Die Hermetik
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Die Hermetik
Die Hermetik bezeichnet eine in der Antike wurzelnde religiöse Offenbarungs- und Geheimlehre. Der Name geht zurück auf die sagenhafte Gestalt des Hermes Trismegistos (griechisch Ἑρμῆς Τρισμέγιστος, „dreifach größter Hermes“), einer im ägyptischen Hellenismus entstandenen synkretistischen Verschmelzung des griechischen Gottes Hermes und des ägyptischen Gottes Thot, der als Verfasser der sogenannten hermetischen Schriften und als Urvater der Alchemie gilt.
Bodenbild am Eingang des Doms von Siena: Hermes Trismegistos (Mitte) mit den Personifikationen von Orient (links) und Okzident (ganz links).[1]
Als Hermetik im engeren Sinn bezeichnet man die Strömungen, die in unmittelbarer Tradition der antiken Hermetik stehen. Im weiteren Sinn ist „Hermetik“ ein Synonym für Alchemie und okkult-esoterische Lehren überhaupt. Die Hermetik beeinflusste das naturwissenschaftliche Weltbild bis in das 17. Jahrhundert hinein und prägte den abendländischen Okkultismus.
Hermetisches Schrifttum
Herkunft
Die überlieferten hermetischen Schriften oder „Hermetika“ sind zwischen dem 1. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Das ist allerdings nur der Zeitraum, in der die Schriften zu der heute überlieferten Gestalt gefunden haben. Wie weit und wohin die Wurzeln der darin enthaltenen Lehren reichen, darüber besteht keine Einigkeit. Man hat Elemente altägyptischen, jüdischen und persisch-chaldäischen Glaubens, sowie platonischer, neuplatonischer und stoischer Lehren darin ausmachen können. Über die Gewichtung der genannten Anteile besteht allerdings kein Konsens.
Hermes Trismegistos
→ Hauptartikel: Hermes Trismegistos
Das besondere Ansehen der hermetischen Schriften beruhte auf dem Glauben, dass es sich um Zeugnisse uralten Wissens handle, da man den sagenhaften Verfasser zumindest für einen Zeitgenossen des Mose hielt, womöglich sogar für einen Vorgänger. Diese Ansicht wurde gestützt durch Cicero, der in De natura deorum einen ägyptischen Merkur mit dem Gott Thot identifizierte, der den Ägyptern lange vor den Griechen und Römern die Schrift und Gesetze gebracht habe:
„Mercurius […] quintus, quem colunt Pheneatae, qui Argum dicitur interemisse ob eamque causam in Aegyptum profugisse atque Aegyptiis leges et litteras tradidisse: hunc Aegyptii Theyt appellant eodemque nomine anni primus mensis apud eos vocatur.“
„Der fünfte Merkur wird von den Einwohnern Pheneums verehrt. Man sagt, er habe Argus erschlagen und sei deshalb nach Ägypten geflohen und habe den Ägyptern Gesetze und die Schrift gebracht. Diesen nennen die Ägypter Thot und mit demselben Namen bezeichnen sie den ersten Monat des Jahres.“
– Cicero: De natura deorum III, 22, 56
Übersicht der überlieferten Texte
Über Zahl und Umfang der verloren gegangenen antiken hermetischen Schriften lässt sich nur spekulieren. Manetho (3. Jahrhundert v. Chr.) und Iamblichos von Chalkis (4. Jahrhundert) erwähnen Hermes bzw. Thot als Verfasser von 35625 Büchern, Clemens von Alexandria zählt in den Stromata (VI, 4, 35–38) zweiundvierzig Bücher des Hermes auf, die für den ägyptischen Tempeldienst als unentbehrlich bezeichnet wurden.
Die überlieferten Texte sind im Wesentlichen folgende:
das Corpus Hermeticum, eine Sammlung von 18 hermetischen Traktaten
der Asclepius-Dialog, der zusammen mit den Werken des Apuleius von Madauros überliefert wurde, da man diesen für den Übersetzer der verlorengegangenen griechischen Vorlage hielt (koptische Fragmente hiervon fanden sich auch in der Nag Hammadi Bibliothek, Kodex VI,[2]
die Tabula Smaragdina, die großen Einfluss auf die Alchemie hatte,
die „Exzerpte“ des Stobaios, eines Gelehrten aus dem 5. Jahrhundert, der für seinen Sohn Septimius eine Sammlung von Zitaten und Exzerpten zusammenstellte, darunter einige teils umfangreiche aus hermetischen Schriften,
als Teil der Nag-Hammadi-Schriften überlieferte hermetische Texte (VI,6, VI,7a, VI,7b, VI,8; Schrift VI,8 beinhaltet einen Teil des Asklepius-Dialogs),
von den Kirchenvätern Tertullian, Lactantius, Clemens von Alexandria und Augustinus von Hippo überlieferte Zitate und Fragmente, sowie
die „Hermetischen Definitionen“, die in einer armenischen Übersetzung des 6. Jahrhunderts überliefert sind.[3]
Außerdem finden sich kleinere Fragmente hermetischer Schriften bei Papyrusfunden, oder sie werden in Archiven und Bibliotheken entdeckt.
Im Gegensatz zu diesen „philosophisch-theologischen Hermetika“ gibt es eine relativ umfangreiche Gruppe von Schriften, die heute als „technische Hermetika“ bezeichnet werden. Gegenstand dieser Schriften sind medizinische, astrologische, alchemistische, aber auch direkt chemisch-metallurgische Themen. Oft handelt es sich wohl um eine reine Zuschreibung an Hermes Trismegistos.
Beispiel für Schriften dieser „praxisorientierten“ Hermetik sind:
das Buch über die 36 Dekane, ein vermutlich aus dem 1. Jahrhundert stammender astrologischer Text,
das Centiloquium Hermetis, eine sehr populäre astrologische Aphorismensammlung, von der über 80 Manuskripte sowie mehrere Drucke aus dem Zeitraum zwischen 1484 und 1533 erhalten sind, oder
die sogenannten Kyraniden, ein medizinisch-astrologischer Text.
Ein neuzeitliches Werk, das beansprucht in der hermetischen Tradition zu stehen, ist das sogenannte Kybalion.
Wirkungsgeschichte
In seinem apologetischen Werk Divinarum institutionum libri VII (304–311/326) versucht Lactantius, die Wahrheit des Christentums anhand der Schriften heidnischer Dichter, Philosophen und „göttlicher Zeugen“ zu untermauern. Hierbei nimmt Hermes Trismegistos noch vor den Sibyllen und den apollinischen Orakeln eine prominente Rolle ein. Lactantius zitiert Ciceros Textpassage über den ägyptischen Mercurius und führt diesen daraufhin als Zeugen für die Existenz des einen höchsten Gottes an, womit nicht nur Autorität und Alter der hermetischen Schriften für die kommenden Jahrhunderte beglaubigt wird, sondern auch der Weg für eine christliche Interpretation des Corpus Hermeticum gebahnt ist:
„Nunc ad diuina testimonia transeamus. Sed prius unum proferam, quod est simile diuino et ob nimiam uetustatem et quod is quem nominabo ex hominibus in deos relatos est. [...] Qui tametsi homo fuit, antiquissimus tamen et instructissimus omni genere doctrinae adeo ut ei multarum rerum et artium scientia Trismegisto cognomen imponeret. Hic scripsit libros et quidem multos ad cognitionem diuinarum rerum pertinentes, in quibus maiestatem summi ac singularis Dei asserit, isdemque nominibus appellat quibus nos dominum ac patrem.“
„Nun gehen wir zu den Zeugnissen göttlichen Ursprungs über. Aber zuerst führe ich eines an, das den göttlichen gleich ist, sowohl aufgrund seines großen Alters, als auch weil der, den ich nennen werde, von den Menschen zu den Göttern erhoben wurde. [...] Dieser war, obwohl ein Mensch, von hohem Alter und in allen Wissensgebieten höchst beschlagen, so dass er sich aufgrund seiner Vortrefflichkeit und Bewandertheit in vielen Künsten den Beinamen der ‚Dreimalgrößte‘ erworben hat. Er schrieb Bücher, und zwar in großer Zahl, die sich der Erkenntnis göttlicher Dinge widmen. In diesen erklärt er die Herrlichkeit eines höchsten und einzigen Gottes und benennt ihn mit denselben Namen wie wir: Herr und Vater.“
– Lactantius: Div. inst. I, 6, 1 und 3–5
Namhafte Hermetiker
Dschābir ibn Ḥayyān, bedeutender islamischer Naturwissenschaftler des 8. Jahrhunderts und Schüler des 6. Imam
Arnaldus de Villanova, Tempelritter, Arzt und Alchemist, veröffentlichte einen lateinischen Text der Tabula Smaragdina
Marsilio Ficino, Übersetzer des Corpus Hermeticum ins Lateinische
Giovanni Pico della Mirandola, der die Lehre der Hermetik mit der Kabbala verband,
Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Autor von De Occulta Philosophia
Paracelsus, Arzt und Metaphysiker
John Dee, Mathematiker, Astrologe und Esoteriker
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Bodenbild am Eingang des Doms von Siena: Hermes Trismegistos (Mitte) mit den Personifikationen von Orient (links) und Okzident (ganz links).[1]
Als Hermetik im engeren Sinn bezeichnet man die Strömungen, die in unmittelbarer Tradition der antiken Hermetik stehen. Im weiteren Sinn ist „Hermetik“ ein Synonym für Alchemie und okkult-esoterische Lehren überhaupt. Die Hermetik beeinflusste das naturwissenschaftliche Weltbild bis in das 17. Jahrhundert hinein und prägte den abendländischen Okkultismus.
Hermetisches Schrifttum
Herkunft
Die überlieferten hermetischen Schriften oder „Hermetika“ sind zwischen dem 1. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Das ist allerdings nur der Zeitraum, in der die Schriften zu der heute überlieferten Gestalt gefunden haben. Wie weit und wohin die Wurzeln der darin enthaltenen Lehren reichen, darüber besteht keine Einigkeit. Man hat Elemente altägyptischen, jüdischen und persisch-chaldäischen Glaubens, sowie platonischer, neuplatonischer und stoischer Lehren darin ausmachen können. Über die Gewichtung der genannten Anteile besteht allerdings kein Konsens.
Hermes Trismegistos
→ Hauptartikel: Hermes Trismegistos
Das besondere Ansehen der hermetischen Schriften beruhte auf dem Glauben, dass es sich um Zeugnisse uralten Wissens handle, da man den sagenhaften Verfasser zumindest für einen Zeitgenossen des Mose hielt, womöglich sogar für einen Vorgänger. Diese Ansicht wurde gestützt durch Cicero, der in De natura deorum einen ägyptischen Merkur mit dem Gott Thot identifizierte, der den Ägyptern lange vor den Griechen und Römern die Schrift und Gesetze gebracht habe:
„Mercurius […] quintus, quem colunt Pheneatae, qui Argum dicitur interemisse ob eamque causam in Aegyptum profugisse atque Aegyptiis leges et litteras tradidisse: hunc Aegyptii Theyt appellant eodemque nomine anni primus mensis apud eos vocatur.“
„Der fünfte Merkur wird von den Einwohnern Pheneums verehrt. Man sagt, er habe Argus erschlagen und sei deshalb nach Ägypten geflohen und habe den Ägyptern Gesetze und die Schrift gebracht. Diesen nennen die Ägypter Thot und mit demselben Namen bezeichnen sie den ersten Monat des Jahres.“
– Cicero: De natura deorum III, 22, 56
Übersicht der überlieferten Texte
Über Zahl und Umfang der verloren gegangenen antiken hermetischen Schriften lässt sich nur spekulieren. Manetho (3. Jahrhundert v. Chr.) und Iamblichos von Chalkis (4. Jahrhundert) erwähnen Hermes bzw. Thot als Verfasser von 35625 Büchern, Clemens von Alexandria zählt in den Stromata (VI, 4, 35–38) zweiundvierzig Bücher des Hermes auf, die für den ägyptischen Tempeldienst als unentbehrlich bezeichnet wurden.
Die überlieferten Texte sind im Wesentlichen folgende:
das Corpus Hermeticum, eine Sammlung von 18 hermetischen Traktaten
der Asclepius-Dialog, der zusammen mit den Werken des Apuleius von Madauros überliefert wurde, da man diesen für den Übersetzer der verlorengegangenen griechischen Vorlage hielt (koptische Fragmente hiervon fanden sich auch in der Nag Hammadi Bibliothek, Kodex VI,[2]
die Tabula Smaragdina, die großen Einfluss auf die Alchemie hatte,
die „Exzerpte“ des Stobaios, eines Gelehrten aus dem 5. Jahrhundert, der für seinen Sohn Septimius eine Sammlung von Zitaten und Exzerpten zusammenstellte, darunter einige teils umfangreiche aus hermetischen Schriften,
als Teil der Nag-Hammadi-Schriften überlieferte hermetische Texte (VI,6, VI,7a, VI,7b, VI,8; Schrift VI,8 beinhaltet einen Teil des Asklepius-Dialogs),
von den Kirchenvätern Tertullian, Lactantius, Clemens von Alexandria und Augustinus von Hippo überlieferte Zitate und Fragmente, sowie
die „Hermetischen Definitionen“, die in einer armenischen Übersetzung des 6. Jahrhunderts überliefert sind.[3]
Außerdem finden sich kleinere Fragmente hermetischer Schriften bei Papyrusfunden, oder sie werden in Archiven und Bibliotheken entdeckt.
Im Gegensatz zu diesen „philosophisch-theologischen Hermetika“ gibt es eine relativ umfangreiche Gruppe von Schriften, die heute als „technische Hermetika“ bezeichnet werden. Gegenstand dieser Schriften sind medizinische, astrologische, alchemistische, aber auch direkt chemisch-metallurgische Themen. Oft handelt es sich wohl um eine reine Zuschreibung an Hermes Trismegistos.
Beispiel für Schriften dieser „praxisorientierten“ Hermetik sind:
das Buch über die 36 Dekane, ein vermutlich aus dem 1. Jahrhundert stammender astrologischer Text,
das Centiloquium Hermetis, eine sehr populäre astrologische Aphorismensammlung, von der über 80 Manuskripte sowie mehrere Drucke aus dem Zeitraum zwischen 1484 und 1533 erhalten sind, oder
die sogenannten Kyraniden, ein medizinisch-astrologischer Text.
Ein neuzeitliches Werk, das beansprucht in der hermetischen Tradition zu stehen, ist das sogenannte Kybalion.
Wirkungsgeschichte
In seinem apologetischen Werk Divinarum institutionum libri VII (304–311/326) versucht Lactantius, die Wahrheit des Christentums anhand der Schriften heidnischer Dichter, Philosophen und „göttlicher Zeugen“ zu untermauern. Hierbei nimmt Hermes Trismegistos noch vor den Sibyllen und den apollinischen Orakeln eine prominente Rolle ein. Lactantius zitiert Ciceros Textpassage über den ägyptischen Mercurius und führt diesen daraufhin als Zeugen für die Existenz des einen höchsten Gottes an, womit nicht nur Autorität und Alter der hermetischen Schriften für die kommenden Jahrhunderte beglaubigt wird, sondern auch der Weg für eine christliche Interpretation des Corpus Hermeticum gebahnt ist:
„Nunc ad diuina testimonia transeamus. Sed prius unum proferam, quod est simile diuino et ob nimiam uetustatem et quod is quem nominabo ex hominibus in deos relatos est. [...] Qui tametsi homo fuit, antiquissimus tamen et instructissimus omni genere doctrinae adeo ut ei multarum rerum et artium scientia Trismegisto cognomen imponeret. Hic scripsit libros et quidem multos ad cognitionem diuinarum rerum pertinentes, in quibus maiestatem summi ac singularis Dei asserit, isdemque nominibus appellat quibus nos dominum ac patrem.“
„Nun gehen wir zu den Zeugnissen göttlichen Ursprungs über. Aber zuerst führe ich eines an, das den göttlichen gleich ist, sowohl aufgrund seines großen Alters, als auch weil der, den ich nennen werde, von den Menschen zu den Göttern erhoben wurde. [...] Dieser war, obwohl ein Mensch, von hohem Alter und in allen Wissensgebieten höchst beschlagen, so dass er sich aufgrund seiner Vortrefflichkeit und Bewandertheit in vielen Künsten den Beinamen der ‚Dreimalgrößte‘ erworben hat. Er schrieb Bücher, und zwar in großer Zahl, die sich der Erkenntnis göttlicher Dinge widmen. In diesen erklärt er die Herrlichkeit eines höchsten und einzigen Gottes und benennt ihn mit denselben Namen wie wir: Herr und Vater.“
– Lactantius: Div. inst. I, 6, 1 und 3–5
Namhafte Hermetiker
Dschābir ibn Ḥayyān, bedeutender islamischer Naturwissenschaftler des 8. Jahrhunderts und Schüler des 6. Imam
Arnaldus de Villanova, Tempelritter, Arzt und Alchemist, veröffentlichte einen lateinischen Text der Tabula Smaragdina
Marsilio Ficino, Übersetzer des Corpus Hermeticum ins Lateinische
Giovanni Pico della Mirandola, der die Lehre der Hermetik mit der Kabbala verband,
Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Autor von De Occulta Philosophia
Paracelsus, Arzt und Metaphysiker
John Dee, Mathematiker, Astrologe und Esoteriker
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