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Die Aktion "Falle"

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Beitrag  checker Mo Jun 30, 2014 6:52 am

Berlin (epd). Im Herbst 1987 schien sich in der DDR viel zu ändern: In Moskau hielt Michail Gorbatschow die Zügel in der Hand. Sein Credo: Sozialismus brauche Demokratie wie die Luft zum Atmen. Mit "Glasnost" ("Transparenz") ließ er Berichte über Mühen und Qualen des Alltags ebenso zu wie über Katastrophen. Die DDR, die nach dem Slogan lebte "Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen", konnte sich schlecht entziehen: die "Umweltbibliothek" mit Büchern zur Umwelt, aber auch zu anderen verbotenen Themen, bestand seit einem Jahr in den Kellerräumen der Berliner Zionskirche.

Seither druckten Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan auch halblegal die "Umweltblätter" ("Nur für den innerkirchlichen Gebrauch"). Die "Initiative Frieden und Menschenrechte" (IFM) wagte es seit anderthalb Jahren, ihr Untergrundblatt "grenzfall" (Auflage: 1.200 Stück) ohne kirchlichen Schutz zu drucken. Am Olof-Palme-Friedensmarsch nahmen kirchliche Gruppen mit eigenen Plakaten teil. Mit DDR-treuen Leuten marschierten sie tagelang einträchtig nebeneinander. Die Hoffnung auf bessere Zeiten in der DDR wuchs, bis sie sich in der Nacht vom 24. auf den 25. November als Strohfeuer für den Besuch Erich Honeckers in Westdeutschland entpuppte.

Seit 23 Uhr arbeitete an jenem Abend die Druckmaschine in der Berliner Zionskirche. Das war für die draußen Lauernden das Signal einzugreifen: Sie stürmten den Keller, hielten den Anwesenden, darunter einem 14-Jährigen, Pistolen an den Kopf, zwangen alle in den Vorraum, durchsuchten Räume, beschlagnahmten beide Druckmaschinen und viele Unterlagen, nahmen die Beteiligten schließlich mit. Die Aktentasche am Fuß der Maschine übersahen sie. In ihr befanden sich "nur" Druckerschwärze und die Wachsvorlagen für den "grenzfall", dem der Schlag im Wesentlichen gilt. Doch jene, die für den "grenzfall" Redaktion und Druck organisierten, waren gar nicht da. Das ist wohl auch der Grund, warum die Stasi-Jäger nicht auf die Tasche achteten. Sie wollten Peter Grimm, Ralf Hirsch und Peter Rölle festnehmen, die unterdessen gemütlich beim Bier saßen. Der vierte im Bunde, Rainer Dietrich, stieß dazu. Ihn hatten die drei nur per Zettel an der Haustür über den neuen Treffpunkt informiert.

Die Stasi wusste bestens Bescheid. Der Inoffizielle Mitarbeiter "Cindy", alias Rainer Dietrich, hatte berichtet, den nächsten "grenzfall" werde man in der Umweltbibliothek drucken, der Druck in Wohnungen gelte als zu gefährlich. Mielkes Mannen bereiteten alles generalstabsmäßig vor, nannten die Aktion "Falle", in die gleich drei Akteure laufen sollten: die "Initiative Frieden und Menschenrechte" (IFM) mit dem "grenzfall", die "Umweltbibliothek" und die evangelische Kirche, die offenkundig Staatsfeinde in ihren Räumen drucken ließ. "Cindy" brachte die Druckmaschine selbst zur Zionskirche, stellte die Aktentasche ab und vereinbarte mit den drei anderen, beim Druck dabei zu sein. Alles schien für die Stasi perfekt zu laufen.

Doch am späten Nachmittag vereinbarten Rüddenklau und Grimm, die IFM sollte beim Druck besser nicht dabei sein - eine Abrede, die "Cindy" erst in der Kneipe erfuhr. Informieren konnte er seinen Führungsoffizier nicht mehr; Mobiltelefone gab es noch nicht. Er redete sich gegenüber der Stasi damit raus, sein Trabi-Motor habe gestreikt. So geriet der Stasischlag gegen den "grenzfall" und die kirchlichen "Umweltblätter" zum Schlag ins Wasser. Die DDR zeigte wieder ihr hässliches Gesicht und wurde es bis zum Herbst 1989 nicht mehr los.

Dass sich die Aktion offenkundig gegen die Kirche und eine Publikation unter ihrem Schutz richtete, empörte nicht nur Oppositionelle, sondern Tausende Gläubige im Land. Die Meldung der DDR-Medien, in der Zionskirche habe man mehrere Männer auf frischer Tat ertappt, als sie staatsfeindliche Schriften herstellten, empfanden Pfarrer und Gemeindeglieder nur noch als Provokation.

Pfarrer Hans Simon alarmierte noch in der Nacht die Malerin Bärbel Bohley (1945-2010), damals wohl die wichtigste Oppositionelle. Sie und andere Mitstreiter organisierten Mahnwachen an der Kirche, die die Freilassung der Inhaftierten, aber auch Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit forderten. Die ersten Teilnehmer der Mahnwachen wurden sofort verhaftet. Minuten später standen andere an ihrer Stelle, bis die Stasi das Festnehmen aufgab. Der hier gezeigte Mut überzeugte in den Monaten danach viele Menschen. Nach zehn Tagen waren alle Verhafteten frei. Mahnwachen wurden bei Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht zur ständigen Übung. In der Neujahrsausgabe bedankten sich die "Umweltblätter" spöttisch für die weltweite Gratiswerbung: "Macht weiter so, Jungs!"

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