Rassismus: Deutschland ohne Ausländer
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Rassismus: Deutschland ohne Ausländer
"Ausländer raus!" steht an mancher Häuserwand. Was würde die Umsetzung dieser Hetzparole konkret bedeuten? Zwei Autoren haben das Szenario – nicht ganz – zu Ende gedacht.
Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme haben in ihrem Buch Deutschland ohne Ausländer – Ein Szenario folgendes Planspiel entworfen: Was würde es für den Arbeitsmarkt bedeuten, die Wirtschaft, für die Steuereinnahmen und Sozialsysteme, für die Familien, für das Bildungssystem, für das Verhältnis Deutschlands zur internationalen Gemeinschaft, wenn alle sieben Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ausgewiesen würden?
"Ausländer raus" sagen vielleicht nur wenige laut. Meinungsforscher stellen aber fest, dass sehr viele Menschen, etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung, der pauschalen Aussage zustimmen, es gäbe zu viele Ausländer in Deutschland.
Deshalb kamen Bebenburg und Thieme auf die Idee, eine fiktive rechtspopulistische Regierung ins Amt zu setzen, die alle Menschen mit ausländischem Pass radikal des Landes verweist – auch alle EU-Bürger und alle Menschen, die mit deutschen Partnern verheiratet sind. Die Autoren befragten dazu Experten und beschreiben die katastrophalen Folgen für alle möglichen Lebensbereiche sehr anschaulich. Und doch wird das Buch keinen Rassisten zur Vernunft bringen.
Zusammenbruch im Arbeitsleben
Das Autorenteam beschreibt, wie zunächst einmal das Arbeitsleben in vielen Bereichen zusammenbrechen würde: in Pflegeeinrichtungen, an Flughäfen, in der Gastronomie, im Reinigungsservice, in der Automobilindustrie – also überall dort, wo überdurchschnittlich viele Ausländer arbeiten.
Ohne Migranten müssten Pflegeheime und ambulante Pflegedienste beispielsweise die Versorgung der Alten und Pflegebedürftigen auf ein Minimum reduzieren. Viele Menschen, die jetzt ambulant versorgt werden, würden in Pflegeeinrichtungen überwiesen werden. Da aber auch in den Heimen das Personal wegbrechen würde, könnten die Pflegebedürftigen gar nicht aufgenommen werden. Also müssten Verwandte einspringen und ihre Berufstätigkeit aufgeben oder erheblich reduzieren.
Ein weiteres Beispiel wäre die Bankwirtschaft, die international agiert und im mittleren und oberen Management besonders viele Ausländer beschäftigt. Eine Ausweisung von Ausländern hätte zur Folge, dass ganze Geschäftsbereiche in Deutschland aufgegeben werden müssten. Ausländische Banken würden ihre Filialen ganz schließen. All dies hätte enorme Auswirkungen auf die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft. Die wiederum ist gar nicht so rein deutsch wie man denkt. Aktiengesellschaften wie Daimler, Bayer oder E.On gehören mehrheitlich ausländischen Anlegern. Diese würden in einem solchen Szenario ihr Kapital zurückziehen, was einen Börsencrash zur Folge hätte.
Zu wenige Steuern und Sozialabgaben
Den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden würden Steuereinnahmen von 50 Milliarden Euro entgehen und die Bruttoinlandsproduktion würde jährlich um 150 bis 200 Milliarden Euro schrumpfen. Die Folge wären höhere Steuern und Sozialabgaben und ein höheres Renteneintrittsalter für die verbleibende Bevölkerung. Spätestens hier merkt der Leser, welche tief greifenden Konsequenzen die leichtfertige Vertreibung aller vordergründig Fremden hätte.
Deutschland wäre isoliert
Doch dabei bleibt es nicht. Ein derart massiver Eingriff in das gesellschaftliche Leben würde in unserer globalisierten Welt eine Kettenreaktion ungeahnten Ausmaßes auslösen. Man merkt den in dem Buch befragten Experten an, dass sie um Fassung ringen, wenn sie die Folgen eines solchen Gedankenspiels beschreiben sollen. Von der Wirkung eines "Atombombenabwurfs" ist da die Rede oder von Zuständen wie in Kriegszeiten, die Arbeitsverpflichtung und Zwangsarbeit für die zurückbleibende Bevölkerung zur Folge hätte. Ein "irreparabler Schaden" für die Volkswirtschaft, den man sich überhaupt nicht ausmalen möchte.
Die politischen Folgen wäre die internationale Isolierung Deutschlands und der Austritt aus der EU, da eine Ausweisung von EU-Ausländern eine eklatante Vertragsverletzung bedeuten würde.
Nicht alle Ausländer sind unerwünscht
Die Stärke des Buches liegt darin, dem Leser bis ins Detail vor Auge zu führen, welchen Verlust er hätte, gäbe es keine Ausländer in Deutschland mehr. Die Folgen wären für jeden einzelnen Bürger dieses Landes zu spüren. Diese Radikalität ist zugleich die Schwäche dieses Gedankenspiels. Die Autoren nehmen die ressentimentgeladene Einstellung, es gäbe zu viele Ausländer in Deutschland, wortwörtlich. Sie beachten dabei nicht, dass die meisten Menschen, die dieser Aussage zustimmen, Einschränkungen machen würden, wenn es um eine konkrete politische Umsetzung ginge.
Was zunächst beruhigend klingt, zeigt doch das eigentliche Problem: Die meisten Deutschen möchten wohl nicht einfach alle Ausländer aus dem Land haben, sondern nur bestimmte Gruppen. Ethnische Hierarchisierung wird eine solche Rangordnung genannt, die den Status von ethnischen Gruppen spiegelt. Konkret würde der Wunsch nach Ausweisung wohl die Gruppe der Afrikaner, Araber und Türken betreffen - also die Migranten, die man als besonders "fremd" erlebt. Längst hat sich auch der ressentimentbeladenen Chiffre "Ausländer" in Richtung "Muslim" verschoben, was im Szenario kaum beachtet wird. Die Populisten dieser Tage wettern doch längst nicht mehr gegen Gastarbeiter, Ausländer und "Kanacken" – sondern erklären den Fremdgläubigen zu einer Bedrohung.
Viele gerade von diesen Fremden sind allerdings Deutsche, genauer gesagt "neue Deutsche" – wie die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan es formuliert. Nach Angaben der Autoren leben 8,6 Millionen eingebürgerte Migranten in Deutschland. Diese könnten in diesem Szenario gar nicht ausgewiesen werden. Oder wie die Autoren treffend formulieren: "Die Überraschung wird groß sein in Deutschland. (...) Denn viele, die man für Ausländer gehalten haben mag, sind gar keine."
Quelle
Die Journalisten Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme haben in ihrem Buch Deutschland ohne Ausländer – Ein Szenario folgendes Planspiel entworfen: Was würde es für den Arbeitsmarkt bedeuten, die Wirtschaft, für die Steuereinnahmen und Sozialsysteme, für die Familien, für das Bildungssystem, für das Verhältnis Deutschlands zur internationalen Gemeinschaft, wenn alle sieben Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ausgewiesen würden?
"Ausländer raus" sagen vielleicht nur wenige laut. Meinungsforscher stellen aber fest, dass sehr viele Menschen, etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung, der pauschalen Aussage zustimmen, es gäbe zu viele Ausländer in Deutschland.
Deshalb kamen Bebenburg und Thieme auf die Idee, eine fiktive rechtspopulistische Regierung ins Amt zu setzen, die alle Menschen mit ausländischem Pass radikal des Landes verweist – auch alle EU-Bürger und alle Menschen, die mit deutschen Partnern verheiratet sind. Die Autoren befragten dazu Experten und beschreiben die katastrophalen Folgen für alle möglichen Lebensbereiche sehr anschaulich. Und doch wird das Buch keinen Rassisten zur Vernunft bringen.
Zusammenbruch im Arbeitsleben
Das Autorenteam beschreibt, wie zunächst einmal das Arbeitsleben in vielen Bereichen zusammenbrechen würde: in Pflegeeinrichtungen, an Flughäfen, in der Gastronomie, im Reinigungsservice, in der Automobilindustrie – also überall dort, wo überdurchschnittlich viele Ausländer arbeiten.
Ohne Migranten müssten Pflegeheime und ambulante Pflegedienste beispielsweise die Versorgung der Alten und Pflegebedürftigen auf ein Minimum reduzieren. Viele Menschen, die jetzt ambulant versorgt werden, würden in Pflegeeinrichtungen überwiesen werden. Da aber auch in den Heimen das Personal wegbrechen würde, könnten die Pflegebedürftigen gar nicht aufgenommen werden. Also müssten Verwandte einspringen und ihre Berufstätigkeit aufgeben oder erheblich reduzieren.
Ein weiteres Beispiel wäre die Bankwirtschaft, die international agiert und im mittleren und oberen Management besonders viele Ausländer beschäftigt. Eine Ausweisung von Ausländern hätte zur Folge, dass ganze Geschäftsbereiche in Deutschland aufgegeben werden müssten. Ausländische Banken würden ihre Filialen ganz schließen. All dies hätte enorme Auswirkungen auf die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft. Die wiederum ist gar nicht so rein deutsch wie man denkt. Aktiengesellschaften wie Daimler, Bayer oder E.On gehören mehrheitlich ausländischen Anlegern. Diese würden in einem solchen Szenario ihr Kapital zurückziehen, was einen Börsencrash zur Folge hätte.
Zu wenige Steuern und Sozialabgaben
Den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden würden Steuereinnahmen von 50 Milliarden Euro entgehen und die Bruttoinlandsproduktion würde jährlich um 150 bis 200 Milliarden Euro schrumpfen. Die Folge wären höhere Steuern und Sozialabgaben und ein höheres Renteneintrittsalter für die verbleibende Bevölkerung. Spätestens hier merkt der Leser, welche tief greifenden Konsequenzen die leichtfertige Vertreibung aller vordergründig Fremden hätte.
Deutschland wäre isoliert
Doch dabei bleibt es nicht. Ein derart massiver Eingriff in das gesellschaftliche Leben würde in unserer globalisierten Welt eine Kettenreaktion ungeahnten Ausmaßes auslösen. Man merkt den in dem Buch befragten Experten an, dass sie um Fassung ringen, wenn sie die Folgen eines solchen Gedankenspiels beschreiben sollen. Von der Wirkung eines "Atombombenabwurfs" ist da die Rede oder von Zuständen wie in Kriegszeiten, die Arbeitsverpflichtung und Zwangsarbeit für die zurückbleibende Bevölkerung zur Folge hätte. Ein "irreparabler Schaden" für die Volkswirtschaft, den man sich überhaupt nicht ausmalen möchte.
Die politischen Folgen wäre die internationale Isolierung Deutschlands und der Austritt aus der EU, da eine Ausweisung von EU-Ausländern eine eklatante Vertragsverletzung bedeuten würde.
Nicht alle Ausländer sind unerwünscht
Die Stärke des Buches liegt darin, dem Leser bis ins Detail vor Auge zu führen, welchen Verlust er hätte, gäbe es keine Ausländer in Deutschland mehr. Die Folgen wären für jeden einzelnen Bürger dieses Landes zu spüren. Diese Radikalität ist zugleich die Schwäche dieses Gedankenspiels. Die Autoren nehmen die ressentimentgeladene Einstellung, es gäbe zu viele Ausländer in Deutschland, wortwörtlich. Sie beachten dabei nicht, dass die meisten Menschen, die dieser Aussage zustimmen, Einschränkungen machen würden, wenn es um eine konkrete politische Umsetzung ginge.
Was zunächst beruhigend klingt, zeigt doch das eigentliche Problem: Die meisten Deutschen möchten wohl nicht einfach alle Ausländer aus dem Land haben, sondern nur bestimmte Gruppen. Ethnische Hierarchisierung wird eine solche Rangordnung genannt, die den Status von ethnischen Gruppen spiegelt. Konkret würde der Wunsch nach Ausweisung wohl die Gruppe der Afrikaner, Araber und Türken betreffen - also die Migranten, die man als besonders "fremd" erlebt. Längst hat sich auch der ressentimentbeladenen Chiffre "Ausländer" in Richtung "Muslim" verschoben, was im Szenario kaum beachtet wird. Die Populisten dieser Tage wettern doch längst nicht mehr gegen Gastarbeiter, Ausländer und "Kanacken" – sondern erklären den Fremdgläubigen zu einer Bedrohung.
Viele gerade von diesen Fremden sind allerdings Deutsche, genauer gesagt "neue Deutsche" – wie die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan es formuliert. Nach Angaben der Autoren leben 8,6 Millionen eingebürgerte Migranten in Deutschland. Diese könnten in diesem Szenario gar nicht ausgewiesen werden. Oder wie die Autoren treffend formulieren: "Die Überraschung wird groß sein in Deutschland. (...) Denn viele, die man für Ausländer gehalten haben mag, sind gar keine."
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