Bewerbungslügen: Frisch frisiert ist halb gefeuert
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Bewerbungslügen: Frisch frisiert ist halb gefeuert
Nur nicht erwischen lassen - denkt mancher Bewerber und erfindet Praktika, täuscht Qualifikationen vor, fälscht Zeugnisse. Fliegt der Schwindel auf, steht die Karriere auf dem Spiel, selbst Jahre später droht die Kündigung. Lügen lohnt also nicht, wohl aber dezente Lebenslaufkosmetik.
Die Zeugnisse waren überschwänglich. Der Bewerber hatte bei verschiedenen Arbeitgebern "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" geackert, "die höchste Wertschätzung der Kunden" errungen und "einen bislang unübertroffenen Beitrag zum Unternehmenserfolg" geleistet. So viel Lob machte den Personaler stutzig. Er beschloss nachzuhaken.
Die erste Firma, die er anzurufen versuchte, war vor Jahren erloschen. Als ihm bei der zweiten das Gleiche widerfuhr, schaltete er eine Detektei ein. Deren Recherche ergab, dass keiner der Ex-Arbeitgeber mehr existierte. Schlimmer noch: Die Zeugnisse waren komplett gefälscht. Der Bewerber hatte sich gezielt Pleitefirmen als Referenzen ausgesucht, um Nachforschungen zu verhindern. Der Betrug flog auf, weil ihm ein kleiner Fehler unterlief: Im Briefkopf eines Zeugnisses, das auf Anfang 1991 datiert war, stand eine fünfstellige Postleitzahl. Die wurde allerdings erst 1993 eingeführt.
Jochen Meismann, Mitinhaber der Detektei ConDetect im nordrhein-westfälischen Dorsten, hat den Fall als einen von der besonders dreisten Sorte in Erinnerung behalten. Die meisten Fälscher pokern nicht so hoch: "Es sind die kleinen Dinge des Berufslebens, bei denen geschummelt wird", sagt Meismann. "Der Bewerber hat schon mal Excel gesehen und erklärt nun, dieses Programm blind zu beherrschen. Oder aus dem längst vergessenen Schulenglisch, das zu einem knappen 'Ausreichend' auf dem Zeugnis gereicht hat, wird eine fließende Fremdsprache."
Wo genau die Grenze zwischen Schönfärben und Schummeln verläuft, lässt sich schwer festmachen. Eine Bewerberin, erzählt Meismann, wollte ihren aktuellen Arbeitgeber nicht nennen, da dieser von ihren Wechselabsichten nichts ahnte. Sie sei seit vier Jahren "an ein großes staatliches Unternehmen gebunden", orakelte die Frau. Tatsächlich war sie Langzeitarbeitslose - und als solche bei der Arbeitsagentur "unter Vertrag".
Verurteilung ist die Ausnahme
"Jeder versucht, sich möglichst positiv zu verkaufen, was völlig legitim ist, solange nicht unwahre Behauptungen aufgestellt werden", sagt Meismann. Vor allem die aktuelle berufliche Position, die für die Karriere am wichtigsten ist, wird gern aufgehübscht. Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half International gehen 39 Prozent der Human-Resources-Manager in Deutschland davon aus, dass Bewerber im alten Job weniger Verantwortung hatten, als sie behaupten.
Ein Drittel zweifelt an den Angaben zur konkreten Tätigkeit. Dass die Skepsis berechtigt ist, zeigt die interne Statistik des Düsseldorfer Detektiv-Instituts Kocks: 30 Prozent der rund 5000 überprüften Bewerbungen waren manipuliert. Das vermeintliche Kavaliersdelikt mündet häufig sogar in eine kriminelle Karriere. 70 Prozent der Mitarbeiter, die in Unternehmen straffällig würden, hätten bereits bei der Bewerbung gelogen, berichtet die Detektei.
Kocks-Berater Manfred Lotze hält das Risiko ertappt zu werden für gering: "Die Personaler haben statistisch nur zwischen fünf und zehn Minuten Zeit für eine Bewerbungsmappe. Da ist wohl nur Daumenkino möglich." Selbst wenn der Schwindel entdeckt würde, kämen Lügner oft mit einem blauen Auge davon. "Eine schnelle Trennung ist dann das Ziel, gegebenenfalls mit Abfindung", so Lotze.
Die fristlose Kündigung, die auch Jahre nach dem Betrug droht, ist ein wirksames Druckmittel. Dagegen entpuppt sich die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten und Schadensersatz zu fordern, als Papiertiger: "Die Verurteilung unehrlicher Bewerber ist die Ausnahme." Sogar strafrechtlich relevante Verfehlungen wie Urkundenfälschung oder unerlaubtes Führen eines akademischen Titels bleiben unter der Decke, beispielsweise weil das Unternehmen einen Imageverlust bei den Kunden fürchtet.
Selbstmarketing ist Pflicht
Arbeitgeber halten auch deshalb den Ball flach, weil sie es in Stellenausschreibungen selbst mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Um Talente anzulocken, übertreiben sie gern bei Aufstiegschancen oder Qualifikationsanforderungen. Damit nötigen sie die Bewerber geradezu, sich über Wert zu verkaufen.
Ohne geschicktes Selbstmarketing läuft wenig. "Erlaubt ist die Vergrößerung einer kleinen Wahrheit", meint Carolin Lüdemann, Karriere-Coach in Stuttgart. "Wer zum Beispiel einen Monat in Frankreich verbracht hat, kann das als Sprachreise statt als Strandurlaub deklarieren. Solange der Kern der Aussage erhalten bleibt, drohen keine unangenehmen Konsequenzen."
Bewusste Irreführung, etwa über Lücken im Lebenslauf, wäre zuviel des Schlechten. An dieser Stelle bringen sich viele Bewerber unnötig in Schwierigkeiten, weil sie glauben, über jedes noch so kleine Zeitfenster Rechenschaft ablegen zu müssen. Solche Not macht erfinderisch - und angreifbar.
"Das dürfen Sie mich nicht fragen!"
Dabei sind Lücken von bis zu drei Monaten - gerade wenn sie mit einem Stellenwechsel zusammenhängen - normal und könnten gut mit einem längeren Urlaub vor Beginn der Probezeit, Weiterbildung, Umzug oder Hausrenovierung begründet werden, sagt die Wiesbadener Karriereberaterin Ute Bölke. Längere Auszeiten sähen besser aus, wenn sie mit freiberuflicher Arbeit, einem Auslandsaufenthalt oder einem sozialen Engagement gefüllt seien, "auch wenn diese im geringeren Umfang stattgefunden und nicht für den Erwerb des Lebensunterhalt ausgereicht haben".
Wer nicht lügt, verstrickt sich nicht in Widersprüche - das zahlt sich gerade im Vorstellungsgespräch aus, wenn die Zeit fehlt, kunstvolle Formulierungen zu drechseln. "Zumal es in Anstrengung ausarten kann, sich zu merken, wem man was genau erzählt hat", warnt Claudia Kimich, die als Konfliktlöserin und Verhandlungsexpertin in München arbeitet. "Stehen Sie zu sich und Ihrem Lebenslauf. Wer Sie so nicht will, der hat Sie nicht verdient."
Gesundes Selbstbewusstsein hilft auch gegen private Fragen, die Personaler häufig stellen, obwohl sie wissen, dass sie dazu kein Recht haben (siehe Test "Ein bisschen lügen"). Der "Klassiker" ist die Frage an weibliche Bewerber, ob sie planen, Kinder zu bekommen. In diesem Fall ist Lügen erlaubt - oder eine Antwort wie "Das dürfen Sie mich nicht fragen".
Kimich hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass Personaler eine solche Reaktion als "zickig" empfinden. "Die beste Antwort hat eine meiner Klientinnen gegeben", erzählt die Beraterin. "Sie machte große Augen und sagte mit einem strahlenden Lächeln: 'Ach, ich wusste nicht, dass das für den Job nötig ist, aber wenn es so ist, dann gerne.' Sie hatte die Lacher auf ihrer Seite und das Thema war durch."
Quelle
Die Zeugnisse waren überschwänglich. Der Bewerber hatte bei verschiedenen Arbeitgebern "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" geackert, "die höchste Wertschätzung der Kunden" errungen und "einen bislang unübertroffenen Beitrag zum Unternehmenserfolg" geleistet. So viel Lob machte den Personaler stutzig. Er beschloss nachzuhaken.
Die erste Firma, die er anzurufen versuchte, war vor Jahren erloschen. Als ihm bei der zweiten das Gleiche widerfuhr, schaltete er eine Detektei ein. Deren Recherche ergab, dass keiner der Ex-Arbeitgeber mehr existierte. Schlimmer noch: Die Zeugnisse waren komplett gefälscht. Der Bewerber hatte sich gezielt Pleitefirmen als Referenzen ausgesucht, um Nachforschungen zu verhindern. Der Betrug flog auf, weil ihm ein kleiner Fehler unterlief: Im Briefkopf eines Zeugnisses, das auf Anfang 1991 datiert war, stand eine fünfstellige Postleitzahl. Die wurde allerdings erst 1993 eingeführt.
Jochen Meismann, Mitinhaber der Detektei ConDetect im nordrhein-westfälischen Dorsten, hat den Fall als einen von der besonders dreisten Sorte in Erinnerung behalten. Die meisten Fälscher pokern nicht so hoch: "Es sind die kleinen Dinge des Berufslebens, bei denen geschummelt wird", sagt Meismann. "Der Bewerber hat schon mal Excel gesehen und erklärt nun, dieses Programm blind zu beherrschen. Oder aus dem längst vergessenen Schulenglisch, das zu einem knappen 'Ausreichend' auf dem Zeugnis gereicht hat, wird eine fließende Fremdsprache."
Wo genau die Grenze zwischen Schönfärben und Schummeln verläuft, lässt sich schwer festmachen. Eine Bewerberin, erzählt Meismann, wollte ihren aktuellen Arbeitgeber nicht nennen, da dieser von ihren Wechselabsichten nichts ahnte. Sie sei seit vier Jahren "an ein großes staatliches Unternehmen gebunden", orakelte die Frau. Tatsächlich war sie Langzeitarbeitslose - und als solche bei der Arbeitsagentur "unter Vertrag".
Verurteilung ist die Ausnahme
"Jeder versucht, sich möglichst positiv zu verkaufen, was völlig legitim ist, solange nicht unwahre Behauptungen aufgestellt werden", sagt Meismann. Vor allem die aktuelle berufliche Position, die für die Karriere am wichtigsten ist, wird gern aufgehübscht. Nach einer Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half International gehen 39 Prozent der Human-Resources-Manager in Deutschland davon aus, dass Bewerber im alten Job weniger Verantwortung hatten, als sie behaupten.
Ein Drittel zweifelt an den Angaben zur konkreten Tätigkeit. Dass die Skepsis berechtigt ist, zeigt die interne Statistik des Düsseldorfer Detektiv-Instituts Kocks: 30 Prozent der rund 5000 überprüften Bewerbungen waren manipuliert. Das vermeintliche Kavaliersdelikt mündet häufig sogar in eine kriminelle Karriere. 70 Prozent der Mitarbeiter, die in Unternehmen straffällig würden, hätten bereits bei der Bewerbung gelogen, berichtet die Detektei.
Kocks-Berater Manfred Lotze hält das Risiko ertappt zu werden für gering: "Die Personaler haben statistisch nur zwischen fünf und zehn Minuten Zeit für eine Bewerbungsmappe. Da ist wohl nur Daumenkino möglich." Selbst wenn der Schwindel entdeckt würde, kämen Lügner oft mit einem blauen Auge davon. "Eine schnelle Trennung ist dann das Ziel, gegebenenfalls mit Abfindung", so Lotze.
Die fristlose Kündigung, die auch Jahre nach dem Betrug droht, ist ein wirksames Druckmittel. Dagegen entpuppt sich die Möglichkeit, Anzeige zu erstatten und Schadensersatz zu fordern, als Papiertiger: "Die Verurteilung unehrlicher Bewerber ist die Ausnahme." Sogar strafrechtlich relevante Verfehlungen wie Urkundenfälschung oder unerlaubtes Führen eines akademischen Titels bleiben unter der Decke, beispielsweise weil das Unternehmen einen Imageverlust bei den Kunden fürchtet.
Selbstmarketing ist Pflicht
Arbeitgeber halten auch deshalb den Ball flach, weil sie es in Stellenausschreibungen selbst mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Um Talente anzulocken, übertreiben sie gern bei Aufstiegschancen oder Qualifikationsanforderungen. Damit nötigen sie die Bewerber geradezu, sich über Wert zu verkaufen.
Ohne geschicktes Selbstmarketing läuft wenig. "Erlaubt ist die Vergrößerung einer kleinen Wahrheit", meint Carolin Lüdemann, Karriere-Coach in Stuttgart. "Wer zum Beispiel einen Monat in Frankreich verbracht hat, kann das als Sprachreise statt als Strandurlaub deklarieren. Solange der Kern der Aussage erhalten bleibt, drohen keine unangenehmen Konsequenzen."
Bewusste Irreführung, etwa über Lücken im Lebenslauf, wäre zuviel des Schlechten. An dieser Stelle bringen sich viele Bewerber unnötig in Schwierigkeiten, weil sie glauben, über jedes noch so kleine Zeitfenster Rechenschaft ablegen zu müssen. Solche Not macht erfinderisch - und angreifbar.
"Das dürfen Sie mich nicht fragen!"
Dabei sind Lücken von bis zu drei Monaten - gerade wenn sie mit einem Stellenwechsel zusammenhängen - normal und könnten gut mit einem längeren Urlaub vor Beginn der Probezeit, Weiterbildung, Umzug oder Hausrenovierung begründet werden, sagt die Wiesbadener Karriereberaterin Ute Bölke. Längere Auszeiten sähen besser aus, wenn sie mit freiberuflicher Arbeit, einem Auslandsaufenthalt oder einem sozialen Engagement gefüllt seien, "auch wenn diese im geringeren Umfang stattgefunden und nicht für den Erwerb des Lebensunterhalt ausgereicht haben".
Wer nicht lügt, verstrickt sich nicht in Widersprüche - das zahlt sich gerade im Vorstellungsgespräch aus, wenn die Zeit fehlt, kunstvolle Formulierungen zu drechseln. "Zumal es in Anstrengung ausarten kann, sich zu merken, wem man was genau erzählt hat", warnt Claudia Kimich, die als Konfliktlöserin und Verhandlungsexpertin in München arbeitet. "Stehen Sie zu sich und Ihrem Lebenslauf. Wer Sie so nicht will, der hat Sie nicht verdient."
Gesundes Selbstbewusstsein hilft auch gegen private Fragen, die Personaler häufig stellen, obwohl sie wissen, dass sie dazu kein Recht haben (siehe Test "Ein bisschen lügen"). Der "Klassiker" ist die Frage an weibliche Bewerber, ob sie planen, Kinder zu bekommen. In diesem Fall ist Lügen erlaubt - oder eine Antwort wie "Das dürfen Sie mich nicht fragen".
Kimich hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass Personaler eine solche Reaktion als "zickig" empfinden. "Die beste Antwort hat eine meiner Klientinnen gegeben", erzählt die Beraterin. "Sie machte große Augen und sagte mit einem strahlenden Lächeln: 'Ach, ich wusste nicht, dass das für den Job nötig ist, aber wenn es so ist, dann gerne.' Sie hatte die Lacher auf ihrer Seite und das Thema war durch."
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