Die Garmisch-Partenkirchner Winterspiele im Schatten des Antisemitismus
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Die Garmisch-Partenkirchner Winterspiele im Schatten des Antisemitismus
Die Garmisch-Partenkirchner Winterspiele im Schatten des Antisemitismus
Das IOC sprach im Juni 1933 in Wien das letzte Wort. Garmisch und Partenkirchen waren jetzt Olympiaorte. Die „olympische Kehrtwende“ der Nationalsozialisten war mit dem 16. März 1933 gekommen, als Hitler die Spiele von Berlin akzeptierte.
Jetzt waren die Nationalsozialisten an der Macht.
Und Julius Streicher, der in seinem antijüdischen Hetzblatt „Der Stürmer" die olympische Idee noch als ein „infames Spektakel, das die Juden dominieren", charakterisiert hatte, musste sich Joseph Goebbels beugen. Der skrupellose Propagandaminister sah in den olympischen Spielen eine erstklassige Plattform für die nationale und internationale Selbstdarstellung der noch jungen NS-Herrschaft. Unter einer olympischen Tarnkappe sollten sich die massiven Maßnahmen zur Aufrüstung gut verbergen lassen. Zwar erhielt Garmisch-Partenkirchen 1935 die erste Kaserne, die Militärpräsenz während der Winterspiele beschränkte sich aber weitgehend auf die Pistenpräparierung und auf organisatorische Hilfsmaßnahmen im Fernmeldebereich.
Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bürger waren dagegen offenkundig. Nichts wurde verschleiert: Der Zuzug von Juden nach Garmisch-Partenkirchen wurde schon im April 1933 erschwert. Zettel und Tafeln mit der Aufschrift „Juden sind hier nicht erwünscht" waren vielfach in und um Garmisch-Partenkirchen verbreitet. Im Mai hatte das IOC nach den deutschen Zusicherungen, diskriminierungsfreie Spiele zu veranstalten, das endgültige Plazet erteilt, im September bedauerte der Garmischer Bürgermeister Thomma, dass es noch immer keine gesetzliche Handhabe gegen den Zuzug von Juden nach Garmisch gebe.
Der Gemeinderat war sich „dahingehend einig, dass der Zuzug von Juden unerwünscht, zu erschweren und - soweit möglich - zu verhindern ist.“ Am 7. Dezember 1934 wurde diese Aussage zum Beschluss erhoben. Immobilienhändler und Architekten wurden davon in Kenntnis gesetzt. Eine Einschränkung gab es: Der Beschluss sollte „erst nach Prüfung der Lage im Hinblick auf die Olympiade 1936 in Garmisch-Partenkirchen“ umgesetzt werden. Ein kurzes Zögern ohne Folgen.
Denn im April 1935 notierte Carl Diem, der hier häufig zu Besuch war, in seinem Tagebuch, „dass seit zwei Monaten eine starke antisemitische Propaganda einsetzt, Aushang der „Stürmer-Kasten“. „Wir lassen Juden und Huren über denselben Strick springen“. „Wenn mir ein Jude ins Quartier kommt, fliegt das Fenster auf die Strasse“. Dies lässt ja manches erwarten, unter Umständen ein schwerer Rückschlag für die Sommerspiele. Ich verspreche, dies dem Reichsinnenministerium nachdrücklich mitzuteilen.“
Gleiches berichtete Ritter von Halt in einem Brandbrief an Hans Pfundtner, Staatssekretär im Reichsinnenministerium: "Mit wachsender Sorge, “ heißt es da, „beobachte ich in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung eine planmäßig einsetzende antisemitische Propaganda. Wenn sie bis vor wenigen Monaten geschlummert hat und nur hin und wieder in Reden zum Durchbruch gekommen ist, so wird jetzt systematisch dazu übergegangen, die Juden in Garmisch-Partenkirchen zu vertreiben. Am 1. Mai hat der Kreisleiter Hartmann in seiner Rede dazu aufgefordert, alles Jüdische aus Garmisch-Partenkirchen zu entfernen… Wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen so aufgeputscht sein, dass sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt. Dabei kann es passieren, dass Ausländer, die jüdisch aussehen und gar keine Juden sind, beleidigt werden. Es kann passieren, dass ein jüdisch aussehender Auslandspressevertreter angegriffen wird und dann sind die schlimmsten Konsequenzen zu befürchten. Das Olympia-Verkehrsamt weiß heute schon nicht mehr, wie es die Unterbringung vornehmen soll, wenn es sich um nichtarische Athleten handelt.“
Diems und von Halts Beobachtungen blieben ohne Konsequenzen, obwohl Halt ausdrücklich bemerkte, dass er seine Sorge „nicht deshalb äußere, um den Juden zu helfen“, sondern „ausschließlich“ zum Schutz der olympischen Idee.
Weder von Halt noch Diem ging es um olympische Ideale und schon gar nicht um den Schutz der jüdischen Minderheit, sondern einzig und allein um die Sicherung der Spiele von Berlin. Hätte sich das Ausland im Februar 1936 oder schon vorher von Garmisch-Partenkirchen abgewendet, dann wäre das zum Desaster für das große olympische Propagandaspektakel von Berlin geworden. Dies zu verhindern galten die Anstrengungen der Funktionäre Carl Diem und Ritter von Halt.
Und das war gar nicht so einfach. Der seit den Nürnberger Gesetzen offen zur Schau gestellte antijüdische Ungeist ließ sich nicht so leichthin wieder in die Flasche zurückzwingen. Im Juni klagte der Garmischer Bezirksamtmann Wiesend über "das heimliche eigenmächtige Anbringen von Holztafeln mit der Aufschrift 'Juden sind nicht erwünscht' durch die Hitler-Jugend." Wer hier die Fäden zog in diesem unwürdigen Spiel zwischen offener Diskriminierung und vordergründigem Bedauern ist nicht klar.
Man wandte sich schließlich nach ganz oben: Rudolf Heß wurde um weitere Veranlassung gegen die "judenfeindlichen Propaganda im Bezirk Garmisch-Partenkirchen und Umgebung" gebeten. Ohne Ergebnis.
Zwei Monate vor Beginn der Spiele in Garmisch-Partenkirchen „ersuchte“ Reichsinnenminister Frick „mit Rücksicht auf die bevorstehenden olympischen Winterspiele zu veranlassen, dass an der Straßen- und Eisenbahnstrecke zwischen München und Garmisch-Partenkirchen und in ihrer Nähe sämtliche Schilder, Transparente und ähnliche Hinweise, die die Judenfrage betreffen, beseitigt werden.“ Ohne Ergebnis.
Mitte Januar musste Adolf Wagner, NS-Gauleiter und Staatsminister des Innern erneut anordnen, „sämtliche Schilder, Transparente usw. mit der Aufschrift "Juden sind hier unerwünscht" unverzüglich - längstens bis 15. Januar 1936 - zu entfernen.“
Er versuchte seine SA-und HJ-Rabauken mit einer neuen Strategie von ihrem Tun abzubringen, indem er erklärte, „die Judenfrage ist durch die Nürnberger Gesetze geregelt. Einer über die Nürnberger Gesetze hinausgehenden Abwehr bedarf es im Augenblick nicht.“ Und fügte hinzu: „Ständige Aufklärung über die Judenfrage im Rahmen der gesamten Rassenfrage wird dafür sorgen, dass die Bevölkerung immer mehr den Juden von sich aus ablehnt.“ Ein letztes fast verzweifeltes Argument: Die Ausländer, die nach Garmisch-Partenkirchen reisen, „müssen, wenn sie immer wieder die oben genannten Schilder sehen, auf den Gedanken kommen, dass wir in der Judenfrage doch noch Schwierigkeiten haben. Dies ist unerwünscht.“
Noch dreister formulierte Rudolf Heß. Er empfahl - eine Woche vor dem Erklingen der olympischen Fanfaren in Garmisch-Partenkirchen - darauf zu achten, „dass nur solche Schilder und Tafeln angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Ausdruck bringen, dass Juden unerwünscht sind.“
Heß, Frick, Wagner – die ganze Phalanx der NSDAP musste aufgeboten werden, um dafür zu sorgen, dass aus Garmisch-Partenkirchen und Umgebung die antijüdischen Schilder von den Bänken der Kuranlagen, aus den Auslagen der Geschäfte und vor den Ortseinfahrten wenigstens vorübergehend entfernt wurden.
Der weitere Weg war vorgezeichnet: Nach der widerwillig gewährten und nur kurz andauernden olympischen Ruhe an der antijüdischen Front der NSDAP wurden die Werdenfelser Kurorte wieder scharf ins Visier genommen und einzelne Gemeinden stellten ihre so genannten „Judenabwehrschilder“ sogleich wieder auf.
Im Jahr darauf wurden alle Fremdenverkehrsgemeinden des Kreises Garmisch-Partenkirchen verpflichtet, ihren Bildprospekten ein Blatt beizulegen mit der Aufschrift: „Juden sind in den Werdenfelser Fremdenverkehrsorten unerwünscht.“ Der Garmisch-Partenkirchner Kurdirektor wachte streng darüber, dass alle innerhalb Deutschlands verschickten Prospekte mit diesem Blatt versehen wurden. Die erste Druckauflage betrug 250000 Exemplare.
Im Frühjahr 1938 trommelte die Garmisch-Partenkirchner NSDAP ihren Anhang zu einer „spontanen Volkskundgebung“ in den Festsaal unter dem Titel „Wir wollen keine Juden in Garmisch-Partenkirchen.“ Der Kurdirektor war einer der Hauptredner. Kreisleiter Hausböck erklärte unter dem prasselnden Beifall seiner Anhänger, dass er den „schädigenden Einfluss des Juden aus dem Fremdenverkehr ausschalten und Garmisch-Partenkirchen zu einem sauberen Kurort machen“ werde.“.
Die Schlingen wurden immer enger gelegt. Am 10. November 1938 wurden die letzten noch in Garmisch-Partenkirchen lebenden jüdischen Bürger unter Androhung von Gewalt und Konzentrationslager gezwungen, den Olympiaort innerhalb weniger Stunden zu verlassen und ihren Besitz vertrauensvoll in die Hände von NS-Bevollmächtigen zu legen. Fünf Frauen und Männer überlebten das Drama nicht.
Ein knappes Jahr später wird das Internationale Olympische Komitee, als wäre nichts geschehen, als wäre all das, was geschehen ist, nicht weiter erwähnenswert, dem Olympiaort von 1936 auch die Austragung der Winterspiele von 1940 vertrauensvoll in die Hände legen.
Nicht wenige halten bis heute diese zweite Beauftragung der Marktgemeinde mit der Durchführung olympischer Spiele für den überzeugenden Beweis, dass dann ja wohl auch 1936 alles in Ordnung gewesen sei – reibungslose Organisation und gelungene Bauwerke genügen für das Gütesiegel.
Ich bin mit Hans Joachim Teichler der Auffassung, dass das IOC in diesen Jahren mit dem nationalsozialistischen Deutschland auf einer Wellenlänge lag, dass sich der Sport in die Gewalt der Gewalttätigen begeben hatte – national und international. Dass der Frieden zwischen Menschen und Völkern als Ziel olympischer Spiele nur noch eine Floskel war.
Quelle
Das IOC sprach im Juni 1933 in Wien das letzte Wort. Garmisch und Partenkirchen waren jetzt Olympiaorte. Die „olympische Kehrtwende“ der Nationalsozialisten war mit dem 16. März 1933 gekommen, als Hitler die Spiele von Berlin akzeptierte.
Jetzt waren die Nationalsozialisten an der Macht.
Und Julius Streicher, der in seinem antijüdischen Hetzblatt „Der Stürmer" die olympische Idee noch als ein „infames Spektakel, das die Juden dominieren", charakterisiert hatte, musste sich Joseph Goebbels beugen. Der skrupellose Propagandaminister sah in den olympischen Spielen eine erstklassige Plattform für die nationale und internationale Selbstdarstellung der noch jungen NS-Herrschaft. Unter einer olympischen Tarnkappe sollten sich die massiven Maßnahmen zur Aufrüstung gut verbergen lassen. Zwar erhielt Garmisch-Partenkirchen 1935 die erste Kaserne, die Militärpräsenz während der Winterspiele beschränkte sich aber weitgehend auf die Pistenpräparierung und auf organisatorische Hilfsmaßnahmen im Fernmeldebereich.
Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bürger waren dagegen offenkundig. Nichts wurde verschleiert: Der Zuzug von Juden nach Garmisch-Partenkirchen wurde schon im April 1933 erschwert. Zettel und Tafeln mit der Aufschrift „Juden sind hier nicht erwünscht" waren vielfach in und um Garmisch-Partenkirchen verbreitet. Im Mai hatte das IOC nach den deutschen Zusicherungen, diskriminierungsfreie Spiele zu veranstalten, das endgültige Plazet erteilt, im September bedauerte der Garmischer Bürgermeister Thomma, dass es noch immer keine gesetzliche Handhabe gegen den Zuzug von Juden nach Garmisch gebe.
Der Gemeinderat war sich „dahingehend einig, dass der Zuzug von Juden unerwünscht, zu erschweren und - soweit möglich - zu verhindern ist.“ Am 7. Dezember 1934 wurde diese Aussage zum Beschluss erhoben. Immobilienhändler und Architekten wurden davon in Kenntnis gesetzt. Eine Einschränkung gab es: Der Beschluss sollte „erst nach Prüfung der Lage im Hinblick auf die Olympiade 1936 in Garmisch-Partenkirchen“ umgesetzt werden. Ein kurzes Zögern ohne Folgen.
Denn im April 1935 notierte Carl Diem, der hier häufig zu Besuch war, in seinem Tagebuch, „dass seit zwei Monaten eine starke antisemitische Propaganda einsetzt, Aushang der „Stürmer-Kasten“. „Wir lassen Juden und Huren über denselben Strick springen“. „Wenn mir ein Jude ins Quartier kommt, fliegt das Fenster auf die Strasse“. Dies lässt ja manches erwarten, unter Umständen ein schwerer Rückschlag für die Sommerspiele. Ich verspreche, dies dem Reichsinnenministerium nachdrücklich mitzuteilen.“
Gleiches berichtete Ritter von Halt in einem Brandbrief an Hans Pfundtner, Staatssekretär im Reichsinnenministerium: "Mit wachsender Sorge, “ heißt es da, „beobachte ich in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung eine planmäßig einsetzende antisemitische Propaganda. Wenn sie bis vor wenigen Monaten geschlummert hat und nur hin und wieder in Reden zum Durchbruch gekommen ist, so wird jetzt systematisch dazu übergegangen, die Juden in Garmisch-Partenkirchen zu vertreiben. Am 1. Mai hat der Kreisleiter Hartmann in seiner Rede dazu aufgefordert, alles Jüdische aus Garmisch-Partenkirchen zu entfernen… Wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen so aufgeputscht sein, dass sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt. Dabei kann es passieren, dass Ausländer, die jüdisch aussehen und gar keine Juden sind, beleidigt werden. Es kann passieren, dass ein jüdisch aussehender Auslandspressevertreter angegriffen wird und dann sind die schlimmsten Konsequenzen zu befürchten. Das Olympia-Verkehrsamt weiß heute schon nicht mehr, wie es die Unterbringung vornehmen soll, wenn es sich um nichtarische Athleten handelt.“
Diems und von Halts Beobachtungen blieben ohne Konsequenzen, obwohl Halt ausdrücklich bemerkte, dass er seine Sorge „nicht deshalb äußere, um den Juden zu helfen“, sondern „ausschließlich“ zum Schutz der olympischen Idee.
Weder von Halt noch Diem ging es um olympische Ideale und schon gar nicht um den Schutz der jüdischen Minderheit, sondern einzig und allein um die Sicherung der Spiele von Berlin. Hätte sich das Ausland im Februar 1936 oder schon vorher von Garmisch-Partenkirchen abgewendet, dann wäre das zum Desaster für das große olympische Propagandaspektakel von Berlin geworden. Dies zu verhindern galten die Anstrengungen der Funktionäre Carl Diem und Ritter von Halt.
Und das war gar nicht so einfach. Der seit den Nürnberger Gesetzen offen zur Schau gestellte antijüdische Ungeist ließ sich nicht so leichthin wieder in die Flasche zurückzwingen. Im Juni klagte der Garmischer Bezirksamtmann Wiesend über "das heimliche eigenmächtige Anbringen von Holztafeln mit der Aufschrift 'Juden sind nicht erwünscht' durch die Hitler-Jugend." Wer hier die Fäden zog in diesem unwürdigen Spiel zwischen offener Diskriminierung und vordergründigem Bedauern ist nicht klar.
Man wandte sich schließlich nach ganz oben: Rudolf Heß wurde um weitere Veranlassung gegen die "judenfeindlichen Propaganda im Bezirk Garmisch-Partenkirchen und Umgebung" gebeten. Ohne Ergebnis.
Zwei Monate vor Beginn der Spiele in Garmisch-Partenkirchen „ersuchte“ Reichsinnenminister Frick „mit Rücksicht auf die bevorstehenden olympischen Winterspiele zu veranlassen, dass an der Straßen- und Eisenbahnstrecke zwischen München und Garmisch-Partenkirchen und in ihrer Nähe sämtliche Schilder, Transparente und ähnliche Hinweise, die die Judenfrage betreffen, beseitigt werden.“ Ohne Ergebnis.
Mitte Januar musste Adolf Wagner, NS-Gauleiter und Staatsminister des Innern erneut anordnen, „sämtliche Schilder, Transparente usw. mit der Aufschrift "Juden sind hier unerwünscht" unverzüglich - längstens bis 15. Januar 1936 - zu entfernen.“
Er versuchte seine SA-und HJ-Rabauken mit einer neuen Strategie von ihrem Tun abzubringen, indem er erklärte, „die Judenfrage ist durch die Nürnberger Gesetze geregelt. Einer über die Nürnberger Gesetze hinausgehenden Abwehr bedarf es im Augenblick nicht.“ Und fügte hinzu: „Ständige Aufklärung über die Judenfrage im Rahmen der gesamten Rassenfrage wird dafür sorgen, dass die Bevölkerung immer mehr den Juden von sich aus ablehnt.“ Ein letztes fast verzweifeltes Argument: Die Ausländer, die nach Garmisch-Partenkirchen reisen, „müssen, wenn sie immer wieder die oben genannten Schilder sehen, auf den Gedanken kommen, dass wir in der Judenfrage doch noch Schwierigkeiten haben. Dies ist unerwünscht.“
Noch dreister formulierte Rudolf Heß. Er empfahl - eine Woche vor dem Erklingen der olympischen Fanfaren in Garmisch-Partenkirchen - darauf zu achten, „dass nur solche Schilder und Tafeln angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Ausdruck bringen, dass Juden unerwünscht sind.“
Heß, Frick, Wagner – die ganze Phalanx der NSDAP musste aufgeboten werden, um dafür zu sorgen, dass aus Garmisch-Partenkirchen und Umgebung die antijüdischen Schilder von den Bänken der Kuranlagen, aus den Auslagen der Geschäfte und vor den Ortseinfahrten wenigstens vorübergehend entfernt wurden.
Der weitere Weg war vorgezeichnet: Nach der widerwillig gewährten und nur kurz andauernden olympischen Ruhe an der antijüdischen Front der NSDAP wurden die Werdenfelser Kurorte wieder scharf ins Visier genommen und einzelne Gemeinden stellten ihre so genannten „Judenabwehrschilder“ sogleich wieder auf.
Im Jahr darauf wurden alle Fremdenverkehrsgemeinden des Kreises Garmisch-Partenkirchen verpflichtet, ihren Bildprospekten ein Blatt beizulegen mit der Aufschrift: „Juden sind in den Werdenfelser Fremdenverkehrsorten unerwünscht.“ Der Garmisch-Partenkirchner Kurdirektor wachte streng darüber, dass alle innerhalb Deutschlands verschickten Prospekte mit diesem Blatt versehen wurden. Die erste Druckauflage betrug 250000 Exemplare.
Im Frühjahr 1938 trommelte die Garmisch-Partenkirchner NSDAP ihren Anhang zu einer „spontanen Volkskundgebung“ in den Festsaal unter dem Titel „Wir wollen keine Juden in Garmisch-Partenkirchen.“ Der Kurdirektor war einer der Hauptredner. Kreisleiter Hausböck erklärte unter dem prasselnden Beifall seiner Anhänger, dass er den „schädigenden Einfluss des Juden aus dem Fremdenverkehr ausschalten und Garmisch-Partenkirchen zu einem sauberen Kurort machen“ werde.“.
Die Schlingen wurden immer enger gelegt. Am 10. November 1938 wurden die letzten noch in Garmisch-Partenkirchen lebenden jüdischen Bürger unter Androhung von Gewalt und Konzentrationslager gezwungen, den Olympiaort innerhalb weniger Stunden zu verlassen und ihren Besitz vertrauensvoll in die Hände von NS-Bevollmächtigen zu legen. Fünf Frauen und Männer überlebten das Drama nicht.
Ein knappes Jahr später wird das Internationale Olympische Komitee, als wäre nichts geschehen, als wäre all das, was geschehen ist, nicht weiter erwähnenswert, dem Olympiaort von 1936 auch die Austragung der Winterspiele von 1940 vertrauensvoll in die Hände legen.
Nicht wenige halten bis heute diese zweite Beauftragung der Marktgemeinde mit der Durchführung olympischer Spiele für den überzeugenden Beweis, dass dann ja wohl auch 1936 alles in Ordnung gewesen sei – reibungslose Organisation und gelungene Bauwerke genügen für das Gütesiegel.
Ich bin mit Hans Joachim Teichler der Auffassung, dass das IOC in diesen Jahren mit dem nationalsozialistischen Deutschland auf einer Wellenlänge lag, dass sich der Sport in die Gewalt der Gewalttätigen begeben hatte – national und international. Dass der Frieden zwischen Menschen und Völkern als Ziel olympischer Spiele nur noch eine Floskel war.
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