Die Geschichte der Fa. Voigtländer
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Die Geschichte der Fa. Voigtländer
Die Firma Voigtländer wurde 1756 in Wien gegründet. Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer übernahm 1839, im Alter von 27 Jahren, die Leitung des Familienbetriebes für optische Geräte von seinem Großvater.
1839 wurde die Erfindung der Fotografie in Paris veröffentlicht. Im gleichen Jahr baute Voigtländer die erste Metallkamera. Diese Kamera, entwickelt von dem Mathematikprofessor Jozef Maximilián Petzval, wurde auf der Weltausstellung in Paris mit einer Medaille ausgezeichnet und brachte Voigtländer große Gewinne ein.
Petzval wurde aber an diesen Gewinnen nicht beteiligt. Daraus entstand ein Konflikt, der Friedrich Voigtländer dazu veranlasste, außerhalb von Österreich in Braunschweig ein Zweigwerk zu errichten. Er war verheiratet mit Nanny Zinke-Sommer, geb. Langenheim, aus Braunschweig. (Ihr Sohn aus erster Ehe, Hans Sommer, Stiefsohn von Voigtländer, war Naturwissenschaftler und Komponist und wurde bekannt, weil er zusammen mit Richard Strauss 1903 eine Anstalt für musikalische Aufführungsrechte gründete, die erste Vorgängerorganisation der heutigen GEMA. Nach ihm ist die Braunschweiger Hans-Sommer-Straße benannt.) 1849 pachtete Friedrich Voigtländer das "Libausche" Grundstück vor dem Augusttor an der Wolfenbütteler Straße und baute darauf mehrere Firmengebäude. 1867 wurde er durch den Kaiser von Österreich geadelt und in den erblichen Ritterstand erhoben. Danach verlegte er den Firmensitz ganz nach Braunschweig. Die damals gebaute Fabrik steht heute noch an der Ecke Campe-Straße/Adolfstraße. 1876 übernahm der Sohn Friedrich-Wilhelm die Leitung der Firma Voigtländer. 1898 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Durch steigende Absatzzahlen wurde die Fabrik in der Campe-Straße bald zu klein und so wurde 1915 eine neue Fabrik im Stadtteil Gliesmarode errichtet, die 1929 nochmals erweitert wurde. In diesem Stadtteil liegen auch die Friedrich-Voigtländer- und die Petzvalstraße. 1960 geriet die Fabrik in eine Absatzkrise und 1972 kam es zur Schließung des Werkes mit 2037 Mitarbeitern. Die Schließung dieser für die Stadt und den Landkreis Braunschweig bedeutenden Firma wurde von der Firma Zeiss-Ikon Oberkochen betrieben, da diese Firma zu dieser Zeit die Aktienmehrheit an der Firma Voigtländer hielt. Somit wurde ein unliebsamer Konkurrent ausgeschaltet. Bedeutend deshalb, weil die Firma Voigtländer in der gesamten Welt einen ausgezeichneten Ruf besaß. Wichtig auch für die Stadt Braunschweig und den Landkreis Braunschweig deshalb, weil fast zu 100% die Betriebsangehörigen ihren Wohnsitz in diesem Bereich hatten. Alle Proteste der Betriebsangehörigen und des Betriebsrates, unter anderem ein Schweigemarsch von dem Werksgelände zum Burgplatz, halfen nicht. Und so endete die Geschichte der Firma Voigtländer&Sohn AG, wie sie jetzt hieß, nach 216 Jahren.
Meine Erinnerungen als Mitarbeiter der Firma Voigtländer
Ich hatte meine Schulzeit hinter mich gebracht und machte mich auf die Suche nach einer Lehrstelle. Traditionsgemäß bewarben sie die Jugendlichen bei der Firma in der auch der Vater arbeitete. Also bewarb ich mich bei der Firma Voigtländer A.G. um eine Lehrstelle. Wenn ich mich richtig erinnere, wusste ich aber nicht, welchen Beruf ich ergreifen wollte oder sollte. Nach einiger Zeit erhielt ich von der Firma Voigtländer einen Brief mit der Zusage für eine Lehrstelle, um als Dreher ausgebildet zu werden. Diese Zusage habe ich, oder meine Eltern?, angenommen. Am 01. April 1956 begann nun für mich der Ernst des Lebens als Lehrling. Mein erster Arbeitsplatz befand sich in der Lehrwerkstatt. Hier wurden alle Grundfähigkeiten, die man für die Bearbeitung von Metall benötigt, gelehrt. Also Feilen, Bohren, Fräsen, Hobeln und Nieten. Ich weiß noch ganz genau, dass mir diese Arbeiten überhaupt keinen Spaß machten, da ich diese Fertigkeiten in meinem späteren Beruf als Dreher nicht benötigen würde. Aber Grundausbildung ist Grundausbildung. An einem Tag der Woche ging ich zur gewerblichen Berufsschule II der Stadt Braunschweig auf dem Inselwall. Im ersten Lehrjahr erhielt ich als Lehrgeld, so hieß es damals, DM 45,00 im Monat. Von diesen DM 45,00 musste ich noch DM 20,00 als Haushaltsgeld bei meiner Mutter abliefern. Aber auch diese Zeit ging vorüber und ab dem zweiten Lehrjahr erhielt ich nun einen Arbeitsplatz an einer Leitspindel-Drehbank in der Lehrwerkstatt. Mein Lehrgeld nun sage und schreiben DM 65,00, natürlich minus DM 20,00 Haushaltsgeld. Jetzt machte mir die Arbeit richtig Spaß und ich bearbeitet Messing, Aluminium und Stahl nach einer vorgegebenen Zeichnung an der Leitspindel-Drehbank. Ab dem dritten Lehrjahr ging es nun auf Wanderschaft innerhalb des Betriebes. Von der Dreherei, in die Werkzeug-Dreherei und wieder zurück in die Lehrwerkstatt. Mein "Gehalt" betrug jetzt DM 85,00, natürlich minus DM 20,00. Das dritte und somit letzte Lehrjahr neigte sich dem Ende entgegen, die theoretische und die praktische Gesellenprüfungen standen jetzt auf dem Programm. Die theoretische Prüfung in der gewerblichen Berufsschule II und die praktische Prüfung in dem VW-Werk in Braunschweig. Alle Prüfungen habe ich bestanden und erhielt am 31. März 1959 meinen Facharbeiterbrief.
Nun war ich ausgebildeter Dreher und meine Arbeit in der Produktion konnte beginnen. Einen Arbeitsplatz erhielt ich in der Dreherei, in der alle runden Teile eines Fotoapparates aus Messing oder Aluminium gefertigt wurden. Am 11. März 1963 wechselte ich in die Abteilung Teilefertigung der Sonderfertigung für Mikroskopiegeräte als Revolverdreher. Jetzt begann eigentlich die schönste Zeit meines Arbeitslebens bei Voigtländer. Überhaupt fühlte man sich in der Firma wie in einer großen Familie, obwohl die Gesamtbelegschaft in den besten Jahren ca. 3000 Mitarbeiter betrug. Es wurde intensiv gearbeitet, aber auch gefeiert. Hatte eine Kollegin oder ein Kollege einen runden Geburtstag, oder ein Firmenjubiläum, gab es stets ein ordentliches Fest. Das betraf alle Mitarbeiter der Abteilung mit deren Vorgesetzten. Dabei gab es auch schon am Vormittag Alkohol, sodass die Arbeit für diesen Tag ruhte. Heute wohl nicht mehr denkbar. Am 27. Mai 1969 wurde ich als Lehrgeselle für mehrere Dreher-Anlernlinge eingesetzt. Am 16. November 1969 wurde ich zum Einrichter ernannt und betreute verschiedene Typen von Revolver-, Kopier- und Nachdrehmaschinen. Kurze Zeit später wurde ich mit der Vertretung des Meisters der Teilefertigung beauftragt. Am 30. Juni 1972 endete mein Berufsleben bei der Firma Voigtländer, nach 16 Jahren, wegen Schließung des Betriebes. Als Letzter der Abteilung machte ich das Licht aus und ging nach Hause. Bald begann eine weitere, aber ganz andere Berufslaufbahn. Aber das ist eine andere Geschichte.
Quelle
1839 wurde die Erfindung der Fotografie in Paris veröffentlicht. Im gleichen Jahr baute Voigtländer die erste Metallkamera. Diese Kamera, entwickelt von dem Mathematikprofessor Jozef Maximilián Petzval, wurde auf der Weltausstellung in Paris mit einer Medaille ausgezeichnet und brachte Voigtländer große Gewinne ein.
Petzval wurde aber an diesen Gewinnen nicht beteiligt. Daraus entstand ein Konflikt, der Friedrich Voigtländer dazu veranlasste, außerhalb von Österreich in Braunschweig ein Zweigwerk zu errichten. Er war verheiratet mit Nanny Zinke-Sommer, geb. Langenheim, aus Braunschweig. (Ihr Sohn aus erster Ehe, Hans Sommer, Stiefsohn von Voigtländer, war Naturwissenschaftler und Komponist und wurde bekannt, weil er zusammen mit Richard Strauss 1903 eine Anstalt für musikalische Aufführungsrechte gründete, die erste Vorgängerorganisation der heutigen GEMA. Nach ihm ist die Braunschweiger Hans-Sommer-Straße benannt.) 1849 pachtete Friedrich Voigtländer das "Libausche" Grundstück vor dem Augusttor an der Wolfenbütteler Straße und baute darauf mehrere Firmengebäude. 1867 wurde er durch den Kaiser von Österreich geadelt und in den erblichen Ritterstand erhoben. Danach verlegte er den Firmensitz ganz nach Braunschweig. Die damals gebaute Fabrik steht heute noch an der Ecke Campe-Straße/Adolfstraße. 1876 übernahm der Sohn Friedrich-Wilhelm die Leitung der Firma Voigtländer. 1898 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Durch steigende Absatzzahlen wurde die Fabrik in der Campe-Straße bald zu klein und so wurde 1915 eine neue Fabrik im Stadtteil Gliesmarode errichtet, die 1929 nochmals erweitert wurde. In diesem Stadtteil liegen auch die Friedrich-Voigtländer- und die Petzvalstraße. 1960 geriet die Fabrik in eine Absatzkrise und 1972 kam es zur Schließung des Werkes mit 2037 Mitarbeitern. Die Schließung dieser für die Stadt und den Landkreis Braunschweig bedeutenden Firma wurde von der Firma Zeiss-Ikon Oberkochen betrieben, da diese Firma zu dieser Zeit die Aktienmehrheit an der Firma Voigtländer hielt. Somit wurde ein unliebsamer Konkurrent ausgeschaltet. Bedeutend deshalb, weil die Firma Voigtländer in der gesamten Welt einen ausgezeichneten Ruf besaß. Wichtig auch für die Stadt Braunschweig und den Landkreis Braunschweig deshalb, weil fast zu 100% die Betriebsangehörigen ihren Wohnsitz in diesem Bereich hatten. Alle Proteste der Betriebsangehörigen und des Betriebsrates, unter anderem ein Schweigemarsch von dem Werksgelände zum Burgplatz, halfen nicht. Und so endete die Geschichte der Firma Voigtländer&Sohn AG, wie sie jetzt hieß, nach 216 Jahren.
Meine Erinnerungen als Mitarbeiter der Firma Voigtländer
Ich hatte meine Schulzeit hinter mich gebracht und machte mich auf die Suche nach einer Lehrstelle. Traditionsgemäß bewarben sie die Jugendlichen bei der Firma in der auch der Vater arbeitete. Also bewarb ich mich bei der Firma Voigtländer A.G. um eine Lehrstelle. Wenn ich mich richtig erinnere, wusste ich aber nicht, welchen Beruf ich ergreifen wollte oder sollte. Nach einiger Zeit erhielt ich von der Firma Voigtländer einen Brief mit der Zusage für eine Lehrstelle, um als Dreher ausgebildet zu werden. Diese Zusage habe ich, oder meine Eltern?, angenommen. Am 01. April 1956 begann nun für mich der Ernst des Lebens als Lehrling. Mein erster Arbeitsplatz befand sich in der Lehrwerkstatt. Hier wurden alle Grundfähigkeiten, die man für die Bearbeitung von Metall benötigt, gelehrt. Also Feilen, Bohren, Fräsen, Hobeln und Nieten. Ich weiß noch ganz genau, dass mir diese Arbeiten überhaupt keinen Spaß machten, da ich diese Fertigkeiten in meinem späteren Beruf als Dreher nicht benötigen würde. Aber Grundausbildung ist Grundausbildung. An einem Tag der Woche ging ich zur gewerblichen Berufsschule II der Stadt Braunschweig auf dem Inselwall. Im ersten Lehrjahr erhielt ich als Lehrgeld, so hieß es damals, DM 45,00 im Monat. Von diesen DM 45,00 musste ich noch DM 20,00 als Haushaltsgeld bei meiner Mutter abliefern. Aber auch diese Zeit ging vorüber und ab dem zweiten Lehrjahr erhielt ich nun einen Arbeitsplatz an einer Leitspindel-Drehbank in der Lehrwerkstatt. Mein Lehrgeld nun sage und schreiben DM 65,00, natürlich minus DM 20,00 Haushaltsgeld. Jetzt machte mir die Arbeit richtig Spaß und ich bearbeitet Messing, Aluminium und Stahl nach einer vorgegebenen Zeichnung an der Leitspindel-Drehbank. Ab dem dritten Lehrjahr ging es nun auf Wanderschaft innerhalb des Betriebes. Von der Dreherei, in die Werkzeug-Dreherei und wieder zurück in die Lehrwerkstatt. Mein "Gehalt" betrug jetzt DM 85,00, natürlich minus DM 20,00. Das dritte und somit letzte Lehrjahr neigte sich dem Ende entgegen, die theoretische und die praktische Gesellenprüfungen standen jetzt auf dem Programm. Die theoretische Prüfung in der gewerblichen Berufsschule II und die praktische Prüfung in dem VW-Werk in Braunschweig. Alle Prüfungen habe ich bestanden und erhielt am 31. März 1959 meinen Facharbeiterbrief.
Nun war ich ausgebildeter Dreher und meine Arbeit in der Produktion konnte beginnen. Einen Arbeitsplatz erhielt ich in der Dreherei, in der alle runden Teile eines Fotoapparates aus Messing oder Aluminium gefertigt wurden. Am 11. März 1963 wechselte ich in die Abteilung Teilefertigung der Sonderfertigung für Mikroskopiegeräte als Revolverdreher. Jetzt begann eigentlich die schönste Zeit meines Arbeitslebens bei Voigtländer. Überhaupt fühlte man sich in der Firma wie in einer großen Familie, obwohl die Gesamtbelegschaft in den besten Jahren ca. 3000 Mitarbeiter betrug. Es wurde intensiv gearbeitet, aber auch gefeiert. Hatte eine Kollegin oder ein Kollege einen runden Geburtstag, oder ein Firmenjubiläum, gab es stets ein ordentliches Fest. Das betraf alle Mitarbeiter der Abteilung mit deren Vorgesetzten. Dabei gab es auch schon am Vormittag Alkohol, sodass die Arbeit für diesen Tag ruhte. Heute wohl nicht mehr denkbar. Am 27. Mai 1969 wurde ich als Lehrgeselle für mehrere Dreher-Anlernlinge eingesetzt. Am 16. November 1969 wurde ich zum Einrichter ernannt und betreute verschiedene Typen von Revolver-, Kopier- und Nachdrehmaschinen. Kurze Zeit später wurde ich mit der Vertretung des Meisters der Teilefertigung beauftragt. Am 30. Juni 1972 endete mein Berufsleben bei der Firma Voigtländer, nach 16 Jahren, wegen Schließung des Betriebes. Als Letzter der Abteilung machte ich das Licht aus und ging nach Hause. Bald begann eine weitere, aber ganz andere Berufslaufbahn. Aber das ist eine andere Geschichte.
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