Wolfgang Mattheuer
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Wolfgang Mattheuer
Wolfgang Mattheuer (* 7. April 1927 in Reichenbach/Vogtland; † 7. April 2004 in Leipzig) war ein deutscher Maler, Graphiker und Bildhauer. Neben Werner Tübke und Bernhard Heisig gehört Wolfgang Mattheuer zu den Hauptvertretern der sogenannten Leipziger Schule.
Grabstätte Mattheuers auf dem Leipziger Südfriedhof mit Bronzeplastik „Gesichtzeigen“
Leben
Mattheuers Vater Otto Walter Mattheuer war Buchbinder in dem polygrafischen Großbetrieb Carl Werner, seine Mutter Helene Mattheuer, geborene Spindler, Hausfrau. Wolfgang Mattheuer hatte zwei Schwestern, Gerda und Annerose. Nach dem Schulbesuch in Reichenbach (1933 bis 1941) absolvierte er von 1941 bis 1944 eine Lehre als Lithograph in der Firma Carl Werner in Reichenbach. Erste künstlerische Arbeiten entstanden während der Teilnahme an betriebsinternen Zeichenkursen. Nach Abschluss seiner Ausbildung konnte er ein Studium der Gebrauchsgrafik, das ihm nach einem gewonnenen Wettbewerb in München in Aussicht gestellt wurde, wegen seiner Einberufung zu den Gebirgsjägern nach Salzburg nicht antreten. 1945 wurde Mattheuer an der Front in der Slowakei verwundet und in ein Lazarett nach Prag gebracht. Er geriet in Kriegsgefangenschaft durch die Rote Armee, aus der ihm die Flucht gelang.
1945 kehrte Mattheuer nach Reichenbach zurück und musste sich bei der Demontage der Firma Carl Werner beteiligen. Von 1946 bis 1947 besuchte Mattheuer die Kunstgewerbeschule in Leipzig, wo er seiner späteren Frau Ursula Neustädt begegnete. Von 1947 bis 1951 studierte Mattheuer an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig bei den Professoren Egon Pruggmayer, Walter Arnold und Elisabeth Voigt. Abschluss mit dem Grafikdiplom. Von 1951 bis 1952 arbeitete er als Grafiker bei der „Illustrierten Rundschau“ in Berlin. 1952 kehrte er nach Leipzig zurück, heiratete die Grafikerin Ursula Neustädt und begann eine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (1952 bis 1956 Assistent, 1956 bis 1965 Dozent, 1965 bis 1974 Professor). Während seiner Lehrtätigkeit wirkte er auf viele seiner Schüler prägend, z. B. Sighard Gille, Erich Kissing, Wolfgang Peuker. Der Hochschullehrer Wolfgang Mattheuer bewirkte als Mitglied der ersten Absolventengeneration der Hochschule für Grafik und Buchkunst gemeinsam mit seinen Kollegen Bernhard Heisig und Werner Tübke eine Richtungsänderung weg von der Lehre des Sozialistischen Realismus. Diese drei Künstler begründeten die sogenannte Leipziger Schule, die ab 1960 für das Kunstschaffen der DDR bedeutsam wurde und die Akademie bekannt und ihre Begründer erfolgreich machte. Auf eigenen Wunsch legte Wolfgang Mattheuer 1974 sein Lehramt nieder und arbeitete fortan nur noch freiberuflich. Ab 1978 war er Mitglied der Akademie der Künste der DDR.
1953 kauften erstmals private Sammler Bilder und Grafiken. 1954 war Mattheuer das erste Mal auf der Leipziger Bezirkskunstausstellung mit Gemälden vertreten. Bis 1985 nahm er regelmäßig an wichtigen Ausstellungen in Leipzig teil. 1958 beteiligte sich Mattheuer mit freier Grafik und Illustrationen an der IV. Deutschen Kunstausstellung in Dresden. Seitdem war er bei allen weiteren DDR-Kunstausstellungen in Dresden vertreten. 1963 fand die erste große Museumsausstellung im Staatlichen Lindenau-Museum in Altenburg statt. 1965 erwarb als erstes Museum die Staatliche Galerie Moritzburg in Halle/Saale ein Bild von Wolfgang Mattheuer (Kain, 1965).
1963 freundete sich Mattheuer mit der Studentin seiner Fachklasse Inge Gohrisch (Brüx) an. 1966 wurde Mattheuers Sohn Richard Gohrisch (Brüx) geboren.
Seit 1962 wohnte und arbeitete er außer in seinem Reichenbacher Elternhaus auch in einer Altbauwohnung am Clara-Zetkin-Park in Leipzig, in der zwei 4,20 m hohe Zimmer ihm und seiner Frau als Atelier dienten. Nachdem er anfangs nur als Maler und Grafiker tätig gewesen war, schuf er seit 1971 auch plastische Arbeiten. Sein bekanntestes Werk war dabei die Plastik Jahrhundertschritt (1984), in der er eine Bilanz der gesellschaftlichen Widersprüche des 20. Jahrhunderts zieht. Der Gegensatz von Faschismus, Sozialismus, Barbarei und Reaktion fordert vom Betrachter eine eigene Einschätzung. 1974/75 fand in der Gemäldegalerie Neue Meister parallel zur großen Caspar David Friedrich-Ausstellung eine Personalausstellung Wolfgang Mattheuer statt. 1977 war Mattheuer an der documenta 6 in Kassel beteiligt, als es dort um das Thema Neue realistische Kunst ging und er als Vertreter des Sozialistischen Realismus des anderen deutschen Staates vorgestellt wurde. 1984 nahm er an der 41. Biennale in Venedig teil.
Inspiration für seine Arbeiten fand Wolfgang Mattheuer bei Caspar David Friedrich, bei den alten holländischen Malern, aber auch bei Künstlern des 20. Jahrhunderts, wie Picasso, Léger, Magritte, Beckmann und Hofer. Die Inhalte von Mattheuers Werk speisten sich aus allem was er sah, las und erlebte. Sein Hauptthema war die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, im eigenen Land, aber auch weltweit, stets schwankend zwischen Hoffnung und Zweifel, Widerstand und Resignation.
Im Jahr 1989 beteiligte sich Mattheuer aktiv an den Leipziger Montagsdemonstrationen. Ein Jahr vor der Wende war er am 7. Oktober 1988, dem Nationalfeiertag der DDR, mit einem offenen Brief aus der SED ausgetreten. Dieser war er 1958 nach der Abrechnung von Chruschtschow mit dem Stalinismus beigetreten. Umfangreiche Akten der Staatssicherheit belegen, dass Mattheuer seit den 1960er Jahren bespitzelt und gegen Ende der DDR sogar als Staatsfeind eingestuft wurde.
Wolfgang Mattheuer starb am 7. April 2004 in der ersten Stunde seines 77. Geburtstages an Herzversagen, nachdem er eine Woche zuvor wegen einer gebrochenen Hand nach einem Sturz ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof (II. Abteilung).
Wolfgang Mattheuer galt als Chronist der Gesellschaft. Nach seinem Tod wurde im Jahr 2006 die Ursula Mattheuer-Neustädt und Wolfgang Mattheuer Stiftung mit Sitz in Leipzig gegründet. Anliegen und Zweck der Stiftung ist es, das künstlerische Werk beider Künstler zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus soll das Wirken von Wolfgang Mattheuer als akademischer Lehrer und seine Ausstrahlung auf Schüler und künstlerische Nachfahren hervorgehoben werden.
Preise und Auszeichnungen
1968 - Kunstpreis der Stadt Leipzig
1973 - Kunstpreis der DDR
1975 - Nationalpreis der DDR, II. Klasse
1984 - Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur, I. Klasse
1985 - Ehrenbürgerschaft von Reichenbach/Vogtland
1993 - Verleihung des Verdienstkreuzes I. Klasse zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland durch Richard von Weizsäcker
2003 - Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg
2004 - Verleihung der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig (posthum)
Ehrungen
Auf Beschluss des Leipziger Stadtrates[1] erhielt 2011 eine neue Straße im Ortsteil Probstheida den Namen Mattheuerbogen.
Werke
Bronzeskulptur „Jahrhundertschritt“ in Potsdam auf dem Hof des Kutschstalls
„Jahrhundertschritt“ - Eisenabguss vor dem Haus der Geschichte in Bonn
„Mann mit Maske“ vor dem damaligen Interim des Museums der bildenden Künste in der Grimmaischen Straße in Leipzig, September 2003
Das Werk Wolfgang Mattheuers umfasst 740 Gemälde, mehr als 5.500 Zeichnungen, circa 850 Druckgrafiken[2] sowie 50 Plastiken und Objekte[3]
Zeichnungen (Beispiel)
1981 - Prometheus verlässt das Theater oder Das Ende der Aufklärung Bleistift 60 x 80,2 cm, Privatbesitz.
Druckgraphik (Beispiel)
1981/1995 - Meine Sonnen heißen: Trotz alledem. Holzschnitt 1981 45,5 x 45,5 cm; 1995 teilkolorierte Auflage von 30 Blatt.
Gemälde (Beispiele)
1965 - Kain, 96 x 118 cm, Staatliche Galerie Moritzburg Halle / Saale.
1967 - Adam wartet, 118 x 96 cm, Staatliche Galerie Moritzburg Halle / Saal.
1968 - Tauwetter (erste Fassung) 50 x 70 cm, Privatbesitz.
1969 - Das große Dachfenster
1970 - Schwebendes Liebespaar, 96 x 118 cm
1971 - Das blaue Leipzig, 119,5 x 96 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.
1971/72 - Osterspaziergang II, 58 x 89 cm, Museum Moderne Kunst Wien.
1972 - Die Flucht des Sisyphos, 96 x 118 cm, Galerie Neue Meister Dresden.
1973 - Ein weites Feld, 105 x 129 cm, Nationalgalerie Berlin.
1973 - Hinter den sieben Bergen, 170 x 130 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.
1973/74 - Die Ausgezeichnete, 125 x 100 cm, Nationalgalerie Berlin.
1979 - Unterbuchwald, 85 x 70 cm, Privatbesitz.
1986 - Draußen, Drinnen und Ich, 200 x 200 cm, Nationalgalerie Berlin, Leihgabe Sammlung Fritz P. Mayer
1985 - Geh aus deinem Kasten, 147 x 253 cm, Sprengel-Museum Hannover.
2002 - Nichts Neues im neuen Jahrhundert
Plastiken (Auswahl)
1975 - Sisyphos im Rad
1979 - Verstrickt
1981 - Mann mit Maske (Maskenmann). - In Erinnerung an die Montagsdemonstrationen wurde die in mehreren Güssen verbreitete Skulptur in Leipzig in Gesichtzeigen umbenannt. Die Heilbronner Kopie behielt ihren ursprünglichen Namen.[4]
Weitere Güsse der Bronze: Nationalgalerie, Berlin; Museum der bildenden Künste, Leipzig; Südfriedhof, Grab von Wolfgang Mattheuer; Stadt Heilbronn
1984 - Jahrhundertschritt
Weitere Güsse der Bronze: Haus der Geschichte, Bonn; Grundkreditbank, Berlin; Stiftung Moritzburg, Halle/Saale; Museum Ludwig, Oberhausen; Zeitgeschichtliches Forum, Leipzig
1996 - Ikarus erhebt sich
2001 - Flüchtende
Werkstandorte
Aachen, Ludwig Forum für Internationale Kunst,
Altenburg, Lindenau-Museum
Augsburg, Kunstmuseum Walter
Bad Frankenhausen, Panoramamuseum
Berlin, Deutsches Historisches Museum
Berlin, Kunstsammlung der Berliner Volksbank
Berlin, Neuer Bundestag
Berlin, Staatliche Museen - Nationalgalerie
Beeskow, Kunstarchiv Beeskow
Bonn, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Budapest, Ludwig Museum
Chemnitz, Kunstsammlungen
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister
Durbach, Museum für aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle
Erfurt, Angermuseum
Frankfurt am Main, Kunstsammlung Deutsche Bundesbank
Frankfurt am Main, Städel-Museum
Frankfurt (Oder), Museum Junge Kunst
Halle/Saale, Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
Hannover, Sprengel Museum
Köln, Museum Ludwig
Leipzig, Kunstsammlung der Sparkasse
Leipzig, Museum der bildenden Künste
Leipzig, Sammlung Fritz P. Mayer – Leipziger Schule
Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum
Leipzig, Zeitgeschichtliches Forum
Magdeburg, Kulturhistorisches Museum
Mannheim, Kunsthalle
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum
Peking, Ludwig Museum für Internationale Kunst
Plauen, Vogtlandmuseum
Potsdam, Sammlung der LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse A
Potsdam, Sammlung Hasso Plattner
Schwerin, Staatliches Museum
St. Petersburg, Museum Ludwig im Russischen Museum
Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Neues Museum und Schloßmuseum
Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig
Würzburg, Museum am Dom
Film
Wolfgang Mattheuer, Regie: Reiner E. Moritz, Dokumentation 51 Min., Arthaus Musik GmbH 2009 (1991), ISBN 978-3-941311-78-7
Publikationen (Auszug)
1974 - Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Gemäldegalerie Neue Meister - Albertinum, Dresden, mit dem Text von Joachim Uhlitzsch: „Der ungewöhnliche Realismus Wolfgang Mattheuers“
1978 - Museum der bildenden Künste Leipzig: Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog, Leipzig
1987 - Staatliche Galerie Moritzburg Halle: Wolfgang Mattheuer - Zeichnungen, Ausstellungskatalog
1988 - Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin: Nähe und Horizont - Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Henschelverlag, Berlin
1988 - Heinz Schönemann: Wolfgang Mattheuer, umfassende Monografie im E. A. Seemann-Verlag, Leipzig
1990 - Wolfgang Mattheuer: Äußerungen, Texte und Grafik, Reclam-Verlag, Leipzig
1995 - Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen: Wolfgang Mattheuer - Vom Holz, Ausstellungskatalog der Holzstöcke und Holzschnitte, Reutlingen
1997 - Ursula Mattheuer-Neustädt: Bilder als Botschaft - Die Botschaft der Bilder, Betrachtungen zum Werk bei Faber & Faber, Leipzig
2002 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Retrospektive Kunstsammlungen Chemnitz, Seemann-Verlag, Leipzig
2005 - Edition Galerie Schwind: Wolfgang Mattheuer - Werkverzeichnis der Plastiken und Objekte, Frankfurt a. Main
2005 - Suermondt-Ludwig-Museum Aachen: Wolfgang Mattheuer - Ikarus, der Unerkannte und der Jahrhundertschritt, Ausstellungskatalog Zeichnungen aus Privatbesitz, Aachen
2007 - Museum der bildenden Künste Leipzig: Wolfgang Mattheuer - Abend, Hügel, Wälder, Liebe. Der andere Mattheuer, Ausstellungskatalog
2007 - Ursula Mattheuer-Neustädt, Heinz Schönemann u.a. (Hrsg.): Meine Sonnen heißen: Trotz alledem. Erinnerungen an Wolfgang Mattheuer, Verlag Faber & Faber, Leipzig
2008 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer - Flugversuch, Ausstellungskatalog der Retrospektive der Zeichnungen, Edition Minerva, München
2009 - Dr. Jürgen Lennsen (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer - Jahrhundertschritt, Katalog der Ausstellung im Museum am Dom, Würzburg
2010 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Das druckgrafische Werk - Schenkung Hartmut Koch, Bestandsverzeichnis des druckgrafischen Werkes (deutsche und englische Ausgabe), Wienand-Verlag, Köln, ISBN 978-3-86832-031-2
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Grabstätte Mattheuers auf dem Leipziger Südfriedhof mit Bronzeplastik „Gesichtzeigen“
Leben
Mattheuers Vater Otto Walter Mattheuer war Buchbinder in dem polygrafischen Großbetrieb Carl Werner, seine Mutter Helene Mattheuer, geborene Spindler, Hausfrau. Wolfgang Mattheuer hatte zwei Schwestern, Gerda und Annerose. Nach dem Schulbesuch in Reichenbach (1933 bis 1941) absolvierte er von 1941 bis 1944 eine Lehre als Lithograph in der Firma Carl Werner in Reichenbach. Erste künstlerische Arbeiten entstanden während der Teilnahme an betriebsinternen Zeichenkursen. Nach Abschluss seiner Ausbildung konnte er ein Studium der Gebrauchsgrafik, das ihm nach einem gewonnenen Wettbewerb in München in Aussicht gestellt wurde, wegen seiner Einberufung zu den Gebirgsjägern nach Salzburg nicht antreten. 1945 wurde Mattheuer an der Front in der Slowakei verwundet und in ein Lazarett nach Prag gebracht. Er geriet in Kriegsgefangenschaft durch die Rote Armee, aus der ihm die Flucht gelang.
1945 kehrte Mattheuer nach Reichenbach zurück und musste sich bei der Demontage der Firma Carl Werner beteiligen. Von 1946 bis 1947 besuchte Mattheuer die Kunstgewerbeschule in Leipzig, wo er seiner späteren Frau Ursula Neustädt begegnete. Von 1947 bis 1951 studierte Mattheuer an der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig bei den Professoren Egon Pruggmayer, Walter Arnold und Elisabeth Voigt. Abschluss mit dem Grafikdiplom. Von 1951 bis 1952 arbeitete er als Grafiker bei der „Illustrierten Rundschau“ in Berlin. 1952 kehrte er nach Leipzig zurück, heiratete die Grafikerin Ursula Neustädt und begann eine Lehrtätigkeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (1952 bis 1956 Assistent, 1956 bis 1965 Dozent, 1965 bis 1974 Professor). Während seiner Lehrtätigkeit wirkte er auf viele seiner Schüler prägend, z. B. Sighard Gille, Erich Kissing, Wolfgang Peuker. Der Hochschullehrer Wolfgang Mattheuer bewirkte als Mitglied der ersten Absolventengeneration der Hochschule für Grafik und Buchkunst gemeinsam mit seinen Kollegen Bernhard Heisig und Werner Tübke eine Richtungsänderung weg von der Lehre des Sozialistischen Realismus. Diese drei Künstler begründeten die sogenannte Leipziger Schule, die ab 1960 für das Kunstschaffen der DDR bedeutsam wurde und die Akademie bekannt und ihre Begründer erfolgreich machte. Auf eigenen Wunsch legte Wolfgang Mattheuer 1974 sein Lehramt nieder und arbeitete fortan nur noch freiberuflich. Ab 1978 war er Mitglied der Akademie der Künste der DDR.
1953 kauften erstmals private Sammler Bilder und Grafiken. 1954 war Mattheuer das erste Mal auf der Leipziger Bezirkskunstausstellung mit Gemälden vertreten. Bis 1985 nahm er regelmäßig an wichtigen Ausstellungen in Leipzig teil. 1958 beteiligte sich Mattheuer mit freier Grafik und Illustrationen an der IV. Deutschen Kunstausstellung in Dresden. Seitdem war er bei allen weiteren DDR-Kunstausstellungen in Dresden vertreten. 1963 fand die erste große Museumsausstellung im Staatlichen Lindenau-Museum in Altenburg statt. 1965 erwarb als erstes Museum die Staatliche Galerie Moritzburg in Halle/Saale ein Bild von Wolfgang Mattheuer (Kain, 1965).
1963 freundete sich Mattheuer mit der Studentin seiner Fachklasse Inge Gohrisch (Brüx) an. 1966 wurde Mattheuers Sohn Richard Gohrisch (Brüx) geboren.
Seit 1962 wohnte und arbeitete er außer in seinem Reichenbacher Elternhaus auch in einer Altbauwohnung am Clara-Zetkin-Park in Leipzig, in der zwei 4,20 m hohe Zimmer ihm und seiner Frau als Atelier dienten. Nachdem er anfangs nur als Maler und Grafiker tätig gewesen war, schuf er seit 1971 auch plastische Arbeiten. Sein bekanntestes Werk war dabei die Plastik Jahrhundertschritt (1984), in der er eine Bilanz der gesellschaftlichen Widersprüche des 20. Jahrhunderts zieht. Der Gegensatz von Faschismus, Sozialismus, Barbarei und Reaktion fordert vom Betrachter eine eigene Einschätzung. 1974/75 fand in der Gemäldegalerie Neue Meister parallel zur großen Caspar David Friedrich-Ausstellung eine Personalausstellung Wolfgang Mattheuer statt. 1977 war Mattheuer an der documenta 6 in Kassel beteiligt, als es dort um das Thema Neue realistische Kunst ging und er als Vertreter des Sozialistischen Realismus des anderen deutschen Staates vorgestellt wurde. 1984 nahm er an der 41. Biennale in Venedig teil.
Inspiration für seine Arbeiten fand Wolfgang Mattheuer bei Caspar David Friedrich, bei den alten holländischen Malern, aber auch bei Künstlern des 20. Jahrhunderts, wie Picasso, Léger, Magritte, Beckmann und Hofer. Die Inhalte von Mattheuers Werk speisten sich aus allem was er sah, las und erlebte. Sein Hauptthema war die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, im eigenen Land, aber auch weltweit, stets schwankend zwischen Hoffnung und Zweifel, Widerstand und Resignation.
Im Jahr 1989 beteiligte sich Mattheuer aktiv an den Leipziger Montagsdemonstrationen. Ein Jahr vor der Wende war er am 7. Oktober 1988, dem Nationalfeiertag der DDR, mit einem offenen Brief aus der SED ausgetreten. Dieser war er 1958 nach der Abrechnung von Chruschtschow mit dem Stalinismus beigetreten. Umfangreiche Akten der Staatssicherheit belegen, dass Mattheuer seit den 1960er Jahren bespitzelt und gegen Ende der DDR sogar als Staatsfeind eingestuft wurde.
Wolfgang Mattheuer starb am 7. April 2004 in der ersten Stunde seines 77. Geburtstages an Herzversagen, nachdem er eine Woche zuvor wegen einer gebrochenen Hand nach einem Sturz ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Leipziger Südfriedhof (II. Abteilung).
Wolfgang Mattheuer galt als Chronist der Gesellschaft. Nach seinem Tod wurde im Jahr 2006 die Ursula Mattheuer-Neustädt und Wolfgang Mattheuer Stiftung mit Sitz in Leipzig gegründet. Anliegen und Zweck der Stiftung ist es, das künstlerische Werk beider Künstler zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus soll das Wirken von Wolfgang Mattheuer als akademischer Lehrer und seine Ausstrahlung auf Schüler und künstlerische Nachfahren hervorgehoben werden.
Preise und Auszeichnungen
1968 - Kunstpreis der Stadt Leipzig
1973 - Kunstpreis der DDR
1975 - Nationalpreis der DDR, II. Klasse
1984 - Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur, I. Klasse
1985 - Ehrenbürgerschaft von Reichenbach/Vogtland
1993 - Verleihung des Verdienstkreuzes I. Klasse zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland durch Richard von Weizsäcker
2003 - Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg
2004 - Verleihung der Ehrenmedaille der Stadt Leipzig (posthum)
Ehrungen
Auf Beschluss des Leipziger Stadtrates[1] erhielt 2011 eine neue Straße im Ortsteil Probstheida den Namen Mattheuerbogen.
Werke
Bronzeskulptur „Jahrhundertschritt“ in Potsdam auf dem Hof des Kutschstalls
„Jahrhundertschritt“ - Eisenabguss vor dem Haus der Geschichte in Bonn
„Mann mit Maske“ vor dem damaligen Interim des Museums der bildenden Künste in der Grimmaischen Straße in Leipzig, September 2003
Das Werk Wolfgang Mattheuers umfasst 740 Gemälde, mehr als 5.500 Zeichnungen, circa 850 Druckgrafiken[2] sowie 50 Plastiken und Objekte[3]
Zeichnungen (Beispiel)
1981 - Prometheus verlässt das Theater oder Das Ende der Aufklärung Bleistift 60 x 80,2 cm, Privatbesitz.
Druckgraphik (Beispiel)
1981/1995 - Meine Sonnen heißen: Trotz alledem. Holzschnitt 1981 45,5 x 45,5 cm; 1995 teilkolorierte Auflage von 30 Blatt.
Gemälde (Beispiele)
1965 - Kain, 96 x 118 cm, Staatliche Galerie Moritzburg Halle / Saale.
1967 - Adam wartet, 118 x 96 cm, Staatliche Galerie Moritzburg Halle / Saal.
1968 - Tauwetter (erste Fassung) 50 x 70 cm, Privatbesitz.
1969 - Das große Dachfenster
1970 - Schwebendes Liebespaar, 96 x 118 cm
1971 - Das blaue Leipzig, 119,5 x 96 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.
1971/72 - Osterspaziergang II, 58 x 89 cm, Museum Moderne Kunst Wien.
1972 - Die Flucht des Sisyphos, 96 x 118 cm, Galerie Neue Meister Dresden.
1973 - Ein weites Feld, 105 x 129 cm, Nationalgalerie Berlin.
1973 - Hinter den sieben Bergen, 170 x 130 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig.
1973/74 - Die Ausgezeichnete, 125 x 100 cm, Nationalgalerie Berlin.
1979 - Unterbuchwald, 85 x 70 cm, Privatbesitz.
1986 - Draußen, Drinnen und Ich, 200 x 200 cm, Nationalgalerie Berlin, Leihgabe Sammlung Fritz P. Mayer
1985 - Geh aus deinem Kasten, 147 x 253 cm, Sprengel-Museum Hannover.
2002 - Nichts Neues im neuen Jahrhundert
Plastiken (Auswahl)
1975 - Sisyphos im Rad
1979 - Verstrickt
1981 - Mann mit Maske (Maskenmann). - In Erinnerung an die Montagsdemonstrationen wurde die in mehreren Güssen verbreitete Skulptur in Leipzig in Gesichtzeigen umbenannt. Die Heilbronner Kopie behielt ihren ursprünglichen Namen.[4]
Weitere Güsse der Bronze: Nationalgalerie, Berlin; Museum der bildenden Künste, Leipzig; Südfriedhof, Grab von Wolfgang Mattheuer; Stadt Heilbronn
1984 - Jahrhundertschritt
Weitere Güsse der Bronze: Haus der Geschichte, Bonn; Grundkreditbank, Berlin; Stiftung Moritzburg, Halle/Saale; Museum Ludwig, Oberhausen; Zeitgeschichtliches Forum, Leipzig
1996 - Ikarus erhebt sich
2001 - Flüchtende
Werkstandorte
Aachen, Ludwig Forum für Internationale Kunst,
Altenburg, Lindenau-Museum
Augsburg, Kunstmuseum Walter
Bad Frankenhausen, Panoramamuseum
Berlin, Deutsches Historisches Museum
Berlin, Kunstsammlung der Berliner Volksbank
Berlin, Neuer Bundestag
Berlin, Staatliche Museen - Nationalgalerie
Beeskow, Kunstarchiv Beeskow
Bonn, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Budapest, Ludwig Museum
Chemnitz, Kunstsammlungen
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister
Durbach, Museum für aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle
Erfurt, Angermuseum
Frankfurt am Main, Kunstsammlung Deutsche Bundesbank
Frankfurt am Main, Städel-Museum
Frankfurt (Oder), Museum Junge Kunst
Halle/Saale, Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt
Hannover, Sprengel Museum
Köln, Museum Ludwig
Leipzig, Kunstsammlung der Sparkasse
Leipzig, Museum der bildenden Künste
Leipzig, Sammlung Fritz P. Mayer – Leipziger Schule
Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum
Leipzig, Zeitgeschichtliches Forum
Magdeburg, Kulturhistorisches Museum
Mannheim, Kunsthalle
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum
Peking, Ludwig Museum für Internationale Kunst
Plauen, Vogtlandmuseum
Potsdam, Sammlung der LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse A
Potsdam, Sammlung Hasso Plattner
Schwerin, Staatliches Museum
St. Petersburg, Museum Ludwig im Russischen Museum
Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Neues Museum und Schloßmuseum
Wien, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig
Würzburg, Museum am Dom
Film
Wolfgang Mattheuer, Regie: Reiner E. Moritz, Dokumentation 51 Min., Arthaus Musik GmbH 2009 (1991), ISBN 978-3-941311-78-7
Publikationen (Auszug)
1974 - Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Gemäldegalerie Neue Meister - Albertinum, Dresden, mit dem Text von Joachim Uhlitzsch: „Der ungewöhnliche Realismus Wolfgang Mattheuers“
1978 - Museum der bildenden Künste Leipzig: Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog, Leipzig
1987 - Staatliche Galerie Moritzburg Halle: Wolfgang Mattheuer - Zeichnungen, Ausstellungskatalog
1988 - Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin: Nähe und Horizont - Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Henschelverlag, Berlin
1988 - Heinz Schönemann: Wolfgang Mattheuer, umfassende Monografie im E. A. Seemann-Verlag, Leipzig
1990 - Wolfgang Mattheuer: Äußerungen, Texte und Grafik, Reclam-Verlag, Leipzig
1995 - Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen: Wolfgang Mattheuer - Vom Holz, Ausstellungskatalog der Holzstöcke und Holzschnitte, Reutlingen
1997 - Ursula Mattheuer-Neustädt: Bilder als Botschaft - Die Botschaft der Bilder, Betrachtungen zum Werk bei Faber & Faber, Leipzig
2002 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Ausstellungskatalog Retrospektive Kunstsammlungen Chemnitz, Seemann-Verlag, Leipzig
2005 - Edition Galerie Schwind: Wolfgang Mattheuer - Werkverzeichnis der Plastiken und Objekte, Frankfurt a. Main
2005 - Suermondt-Ludwig-Museum Aachen: Wolfgang Mattheuer - Ikarus, der Unerkannte und der Jahrhundertschritt, Ausstellungskatalog Zeichnungen aus Privatbesitz, Aachen
2007 - Museum der bildenden Künste Leipzig: Wolfgang Mattheuer - Abend, Hügel, Wälder, Liebe. Der andere Mattheuer, Ausstellungskatalog
2007 - Ursula Mattheuer-Neustädt, Heinz Schönemann u.a. (Hrsg.): Meine Sonnen heißen: Trotz alledem. Erinnerungen an Wolfgang Mattheuer, Verlag Faber & Faber, Leipzig
2008 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer - Flugversuch, Ausstellungskatalog der Retrospektive der Zeichnungen, Edition Minerva, München
2009 - Dr. Jürgen Lennsen (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer - Jahrhundertschritt, Katalog der Ausstellung im Museum am Dom, Würzburg
2010 - Ingrid Mössinger, Kerstin Drechsel (Hrsg.): Wolfgang Mattheuer, Das druckgrafische Werk - Schenkung Hartmut Koch, Bestandsverzeichnis des druckgrafischen Werkes (deutsche und englische Ausgabe), Wienand-Verlag, Köln, ISBN 978-3-86832-031-2
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