder Baustoff steht in einem Feuchtegleichgewicht zu seiner Umgebung. Je nach Standort, wo er eingesetzt ist, wird sich das Feuchtegleichgewicht und die Höhe des Wassergehalts anders schnell einstellen.[2] Eine Außenwand steht daher in einem Feuchtegleichgewicht mit der Raumluft und im Feuchtegleichgewicht mit der Außenluft. Ist die Außenluft (im Winter) sehr trocken und die Raumluft feuchter, besteht darum innerhalb der Mauer ein Feuchtegradient, aufgrund dessen Diffusion oder kapillares Saugen stattfinden kann (darauf beruht u. a. das Verfahren der Dünnschichtchromatographie in der Chemie). Der Ausgleich beruht auf der Temperaturabhängigkeit des Wasserdampfsättigungsdampfdruckes.[3] Die wesentlichen Feuchtetransportmechanismen in einem Bauteil bilden Wasserdampfdiffusion und Flüssigtransport durch Kapillarkräfte. Konvektionseffekte und die Einflüsse von Gravitation, elektrischen Feldern und Ionenkonzentrationsgradienten werden vernachlässigt und üblicherweise nicht berücksichtigt.[4]
In einem normalen Haushalt werden durch Atmung, Transpiration (durch Menschen und Zimmerpflanzen), Kochen usw. ca. 10 l Wasser pro Tag als Wasserdampf frei. Unter Umständen besteht die Gefahr einer Schädigung (innen und außen durch Schimmelwuchs, außen durch Moos- und Algenbewuchs oder Frostsprengung nach Kondensation bzw. Sublimation), falls in die Wand eindringende oder eingedrungene Feuchtigkeit sich dort ansammelt und nicht abgeführt wird.
Optimal wäre es daher, den Feuchteeintrag ganz zu verhindern. Da dauerhafte völlige Dichtigkeit jedoch nur aufwändig zu erreichen ist (durch angebrachte Dampfsperren wie Folien oder Polyesterbeschichtung), kann Feuchtemanagement günstiger sein als Feuchtevermeidung: Absolut feuchtigkeitsfreie Stoffe sind weder notwendig noch immer erreichbar.
Es sollte sichergestellt sein, dass die relative Feuchte in jeder Tiefe 80 % nicht überschreitet – aber man kann sogar in Kauf nehmen, dass eine gewisse unschädliche Feuchtemenge kontrolliert eindiffundieren kann, wenn durch geeigneten Schichtaufbau, Bemessung der einzelnen Diffusionswiderstände und regelmäßige Belüftung sichergestellt ist, dass diese Feuchtigkeit wieder austrocknen kann. Die gezielt eingestellte „Atmungsfähigkeit“ der Wand in diesem Sinne garantiert dann weitgehende Feuchtetoleranz.
Luftwechsel
→ Hauptartikel: Luftwechsel
In Wohnräumen wird ein Luftwechsel von 0,5/h (DIN 4108-2 von 2011, Abschnitt 4.2.3) gefordert. Eine Luftwechselrate von 0,5/h bedeutet, dass das halbe Luftvolumen des umbauten Raumes innerhalb einer Stunde genau einmal ausgetauscht wird. Sofern keine auffälligen Gerüche in der Wohnung vorliegen, äußert sich ein ungenügender Luftwechsel häufig durch zu hohe Luftfeuchtigkeit. Aufgrund der Vermischung der Frischluft mit der vorhandenen Raumluft wird jedoch üblicherweise die Raumluft nicht vollständig erneuert. Das Verhältnis der "tatsächlichen Lufterneuerung" und der Luftwechselrate ist eine charakteristische Kenngröße für das gewählte Lüftungskonzept und wird als Lüftungseffektivität bezeichnet. Alternativ kann eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Wärmetauscher) die nötige Luftwechselrate sicherstellen.
Kritiker der Wasserdampfdichtheit aufgrund absichtlich und unabsichtlich angebrachter Dampfsperren ziehen die in der Realität (wegen der Lüftungswärmeverluste und verbundener Abkühlung der Wohnräume) zu selten durchgeführten Luftwechsel in Wohnräumen (siehe hier) als Argumentation heran, solche Dampfsperren (etwa Styroporplatten als Dämmstoff oder Kunstharz-Dispersionsfarben) nicht einzubauen bzw. zuzulassen.
Feuchtepufferung
Die Feuchteproduktion in Wohnräumen schwankt stark, etwa durch Kochen, Duschen, Schlafen etc. Damit die dadurch verursachte Feuchtezunahme der Raumluft nicht zu schwülem Innenraumklima, im Winter gar zu Tauwasserausfall an kühleren Stellen wie Wärmebrücken oder „Eisblumen“ an schlecht wärmegedämmten Fenstern führt, ist es wünschenswert, dass die porösen und hygroskopischen Wände einen Teil der Feuchtigkeit aufnehmen und die Feuchtespitze dadurch dämpfen. Bei Verwendung dampfdichter Bauteile wie Dampfbremsen oder Dampfsperren besteht daher gelegentlich die Befürchtung, man lebe „wie in einem Plastiksack“ und die erwünschte Pufferwirkung oder Feuchteabfuhr sei (mangels Lüftungsmaßnahmen) nicht mehr vorhanden.
Trocknen raumseitige Konstruktionen schlecht, gelten herkömmliche Konstruktionen mit konventioneller Dampfsperre häufig als problematisch. Als Alternative werden immer öfter diffusionsoffene, sog. kapillaraktive Dämmstoffe eingesetzt. Diese können flüssiges Wasser innerhalb der Porenstruktur transportieren und können somit zu einem ausgeglichenen Feuchtehaushalt innerhalb der Konstruktion beitragen.[5]
Verhältnis zu anderen Stoffen
In der Regel sind die Wandoberflächen nicht die einzigen sorptionsfähigen Oberflächen im Raum. Textilien wie Teppiche, Vorhänge oder Polstermöbel haben meist noch größere Sorptionskapazitäten als die Wandmaterialien und können sehr große Oberflächen aufweisen. Auch Einrichtungsgegenstände aus unbehandeltem Holz können in gewissen Maße zur Sorption beitragen. Allerdings stellt sich auch dabei ein Feuchtegleichgewicht im geschlossenen System ein, Feuchtigkeit kann aus dem System dann nur durch Zulüften trockenerer Luft abgeführt werden. Sofern das passiert, sind die im Wohnbereich auftretenden Feuchtespitzen nur von relativ kurzer Dauer, so dass die sorbierte Feuchtigkeit wenig Zeit hat, tief in die Wand einzudringen, bevor sie wieder desorbiert. Experimentelle und rechnerische Untersuchungen zeigen, dass sich unter diesen Umständen der größte Anteil der Puffervorgänge nur in den ersten Zentimetern unter der Wandoberfläche abspielt. Die Feuchtepufferwirkung der Wand wird also nicht beeinträchtigt, wenn tiefere Teile der Wand durch eine Dampfbremse diffusionstechnisch abgesperrt werden und die Feuchtigkeit durch Luftwechsel aus dem System abgeführt wird. Eine „atmungsfähige“ Innenbeplankung wie z. B. Gipskartonplatten genügt, um denselben Effekt zu erzielen. Lehmputz kann bis zu neunmal mehr Feuchtigkeit aufnehmen als Gips.
Die Luftdichtheit, die durch gut dichtende neue Fenster erreicht wird, verhindert aber „automatischen“ Luftwechsel, dieser muss dann durch regelmäßiges manuelles Lüften oder über ein Zuluft-Abluft-System gewährleistet sein.
Extreme Bereiche
Eine Feuchtepufferung setzt auch eine hinreichende Möglichkeit zur Wiederabgabe der aufgenommenen Feuchtigkeit voraus. Bei regelmäßiger starker Feuchtebelastung, z. B. im Badezimmer, mag eine „atmungsaktive“ Wandoberfläche von Nachteil sein, wenn sie die Feuchtigkeit aufnimmt und trocken erscheint, so dass nicht mehr ausreichend zum Trocknen gelüftet wird und sich langfristig Schimmelpilz einstellt. Hier wäre eine weder „atmungsaktive“ noch saugfähige Oberfläche (wie z. B. Fliesen) sicherer, auf der sich Kondenswasser deutlich abzeichnet und die Notwendigkeit zu lüften sichtbar macht.
Regenschutz
Anstriche, Schutzbeschichtungen und Putze auf Außenwänden, die dem Regen ausgesetzt sind, sollten möglichst wenig Wasser in flüssiger Form eindringen lassen, anderseits aber für Wasserdampf möglichst durchlässig – also „atmungsfähig“ – sein. Letzteres ist wichtig, wenn Wasser auf anderem Wege in die Wand eingedrungen ist und vor allem wenn die eigentlich wasserabweisende Beschichtung infolge Alterung oder unterschiedlicher Wärmeausdehnung der Materialien Risse bildet. Das durch die Risse eingedrungene flüssige Wasser könnte durch eine diffusionsdichte Beschichtung (Dispersionsfarben, Klinker-Riemchen) hindurch nicht mehr austrocknen. Die Folge wäre eine allmähliche Erhöhung des Wassergehalts bis zur Sättigung und eine absehbare Schädigung der Wand (Moos- und Algenbewuchs, Schimmelwachstum und Durchschimmelung bis innen, eine verminderte Isolationswirkung, erhöhte Wärmeleitfähigkeit, Frostrisse und Abplatzungen, weitere Undichtheit). Je nach langfristig zu erwartender Wasseraufnahme durch die Beschichtung hindurch ist also auch ein hinreichend geringer Diffusionswiderstand sicherzustellen. Auf alle Fälle sollen aber Baumängel (Materialien unterschiedlicher Wärmeausdehnung treffen aufeinander) bzw. eine Wasseraufnahme verhindert werden.
Forschung
Den größten Fassaden-Prüfstand Europas hat seit 2008 die Hochschule Luzern. Eine 2,5 Meter tiefe Prüfkammer mit einer 8 m × 12 m großen Öffnung ermöglicht die Prüfung der Luftdurchlässigkeit, der Schlagregendichtheit und der Widerstandskraft gegen Windlast.[6]
Andere durch Bauteile diffundierende Stoffe
Alle Dämpfe können durch poröse Baustoffe durchdiffundieren. Traurige Berühmtheit erlangte hier das Perchlorethylen, das früher häufig als Entfettungsmittel in der metallverarbeitenden Industrie verwendet wurde und unachtsam entsorgt wurde oder auch bereits bei der Benutzung verdampfte. Es kann sich in Gebäudeteilen ansammeln, sogar durch Beton diffundieren und sich in Lebensmittelfetten oder Körperfett anreichern.[7][8][9]
Quelle
In der modernen Bauphysik werden die daraus resultierenden Forderungen teils nicht mehr aufrechterhalten, teils anders gewichtet und stattdessen Wert auf die Wasserdampfdurchlässigkeit von Bauteilen oder Baustoffen gelegt, wofür man den Terminus „diffusionsoffen“ verwendet.
Historisches
Pettenkofer stellte bei frühen Luftwechsel-Messungen in einem Raum fest, dass sich nach dem vermeintlichen Abdichten sämtlicher Fugen die Luftwechselrate weniger als erwartet verminderte und erklärte dies durch einen erheblichen Luftaustausch durch die Ziegelwände hindurch. Nach heutigem Kenntnisstand hatte er jedoch übersehen, den Kamin eines im Raum befindlichen Ofens abzudichten. Dass Ziegel, Luftkalkmörtel und ähnliche poröse Baustoffe in der Tat luftdurchlässig sind, demonstrierte er durch einen Versuch, in dem er auf die Stirnflächen eines wenige Zentimeter großen zylindrischen und seitlich abgedichteten Probenstücks einen kleinen Trichter aufsetzte und durch kräftiges Blasen durch die Probe hindurch eine Kerze ausblasen konnte. Der Luftaustausch durch die Zimmerwände hindurch sei, so Pettenkofer, ein wesentlicher Beitrag zur Reinigung der Raumluft. Nasse Wände hingegen würden den Luftwechsel behindern (wie ebenfalls im Versuch demonstrierbar) und dadurch ein ungesundes Wohnklima erzeugen.
Es trifft zu, dass zahlreiche poröse Baustoffe im Sinne Pettenkofers luftdurchlässig sind. Ein Lufttransport durch das Porengefüge hindurch kann jedoch nur durch einen Luftdruck-Unterschied zwischen den beiden Seiten einer Wand in Gang gesetzt werden. Da sich der Luftdruck im Gebäude üblicherweise fast nicht vom Außenluftdruck unterscheidet, ist keine treibende Kraft für einen solchen Transportvorgang vorhanden. Der vom Wind verursachte Staudruck an der Außenoberfläche ist zu geringfügig, um Luftaustauschraten zu erzeugen, die im Vergleich zu den sonstigen Undichtigkeiten von Bedeutung sein könnten. Außerdem werden derartige Baustoffe in der Praxis immer in Verbindung mit einer luftdichten Schicht, z. B. Putzen, Bauplatten etc. eingesetzt, so dass die Wand als Ganzes ohnehin nicht luftdurchlässig ist.
Der Darmstädter Professor für Thermodynamik Glaser suchte um 1958 nach einem Verfahren, mit dem er feuchteunempfindliche Materialien für die Außenbauteile von Kühlhäusern dimensionieren konnte. Aufgrund der ganzjährigen Innentemperatur von −18 °C liegt dort ein starkes und konstantes Temperatur- und Feuchtegefälle von außen nach innen vor. Die Nichtbeachtung der Wasserdampfdiffusion führte damals zu starken Schäden in Wärmedämmungen aus Holzwolleleichtbauplatten und Kork und bei Bimssteinwänden. Glaser machte Vorschläge zur Anbringung einer Dampfsperre, um den Diffusionsstrom von Wasserdampf in die Konstruktion zu verhindern, kapillare Wassertransportvorgänge wurden nicht untersucht.[1]
Feuchteabfuhr
Später wurden die Begriffe atmende Wand bzw. Raumatmung auf den Austausch von Luftfeuchtigkeit zwischen Raumluft und Außenluft (und umgekehrt) übertragen, da die bedeutende Rolle der Wasserdampfdurchlässigkeit im Feuchtehaushalt eines Bauteils erkannt wurde. Einige Autoren sprachen wasserdampfdurchlässigen (bzw. diffusionsoffenen) Materialien wie Holz und Ziegel im Vergleich zu modernen Baustoffen wie Glas, Beton oder Kunststoffen größere 'Natürlichkeit' zu. Außerdem sei die Feuchteabfuhr durch die Wand nötig, um zu hohe Feuchtigkeit in Wohnräumen, auch ohne ständiges Lüften, zu verhindern.
Jeder Baustoff steht in einem Feuchtegleichgewicht zu seiner Umgebung. Je nach Standort, wo er eingesetzt ist, wird sich das Feuchtegleichgewicht und die Höhe des Wassergehalts anders schnell einstellen.[2] Eine Außenwand steht daher in einem Feuchtegleichgewicht mit der Raumluft und im Feuchtegleichgewicht mit der Außenluft. Ist die Außenluft (im Winter) sehr trocken und die Raumluft feuchter, besteht darum innerhalb der Mauer ein Feuchtegradient, aufgrund dessen Diffusion oder kapillares Saugen stattfinden kann (darauf beruht u. a. das Verfahren der Dünnschichtchromatographie in der Chemie). Der Ausgleich beruht auf der Temperaturabhängigkeit des Wasserdampfsättigungsdampfdruckes.[3] Die wesentlichen Feuchtetransportmechanismen in einem Bauteil bilden Wasserdampfdiffusion und Flüssigtransport durch Kapillarkräfte. Konvektionseffekte und die Einflüsse von Gravitation, elektrischen Feldern und Ionenkonzentrationsgradienten werden vernachlässigt und üblicherweise nicht berücksichtigt.[4]
In einem normalen Haushalt werden durch Atmung, Transpiration (durch Menschen und Zimmerpflanzen), Kochen usw. ca. 10 l Wasser pro Tag als Wasserdampf frei. Unter Umständen besteht die Gefahr einer Schädigung (innen und außen durch Schimmelwuchs, außen durch Moos- und Algenbewuchs oder Frostsprengung nach Kondensation bzw. Sublimation), falls in die Wand eindringende oder eingedrungene Feuchtigkeit sich dort ansammelt und nicht abgeführt wird.
Optimal wäre es daher, den Feuchteeintrag ganz zu verhindern. Da dauerhafte völlige Dichtigkeit jedoch nur aufwändig zu erreichen ist (durch angebrachte Dampfsperren wie Folien oder Polyesterbeschichtung), kann Feuchtemanagement günstiger sein als Feuchtevermeidung: Absolut feuchtigkeitsfreie Stoffe sind weder notwendig noch immer erreichbar.
Es sollte sichergestellt sein, dass die relative Feuchte in jeder Tiefe 80 % nicht überschreitet – aber man kann sogar in Kauf nehmen, dass eine gewisse unschädliche Feuchtemenge kontrolliert eindiffundieren kann, wenn durch geeigneten Schichtaufbau, Bemessung der einzelnen Diffusionswiderstände und regelmäßige Belüftung sichergestellt ist, dass diese Feuchtigkeit wieder austrocknen kann. Die gezielt eingestellte „Atmungsfähigkeit“ der Wand in diesem Sinne garantiert dann weitgehende Feuchtetoleranz.
Luftwechsel
→ Hauptartikel: Luftwechsel
In Wohnräumen wird ein Luftwechsel von 0,5/h (DIN 4108-2 von 2011, Abschnitt 4.2.3) gefordert. Eine Luftwechselrate von 0,5/h bedeutet, dass das halbe Luftvolumen des umbauten Raumes innerhalb einer Stunde genau einmal ausgetauscht wird. Sofern keine auffälligen Gerüche in der Wohnung vorliegen, äußert sich ein ungenügender Luftwechsel häufig durch zu hohe Luftfeuchtigkeit. Aufgrund der Vermischung der Frischluft mit der vorhandenen Raumluft wird jedoch üblicherweise die Raumluft nicht vollständig erneuert. Das Verhältnis der "tatsächlichen Lufterneuerung" und der Luftwechselrate ist eine charakteristische Kenngröße für das gewählte Lüftungskonzept und wird als Lüftungseffektivität bezeichnet. Alternativ kann eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Wärmetauscher) die nötige Luftwechselrate sicherstellen.
Kritiker der Wasserdampfdichtheit aufgrund absichtlich und unabsichtlich angebrachter Dampfsperren ziehen die in der Realität (wegen der Lüftungswärmeverluste und verbundener Abkühlung der Wohnräume) zu selten durchgeführten Luftwechsel in Wohnräumen (siehe hier) als Argumentation heran, solche Dampfsperren (etwa Styroporplatten als Dämmstoff oder Kunstharz-Dispersionsfarben) nicht einzubauen bzw. zuzulassen.
Feuchtepufferung
Die Feuchteproduktion in Wohnräumen schwankt stark, etwa durch Kochen, Duschen, Schlafen etc. Damit die dadurch verursachte Feuchtezunahme der Raumluft nicht zu schwülem Innenraumklima, im Winter gar zu Tauwasserausfall an kühleren Stellen wie Wärmebrücken oder „Eisblumen“ an schlecht wärmegedämmten Fenstern führt, ist es wünschenswert, dass die porösen und hygroskopischen Wände einen Teil der Feuchtigkeit aufnehmen und die Feuchtespitze dadurch dämpfen. Bei Verwendung dampfdichter Bauteile wie Dampfbremsen oder Dampfsperren besteht daher gelegentlich die Befürchtung, man lebe „wie in einem Plastiksack“ und die erwünschte Pufferwirkung oder Feuchteabfuhr sei (mangels Lüftungsmaßnahmen) nicht mehr vorhanden.
Trocknen raumseitige Konstruktionen schlecht, gelten herkömmliche Konstruktionen mit konventioneller Dampfsperre häufig als problematisch. Als Alternative werden immer öfter diffusionsoffene, sog. kapillaraktive Dämmstoffe eingesetzt. Diese können flüssiges Wasser innerhalb der Porenstruktur transportieren und können somit zu einem ausgeglichenen Feuchtehaushalt innerhalb der Konstruktion beitragen.[5]
Verhältnis zu anderen Stoffen
In der Regel sind die Wandoberflächen nicht die einzigen sorptionsfähigen Oberflächen im Raum. Textilien wie Teppiche, Vorhänge oder Polstermöbel haben meist noch größere Sorptionskapazitäten als die Wandmaterialien und können sehr große Oberflächen aufweisen. Auch Einrichtungsgegenstände aus unbehandeltem Holz können in gewissen Maße zur Sorption beitragen. Allerdings stellt sich auch dabei ein Feuchtegleichgewicht im geschlossenen System ein, Feuchtigkeit kann aus dem System dann nur durch Zulüften trockenerer Luft abgeführt werden. Sofern das passiert, sind die im Wohnbereich auftretenden Feuchtespitzen nur von relativ kurzer Dauer, so dass die sorbierte Feuchtigkeit wenig Zeit hat, tief in die Wand einzudringen, bevor sie wieder desorbiert. Experimentelle und rechnerische Untersuchungen zeigen, dass sich unter diesen Umständen der größte Anteil der Puffervorgänge nur in den ersten Zentimetern unter der Wandoberfläche abspielt. Die Feuchtepufferwirkung der Wand wird also nicht beeinträchtigt, wenn tiefere Teile der Wand durch eine Dampfbremse diffusionstechnisch abgesperrt werden und die Feuchtigkeit durch Luftwechsel aus dem System abgeführt wird. Eine „atmungsfähige“ Innenbeplankung wie z. B. Gipskartonplatten genügt, um denselben Effekt zu erzielen. Lehmputz kann bis zu neunmal mehr Feuchtigkeit aufnehmen als Gips.
Die Luftdichtheit, die durch gut dichtende neue Fenster erreicht wird, verhindert aber „automatischen“ Luftwechsel, dieser muss dann durch regelmäßiges manuelles Lüften oder über ein Zuluft-Abluft-System gewährleistet sein.
Extreme Bereiche
Eine Feuchtepufferung setzt auch eine hinreichende Möglichkeit zur Wiederabgabe der aufgenommenen Feuchtigkeit voraus. Bei regelmäßiger starker Feuchtebelastung, z. B. im Badezimmer, mag eine „atmungsaktive“ Wandoberfläche von Nachteil sein, wenn sie die Feuchtigkeit aufnimmt und trocken erscheint, so dass nicht mehr ausreichend zum Trocknen gelüftet wird und sich langfristig Schimmelpilz einstellt. Hier wäre eine weder „atmungsaktive“ noch saugfähige Oberfläche (wie z. B. Fliesen) sicherer, auf der sich Kondenswasser deutlich abzeichnet und die Notwendigkeit zu lüften sichtbar macht.
Regenschutz
Anstriche, Schutzbeschichtungen und Putze auf Außenwänden, die dem Regen ausgesetzt sind, sollten möglichst wenig Wasser in flüssiger Form eindringen lassen, anderseits aber für Wasserdampf möglichst durchlässig – also „atmungsfähig“ – sein. Letzteres ist wichtig, wenn Wasser auf anderem Wege in die Wand eingedrungen ist und vor allem wenn die eigentlich wasserabweisende Beschichtung infolge Alterung oder unterschiedlicher Wärmeausdehnung der Materialien Risse bildet. Das durch die Risse eingedrungene flüssige Wasser könnte durch eine diffusionsdichte Beschichtung (Dispersionsfarben, Klinker-Riemchen) hindurch nicht mehr austrocknen. Die Folge wäre eine allmähliche Erhöhung des Wassergehalts bis zur Sättigung und eine absehbare Schädigung der Wand (Moos- und Algenbewuchs, Schimmelwachstum und Durchschimmelung bis innen, eine verminderte Isolationswirkung, erhöhte Wärmeleitfähigkeit, Frostrisse und Abplatzungen, weitere Undichtheit). Je nach langfristig zu erwartender Wasseraufnahme durch die Beschichtung hindurch ist also auch ein hinreichend geringer Diffusionswiderstand sicherzustellen. Auf alle Fälle sollen aber Baumängel (Materialien unterschiedlicher Wärmeausdehnung treffen aufeinander) bzw. eine Wasseraufnahme verhindert werden.
Forschung
Den größten Fassaden-Prüfstand Europas hat seit 2008 die Hochschule Luzern. Eine 2,5 Meter tiefe Prüfkammer mit einer 8 m × 12 m großen Öffnung ermöglicht die Prüfung der Luftdurchlässigkeit, der Schlagregendichtheit und der Widerstandskraft gegen Windlast.[6]
Andere durch Bauteile diffundierende Stoffe
Alle Dämpfe können durch poröse Baustoffe durchdiffundieren. Traurige Berühmtheit erlangte hier das Perchlorethylen, das früher häufig als Entfettungsmittel in der metallverarbeitenden Industrie verwendet wurde und unachtsam entsorgt wurde oder auch bereits bei der Benutzung verdampfte. Es kann sich in Gebäudeteilen ansammeln, sogar durch Beton diffundieren und sich in Lebensmittelfetten oder Körperfett anreichern.[7][8][9]
Quelle
checker- Moderator
- Anzahl der Beiträge : 49603
Anmeldedatum : 03.04.11
Ort : Braunschweig
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten
Gestern um 3:20 am von Heiliger Hotze
» Halflives
Gestern um 3:18 am von Heiliger Hotze
» Kupfergold
Gestern um 3:15 am von Heiliger Hotze
» Whitesnake
Gestern um 3:13 am von Heiliger Hotze
» ( ENGELSEIN ) ENGELHAI
Gestern um 3:11 am von Heiliger Hotze
» MALIGNANT TUMOUR
Gestern um 3:04 am von Heiliger Hotze
» - LEEAAV -
Gestern um 3:02 am von Heiliger Hotze
» (( ifa ))
Gestern um 3:00 am von Heiliger Hotze
» AOP Records
Gestern um 2:57 am von Heiliger Hotze