Der große Jüdische Krieg
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Der große Jüdische Krieg
Der große Jüdische Krieg gegen die Römer begann im Jahr 66 n. Chr. in Judäa, ausgelöst durch staatliche und religiöse Unterdrückung, und endete im Jahr 70 mit der Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Endgültig konnte der Krieg erst im Jahr 74 mit dem Fall von Masada beendet werden. Es war der erste der drei großen jüdischen Aufstände gegen die Römer im 1. und 2. Jahrhundert – der zweite war der Diasporaaufstand um 116, der dritte der Bar-Kochba-Aufstand von 132 bis 135.
Der von Titus zerstörte Tempel von Jerusalem im Modell
Wichtigste Quelle zum Jüdischen Krieg ist das Werk Der jüdische Krieg des Flavius Josephus.
Vorgeschichte
Im Jahr 6 n. Chr. war Judäa zur römischen Provinz Syria geschlagen worden und wurde – mit kurzen Unterbrechungen – von ritterlichen Präfekten verwaltet. Schon 6/7 kam es zu einem Aufstand, den Judas, Sohn des Ezechias, führte. Judas war einer von mehreren Volkspredigern, die sich als Messias (Christus) ausgaben.
Endzeiterwartungen, die seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. immer populärer geworden waren, waren in diesen Jahrzehnten weit verbreitet, unterschieden sich aber stark voneinander. Viele glaubten, der „Tag des Herrn“ werde durch einen menschlichen oder göttlichen Boten (meschiya) vorbereitet werden. Dies trug zu einer religiösen Aufladung der Unzufriedenheit mit der römischen Herrschaft bei, wobei die Juden auch in dieser Hinsicht keineswegs mit einer Stimme sprachen, sondern verschiedenen Lagern angehörten. Besonders die Zeloten strebten einen gewaltsamen Aufstand gegen Rom an, während die Gemäßigten, die einen Ausgleich mit Rom suchten, beständig an Rückhalt verloren.
26 kam es zu schweren Unruhen, als Pontius Pilatus Kaiserbilder nach Jerusalem bringen ließ, und auch die Hinrichtung Jesu von Nazaret gehört in diesen Zusammenhang: Die jüdischen Autoritäten und die Römer betrachteten ihn als einen von vielen radikalen Unruhestiftern.
Um 45 vollbrachte der Prediger Thaddäus angeblich große Wundertaten und zog zahlreiche Anhänger an sich, woraufhin der Prokurator Cuspius Fadus die Menge gewaltsam auseinander treiben und Thaddäus hinrichten ließ. Um 52 provozierte ein römischer Legionär durch obszönes Verhalten blutige Unruhen, denen 20.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.
Spätestens seit der Verhaftung des Zelotenführers Eleazar traten die Sikarier immer stärker in Erscheinung. Sie verübten Attentate auf Römer, Griechen und jene Juden, die sie für Verräter hielten. Die Situation verschärfte sich durch das ungeschickte Verhalten vieler Statthalter und die wachsenden Spannungen zwischen Juden und Nichtjuden sowie zwischen Radikalen und Gemäßigten immer mehr.
Verlauf
Beginn
Direkter Auslöser des Aufstandes waren Steuerforderungen des Römischen Reiches. Der römische Prokurator Gessius Florus soll sich an den Steuereinnahmen selbst bereichert haben. Als die jüdische Bevölkerung dem Statthalter die Summe von 600 Sesterzen schuldig blieb, befahl Gessius Florius im Mai 66 n. Chr. seinen Soldaten in den Tempel einzudringen und ließ den Tempelschatz um 435 Kilogramm Silber erleichtern. In ihren religiösen Gefühlen zutiefst verletzt, waren die Juden zum Äußersten bereit. Auch die bisher auf Ausgleich mit Rom Bedachten schlugen sich überwiegend auf die Seite des Widerstandes. Obwohl Florus eine Kavallerieeinheit nach Jerusalem schickte, verloren die Römer die Kontrolle über die Stadt. Während Gessius Florus aus Jerusalem fliehen konnte, wurde die zurückgebliebene Kohorte von den Aufständischen niedergemetzelt. Die Nachricht vom erfolgreichen Widerstand in Jerusalem verbreitete sich in der gesamten Provinz.
Die Zeloten kämpften in großen Teilen Judäas gegen die römische Armee. Einige einflussreiche Rabbiner – vor allem Jochanan ben Sakkai, ein Nachfolger Hillels – versuchten den drohenden Krieg zu verhindern, sprachen jedoch für einen zunehmend geringeren Bevölkerungsanteil. Der gemäßigte Hohepriester Ananias ben Nedebaios wurde schließlich von den Radikalen ermordet. Nur wenige Bezirke wurden durch Diplomatie zwischen den lokalen jüdischen Führern und der römischen Verwaltung von den Unruhen verschont.
Niederlage der 12. Legion
Kaiser Nero entsandte im Oktober 66 die Legio XII Fulminata unter dem Statthalter von Syrien Gaius Cestius Gallus, mit Hilfstruppen ca. 30.000 Mann, nach Jerusalem. Sein Versuch, Jerusalem einzunehmen, schlug fehl. Auf dem Rückweg gerieten die Römer bei Beth Horon in einen Hinterhalt. Die Legionäre konnten sich in dem zerklüfteten Gelände nicht formieren und kaum verteidigen. Die stark gerüsteten und militärisch versierten Römer erlitten eine Niederlage. Etwa 6.000 römische Soldaten verloren ihr Leben, viele weitere wurden verwundet. Der Legionsadler ging verloren. Diese Niederlage gilt als die schwerste, die die römische Armee gegen eine rebellische Provinz erleiden musste. Der Sieg brachte die Kriegsparteien unter den Juden endgültig an die Macht.
Feldzug in Galiläa
Doch die Aufständischen waren bis zum Schluss untereinander zerstritten, was ihre Sache schwächte. Die weitgehend unabhängig voneinander agierenden Anführer der Aufstände waren Johann von Gischala, Schimon bar Giora und Joseph ben Mathitjahu, der später in Rom das römische Bürgerrecht erhielt und unter dem Namen Flavius Josephus, den er zu Ehren seiner Förderer aus dem Geschlecht der Flavier annahm, bekannt wurde.
Kaiser Nero, der gerade in Griechenland war, schickte den jungen Offizier Titus zu seinem Vater Vespasian. Dieser war trotz seiner militärischen Erfolge in Ungnade gefallen, weil er bei einer Theatervorstellung Neros eingeschlafen war und ihm nicht applaudiert hatte. Doch Nero suchte einen starken Mann, der ihm als Rivale um die Kaiserkrone nicht gefährlich werden konnte. Die Anfangserfolge der Juden waren durchaus beachtlich, aber sie brachten das Römische Reich nicht in Bedrängnis. Eine aufständische Provinz aber konnte Rom nicht hinnehmen.
Denar des Vespasianus, Rückseite mit der gefangenen Judäa neben einem Tropaion
Vespasian marschierte im Jahr 67 mit 30.000 Legionären und etwa ebenso vielen Hilfstruppen in Israel ein. Dabei rückten die Legio V Macedonica und die Legio X Fretensis von Norden her aus Syrien vor. Gleichzeitig führte Titus die Legio XV Apollinaris aus Ägypten heran. Ziel war zunächst die phönizische Hafenstadt Ptolemais. Vespasian plante, den jüdischen Widerstand systematisch aufzurollen. Die von ihm eroberten jüdischen Städte und Dörfer ließ er verbrennen und zerstören; dabei tötete er den größten Teil der Einwohner, neben den Männern auch Frauen und Kinder. Erstes Opfer war die Stadt Gabara.
Das nächste Angriffsziel war die Stadt Jotapata, der Sitz des jüdischen Befehlshabers für Galiläa Flavius Josephus. Das auf einem steilen Felsen gelegene Jotapata ist eine natürliche Bergfeste, die außer im Norden auf allen Seiten durch tiefe Schluchten geschützt ist. Die ersten Angriffe der Bogenschützen, mit langen Leitern zum Überwinden der Stadtmauer und der Schildkrötenformation, konnten von den Verteidigern abgewehrt werden. Am 47. Tag der Belagerung, im Juli 67 konnte Titus mit einigen römischen Soldaten die bereits stark beschädigte Nordmauer im Schutze der Dämmerung erklimmen und das Stadttor öffnen. Im sich anschließenden Häuserkampf gelang es Flavius Josephus, sich mit 40 Männern in einer Zisterne zu verstecken. Nikanor, ein römischer Freund von Flavius Josephus, überbrachte das Angebot des Vespasian: Kapitulation gegen Leben. Die eingeschlossenen jüdischen Kämpfer entschlossen sich allerdings zum Selbstmord, wobei das Los entschied, wer als nächstes getötet werden sollte. Nur Flavius Josephus und ein Mann Namens Jakov, den er vereinbarungsgemäß umbringen hätte müssen, überlebten und ergaben sich den Römern. Die Römer nahmen sie gefangen, töteten sie aber nicht.
Als nächste Stadt wurde Gusch Halav erobert. Der Anführer der Verteidiger Johanan ben Levi verhandelte mit Titus über die friedliche Übergabe der Stadt für den Tag nach Sabbat. Titus gewährte den erbetenen Aufschub und zog sich im Vertrauen auf die Zusage in sein etliche Kilometer entfernt gelegenes Lager zurück. Doch Johanan ben Levi nutzte die Abwesenheit der römischen Wachen in der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag dazu, mit seinen 400 Getreuen und deren Familien nach Jerusalem zu fliehen.
Nach einer längeren Belagerung fiel im Winter 67 Gamla im Golan an die Römer und wurde vollständig zerstört. Gamla wurde nicht wieder aufgebaut, ihre Ruinen sind heute eine archäologische Stätte. Durch die Eroberung dieser wichtigen Städte kam Galiläa wieder unter römische Kontrolle.
Gleichzeitig sicherte sich Vespasian Samarien und schnitt in Transjordanien die Verbindungsstraßen nach Judäa ab. Darauf zog er den Küstenstreifen hinab und eroberte Jaffa, Jawne und Aschdod.
Machtvakuum
Im Verlauf des Jahres 68 kreiste Vespasian Judäa und dessen Mittelpunkt Jerusalem mehr und mehr ein. Mit Ausnahme von Machaerus nahm er ganz Transjordanien und das westliche Jordanufer mit Jericho und Qumran ein. Im Westen eroberte er, von den Küstenstädten herkommend, die ganze Schefelaebene mit den Städten Lod, Emmaus und Bet Guvrin. An den Hauptausfallstraßen aus dem restlichen Judäa wurden Posten aufgestellt, die die Juden hinderten, das Gebiet zu verlassen.
Im Sommer 68 beging Nero Selbstmord. Es kam zu Wirren im Römischen Reich, die den Kampf gegen das von Aufständischen kontrollierte Jerusalem verzögerte. Nach dem Suizid Neros entstand in Rom ein Machtvakuum, welches das Vierkaiserjahr zur Folge hatte. Vespasian konnte auf die Unterstützung der Statthalter und Legionen des Orients bis zur Donaugrenze bauen. Am 9. Juli 69 wurde er von Tiberius Iulius Alexander und einem großen Teil des Heeres zum Kaiser ausgerufen. Vespasian begründete damit die Flavier-Dynastie. Da sich Vespasian, um seine Macht zu festigen, nach Italien begeben musste, überließ er die Erstürmung Jerusalems seinem ältesten Sohn, dem späteren Kaiser Titus.
Eroberung Jerusalems
Schätze aus dem Jerusalemer Tempel, darunter auch die Menora, werden nach der Belagerung und Zerstörung Jerusalems im Triumphzug nach Rom gebracht (Originaldarstellung auf der Innenseite des Titusbogens in Rom)
Erst im September des Jahres 70 konnte Titus die Belagerung von Jerusalem beenden und die Stadt erobern. Dabei wurde der Jerusalemer Tempel in Brand gesteckt und weitgehend zerstört. Nur die westliche Umfassungsmauer blieb bis heute erhalten. Jerusalem wurde weitgehend zerstört und war in den nächsten 60 Jahren unbewohnbar.
Beendigung des Krieges
Titus verbrachte den Winter 70/71 mit Gladiatorenspielen und der Bestrafung überlebender Gefangener. Im Juni 71 kehrte er als Imperator nach Rom zurück. Gemeinsam mit seinem Vater feierte er dort den aufwendigen Triumph über Judäa. Daran erinnert der Titusbogen auf dem Forum Romanum.
Die Kämpfe zogen sich noch weiter hin. Die letzten Festungen wurden vom Legaten Sextus Lucilius Bassus mit der Legio X Fretensis erobert: Im Jahr 71 das Herodium südlich von Jerusalem und das östlich des Jordan gelegene Machaerus. Danach erkrankte der Legat und wurde durch Lucius Flavius Silva Nonius Bassus ersetzt. Dieser belagerte ab dem Herbst 72 die Bergfestung Masada, die auf einem unzugänglichen Felsplateau über dem Toten Meer lag. Sie konnte erst April des Jahres 73 oder 74 eingenommen werden. Zu deren Eroberung bauten die Römer mehrere Heerlager und eine riesige Rampe auf den Berg. Diese Bauten und die Verteidigungsanlagen sind großenteils bis heute erhalten. Einige Stunden vor der Erstürmung der Festung entzogen sich die 960 Verteidiger durch gemeinsamen Suizid der Gefangennahme durch die Römer, was beim Heer und den römischen Geschichtsschreibern einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Folgen
Im Jüdischen Krieg verloren ca. 1,1 Millionen Juden ihr Leben. Weitere 97.000 wurden in die Sklaverei verschleppt. Wegen des Überangebots auf den Sklavenmärkten brachen die Preise ein.
Durch den massenhaften Verkauf der Kriegsbeute fiel der Goldpreis in der römischen Provinz Syrien um die Hälfte.
Zahlreiche Juden verließen ihre Heimat und vergrößerten die Zahl der in der Diaspora Lebenden. Die Diaspora erstreckte sich bald rund ums Mittelmeer. Viele emigrierten jedoch in das mit Rom verfeindete Persische Reich, wo für die Juden günstigere Bedingungen als im Römischen Reich herrschten.
Mit dem Tempel verlor das Judentum sein einziges kulturelles und religiöses Zentrum und die einzige Opferstätte. Auch das wichtige Amt des Hohepriesters konnte nicht mehr ausgeübt werden.
Durch den Verlust des Tempels gewann das Rabbinische Judentum erheblich an Bedeutung. Ihr erstes Zentrum war die von Jochanan ben Sakkai in Jabne im Jahre 70 n. Chr. gegründete jüdische Gelehrtenschule. Die Synagoge wurde zum neuen Zentrum des jüdischen Lebens.
Circa ein Drittel der Gebote der Tora stehen in Verbindung mit der Existenz des Tempels und können seitdem nicht mehr praktiziert werden.
Mit der Eroberung Jerusalems prägte sich die Redewendung Hierosolyma est perdita ein („Jerusalem ist verloren“). Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hielt sich ein antisemitischer Schmähruf aus der Abkürzung der Anfangsbuchstaben HEP HEP (z. B. Hep-Hep-Unruhen).
Es folgten noch zwei weitere jüdisch-römische Aufstände, der Diasporaaufstand von 116 und der Bar-Kochba-Aufstand von 132 bis 135. Nach den Aufständen gab es in der römischen Provinz Judäa kein zusammenhängendes jüdisches Siedlungsgebiet mehr. Dadurch wurde die Diaspora-Situation des Judentums verfestigt.
Archäologie
Die Klagemauer in Jerusalem ist ein Rest der Fundamente des Plateaus des herodianischen Palastes und des durch die Römer zerstörten Zweiten Tempels der Juden.
Israelische Archäologen haben bei einer Ausgrabung der Israel Antiquities Authority (IAA) im westlichen Sektor von Kerem al-Ras bei Kfar Kana in Untergaliläa jüngst ein System von Katakomben entdeckt, das darauf schließen lässt, dass der Aufstand nicht spontan, sondern geplant und vorbereitet erfolgte. Yardenna Alexandre von der IAA gab die nördlich von Nazareth gelegenen Tunnel und Gewölbe bekannt, die sich direkt unter den Wohngebäuden befanden und von außen nicht sichtbar waren. Sie gelten als 2000 Jahre alt und boten im Notfall Schutz für größere Gruppen. In einer der Höhlen fanden die Archäologen elf große Vorratsgefäße.
Gedenktage
An die Zerstörung Jerusalems in den Jahren 586 v. Chr. und 70 n. Chr. wird durch folgende Gedenktage erinnert:
Im Judentum: Am 9. Aw, dem Tischa beAv
Im Christentum (evangelisch): Am 10. Sonntag nach Trinitatis (Israelsonntag) und am 10. August (Gedenktag der Zerstörung Jerusalems)
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Der von Titus zerstörte Tempel von Jerusalem im Modell
Wichtigste Quelle zum Jüdischen Krieg ist das Werk Der jüdische Krieg des Flavius Josephus.
Vorgeschichte
Im Jahr 6 n. Chr. war Judäa zur römischen Provinz Syria geschlagen worden und wurde – mit kurzen Unterbrechungen – von ritterlichen Präfekten verwaltet. Schon 6/7 kam es zu einem Aufstand, den Judas, Sohn des Ezechias, führte. Judas war einer von mehreren Volkspredigern, die sich als Messias (Christus) ausgaben.
Endzeiterwartungen, die seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. immer populärer geworden waren, waren in diesen Jahrzehnten weit verbreitet, unterschieden sich aber stark voneinander. Viele glaubten, der „Tag des Herrn“ werde durch einen menschlichen oder göttlichen Boten (meschiya) vorbereitet werden. Dies trug zu einer religiösen Aufladung der Unzufriedenheit mit der römischen Herrschaft bei, wobei die Juden auch in dieser Hinsicht keineswegs mit einer Stimme sprachen, sondern verschiedenen Lagern angehörten. Besonders die Zeloten strebten einen gewaltsamen Aufstand gegen Rom an, während die Gemäßigten, die einen Ausgleich mit Rom suchten, beständig an Rückhalt verloren.
26 kam es zu schweren Unruhen, als Pontius Pilatus Kaiserbilder nach Jerusalem bringen ließ, und auch die Hinrichtung Jesu von Nazaret gehört in diesen Zusammenhang: Die jüdischen Autoritäten und die Römer betrachteten ihn als einen von vielen radikalen Unruhestiftern.
Um 45 vollbrachte der Prediger Thaddäus angeblich große Wundertaten und zog zahlreiche Anhänger an sich, woraufhin der Prokurator Cuspius Fadus die Menge gewaltsam auseinander treiben und Thaddäus hinrichten ließ. Um 52 provozierte ein römischer Legionär durch obszönes Verhalten blutige Unruhen, denen 20.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.
Spätestens seit der Verhaftung des Zelotenführers Eleazar traten die Sikarier immer stärker in Erscheinung. Sie verübten Attentate auf Römer, Griechen und jene Juden, die sie für Verräter hielten. Die Situation verschärfte sich durch das ungeschickte Verhalten vieler Statthalter und die wachsenden Spannungen zwischen Juden und Nichtjuden sowie zwischen Radikalen und Gemäßigten immer mehr.
Verlauf
Beginn
Direkter Auslöser des Aufstandes waren Steuerforderungen des Römischen Reiches. Der römische Prokurator Gessius Florus soll sich an den Steuereinnahmen selbst bereichert haben. Als die jüdische Bevölkerung dem Statthalter die Summe von 600 Sesterzen schuldig blieb, befahl Gessius Florius im Mai 66 n. Chr. seinen Soldaten in den Tempel einzudringen und ließ den Tempelschatz um 435 Kilogramm Silber erleichtern. In ihren religiösen Gefühlen zutiefst verletzt, waren die Juden zum Äußersten bereit. Auch die bisher auf Ausgleich mit Rom Bedachten schlugen sich überwiegend auf die Seite des Widerstandes. Obwohl Florus eine Kavallerieeinheit nach Jerusalem schickte, verloren die Römer die Kontrolle über die Stadt. Während Gessius Florus aus Jerusalem fliehen konnte, wurde die zurückgebliebene Kohorte von den Aufständischen niedergemetzelt. Die Nachricht vom erfolgreichen Widerstand in Jerusalem verbreitete sich in der gesamten Provinz.
Die Zeloten kämpften in großen Teilen Judäas gegen die römische Armee. Einige einflussreiche Rabbiner – vor allem Jochanan ben Sakkai, ein Nachfolger Hillels – versuchten den drohenden Krieg zu verhindern, sprachen jedoch für einen zunehmend geringeren Bevölkerungsanteil. Der gemäßigte Hohepriester Ananias ben Nedebaios wurde schließlich von den Radikalen ermordet. Nur wenige Bezirke wurden durch Diplomatie zwischen den lokalen jüdischen Führern und der römischen Verwaltung von den Unruhen verschont.
Niederlage der 12. Legion
Kaiser Nero entsandte im Oktober 66 die Legio XII Fulminata unter dem Statthalter von Syrien Gaius Cestius Gallus, mit Hilfstruppen ca. 30.000 Mann, nach Jerusalem. Sein Versuch, Jerusalem einzunehmen, schlug fehl. Auf dem Rückweg gerieten die Römer bei Beth Horon in einen Hinterhalt. Die Legionäre konnten sich in dem zerklüfteten Gelände nicht formieren und kaum verteidigen. Die stark gerüsteten und militärisch versierten Römer erlitten eine Niederlage. Etwa 6.000 römische Soldaten verloren ihr Leben, viele weitere wurden verwundet. Der Legionsadler ging verloren. Diese Niederlage gilt als die schwerste, die die römische Armee gegen eine rebellische Provinz erleiden musste. Der Sieg brachte die Kriegsparteien unter den Juden endgültig an die Macht.
Feldzug in Galiläa
Doch die Aufständischen waren bis zum Schluss untereinander zerstritten, was ihre Sache schwächte. Die weitgehend unabhängig voneinander agierenden Anführer der Aufstände waren Johann von Gischala, Schimon bar Giora und Joseph ben Mathitjahu, der später in Rom das römische Bürgerrecht erhielt und unter dem Namen Flavius Josephus, den er zu Ehren seiner Förderer aus dem Geschlecht der Flavier annahm, bekannt wurde.
Kaiser Nero, der gerade in Griechenland war, schickte den jungen Offizier Titus zu seinem Vater Vespasian. Dieser war trotz seiner militärischen Erfolge in Ungnade gefallen, weil er bei einer Theatervorstellung Neros eingeschlafen war und ihm nicht applaudiert hatte. Doch Nero suchte einen starken Mann, der ihm als Rivale um die Kaiserkrone nicht gefährlich werden konnte. Die Anfangserfolge der Juden waren durchaus beachtlich, aber sie brachten das Römische Reich nicht in Bedrängnis. Eine aufständische Provinz aber konnte Rom nicht hinnehmen.
Denar des Vespasianus, Rückseite mit der gefangenen Judäa neben einem Tropaion
Vespasian marschierte im Jahr 67 mit 30.000 Legionären und etwa ebenso vielen Hilfstruppen in Israel ein. Dabei rückten die Legio V Macedonica und die Legio X Fretensis von Norden her aus Syrien vor. Gleichzeitig führte Titus die Legio XV Apollinaris aus Ägypten heran. Ziel war zunächst die phönizische Hafenstadt Ptolemais. Vespasian plante, den jüdischen Widerstand systematisch aufzurollen. Die von ihm eroberten jüdischen Städte und Dörfer ließ er verbrennen und zerstören; dabei tötete er den größten Teil der Einwohner, neben den Männern auch Frauen und Kinder. Erstes Opfer war die Stadt Gabara.
Das nächste Angriffsziel war die Stadt Jotapata, der Sitz des jüdischen Befehlshabers für Galiläa Flavius Josephus. Das auf einem steilen Felsen gelegene Jotapata ist eine natürliche Bergfeste, die außer im Norden auf allen Seiten durch tiefe Schluchten geschützt ist. Die ersten Angriffe der Bogenschützen, mit langen Leitern zum Überwinden der Stadtmauer und der Schildkrötenformation, konnten von den Verteidigern abgewehrt werden. Am 47. Tag der Belagerung, im Juli 67 konnte Titus mit einigen römischen Soldaten die bereits stark beschädigte Nordmauer im Schutze der Dämmerung erklimmen und das Stadttor öffnen. Im sich anschließenden Häuserkampf gelang es Flavius Josephus, sich mit 40 Männern in einer Zisterne zu verstecken. Nikanor, ein römischer Freund von Flavius Josephus, überbrachte das Angebot des Vespasian: Kapitulation gegen Leben. Die eingeschlossenen jüdischen Kämpfer entschlossen sich allerdings zum Selbstmord, wobei das Los entschied, wer als nächstes getötet werden sollte. Nur Flavius Josephus und ein Mann Namens Jakov, den er vereinbarungsgemäß umbringen hätte müssen, überlebten und ergaben sich den Römern. Die Römer nahmen sie gefangen, töteten sie aber nicht.
Als nächste Stadt wurde Gusch Halav erobert. Der Anführer der Verteidiger Johanan ben Levi verhandelte mit Titus über die friedliche Übergabe der Stadt für den Tag nach Sabbat. Titus gewährte den erbetenen Aufschub und zog sich im Vertrauen auf die Zusage in sein etliche Kilometer entfernt gelegenes Lager zurück. Doch Johanan ben Levi nutzte die Abwesenheit der römischen Wachen in der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag dazu, mit seinen 400 Getreuen und deren Familien nach Jerusalem zu fliehen.
Nach einer längeren Belagerung fiel im Winter 67 Gamla im Golan an die Römer und wurde vollständig zerstört. Gamla wurde nicht wieder aufgebaut, ihre Ruinen sind heute eine archäologische Stätte. Durch die Eroberung dieser wichtigen Städte kam Galiläa wieder unter römische Kontrolle.
Gleichzeitig sicherte sich Vespasian Samarien und schnitt in Transjordanien die Verbindungsstraßen nach Judäa ab. Darauf zog er den Küstenstreifen hinab und eroberte Jaffa, Jawne und Aschdod.
Machtvakuum
Im Verlauf des Jahres 68 kreiste Vespasian Judäa und dessen Mittelpunkt Jerusalem mehr und mehr ein. Mit Ausnahme von Machaerus nahm er ganz Transjordanien und das westliche Jordanufer mit Jericho und Qumran ein. Im Westen eroberte er, von den Küstenstädten herkommend, die ganze Schefelaebene mit den Städten Lod, Emmaus und Bet Guvrin. An den Hauptausfallstraßen aus dem restlichen Judäa wurden Posten aufgestellt, die die Juden hinderten, das Gebiet zu verlassen.
Im Sommer 68 beging Nero Selbstmord. Es kam zu Wirren im Römischen Reich, die den Kampf gegen das von Aufständischen kontrollierte Jerusalem verzögerte. Nach dem Suizid Neros entstand in Rom ein Machtvakuum, welches das Vierkaiserjahr zur Folge hatte. Vespasian konnte auf die Unterstützung der Statthalter und Legionen des Orients bis zur Donaugrenze bauen. Am 9. Juli 69 wurde er von Tiberius Iulius Alexander und einem großen Teil des Heeres zum Kaiser ausgerufen. Vespasian begründete damit die Flavier-Dynastie. Da sich Vespasian, um seine Macht zu festigen, nach Italien begeben musste, überließ er die Erstürmung Jerusalems seinem ältesten Sohn, dem späteren Kaiser Titus.
Eroberung Jerusalems
Schätze aus dem Jerusalemer Tempel, darunter auch die Menora, werden nach der Belagerung und Zerstörung Jerusalems im Triumphzug nach Rom gebracht (Originaldarstellung auf der Innenseite des Titusbogens in Rom)
Erst im September des Jahres 70 konnte Titus die Belagerung von Jerusalem beenden und die Stadt erobern. Dabei wurde der Jerusalemer Tempel in Brand gesteckt und weitgehend zerstört. Nur die westliche Umfassungsmauer blieb bis heute erhalten. Jerusalem wurde weitgehend zerstört und war in den nächsten 60 Jahren unbewohnbar.
Beendigung des Krieges
Titus verbrachte den Winter 70/71 mit Gladiatorenspielen und der Bestrafung überlebender Gefangener. Im Juni 71 kehrte er als Imperator nach Rom zurück. Gemeinsam mit seinem Vater feierte er dort den aufwendigen Triumph über Judäa. Daran erinnert der Titusbogen auf dem Forum Romanum.
Die Kämpfe zogen sich noch weiter hin. Die letzten Festungen wurden vom Legaten Sextus Lucilius Bassus mit der Legio X Fretensis erobert: Im Jahr 71 das Herodium südlich von Jerusalem und das östlich des Jordan gelegene Machaerus. Danach erkrankte der Legat und wurde durch Lucius Flavius Silva Nonius Bassus ersetzt. Dieser belagerte ab dem Herbst 72 die Bergfestung Masada, die auf einem unzugänglichen Felsplateau über dem Toten Meer lag. Sie konnte erst April des Jahres 73 oder 74 eingenommen werden. Zu deren Eroberung bauten die Römer mehrere Heerlager und eine riesige Rampe auf den Berg. Diese Bauten und die Verteidigungsanlagen sind großenteils bis heute erhalten. Einige Stunden vor der Erstürmung der Festung entzogen sich die 960 Verteidiger durch gemeinsamen Suizid der Gefangennahme durch die Römer, was beim Heer und den römischen Geschichtsschreibern einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.
Folgen
Im Jüdischen Krieg verloren ca. 1,1 Millionen Juden ihr Leben. Weitere 97.000 wurden in die Sklaverei verschleppt. Wegen des Überangebots auf den Sklavenmärkten brachen die Preise ein.
Durch den massenhaften Verkauf der Kriegsbeute fiel der Goldpreis in der römischen Provinz Syrien um die Hälfte.
Zahlreiche Juden verließen ihre Heimat und vergrößerten die Zahl der in der Diaspora Lebenden. Die Diaspora erstreckte sich bald rund ums Mittelmeer. Viele emigrierten jedoch in das mit Rom verfeindete Persische Reich, wo für die Juden günstigere Bedingungen als im Römischen Reich herrschten.
Mit dem Tempel verlor das Judentum sein einziges kulturelles und religiöses Zentrum und die einzige Opferstätte. Auch das wichtige Amt des Hohepriesters konnte nicht mehr ausgeübt werden.
Durch den Verlust des Tempels gewann das Rabbinische Judentum erheblich an Bedeutung. Ihr erstes Zentrum war die von Jochanan ben Sakkai in Jabne im Jahre 70 n. Chr. gegründete jüdische Gelehrtenschule. Die Synagoge wurde zum neuen Zentrum des jüdischen Lebens.
Circa ein Drittel der Gebote der Tora stehen in Verbindung mit der Existenz des Tempels und können seitdem nicht mehr praktiziert werden.
Mit der Eroberung Jerusalems prägte sich die Redewendung Hierosolyma est perdita ein („Jerusalem ist verloren“). Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hielt sich ein antisemitischer Schmähruf aus der Abkürzung der Anfangsbuchstaben HEP HEP (z. B. Hep-Hep-Unruhen).
Es folgten noch zwei weitere jüdisch-römische Aufstände, der Diasporaaufstand von 116 und der Bar-Kochba-Aufstand von 132 bis 135. Nach den Aufständen gab es in der römischen Provinz Judäa kein zusammenhängendes jüdisches Siedlungsgebiet mehr. Dadurch wurde die Diaspora-Situation des Judentums verfestigt.
Archäologie
Die Klagemauer in Jerusalem ist ein Rest der Fundamente des Plateaus des herodianischen Palastes und des durch die Römer zerstörten Zweiten Tempels der Juden.
Israelische Archäologen haben bei einer Ausgrabung der Israel Antiquities Authority (IAA) im westlichen Sektor von Kerem al-Ras bei Kfar Kana in Untergaliläa jüngst ein System von Katakomben entdeckt, das darauf schließen lässt, dass der Aufstand nicht spontan, sondern geplant und vorbereitet erfolgte. Yardenna Alexandre von der IAA gab die nördlich von Nazareth gelegenen Tunnel und Gewölbe bekannt, die sich direkt unter den Wohngebäuden befanden und von außen nicht sichtbar waren. Sie gelten als 2000 Jahre alt und boten im Notfall Schutz für größere Gruppen. In einer der Höhlen fanden die Archäologen elf große Vorratsgefäße.
Gedenktage
An die Zerstörung Jerusalems in den Jahren 586 v. Chr. und 70 n. Chr. wird durch folgende Gedenktage erinnert:
Im Judentum: Am 9. Aw, dem Tischa beAv
Im Christentum (evangelisch): Am 10. Sonntag nach Trinitatis (Israelsonntag) und am 10. August (Gedenktag der Zerstörung Jerusalems)
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