Betriebsrätin mit Burnout durfte segeln gehen
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Betriebsrätin mit Burnout durfte segeln gehen
Kann eine psychisch angeknackste Angestellte auf einen Segeltörn gehen? Eine große Handelsfirma kündigte der Betriebsratschefin wegen "vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit", doch nun erhält sie per Vergleich 50.000 Euro - damit endet ein quälender Streit über Mobbing und Burnout.
Was ein aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähiger Mitarbeiter beachten muss, regelt das deutsche Arbeitsrecht in den Grundzügen klar: Flott muss er zum Beispiel ein Attest vorlegen und dann alles dafür tun, um wieder gesund zu werden - also auch alles unterlassen, was ihn daran hindert. Arbeitnehmer sind sich oft unsicher, welche Aktivitäten in Ordnung sind: Was ist, wenn der Chef sie beim Spazierengehen sieht? Oder beim Einkaufen, im Kino, im Fußballstadion? Und darf ein krankgeschriebener Angestellter in Urlaub fahren?
Zu Hause einigeln muss man sich jedenfalls nicht, es kommt immer auf die Art der Erkrankung an. Was noch zulässig ist, wann jemand seine Pflichten verletzt, entscheiden in Streitfällen Arbeitsrichter. Sie können auch eine gewichtige Rolle spielen, sofern ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter erst so richtig in die Krankheit getrieben hat, bis hin zum systematischen Mobbing durch Vorgesetzte - psychische Beeinträchtigungen haben einen wachsenden Anteil an Krankschreibungen.
Hart zur Sache ging es in einem Dauerclinch zwischen einem Wuppertaler Handelsunternehmen und der Betriebsratsvorsitzenden, die für zweieinhalb Monate krankgeschrieben war. Der Arbeitgeber versuchte es mehrfach mit fristlosen Kündigungen und hielt die Diagnose Burnout für nur vorgetäuscht. Dagegen wehrte sich die Betriebsrätin, nach mehreren Verfahren zog das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am Donnerstag einen Schlussstrich: Die Enddreißigerin verlässt das Unternehmen, erhält aber eine Abfindung von 50.000 Euro.
Seit Jahren im Streit verkeilt
Bis zum 24. Mai können beide Parteien diesen Vergleich noch widerrufen, aber das scheint angesichts der zuvor arg verfahrenen Situation unwahrscheinlich. Lange schon beschäftigt das Duell nordrhein-westfälische Juristen: Ab dem Jahr 2000 war die kaufmännische Angestellte beim Unternehmen beschäftigt, einem Einkaufsverbund von Einzelhändlern mit rund 800 Mitarbeitern und Milliardenumsätzen. Im August 2008 wurde sie Betriebsratvorsitzende und darum von ihrer regulären Tätigkeit freigestellt; im Herbst 2009 war sie wegen psychischer Erschöpfung krankgeschrieben.
In diesen zweieinhalb Monaten nahm die Kauffrau an einer Segeltour nach Kroatien sowie einer Kinderfreizeit am Tegernsee teil. Beide Reisen veranstaltete ein Verein, dessen Vorsitzende sie war. Der Arbeitgeber wertete das als Beleg, dass ihre Arbeitsunfähigkeit nur simuliert war, und schickte (allerdings erst ein Jahr später) die erste Kündigung.
In so einem Fall muss der Betriebsrat zustimmen und tat es, denkbar knapp: mit 7:6 Mitgliedern gegen die Kollegin. Eine zweite Kündigung einige Tage darauf stützte das Unternehmen auf den Vorwurf, die Vorsitzende habe andere Betriebsratsmitglieder bedroht und beleidigt; zudem bewahre sie im Betriebsratsbüro "Verteidigungshandwaffen" auf.
Als die Polizei anrückte, entpuppten die Waffen sich dann als Pfefferspray, wie die "Westdeutsche Zeitung" berichtete. Dessen Lagerung rechtfertige ohnehin keine fristlose Kündigung, so wenig wie Ehrverletzungen gegenüber anderen Betriebsräten in einer "emotionalen Ausnahmesituation", entschied das Arbeitsgericht Wuppertal im Mai 2011.
Ein, zwei, drei, nein: vier Mal gekündigt
Dort wehrte sich die Betriebsrätin erfolgreich gegen die Entlassungsversuche: Mit ihrer Burnout-Erkrankung seien die Reisen vereinbar gewesen; ihre Ärztin habe sie dazu sogar ausdrücklich ermuntert. So sahen es auch die Arbeitsrichter und konnten nicht erkennen, warum der Segeltörn auf dem Mittelmeer und die Kinderfreizeit im Widerspruch zur Arbeitsunfähigkeit stehen sollten - oder der Genesung schaden.
Der Arbeitgeber ließ indes nicht locker, verhängte ein Hausverbot, drängte weiter auf die Trennung, mit insgesamt vier Kündigungen. Die Frau schlug zurück: 420.000 Euro als Entschädigung und Schmerzensgeld forderte sie vom Unternehmen. Durch ungerechtfertigte Abmahnungen und Kündigungen habe man sie unter Druck setzen wollen, den Betriebsratsvorsitz niederzulegen - aus ihrer Sicht eine Diskriminierung wegen ihrer "Weltanschauung". Massive gesundheitliche Beeinträchtigungen seien erst als Folge monatelangen Mobbings aufgetreten.
Diese Klage wies das Wuppertaler Arbeitsgericht allerdings Anfang März zurück, denn das Vorgehen des Arbeitgebers sei arbeitsrechtlich zulässig und der Rechtsstreit keine weltanschauliche Auseinandersetzung (Aktenzeichen 6 Ca 3382/11).
Das Landesarbeitsgericht hat die quälende Fehde nun per Vergleich abgeräumt. Nachdem die Ärztin als Zeugin in Düsseldorf aussagte, dass sie die Reisen für medizinisch zuträglich hielt und ihrer Patientin dazu geraten hatte, war der Weg frei. Wenn beide Seiten sich an die Vereinbarung halten, sind damit alle rechtlichen Auseinandersetzungen vom Tisch, auch die um die Kündigungen Nummer drei und vier (Aktenzeichen 11 Sa 807/11).
Quelle
Was ein aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähiger Mitarbeiter beachten muss, regelt das deutsche Arbeitsrecht in den Grundzügen klar: Flott muss er zum Beispiel ein Attest vorlegen und dann alles dafür tun, um wieder gesund zu werden - also auch alles unterlassen, was ihn daran hindert. Arbeitnehmer sind sich oft unsicher, welche Aktivitäten in Ordnung sind: Was ist, wenn der Chef sie beim Spazierengehen sieht? Oder beim Einkaufen, im Kino, im Fußballstadion? Und darf ein krankgeschriebener Angestellter in Urlaub fahren?
Zu Hause einigeln muss man sich jedenfalls nicht, es kommt immer auf die Art der Erkrankung an. Was noch zulässig ist, wann jemand seine Pflichten verletzt, entscheiden in Streitfällen Arbeitsrichter. Sie können auch eine gewichtige Rolle spielen, sofern ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter erst so richtig in die Krankheit getrieben hat, bis hin zum systematischen Mobbing durch Vorgesetzte - psychische Beeinträchtigungen haben einen wachsenden Anteil an Krankschreibungen.
Hart zur Sache ging es in einem Dauerclinch zwischen einem Wuppertaler Handelsunternehmen und der Betriebsratsvorsitzenden, die für zweieinhalb Monate krankgeschrieben war. Der Arbeitgeber versuchte es mehrfach mit fristlosen Kündigungen und hielt die Diagnose Burnout für nur vorgetäuscht. Dagegen wehrte sich die Betriebsrätin, nach mehreren Verfahren zog das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am Donnerstag einen Schlussstrich: Die Enddreißigerin verlässt das Unternehmen, erhält aber eine Abfindung von 50.000 Euro.
Seit Jahren im Streit verkeilt
Bis zum 24. Mai können beide Parteien diesen Vergleich noch widerrufen, aber das scheint angesichts der zuvor arg verfahrenen Situation unwahrscheinlich. Lange schon beschäftigt das Duell nordrhein-westfälische Juristen: Ab dem Jahr 2000 war die kaufmännische Angestellte beim Unternehmen beschäftigt, einem Einkaufsverbund von Einzelhändlern mit rund 800 Mitarbeitern und Milliardenumsätzen. Im August 2008 wurde sie Betriebsratvorsitzende und darum von ihrer regulären Tätigkeit freigestellt; im Herbst 2009 war sie wegen psychischer Erschöpfung krankgeschrieben.
In diesen zweieinhalb Monaten nahm die Kauffrau an einer Segeltour nach Kroatien sowie einer Kinderfreizeit am Tegernsee teil. Beide Reisen veranstaltete ein Verein, dessen Vorsitzende sie war. Der Arbeitgeber wertete das als Beleg, dass ihre Arbeitsunfähigkeit nur simuliert war, und schickte (allerdings erst ein Jahr später) die erste Kündigung.
In so einem Fall muss der Betriebsrat zustimmen und tat es, denkbar knapp: mit 7:6 Mitgliedern gegen die Kollegin. Eine zweite Kündigung einige Tage darauf stützte das Unternehmen auf den Vorwurf, die Vorsitzende habe andere Betriebsratsmitglieder bedroht und beleidigt; zudem bewahre sie im Betriebsratsbüro "Verteidigungshandwaffen" auf.
Als die Polizei anrückte, entpuppten die Waffen sich dann als Pfefferspray, wie die "Westdeutsche Zeitung" berichtete. Dessen Lagerung rechtfertige ohnehin keine fristlose Kündigung, so wenig wie Ehrverletzungen gegenüber anderen Betriebsräten in einer "emotionalen Ausnahmesituation", entschied das Arbeitsgericht Wuppertal im Mai 2011.
Ein, zwei, drei, nein: vier Mal gekündigt
Dort wehrte sich die Betriebsrätin erfolgreich gegen die Entlassungsversuche: Mit ihrer Burnout-Erkrankung seien die Reisen vereinbar gewesen; ihre Ärztin habe sie dazu sogar ausdrücklich ermuntert. So sahen es auch die Arbeitsrichter und konnten nicht erkennen, warum der Segeltörn auf dem Mittelmeer und die Kinderfreizeit im Widerspruch zur Arbeitsunfähigkeit stehen sollten - oder der Genesung schaden.
Der Arbeitgeber ließ indes nicht locker, verhängte ein Hausverbot, drängte weiter auf die Trennung, mit insgesamt vier Kündigungen. Die Frau schlug zurück: 420.000 Euro als Entschädigung und Schmerzensgeld forderte sie vom Unternehmen. Durch ungerechtfertigte Abmahnungen und Kündigungen habe man sie unter Druck setzen wollen, den Betriebsratsvorsitz niederzulegen - aus ihrer Sicht eine Diskriminierung wegen ihrer "Weltanschauung". Massive gesundheitliche Beeinträchtigungen seien erst als Folge monatelangen Mobbings aufgetreten.
Diese Klage wies das Wuppertaler Arbeitsgericht allerdings Anfang März zurück, denn das Vorgehen des Arbeitgebers sei arbeitsrechtlich zulässig und der Rechtsstreit keine weltanschauliche Auseinandersetzung (Aktenzeichen 6 Ca 3382/11).
Das Landesarbeitsgericht hat die quälende Fehde nun per Vergleich abgeräumt. Nachdem die Ärztin als Zeugin in Düsseldorf aussagte, dass sie die Reisen für medizinisch zuträglich hielt und ihrer Patientin dazu geraten hatte, war der Weg frei. Wenn beide Seiten sich an die Vereinbarung halten, sind damit alle rechtlichen Auseinandersetzungen vom Tisch, auch die um die Kündigungen Nummer drei und vier (Aktenzeichen 11 Sa 807/11).
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