Brainwashing für die Kleinsten: In Kitas der Werbewirtschaft ausgeliefert
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Brainwashing für die Kleinsten: In Kitas der Werbewirtschaft ausgeliefert
Brainwashing für die Kleinsten: In Kitas der Werbewirtschaft ausgeliefert
Hochgeladen von dokuundso1 am 17.05.2011
Kulturzeit, 16.05.2011
Für die Kinder ist es ein bisschen wie Weihnachten, wenn das Päckchen vom Sponsor kommt: Bücher zur Sprachförderung und eine Kiste mit Spielzeug, bezahlt von der Firma Lego. Mit dieser Form von Bildungssponsoring will eine Marketingagentur angeblich Kindergärten unterstützen. Und Unterstützung kann Kindergartenleiterin Edith Schaefer immer gebrauchen. Das Geld ist knapp. "Ich bin sehr dankbar für solche gesponserten Sachen", sagt sie. "Ob das jetzt dieses Sponsoring ist oder ob es von unseren Geschäften in der Umgebung ist - ohne diese Spenden könnten wir nicht überleben."
Mehr als 6500 Kindergärten und rund 2500 Grundschulen bekommen, nach Angaben der Marketingagentur, regelmäßig so ein Päckchen mit gesponserten Artikeln - angeblich nur zum Wohle der Kinder. Ein Büchlein soll der Sprachförderung dienen. Es enthält jedoch vor allem die aktuelle Lego-Kollektion. Unter dem Deckmäntelchen des Bildungssponsorings landet so Produktwerbung in Kitas und Grundschulen. Für den Hirnforscher Manfred Spitzer eine bedenkliche Entwicklung. Denn er weiß, wie schutzlos vor allem kleine Kinder der Werbung ausgeliefert sind. "Kindergarten und Grundschulkinder haben deutlich weniger Kritikfähigkeit als ältere Kinder", so Spitzer. "Sie können deswegen die Werbung nicht reflektieren oder auch kritisch hinterfragen und sie lernen schneller als ältere Kinder. Das heißt, sie sind beeinflussbarer einerseits und den Dingen hilfloser ausgesetzt. Und das ist eigentlich das Fiese an der Werbung für Kinder."
Deshalb ist Produktwerbung an Schulen auch in 13 Bundesländern verboten. Bildungssponsoring ist dagegen erlaubt. Doch genau dieses Bildungssponsoring nutzt eine ganze Branche als Schlupfloch, um das Werbeverbot an Schulen zu umgehen. Anfang März 2011 sprachen auf dem Kongress Kids und Sponsoring in Köln 150 Vertreter von Firmen und Marketingagenturen vor allem über eines: Wie kommen die Marken möglichst effektiv in den Unterricht und damit in die Köpfe der Kinder? Bildungskommunikation heißt das Zauberwort. "Bei der Bildungskommunikation ist das Besondere, dass dort der Lehrer als Multiplikator das wirklich in den Unterricht bringt und nochmal eine erhöhte Aufmerksamkeit hat", erklärt die Unternehmensberaterin für Kinder- und Jugendmarketing, Carola Laun.
Eine Institution genießt besonderes Vertrauen bei den Lehrern: die Stiftung Lesen, seit mehr als 20 Jahren bekannt für die Leseförderung. Über ihren Lehrerclub mit 50.000 Mitgliedern bietet sie ebenfalls sehr viele Unterrichtsmaterialien an. Doch auch die sind häufig sehr werblich. Zum Beispiel eine Broschüre mit dem Titel "Unterwegs in der Welt der Bahn". Auf fast 40 Seiten werden hier die Erfolge der Bahn beschrieben. Bezahlt hat das Heft natürlich die Bahn. "Das hätte ich nicht für möglich gehalten, dass eine solche jubelnde Selbstdarstellung eines Unternehmens unter der Überschrift Stiftung Lesen an den Schulen vertrieben wird", sagt Reinhold Hedtke.
Doch es geht noch dreister: Eine Unterrichtsmappe der Stiftung Lesen wird finanziert von der Mainzer Volksbank. Auch ihr Inhalt ist an vielen Stellen extrem werblich. So lernen die Kinder im Unterricht das spezielle Bonussystem der Bank kennen. Wer spart bekommt nicht nur Zinsen: "Bei der MVB erhält er außerdem Fische." Die kann er gegen "Geschenke tauschen". Außerdem müssen die Kinder folgende Fragen beantworten: "Was bedeutet die Abkürzung MVB?", "Wie heißt die lustige Kinderzeitschrift von der Volksbank?". Wie passt das mit den Zielen einer gemeinnützigen Stiftung zur Leseförderung zusammen?
Wieso sollten Kinder im Unterricht auch noch den Fisch in so einem Gitternetz suchen, als Werbeträger für eine spezielle Bank? "Ja, das kann man in dem Fall tatsächlich diskutieren, da bin ich ihrer Meinung", sagt Sabine Uehlien von der Stiftung Lesen. "Gleichzeitig finde ich es auch tatsächlich durchaus möglich, mit so etwas hier zu arbeiten." Dem widerspricht Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbandes, entschieden. "Es wird hier zu stark gesetzt auf Kooperationen mit einzelnen Firmen und Industrieunternehmen, die sich selber auch stark in den Vordergrund schieben", sagt er. "Das kann nicht der Weg der Zukunft sein. Hier wird auch das Vertrauen, das Lehrer in die Stiftung Lesen haben, ausgenutzt." Werbung und Lobbyarbeit schon bei den Kleinsten, Propaganda im Klassenzimmer unter dem Deckmäntelchen des Sponsorings: Mit gemeinnütziger Bildungsförderung, hat das nichts zu tun.
http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/154288/index.html
Hochgeladen von dokuundso1 am 17.05.2011
Kulturzeit, 16.05.2011
Für die Kinder ist es ein bisschen wie Weihnachten, wenn das Päckchen vom Sponsor kommt: Bücher zur Sprachförderung und eine Kiste mit Spielzeug, bezahlt von der Firma Lego. Mit dieser Form von Bildungssponsoring will eine Marketingagentur angeblich Kindergärten unterstützen. Und Unterstützung kann Kindergartenleiterin Edith Schaefer immer gebrauchen. Das Geld ist knapp. "Ich bin sehr dankbar für solche gesponserten Sachen", sagt sie. "Ob das jetzt dieses Sponsoring ist oder ob es von unseren Geschäften in der Umgebung ist - ohne diese Spenden könnten wir nicht überleben."
Mehr als 6500 Kindergärten und rund 2500 Grundschulen bekommen, nach Angaben der Marketingagentur, regelmäßig so ein Päckchen mit gesponserten Artikeln - angeblich nur zum Wohle der Kinder. Ein Büchlein soll der Sprachförderung dienen. Es enthält jedoch vor allem die aktuelle Lego-Kollektion. Unter dem Deckmäntelchen des Bildungssponsorings landet so Produktwerbung in Kitas und Grundschulen. Für den Hirnforscher Manfred Spitzer eine bedenkliche Entwicklung. Denn er weiß, wie schutzlos vor allem kleine Kinder der Werbung ausgeliefert sind. "Kindergarten und Grundschulkinder haben deutlich weniger Kritikfähigkeit als ältere Kinder", so Spitzer. "Sie können deswegen die Werbung nicht reflektieren oder auch kritisch hinterfragen und sie lernen schneller als ältere Kinder. Das heißt, sie sind beeinflussbarer einerseits und den Dingen hilfloser ausgesetzt. Und das ist eigentlich das Fiese an der Werbung für Kinder."
Deshalb ist Produktwerbung an Schulen auch in 13 Bundesländern verboten. Bildungssponsoring ist dagegen erlaubt. Doch genau dieses Bildungssponsoring nutzt eine ganze Branche als Schlupfloch, um das Werbeverbot an Schulen zu umgehen. Anfang März 2011 sprachen auf dem Kongress Kids und Sponsoring in Köln 150 Vertreter von Firmen und Marketingagenturen vor allem über eines: Wie kommen die Marken möglichst effektiv in den Unterricht und damit in die Köpfe der Kinder? Bildungskommunikation heißt das Zauberwort. "Bei der Bildungskommunikation ist das Besondere, dass dort der Lehrer als Multiplikator das wirklich in den Unterricht bringt und nochmal eine erhöhte Aufmerksamkeit hat", erklärt die Unternehmensberaterin für Kinder- und Jugendmarketing, Carola Laun.
Eine Institution genießt besonderes Vertrauen bei den Lehrern: die Stiftung Lesen, seit mehr als 20 Jahren bekannt für die Leseförderung. Über ihren Lehrerclub mit 50.000 Mitgliedern bietet sie ebenfalls sehr viele Unterrichtsmaterialien an. Doch auch die sind häufig sehr werblich. Zum Beispiel eine Broschüre mit dem Titel "Unterwegs in der Welt der Bahn". Auf fast 40 Seiten werden hier die Erfolge der Bahn beschrieben. Bezahlt hat das Heft natürlich die Bahn. "Das hätte ich nicht für möglich gehalten, dass eine solche jubelnde Selbstdarstellung eines Unternehmens unter der Überschrift Stiftung Lesen an den Schulen vertrieben wird", sagt Reinhold Hedtke.
Doch es geht noch dreister: Eine Unterrichtsmappe der Stiftung Lesen wird finanziert von der Mainzer Volksbank. Auch ihr Inhalt ist an vielen Stellen extrem werblich. So lernen die Kinder im Unterricht das spezielle Bonussystem der Bank kennen. Wer spart bekommt nicht nur Zinsen: "Bei der MVB erhält er außerdem Fische." Die kann er gegen "Geschenke tauschen". Außerdem müssen die Kinder folgende Fragen beantworten: "Was bedeutet die Abkürzung MVB?", "Wie heißt die lustige Kinderzeitschrift von der Volksbank?". Wie passt das mit den Zielen einer gemeinnützigen Stiftung zur Leseförderung zusammen?
Wieso sollten Kinder im Unterricht auch noch den Fisch in so einem Gitternetz suchen, als Werbeträger für eine spezielle Bank? "Ja, das kann man in dem Fall tatsächlich diskutieren, da bin ich ihrer Meinung", sagt Sabine Uehlien von der Stiftung Lesen. "Gleichzeitig finde ich es auch tatsächlich durchaus möglich, mit so etwas hier zu arbeiten." Dem widerspricht Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbandes, entschieden. "Es wird hier zu stark gesetzt auf Kooperationen mit einzelnen Firmen und Industrieunternehmen, die sich selber auch stark in den Vordergrund schieben", sagt er. "Das kann nicht der Weg der Zukunft sein. Hier wird auch das Vertrauen, das Lehrer in die Stiftung Lesen haben, ausgenutzt." Werbung und Lobbyarbeit schon bei den Kleinsten, Propaganda im Klassenzimmer unter dem Deckmäntelchen des Sponsorings: Mit gemeinnütziger Bildungsförderung, hat das nichts zu tun.
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