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Kaspar Hauser

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Kaspar Hauser Empty Kaspar Hauser

Beitrag  checker Di Jul 21, 2015 1:45 am

Kaspar Hauser (* angeblich: 30. April 1812; † 17. Dezember 1833 in Ansbach) wurde in der Biedermeierzeit als „rätselhafter Findling“ bekannt.

Kaspar Hauser 320px-Kaspar_hauser
Der junge Kaspar Hauser, getuschte Federzeichnung von Johann Georg Laminit (1775–1848)

Hauser tauchte am 26. Mai 1828 in Nürnberg als etwa 16-jähriger, geistig anscheinend zurückgebliebener und wenig redender Jugendlicher auf. Seine späteren Aussagen, er sei, solange er denken könne, bei Wasser und Brot immer ganz allein in einem dunklen Raum gefangen gehalten worden, erregten internationales Aufsehen. Bei buchstäblichem Verständnis sind Hausers Angaben mit den Kenntnissen der modernen Medizin nicht zu vereinbaren.

Ein zeitgenössisches Gerücht kolportierte, Hauser sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterbenden Säugling getauscht und beiseitegeschafft habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu ermöglichen. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur gilt diese „Prinzenlegende“ auf Grund später publizierter Dokumente und Augenzeugenberichte über den Tod des Prinzen als widerlegt. Eine wissenschaftlich publizierte Genanalyse aus dem Jahr 1996 zeigte, dass eine Hauser zugeschriebene Blutprobe nicht vom badischen Erbprinzen stammen kann. Eine weitere Genanalyse aus dem Jahr 2002 konnte wegen zahlreicher Widersprüche keinen Gegenbeweis erbringen.

Am 17. Oktober 1829 wurde Hauser mit einer ungefährlichen Schnittwunde aufgefunden und am 14. Dezember 1833 kam er mit einer schließlich tödlichen Stichwunde nach Hause. In beiden Fällen behauptete er, Opfer eines Attentäters geworden zu sein. Seine Anhänger vermuteten ein politisch motiviertes Verbrechen; nach kriminalwissenschaftlichen Untersuchungen handelte es sich um Selbstverletzungen, die er sich aus Enttäuschung über das nachlassende öffentliche Interesse an seiner Person beigebracht hatte.

Leben ab dem 26. Mai 1828

Am Pfingstmontag, dem 26. Mai 1828, traf der Schuhmachermeister Weickmann auf dem Unschlittplatz vor Haus Nummer 9–11 in Nürnberg einen etwa 16-jährigen Jungen an, der „He Bue“ ausrief und beim Näherkommen „Neue Torstraße“ sagte. Später erinnerte sich Weickmann an eine knappe Unterhaltung, bei der der Junge auf die Frage nach seinem Herkunftsort „Regensburg“ gesagt habe. Er trug einen an den Rittmeister der 4. Eskadron des 6. Chevauxlegers-Regiments in Nürnberg (zu diesem Zeitpunkt Friedrich von Wessenig) adressierten Brief bei sich. Nachdem man ihm den Weg zu von Wessenigs Wohnung gezeigt hatte, sagte er zu diesem: „A söchtener Reuter möcht i wern, wie mein Voater gwen is“ („Ein solcher Reiter möchte ich werden, wie mein Vater gewesen ist.“). Von Wessenig ließ den Jungen nach einem kurzen Aufenthalt in seiner Wohnung zur Polizeiwache führen, wo dieser den Namen „Kaspar Hauser“ aufschrieb und zeigte, dass er Geld kannte, Gebete sprechen und beschränkt lesen konnte. Er beantwortete nur wenige Fragen, und sein Wortschatz schien begrenzt zu sein.[1]

Der an von Wessenig adressierte Brief trug die Kopfzeile „Von der Bäierischen Gränz daß Orte ist unbenant 1828“. Sein anonymer Verfasser gab sich als armer Tagelöhner aus und teilte mit, das Kind sei ihm im Oktober 1812 „gelegt“ worden. Er habe es aufgezogen und es lesen, schreiben und das Christentum gelehrt, jedoch seit 1812 keinen Schritt vor die Tür gelassen; nun wolle der Junge ein Reiter werden. In einem beiliegenden, angeblich von der Mutter stammenden Brief, dem sogenannten „Mägdleinzettel“, wurde der Vorname Kasper genannt und als Geburtsdatum der „30. Aperil [sic] 1812“ angegeben. Der Vater des Kindes, ein Chevauxleger vom 6. Regiment, sei tot. Aufgrund von Schriftvergleichen nahm man an, dass beide Briefe von derselben Person geschrieben wurden, der Mägdleinzettel anscheinend mit verstellter Handschrift.[2]

Kaspar Hauser kam in das Gefängnis auf dem Luginsland unter die Obhut des Gefängniswärters Andreas Hiltel. Er aß zunächst nur Brot und trank nur Wasser. Sein geistiger Zustand erregte das Interesse von Juristen, Theologen und Pädagogen, die zahlreiche Untersuchungen mit ihm durchführten und ihm Unterricht im Sprechen gaben. Seinen altbayerischen Dialekt behielt Hauser trotz der fränkischen Umgebung zeitlebens bei.[3] Rasch wurde er eine öffentliche Attraktion: „Jedermann wurde zu ihm gelassen, der ihn zu besehen Lust hatte. Wirklich genoß Kaspar vom Morgen bis zum Abend kaum eines geringeren Zuspruchs als das Känguru und die zahme Hyäne in der berühmten Menagerie des Herrn van Aken“, wie der Rechtsgelehrte Anselm von Feuerbach, selbst unter den Besuchern, anschaulich schilderte.[4] Hausers Sinnesorgane wurden als überempfindlich, seine Muskeln als unterentwickelt beschrieben.

Zunächst wurde vermutet, so in einem Gutachten des Stadtgerichtsarztes Dr. Preu vom 3. Juni 1828, dass Kaspar „wie ein halbwilder Mensch in Wäldern erzogen“ worden sei. Nach vielen Gesprächen mit Hauser verfasste der Bürgermeister Jakob Friedrich Binder eine öffentliche Bekanntmachung (datiert vom 7. Juli 1828), in der er von einer anderen Vorgeschichte berichtete, die Kaspar dann später auch selbst – um einige Ergänzungen bereichert – schriftlich niederlegte. Nach dieser vielgeglaubten und vielbezweifelten Erzählung sei er, so lange er denken könne, immer ganz allein in halbliegender Stellung in einem fast lichtlosen Raum [5] gefangen gehalten worden. Während des Schlafes habe man ihm Wasser und Brot gebracht, ihn gereinigt und in frische Wäsche gekleidet und seien ihm Haare und Nägel geschnitten worden – die Tiefe des Schlafzustandes wurde durch die Vermutung erklärt, dass man ihm Opium gereicht habe. Seine Notdurft habe er in ein Gefäß verrichtet, das in einer Vertiefung des Bodens stand und ebenfalls nächtens geleert wurde. Erst kurz vor seiner Freilassung sei ein Mann, dessen Gesicht er nie gesehen habe, bei ihm erschienen. Dieser habe ihn durch Führen der Hand im Schreiben unterrichtet und ihn dann bis kurz vor Nürnberg gebracht. Erst auf diesem Marsch habe er das Stehen und Gehen gelernt. Den Satz, er wolle ein Reiter wie sein Vater werden, habe er von dem unbekannten Mann durch wiederholtes Nachsprechen erlernt, ohne den Sinn der Worte zu erfassen.[6]

Am 18. Juli 1828 wurde Hauser zur Pflege und Erziehung bei dem wegen Kränklichkeit beurlaubten Gymnasialprofessor und späteren Religionsphilosophen Georg Friedrich Daumer untergebracht, der ihm in der Folgezeit Unterricht in zahlreichen Fächern erteilte. Hierbei zeigte sich, dass Hauser über eine beachtliche handwerkliche und künstlerisch-zeichnerische Begabung verfügte. Daumer, ein belesener Gelehrter mit einem selbst für seine Zeit ungewöhnlich starken Hang zum Spekulativen[7], führte mit Hauser auch zahlreiche homöopathische und magnetische Experimente durch. Er schrieb ihm besondere Eigenschaften und Sensitivitäten zu, etwa die Fähigkeit, ohne hinzusehen Armbewegungen Daumers aus einer Entfernung von 125 Schritten als ein „Anblasen“ zu fühlen.[8]

Am 17. Oktober 1829 zur Mittagszeit wurde Hauser im Keller der Wohnung Daumers mit einer stark blutenden Schnittwunde an der Stirn aufgefunden. Er gab an, auf dem Abtritt von einem maskierten Mann überfallen worden zu sein, der ihm die Wunde mit einem scharfen Instrument beigebracht und ihm gedroht habe: „Du musst doch noch sterben, ehe du aus der Stadt Nürnberg kommst“. Hauser gab an, den Maskierten an der Stimme als denjenigen erkannt zu haben, der ihn nach Nürnberg geführt habe. Wie Blutspuren zeigten, war Kaspar zunächst in die erste Etage, in der sich sein Zimmer befand, geflüchtet – dann jedoch nicht weiter in Richtung der oberen Räume, wo sich, wie er wusste, andere Leute aufhielten, sondern wieder hinunter und durch eine Falltür in den Keller.[9] Trotz polizeilicher Ermittlungen und des Aussetzens einer hohen Belohnung konnte der Vorfall nicht aufgeklärt werden. Aus Sicherheitsgründen wurde Hauser danach bei der Familie des Magistratsrates Biberbach untergebracht, dauernd bewacht von zwei Polizeibeamten. Das angebliche Attentat belebte das öffentliche Interesse an Kaspar Hauser und gab Gerüchten über dessen mögliche Herkunft aus dem Hochadel neue Nahrung.[10] Es wurden aber auch Betrugsvorwürfe geäußert, literarisch zuerst bei J. F. K. Merker: Caspar Hauser, nicht unwahrscheinlich ein Betrüger. (Berlin 1830).

Am 3. April 1830 fiel in Hausers Zimmer im Hause Biberbach ein Pistolenschuss. Seine beiden sich im Vorzimmer aufhaltenden Bewacher fanden Hauser bewusstlos und am Kopf blutend auf dem Boden liegen. Hauser gab später an, dass er auf einen Stuhl gestiegen sei, um an ein Buch zu kommen. Als dieser umfiel, habe er sich an einer an der Wand hängenden Pistole festzuhalten versucht und so den Schuss versehentlich ausgelöst. Die Wunde auf der rechten Kopfseite stellte sich als ungefährlich heraus; es ist zweifelhaft, ob sie durch den Schuss verursacht wurde.[11] Der Vorfall veranlasste die örtlichen Behörden, sich erneut mit Kaspar Hauser zu befassen. Da dessen anfangs gutes Verhältnis zur Familie Biberbach mittlerweile getrübt war, brachte man ihn für eineinhalb Jahre bei seinem Vormund Gottlieb von Tucher unter.[12] Dort wurde er strenger gehalten, insbesondere wurde der Andrang neugieriger Besucher eingeschränkt. Hauser wohnte überdies auch, wie im Jahr 2013 durch den Leiter des Stadtarchivs Nürnberg, Dr. Michael Diefenbacher, bekanntgemacht wurde, zeitweilig bei des Vormunds Mutter, Susanna Maria Tucher Freifrau von Simmelsdorf, geb. Haller Freiin von Hallerstein (1769–1832), der gemeinsamen Schwiegermutter des Philosophen Hegel und einer Urgroßnichte des pietistischen Prälaten Friedrich Christoph Oetinger (1702–1782), Maria Helena Wilhelmina Tucher Freifrau von Simmelsdorf, geb. Haller Freiin von Hallerstein (1804–1834).

Trotz der Abschottung durch den Vormund gelang es dem englischen Dauerreisenden Philip Henry Earl Stanhope, den überall das Außerordentliche anzog, Hausers Bekanntschaft zu machen. Der Lord, den eine starke Zuneigung zu Kaspar erfasste, bemühte sich um die Pflegschaft Hausers. Nachdem er diese im Dezember 1831 erhalten hatte, brachte er ihn in Ansbach im Haushalt des Lehrers Johann Georg Meyer unter. Hiermit folgte er einem Vorschlag des Gerichtspräsidenten Anselm von Feuerbach, der die Fürsorge für das moralische und physische Wohl Kaspars während der Abwesenheit Stanhopes übernahm; der Gendarmerieunterleutnant Josef Hickel wurde zum „Spezialkurator“ bestellt. Er besaß das Vertrauen Feuerbachs und hatte Zugriff auf die Untersuchungsakten. Stanhope wandte hohe Geldsummen auf, um Hausers Herkunft zu klären. So finanzierte er zwei Ungarnreisen, weil Laute dort gesprochener Sprachen bei Hauser Erinnerungen zu wecken schienen. Später erklärte der Lord, die Ergebnislosigkeit dieser Reisen habe bei ihm erste Zweifel an der Echtheit der Geschichte Hausers geweckt. Im Januar 1832 verließ Stanhope Ansbach und erschien nie wieder. Zwar kam er weiterhin für Kaspars Unterhalt auf, doch aus einer Umsiedlung nach England, die er seinem Schützling in Aussicht gestellt hatte, wurde nichts. Nach Hausers Tod rückte Stanhope endgültig von ihm ab. In seinen Materialien zur Geschichte Kaspar Hausers (Heidelberg 1835) trug er alles ihm bekannte Belastungsmaterial gegen Hauser zusammen, denn er halte es für seine Pflicht, „öffentlich zu gestehen, daß ich getäuscht wurde“.[13] Der Spezialkurator Hickel bescheinigte dem Lord in einem amtlichen Bericht:[14] „Er liebt die Wahrheit und haßt den Lügner auf immer“.[15]

In Ansbach verkehrte Kaspar Hauser in den besten Gesellschaftskreisen. Er besaß ein gewinnendes Wesen und war als leidenschaftlicher Tänzer beliebt; eine engere Beziehung zu einer Frau hatte er aber nie. Gespannt war Hausers Verhältnis zu Lehrer Meyer, einem pedantisch-strengen Charakter, dem er später auf dem Sterbebett dennoch seinen „sehr großen Dank“ aussprach. Nach Meyers Meinung war Hauser für Berufe, die eine höhere geistige Ausbildung erfordert hätten, ungeeignet. Von Feuerbach brachte ihn daher Ende des Jahres 1832 bei seinem Gericht als Schreiber und Kopist unter. Seelsorgerisch betreut wurde Hauser vom Pfarrer Fuhrmann, der ihn auch am 20. Mai 1833 in der Gumbertuskirche in Ansbach konfirmierte. Wenige Tage später, am 29. Mai 1833, verstarb Anselm von Feuerbach, ein für Kaspar schmerzlicher Verlust.[16]

Am 14. Dezember 1833 erlitt Hauser eine lebensgefährliche Stichverletzung. Er gab an, ein Unbekannter habe ihn im Namen des Hofgärtners zur Besichtigung des artesischen Brunnens im Ansbacher Hofgarten eingeladen. Dort habe er jedoch niemanden angetroffen. Daraufhin sei er in Richtung des Uz-Denkmals gegangen; hier habe ihn ein bärtiger Mann angesprochen, ihm einen Beutel überreicht und, als er danach griff, zugestochen. Der im Hofgarten gefundene, lilafarbene Damenbeutel enthielt einen Zettel mit in Spiegelschrift geschriebenem Text:[17]

„Hauser wird es euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe, und wo her ich bin. Den Hauser die Mühe zu ersparen will ich es euch selber sagen, woher ich komme _ _ Ich komme von von _ _ _ der Baierischen Gränze _ _ Am Fluße _ _ _ _ _ Ich will euch sogar noch den Namen sagen: M. L. Ö.“


Kaspar Hauser starb am 17. Dezember 1833 gegen 22 Uhr an den Folgen der Stichwunde. Die an der gerichtsmedizinischen Untersuchung beteiligten Ärzte waren sich nicht einig, ob die Wunde durch Selbstverletzung oder durch Fremdeinwirkung verursacht worden war. König Ludwig I. setzte die damals außergewöhnlich hohe Summe von 10.000 Gulden als Belohnung für die Ergreifung eines etwaigen Täters aus, allerdings ohne Ergebnis. Das Kreis- und Stadtgericht Ansbach vertrat nach Abschluss der Untersuchungen am 11. September 1834 die Ansicht, man könne sich „des begründeten Zweifels nicht erwehren, ob ein Mord von fremder Hand an Hauser verübt, ob überhaupt ein Verbrechen an ihm begangen wurde“.[18] Polizeirat Merker entschied sich in einer weiteren Schrift für „Selbstverwundung ohne Tötungsabsicht“.[19] Kaspar selbst äußerte auf dem Sterbebett gegenüber Pfarrer Fuhrmann: „Warum sollte ich Zorn oder Hass oder Groll auf die Menschen haben, man hat mir ja nichts getan.“[20]

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Kaspar Hausers Grabstein auf dem Stadtfriedhof von Ansbach.

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Denkmal am Ort des angeblichen Attentats im Ansbacher Hofgarten.

Kaspar Hauser wurde am 20. Dezember 1833 unter starker Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Ansbacher Stadtfriedhof beigesetzt. Sein Grabstein trägt die lateinische Inschrift:

„HIC JACET CASPARUS HAUSER AENIGMA SUI TEMPORIS IGNOTA NATIVITAS OCCULTA MORS MDCCCXXXIII“

„Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833.“

Im Hofgarten errichtete man unweit des Uz-Denkmals einen Gedenkstein mit der ebenfalls lateinischen Inschrift:

„HIC OCCULTUS OCCULTO OCCISUS EST XIV. DEC. MDCCCXXXIII“

„Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet 14. Dez. 1833.“[17]

Erbprinzentheorie

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Stéphanie de Beauharnais, laut der Erbprinzentheorie Kaspar Hausers Mutter.

Nach dem vermeintlichen Attentat auf Kaspar Hauser im Oktober 1829 kursierten in Bayern erste, noch vage Verdächtigungen, aus denen später das weltläufig gewordene Gerücht entstand, dem zufolge Hauser der am 29. September 1812 geborene Erbprinz von Baden sei, den man in der Wiege mit einem sterbenden Kind vertauscht habe. Als Täterin oder Initiatorin gilt hierbei die Gräfin Luise Karoline von Hochberg, die zweite (morganatische) Ehefrau des fast vierzig Jahre älteren, im Juni 1811 verstorbenen Großherzogs Karl Friedrich von Baden. Die 1796 zur Reichsgräfin erhobene Hochberg, ursprünglich eine lediglich kleinadelige Hofdame, habe durch die Vertauschung des Erbprinzen ihren eigenen Nachkommen zur Thronfolge verhelfen wollen. Nach Hausers Tod wurde dann behauptet, er sei wegen seines Prinzentums ermordet worden.

Der angeblich vertauschte, nach amtlicher Version am 16. Oktober 1812 namenlos verstorbene Prinz war der erstgeborene Sohn des Großherzogs Karl und seiner Gemahlin Stéphanie, einer Adoptivtochter Napoleons. Karl hatte den Thron unmittelbar von seinem Großvater Karl Friedrich geerbt, da sein Vater, der älteste Sohn aus Karl Friedrichs erster Ehe, schon vor diesem gestorben war. Für den Fall des Aussterbens des aus seiner ersten (standesgemäßen) Ehe hervorgegangenen Mannesstammes hatte Karl Friedrich die Thronfolge seiner Söhne aus zweiter Ehe vorgesehen – eine Regelung, die sein Enkel Karl in einem Haus- und Familienstatut vom 4. Oktober 1817 ausdrücklich bekräftigte und die im folgenden Jahr Bestandteil der badischen Verfassung wurde. Die Sukzessionsfähigkeit der ursprünglich unebenbürtigen und nun zu Prinzen und Markgrafen erhobenen Hochberger war zweifelhaft gewesen, wurde aber 1818 im sogenannten Aachener Protokoll von den europäischen Großmächten anerkannt, während die Ansprüche Bayerns auf die rechtsrheinische Pfalz für „null und nichtig“ erklärt wurden.[21] Nach Karls frühem Tod im Dezember 1818 erbte sein Onkel Ludwig die Großherzogswürde, weil auch Karls 1816 geborener zweiter Sohn, der Erbprinz Alexander, als Säugling verstorben war. Markgraf Friedrich, ein älterer Bruder Ludwigs, war bereits im Mai 1817 verstorben; seine Ehe war kinderlos geblieben. Ludwig blieb unverheiratet und verstarb im März 1830 als letzter Markgraf aus der Zähringer-Linie, was seinem Halbbruder Leopold als erstem Vertreter der bis 1918 regierenden Hochberg-Linie die Thronfolge eröffnete. Die Häufung von Todesfällen in der älteren Linie gab Anlass zu allerlei unbewiesenen Gerüchten über angebliche am badischen Hof verübte Verbrechen.

Die Großherzogin hatte ihren ersten Sohn nicht tot gesehen, da sie von der schweren Geburt gesundheitlich angeschlagen war. Ihr späteres Schweigen sowie einige umstrittene Äußerungen ihrer jüngsten Tochter Marie Hamilton, die Kaspar Hauser für ihren Bruder gehalten haben soll, trugen zur Verbreitung des Gerüchtes bei.[22]

Fachwissenschaftlichen Arbeiten zufolge kann die unterstellte Kindesvertauschung aufgrund der heute (seit spätestens 1951) bekannten Quellen ausgeschlossen werden,[23] wenn nicht schon das Buch des Oberstaatsanwalts Otto Mittelstädt (Kaspar Hauser und sein badisches Prinzenthum. Heidelberg 1876) als definitive Widerlegung anerkannt wird.[24] Mittelstädts Argumentation, die sich auf die offiziellen Urkunden über die Nottaufe, die Leichenöffnung und die Beisetzung des Prinzen stützte, ist durch spätere Quellenfunde, namentlich die Briefe der Markgräfin Amalie, der Mutter des Großherzogs Karl, erhärtet worden. Die Markgräfin – selbst siebenfache Mutter und, nach Aussage des damaligen preußischen Gesandten am badischen Hof, eine „karakterfeste, starksinnige“ Frau – beschrieb den neugeborenen Prinzen in einem Brief vom 1. Oktober 1812: „Wenn man ihn aber betrachtet, so staunt man nicht, daß er soviel Mühe verursacht hat, um zur Welt zu kommen. Er ist nämlich an Größe und Dicke enorm. Wahrhaftig, ich habe wenige Kinder dieses Ausmaßes gesehen. Er ist ganz badischer Schlag.“ Amalie war bei der Geburt selbst zugegen gewesen und war auch in der Folgezeit immer wieder bei ihrem Enkel. Besondere Freude mache ihr, schrieb sie in einem Brief vom 11. Oktober, dass das Kind sie so sehr an seinen Vater im gleichen Alter erinnere. In zwei Briefen vom 19. und vom 27. Oktober berichtete sie dann von der Krankheit des Prinzen, deren Gefährlichkeit sich erst im Laufe des Sterbetages gezeigt hatte. Um vier Uhr nachmittags habe sie von ihrem Sohn erfahren, das Kind habe einen „Steckfluss“ (erstickende Atemnot) und werde sterben; sie habe sich sofort hinbegeben und sei bis nach dem Tod des Prinzen bei diesem geblieben. In dem Brief vom 27. Oktober heißt es:

„Der arme Kleine hatte einen sehr langen Todeskampf. … Herr von Edelsheim, der sich mit mehreren Herren und Damen im Nebenzimmer befand, kam einen Augenblick herein, um das Kind anzusehen, und hörte dieses Seufzen. Es machte ihm einen so schauderhaften Eindruck, daß er sofort wieder hinausging. Die letzte halbe Stunde war ruhig. Er schien einzuschlafen. Augen und Mund schlossen sich ohne Beihilfe. Dann sah er wundervoll aus. Die Züge schienen mehr ausgebildet und er hatte noch keine Totenblässe. Alle, die ihn so sahen, bewunderten ihn. Am nächsten Morgen war er nicht mehr so schön.“[25]


„Kolb [ein Anhänger der Prinzentheorie] hat 1883 ausgeführt, der Mutter hätte ein anderes Kind nicht leicht untergeschoben werden können; wäre sie gegenwärtig gewesen, müßten die Zweifel verstummen. Das gilt nach den dargelegten Umständen auch für die Großmutter; die aber war anwesend gewesen.“[26] Die Hebamme Horst, die die Nottaufe vornahm, hätte eine Vertauschung ebenfalls bemerken müssen, da sie, von der Mutter ausschließlich mit der Pflege des Erbprinzen betraut, fast ständig in dessen Nähe gewesen war.

Die Hochberger hatten auch kein Motiv für einen Mord an Kaspar Hauser. Leopold hatte den Thron mit Zustimmung aller Großmächte bestiegen, während es um Hauser immer stiller geworden war. Dieser hat im Übrigen niemals Ansprüche auf den badischen Thron erhoben, und er hätte sie allein auch keinesfalls durchsetzen können. Wenn der Erbprinz 1812 tatsächlich vertauscht worden wäre, so hätte es aus badischer Sicht allenfalls Sinn gehabt, eventuell noch lebende Mitwisser zu beseitigen, statt einen Mord zu begehen, der in ganz Europa Aufsehen erregen würde.[27]

Nach Hausers Tod verbreitete sich die Nachricht seiner angeblichen Ermordung wie ein Lauffeuer, und demokratisch gesinnte Pamphletisten wussten die Sache rasch für den politischen Kampf gegen das Haus Baden zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist auch die Denunziation des unter Großherzog Ludwig sehr einflussreich gewesenen badischen Diplomaten Heinrich von Hennenhofer zu sehen, den der Oppositionelle Joseph Heinrich Garnier in seiner Broschüre Einige Beiträge zur Geschichte Caspar Hausers (Straßburg 1834) als angeblichen Mörder Hausers nannte. „Hennenhofer war den Liberalen des Vormärz als Günstling und absolut ergebener Diener des Autokraten Ludwig verhaßt. Indem man ihm diesen Mord anheftete, diskreditierte man auch das verhaßte politische System.“[28]

Aus ganz anderen Gründen hatte auch das Königreich Bayern ein Interesse an der Verbreitung der gegen Baden gerichteten Verdächtigungen. Bayern bemühte sich nämlich seit langem, die 1803 an Baden verlorene rechtsrheinische Pfalz zurückzugewinnen, konnte sich jedoch mit seinen Territorialansprüchen nicht gegen die Großmächte durchsetzen. Nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1825 versuchte König Ludwig I. diese Ansprüche wieder geltend zu machen „und zwar mit einer Beharrlichkeit, die nicht nur die eigenen Minister, sondern auch die deutschen und europäischen Kabinette in Atem halten sollten.“[21] Nachdem sogar eine militärische Intervention erwogen worden war, kam es zuletzt auf diplomatischer und publizistischer Ebene zum Schlagabtausch mit juristischen Argumenten. Dabei griff die bayerische Regierung zum Mittel des Archivaliendiebstahls, der jedoch aufgedeckt wurde und zu für Bayern peinlichen Enthüllungen führte. Dennoch ordnete im Oktober 1827 Ludwig I. an, dass einige erfolgreich entwendete Dokumente nicht an Baden zurückgegeben werden sollten.

„Bei den Akten ging es vor allem um die Geschichte des Hauses Hochberg; wäre damals schon in den Archiven auch nur der geringste Niederschlag einer Prinzenvertauschung zu finden gewesen, hätte Bayern mit Sicherheit davon Gebrauch gemacht, denn das Ende des Hauses Zähringen stand unmittelbar bevor.“[29]

Auf der Gegenseite vertraute Markgraf Wilhelm (Bruder und Berater Großherzog Leopolds) seinen Familienaufzeichnungen an:

„Dass eine solche Fabel von verschiedenen bayerischen Schriftstellern mit Vergnügen ergriffen wurde, um … gegen uns benutzt zu werden, ist an sich [wegen des Gebietsstreits] sehr begreiflich, hatte sich sogar der König Ludwig von Bayern nicht gescheut, noch verwerflichere Mittel gegen uns anzuwenden ….“[30]

Ob der umfangreiche amtliche Bericht („den sogenannten Kaspar Hauser betreffend“) des Gerichtspräsidenten Anselm von Feuerbach vom 8. April 1830 an das Justizministerium des Königs Ludwig I. überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, ist ungewiss. Darin hatte Feuerbach beiläufig die, wie er vorsichtig schrieb, „romantische Sage“ des badischen Prinzentums Kaspars erwähnt.[31] Tatsächlich scheint Ludwig I. aber erst unmittelbar nach dem Tode Kaspar Hausers über die Vermutungen unterrichtet worden zu sein, und zwar von seiner Stiefmutter, Königin Karoline, die von Feuerbach über die Prinzentheorie in Kenntnis gesetzt worden war.

„… Mama sagte mir … Kaspar Hauser sey für einen Sohn ihres Bruders [Großherzog Karl] gehalten worden, nämlich daß ein anderes Kind statt seiner untergeschoben worden. Der verstorbene Präsident Feuerbach hätte ihr darüber geschrieben, gewünscht, sie solle sich seiner annehmen, was sie aber, um ihm keine Gefahr zu bringen, nicht getan ….“[32]

Ludwig I. war von der Ermordung Hausers überzeugt und reagierte ungehalten auf die These der Selbstverwundung: „Der Name dessen, welcher in Ansbach (oder Nürnberg) hatte einrücken lassen, Kaspar Hauser habe sich selbst die Wunde beigebracht, ist zu erforschen, überhaupt allem, was sich auf K.H. bezieht und auf das Verbrechen, ist unausgesetzt eifrig nachzuspüren ….“[33] Am 29. Dezember 1833 setzte er eine Prämie von zehntausend Gulden „auf die Entdeckung des Täters“ fest. Scharf rügte er die polizeilichen und behördlichen Maßnahmen in Ansbach. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Ansbacher Gericht, statt ausdrücklich auf Selbstverwundung zu erkennen, seine Zweifel an der Mordthese mit Rücksicht auf die Münchener Regierung so vorsichtig formuliert hat;[34] in einem Entwurf seines Abschlussberichtes hatte es jedenfalls etwas deutlicher geheißen, man könne sich „des Verdachtes nicht erwehren, daß ein Mord von fremder Hand an Hauser nicht verübt, daß ein Verbrechen nicht begangen wurde“.[18]

Auch die sich über Jahre hinziehenden Ermittlungen unter der Federführung des Innenministers Ludwig von Oettingen-Wallerstein erbrachten keine Beweise für eine Ermordung Kaspars im badischen Auftrag. Der Minister wurde „nicht zuletzt auch wegen dieses Mißerfolgs 1837 unter fast entehrenden Umständen entlassen“[35] Eine erneute publizistische Auseinandersetzung mit Baden wegen Kaspar Hauser hatte Ludwig I. ohnehin nicht mehr gewagt, da der Fall längst von monarchiefeindlichen Schriftstellern dominiert wurde, denen die badische wie bayerische Aristokratie einerlei war.

So hier unterbrechen wir,wer weiterlesen möchte, hier der Link:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kaspar_Hauser

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