Wolfgang Stützel
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Wolfgang Stützel
Wolfgang Stützel (* 23. Januar 1925 in Aalen; † 1. März 1987 in Saarbrücken) war ein deutscher Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Von 1966 bis 1968 war er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er prägte die Begrifflichkeit Volkswirtschaftliche Saldenmechanik.
Leben
Wolfgang Stützel stammte aus Aalen in Baden-Württemberg, wo sein Vater Hermann Stützel, ein promovierter Chemiker, in Kriegs- und Friedenszeiten auch als Meisterdechiffreur tätig, eine kleine Tonwarenfabrik betrieb. Seine Mutter Frieda, geb. Hennig, stammte aus Wittenberg. Er hatte drei ältere Geschwister, einen Bruder und zwei Schwestern, und brachte es mit seinem musikalischen Talent 1943 zum Schüler Elly Neys am Salzburger Mozarteum.[1] Nach eineinhalb Jahren bei einer Luftnachrichtentruppe entkam er im Frühjahr 1945 in Italien aus der Gefangenschaft und begann sofort ein Studium der evangelischen Theologie und alter Sprachen in Tübingen, weil 1945 nur noch die theologischen Fakultäten arbeiteten. Erst ab Sommer 1947 konnte er Wirtschaftswissenschaften studieren, 1950 erhielt er sein Diplom und promovierte 1952 mit einer Arbeit über das „Verhältnis der Wirtschaft zum Staat“. Nach zwei Jahren als Assistent von Prof. Brinkmann in Tübingen bekam er ein Forschungsstipendium für die London School of Economics und arbeitete 1953-56 als stellvertretender Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Berliner Bank und 1957-58 zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, zuletzt als Abteilungsleiter für Publikationen und Sonderaufgaben bei der Bundesbank.[2]
Wolfgang Stützel habilitierte sich 1958 über die Saldenmechanik makroökonomischer Zusammenhänge und wurde sofort, gefördert von Professor Herbert Giersch, im Alter von knapp 33 Jahren als ordentlicher Professor nach Saarbrücken berufen, wo er sich auf die Bankbetriebslehre und die Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Geld, Währung und Kredit konzentrierte. Dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gehörte Stützel ab Februar 1966 an und schied schon im September 1968 wieder aus, weil er eine Aufwertung der DM nicht vertreten wollte und seine abweichende Auffassung nicht respektiert wurde.[3] In den 1970er Jahren engagierte er sich auf verschiedenen Ebenen bei der FDP. (Stadtverordneter, Landesvorstand, Bundestagskandidat, Mitglied in diversen Gremien der Bundespartei). Er lehrte fast 30 Jahre als ordentlicher Professor an der Universität des Saarlandes und lehnte mehrere Rufe an andere Universitäten ab. Im Jahr 1986 erlitt er einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht wieder erholte. Daraufhin entschied er sich im Jahr 1987 zum Freitod. Er hinterließ drei erwachsene Kinder.
Auszeichnungen
1978: Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik
1985: Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen
1985: Großes Bundesverdienstkreuz
Mitgliedschaften
1958–1987: Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes
1966–1968: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
1982–1987: Kronberger Kreis
Wirtschaftspolitische Standpunkte
Als Herausgeber der Schriften von Wilhelm Lautenbach vertrat Wolfgang Stützel in seinen frühen Jahren keynesianische Vorstellungen und begründete mit der von ihm ausgearbeiteten und in die ökonomische Diskussion eingeführten volkswirtschaftlichen Saldenmechanik einen kritischen Ansatz gegenüber der herrschenden Lehre in der VWL.[4]
In den siebziger Jahren entfernte sich Stützel immer mehr von den keynesianischen und nachfrageorientierten Positionen[5]. Nach der mit Hochzinspolitik verursachten Rezession 1973/74 war eine hohe Arbeitslosigkeit entstanden und Stützel wollte diese als ein weniger konjunkturelles, als vielmehr strukturelles Problem sehen und plädierte für Kürzungen im Sozialbereich und den Abbau des Kündigungsschutzes. In seinem Buch Marktpreis und Menschenwürde (1981) argumentierte er für einen Umbau des Sozialstaats entsprechend den Vorstellungen des Wirtschaftsliberalismus im Kronberger Kreis.[6] Er legt in dem Buch seine These dar, dass eine „gute soziale Absicht“ oft „böse soziale Folgen“ haben kann - so halte ein stärkerer Kündigungsschutz oder überhöhte Tarife Arbeitgeber davon ab, Menschen überhaupt anzustellen. Die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber vermindere die Anstellungschancen kränklicher Menschen. Er setzte sich für eine „Marktwirtschaft mit systemkonformer Sozialpolitik“ ein, in der der Staat die Aufgabe hat, für gleiche Startchancen zu sorgen und Schwächeren Hilfe zu leisten, aber wo wenig durch Vorschriften in die Marktwirtschaft eingegriffen wird. Bereits in den 60er Jahren stellte er die Überzeugung infrage, dass eine gesunde Wirtschaft ständig weiteres Wirtschaftswachstum brauche.[7]
Geld- und Währungspolitik
Als Mitglied im Sachverständigenrat lehnte Wolfgang Stützel im Jahr 1968 die Aufwertung der DM ab. Die von der Bundesbank mit Hochzinspolitik ausgelöste Rezession von 1967 hatte die Inflation in Deutschland stark gesenkt und dem deutschen Export damit einen Kostenvorteil gebracht. Als engagierter Gegner der Aufwertung, auch schon im Jahr 1961 hatte er sich gegen die Aufwertung der DM gewandt, verließ Stützel im Konflikt mit der Mehrheit des Sachverständigenrats im September 1968 dieses Gremium.
Schüler und Mitarbeiter
Peter Bofinger war 1976-78 wissenschaftliche Hilfskraft und 1981-85 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Wolfgang Stützel.
Heiner Flassbeck war 1975/76 Assistent am Lehrstuhl von Prof. Stützel mit Schwerpunkt Währungsfragen.
Wolfram Engels habilitierte 1968 bei Wolfgang Stützel in Saarbrücken.
Otmar Issing hörte Prof. Stützel zur Ordnungspolitik und zur langfristigen Wirkung wirtschaftspolitischer Instrumente.
Werke (Auswahl)
Zins, Kredit und Produktion. (Stützel als Herausgeber, Wilhelm Lautenbach und Vorwort von Wilhelm Röpke) Mohr (Siebeck), Tübingen 1952 (PDF 1,5 MB)
Preis, Wert und Macht. Scientia, Aalen 1972 (Unveränd. Neudr. d. Tübinger Diss. 1952) ISBN 978-3511006686
Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Mohr, Tübingen 1978 (Nachdr. der 2. Aufl., 2011, Mohr Siebeck) ISBN 978-3161509551
Paradoxa der Geld- und Konkurrenzwirtschaft. Scientia, Aalen 1979 ISBN 978-3511090296
Marktpreis und Menschenwürde. Thesen zur Wirtschafts- und Bildungspolitik. Bonn Aktuell, Stuttgart 1981 ISBN 978-3879591619
Über unsere Währungsverhältnisse. Mohr Siebeck, Tübingen 1983 ISBN 978-3163446328
Bankenpolitik – heute und morgen. Knapp, Frankfurt am Main 1983 (3. unveränd. Auflage / mit Vor- u. Nachwort d. Verfassers / 1. Auflage 1964)
Wolfgang Stützel - Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung. Hrsg.: Hartmut Schmidt, Mohr Siebeck, Tübingen 2001 ISBN 978-3161476143
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Leben
Wolfgang Stützel stammte aus Aalen in Baden-Württemberg, wo sein Vater Hermann Stützel, ein promovierter Chemiker, in Kriegs- und Friedenszeiten auch als Meisterdechiffreur tätig, eine kleine Tonwarenfabrik betrieb. Seine Mutter Frieda, geb. Hennig, stammte aus Wittenberg. Er hatte drei ältere Geschwister, einen Bruder und zwei Schwestern, und brachte es mit seinem musikalischen Talent 1943 zum Schüler Elly Neys am Salzburger Mozarteum.[1] Nach eineinhalb Jahren bei einer Luftnachrichtentruppe entkam er im Frühjahr 1945 in Italien aus der Gefangenschaft und begann sofort ein Studium der evangelischen Theologie und alter Sprachen in Tübingen, weil 1945 nur noch die theologischen Fakultäten arbeiteten. Erst ab Sommer 1947 konnte er Wirtschaftswissenschaften studieren, 1950 erhielt er sein Diplom und promovierte 1952 mit einer Arbeit über das „Verhältnis der Wirtschaft zum Staat“. Nach zwei Jahren als Assistent von Prof. Brinkmann in Tübingen bekam er ein Forschungsstipendium für die London School of Economics und arbeitete 1953-56 als stellvertretender Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Berliner Bank und 1957-58 zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, zuletzt als Abteilungsleiter für Publikationen und Sonderaufgaben bei der Bundesbank.[2]
Wolfgang Stützel habilitierte sich 1958 über die Saldenmechanik makroökonomischer Zusammenhänge und wurde sofort, gefördert von Professor Herbert Giersch, im Alter von knapp 33 Jahren als ordentlicher Professor nach Saarbrücken berufen, wo er sich auf die Bankbetriebslehre und die Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Geld, Währung und Kredit konzentrierte. Dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gehörte Stützel ab Februar 1966 an und schied schon im September 1968 wieder aus, weil er eine Aufwertung der DM nicht vertreten wollte und seine abweichende Auffassung nicht respektiert wurde.[3] In den 1970er Jahren engagierte er sich auf verschiedenen Ebenen bei der FDP. (Stadtverordneter, Landesvorstand, Bundestagskandidat, Mitglied in diversen Gremien der Bundespartei). Er lehrte fast 30 Jahre als ordentlicher Professor an der Universität des Saarlandes und lehnte mehrere Rufe an andere Universitäten ab. Im Jahr 1986 erlitt er einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht wieder erholte. Daraufhin entschied er sich im Jahr 1987 zum Freitod. Er hinterließ drei erwachsene Kinder.
Auszeichnungen
1978: Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik
1985: Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen
1985: Großes Bundesverdienstkreuz
Mitgliedschaften
1958–1987: Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes
1966–1968: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
1982–1987: Kronberger Kreis
Wirtschaftspolitische Standpunkte
Als Herausgeber der Schriften von Wilhelm Lautenbach vertrat Wolfgang Stützel in seinen frühen Jahren keynesianische Vorstellungen und begründete mit der von ihm ausgearbeiteten und in die ökonomische Diskussion eingeführten volkswirtschaftlichen Saldenmechanik einen kritischen Ansatz gegenüber der herrschenden Lehre in der VWL.[4]
In den siebziger Jahren entfernte sich Stützel immer mehr von den keynesianischen und nachfrageorientierten Positionen[5]. Nach der mit Hochzinspolitik verursachten Rezession 1973/74 war eine hohe Arbeitslosigkeit entstanden und Stützel wollte diese als ein weniger konjunkturelles, als vielmehr strukturelles Problem sehen und plädierte für Kürzungen im Sozialbereich und den Abbau des Kündigungsschutzes. In seinem Buch Marktpreis und Menschenwürde (1981) argumentierte er für einen Umbau des Sozialstaats entsprechend den Vorstellungen des Wirtschaftsliberalismus im Kronberger Kreis.[6] Er legt in dem Buch seine These dar, dass eine „gute soziale Absicht“ oft „böse soziale Folgen“ haben kann - so halte ein stärkerer Kündigungsschutz oder überhöhte Tarife Arbeitgeber davon ab, Menschen überhaupt anzustellen. Die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber vermindere die Anstellungschancen kränklicher Menschen. Er setzte sich für eine „Marktwirtschaft mit systemkonformer Sozialpolitik“ ein, in der der Staat die Aufgabe hat, für gleiche Startchancen zu sorgen und Schwächeren Hilfe zu leisten, aber wo wenig durch Vorschriften in die Marktwirtschaft eingegriffen wird. Bereits in den 60er Jahren stellte er die Überzeugung infrage, dass eine gesunde Wirtschaft ständig weiteres Wirtschaftswachstum brauche.[7]
Geld- und Währungspolitik
Als Mitglied im Sachverständigenrat lehnte Wolfgang Stützel im Jahr 1968 die Aufwertung der DM ab. Die von der Bundesbank mit Hochzinspolitik ausgelöste Rezession von 1967 hatte die Inflation in Deutschland stark gesenkt und dem deutschen Export damit einen Kostenvorteil gebracht. Als engagierter Gegner der Aufwertung, auch schon im Jahr 1961 hatte er sich gegen die Aufwertung der DM gewandt, verließ Stützel im Konflikt mit der Mehrheit des Sachverständigenrats im September 1968 dieses Gremium.
Schüler und Mitarbeiter
Peter Bofinger war 1976-78 wissenschaftliche Hilfskraft und 1981-85 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Wolfgang Stützel.
Heiner Flassbeck war 1975/76 Assistent am Lehrstuhl von Prof. Stützel mit Schwerpunkt Währungsfragen.
Wolfram Engels habilitierte 1968 bei Wolfgang Stützel in Saarbrücken.
Otmar Issing hörte Prof. Stützel zur Ordnungspolitik und zur langfristigen Wirkung wirtschaftspolitischer Instrumente.
Werke (Auswahl)
Zins, Kredit und Produktion. (Stützel als Herausgeber, Wilhelm Lautenbach und Vorwort von Wilhelm Röpke) Mohr (Siebeck), Tübingen 1952 (PDF 1,5 MB)
Preis, Wert und Macht. Scientia, Aalen 1972 (Unveränd. Neudr. d. Tübinger Diss. 1952) ISBN 978-3511006686
Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Mohr, Tübingen 1978 (Nachdr. der 2. Aufl., 2011, Mohr Siebeck) ISBN 978-3161509551
Paradoxa der Geld- und Konkurrenzwirtschaft. Scientia, Aalen 1979 ISBN 978-3511090296
Marktpreis und Menschenwürde. Thesen zur Wirtschafts- und Bildungspolitik. Bonn Aktuell, Stuttgart 1981 ISBN 978-3879591619
Über unsere Währungsverhältnisse. Mohr Siebeck, Tübingen 1983 ISBN 978-3163446328
Bankenpolitik – heute und morgen. Knapp, Frankfurt am Main 1983 (3. unveränd. Auflage / mit Vor- u. Nachwort d. Verfassers / 1. Auflage 1964)
Wolfgang Stützel - Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung. Hrsg.: Hartmut Schmidt, Mohr Siebeck, Tübingen 2001 ISBN 978-3161476143
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