Titus Flavius Domitianus der letzte seiner Art
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Titus Flavius Domitianus der letzte seiner Art
Titus Flavius Domitianus (* 24. Oktober 51 in Rom; † 18. September 96 ebenda), meist kurz Domitian genannt, war römischer Kaiser von 81 bis 96. Als Nachfolger seines Vaters Vespasian und seines Bruders Titus war er der dritte und letzte Herrscher aus dem Geschlecht der Flavier.
Domitian
Kapitolinische Museen
Domitian wurde in der traditionell von Senatoren verfassten Geschichtsschreibung als schlechter Princeps und Tyrann (pessimus princeps) dargestellt, da er dem Senat nicht den gewünschten Respekt entgegenbrachte und Entscheidungen traf, ohne ihn zu konsultieren. Nach seinem Tod sollte seine Selbstdarstellung als Kaiser offiziell ausgelöscht werden. Erst die moderne Forschung ab Ende des 20. Jahrhunderts revidierte das Domitianbild. Seine militärischen Erfolge in Germanien und Pannonien sowie seine Finanz- und Provinzpolitik lassen ihn als fähigen Herrscher erscheinen. Zugleich bleiben seine Persönlichkeit und Herrschaftsauffassung in Teilen unerklärlich.
Leben bis zur Übernahme der Herrschaft
Domitian wurde am 24. Oktober 51 in Rom als zweiter Sohn des Senators Titus Flavius Vespasianus, des späteren Kaisers, geboren. Über seine Jugend ist wenig bekannt. Laut Sueton verbrachte er sie unter ärmlichen Umständen,[1] was jedoch nicht den Tatsachen entsprochen haben dürfte. Als Sohn einer senatorischen Familie, die neben finanziellen Mitteln auch Ansehen und Einfluss hatte, dürfte Domitian standesgemäß erzogen worden sein.[2]
Als Vespasian im Vierkaiserjahr 69 zum Kaiser ausgerufen wurde, konnte Domitian, im Gegensatz zu seinem Onkel Titus Flavius Sabinus, der Verfolgung durch die Anhänger des Vitellius entkommen und war nach dem Sieg der Flavier zusammen mit Gaius Licinius Mucianus der politische Statthalter des neuen Kaisers in Rom.[3] In den folgenden Jahren wurde Domitian von seinem Vater zwar nicht bewusst zurückgesetzt, spielte aber neben seinem als Mitherrscher und Nachfolger herausgestellten Bruder Titus nur eine nachgeordnete Rolle und wurde nicht auf die Rolle des Princeps vorbereitet. Er erhielt den Titel Caesar, wurde fünfmal Suffektkonsul und bekleidete einmal, im Jahr 73, ein ordentliches Konsulat. Damit war er bis zu Titus’ Herrschaftsantritt insgesamt einmal weniger Konsul als sein Bruder, zweimal weniger als sein Vater. Als Titus im Jahr 79 Vespasians Nachfolge antrat, machte er seinen Bruder zum Kollegen im ordentlichen Konsulat des Jahres 80, verlieh ihm jedoch nicht die tribunicia potestas, die er selbst während der Herrschaft Vespasians erhalten hatte.
Der Prinzipat
Regierungsantritt
Antike Autoren hielten es für möglich, dass Domitian den Tod seines Bruders Titus am 13. September 81 herbeigeführt hatte, doch erlauben die widersprüchlichen Quellen keine eindeutige Beurteilung. Am selben Tag riefen die Prätorianer Domitian zum Imperator aus, er versprach ihnen ein Donativum.[4] Am 14. September trat er die Nachfolge als Kaiser an. Der Senat verlieh ihm die Titel Imperator, pater patriae, pontifex maximus, Augustus sowie die tribunicia potestas und erkannte damit den Herrschaftsübergang an.[5] Domitian bemühte sich um personelle und legislative Kontinuität. Der Freundeskreis (amici) des Kaisers hatte weitgehend die gleiche Zusammensetzung wie unter Vespasian und Titus, seine Sachentscheidungen knüpften sowohl an die der julisch-claudischen Dynastie als auch an die seines Vaters und Bruders an.[6]
Domitian erwies sich damit am Anfang seiner Regierungszeit auch in den Augen des Senats als fähiger Regierungschef. Er bekämpfte energisch die Korruption, steigerte die Effizienz der Verwaltung und brachte die Staatsfinanzen in Ordnung. Unter den zahlreichen von Domitian verwirklichten Bauvorhaben sind besonders das monumentale Stadion auf dem Marsfeld, der Titusbogen, das Forum Transitorium und sein überlebensgroßes Reiterstandbild (Equus Domitiani) auf dem Forum Romanum zu erwähnen.
Verhältnis zum Senat
Büste Domitians
Den Senat brachte Domitian nicht lange nach seinem Herrschaftsantritt gegen sich auf, weil er ihn kaum noch zu Rate zog und sich angeblich von seinem Umfeld als dominus et deus („Herr und Gott“) anreden ließ.[7] Nicht anders als seine Vorgänger auch, richtete Domitian ein consilium principis ein, eine Art informellen Kronrat.[8] Allerdings nahmen an diesem Rat auch Ritter teil, was den Senat teils brüskierte, insbesondere dann, wenn der Kaiser von den besten Männern aus beiden Ständen sprach, die sich um ihn versammelt hätten. Darüber hinaus gerieten die wenigen Treffen des consilium in der Villa des Princeps in den Albaner Bergen – und nicht in Rom – in den Ruf der Heimlichtuerei und der bewussten Abgrenzung.[9] Wie vermutlich unter Tiberius auch, setzte Domitian einen ehemaligen Quästor ein, der sich um die Belange des Senats kümmern und diesen betreuen sollte.[10]
Ähnlich wie vor ihm Caligula und nach ihm Commodus brach Domitian damit die Spielregeln des Prinzipats, denen zufolge der Kaiser zwar faktisch alle Macht in Händen hielt, nach außen aber die Rolle von Volk und Senat in Ehren zu halten hatte. Domitian scheint diese seit Augustus übliche Fassade zumindest in der zweiten Hälfte seiner Regierung immer weniger gepflegt zu haben und durch die Offenlegung der tatsächlichen Machtverhältnisse brüskierte er den Senat immer mehr. 85 übernahm er schließlich noch das Amt des Zensors auf Lebenszeit[11] und damit das Recht, Senatoren zu ernennen und zu entlassen. Als einziger Kaiser führte Domitian offiziell den Titel eines censor perpetuus. Allerdings nahm Domitian für sich nicht in Anspruch, selbst ein Gott zu sein, und er forderte für sich selbst keine göttliche Verehrung, vielmehr sah er sich unter göttlichem Schutz stehend.
Domitians autokratische Herrschaft führte zum Widerstand senatorischer Kreise sowie einiger Philosophen, die gegen den Prinzipat Stellung bezogen. Die Feindseligkeit dieser Kreise, die in den Plinius-Briefen bezeugt ist,[12] trug entscheidend dazu bei, das Bild Domitians nach seinem Tod zu verdunkeln. Heute gehen daher die meisten Althistoriker davon aus, der Kaiser sei in der Innen- und Außenpolitik weitaus erfolgreicher gewesen, als es die Quellen suggerieren. Die Forschung sieht Domitians Umgang mit dem Senat differenzierter. Er wählte Amtsinhaber, insbesondere militärische, nach ihrer Fähigkeit aus und nicht nach ihrer Ahnenliste. Dies wirkte sich unmittelbar auf die Aufstiegsmöglichkeiten der senatorischen Elite aus. Domitian entschied sich auch für Kommandanten aus dem Ritterstand, wie zum Beispiel Iulius Ursus oder Cornelius Fuscus, während er patrizische Legaten abberief oder nicht wie erwartet beförderte. Dennoch suchte der Princeps die Unterstützung des Senats und hinderte fähige Senatoren nicht an ihrer Karriere.[13]
Als die Chatten im Winter 88/89 n. Chr. den obergermanischen Statthalter Lucius Antonius Saturninus gegen Domitian unterstützen wollten,[14] reagierte Domitian nach Niederschlagung der Revolte auf dieses Angebot mit einem Kriegszug gegen sie. Es ist bezeichnend, dass die Revolte sehr rasch zusammenbrach, was dafür spricht, dass der Kaiser auch weiterhin die Unterstützung der Armee und ihrer Kommandeure besaß. Mehrere Senatoren ließ Domitian hinrichten, andere schickte er in die Verbannung und beschlagnahmte ihr Eigentum. In den meisten Fällen war die Begründung für die Maßnahmen entweder Anstiftung zum Umsturz oder Beleidigung des Herrschers und des Herrscherhauses. Die durchweg summarische Beschreibung des „Terrors“ von Domitian gerade bei Sueton[15] deutet auf eine Vielzahl von Ermordungen und Exilierungen hin, allerdings werden nur 14 Senatoren namentlich genannt. Für Claudius hingegen sind 35 Hinrichtungen von Senatoren und über 300 von Rittern überliefert.[16]
Wie alle römischen Kaiser förderte Domitian Kunst und Künstler und war unter anderem Mäzen der Dichter Statius und Martial.
Aktivitäten in Germanien
Denarius Domitians
Unter Domitian begann die Phase einer erneuten römischen Expansion rechts des Rheins im Bereich der obergermanischen Heeresgruppe. Als ein Krieg in Germanien unausweichlich schien, entschied der Kaiser nach einer Ratssitzung,[17] unter dem Vorwand eines Zensus in Gallien im Jahre 83 über den Rhein zu marschieren.[18] Vermutlich im Frühjahr 83 begann der Krieg gegen die Chatten,[19] dessen Ziel die Schwächung der Chatten als letztem größeren Unruheherd in Rheinnähe war. Domitian stieß tief bis in das chattische Kernland vor,[20] also weit ins heutige Hessen.[21] Im Herbst wurde der Kriegszug in Germanien gegen die Chatten zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Dabei gelang die Unterwerfung des Gebiets zwischen Taunus, Lahn und Main (Wetterau). Domitian begann schließlich mit der Errichtung des Limes, des römischen Grenzwalles zwischen Rhein und Donau. Außerdem nahm Domitian zwischen Juni und August 83 den Siegerbeinamen Germanicus an. Dies war das erste Mal, dass ein Prinzeps diesen nicht vererbt bekommen hatte, sondern durch eigene militärische Leistungen für sich beanspruchte.[22] Am Ende des Jahres 83 feierte er den Triumph in Rom und bekam weitere Ehrungen durch den Senat verliehen.[23] Hierzu zählen vor allem, vor dem Senat im Triumphgewand erscheinen zu dürfen und von 24 Liktoren begleitet zu werden. Außerdem wurde der Oktober in Domitianus umbenannt.
Nach einem erneuten Chattenkrieg im Jahre 85 gelang es Domitian, den Erfolg im Chattenland durch die Einrichtung der Taunuskastelle und Dislozierung von Truppen zu festigen;[24] die Bereiche des ober- und niedergermanischen Heeres wurden in zwei ordentliche Provinzen umgewandelt. Der Chattenkrieg stellte für längere Zeit die letzte große militärische Machtdemonstration im rechtsrheinischen Germanien dar. Manches spricht dafür, dass die Domitian feindlich gesinnte Überlieferung den Erfolg dieser Operationen kleinredet; tatsächlich blieb die Grenze zum freien Germanien in der Folgezeit fast 100 Jahre lang weitgehend friedlich. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Domitian seine Ziele in diesem Raum nicht erreicht hat.[25]
Domitian erklärte so das seit Augustus ungelöste Germanienproblem durch die offizielle Gründung der beiden Provinzen Germania superior („Obergermanien“) und Germania inferior („Niedergermanien“) für beendet. Noch im Jahre 82 war in offiziellen Dokumenten nur von der Germania die Rede gewesen. Kurz darauf tauchen die ersten Inschriften auf, die von duae Germaniae sprechen. Tilmann Bechert nimmt daher an, dass Germania inferior etwa in den Jahren 83/84 seine lex provinciae erhalten hat, die alle Fragen der Gerichtsbarkeit, Steuergesetzgebung und Verwaltung in der Provinz gesetzlich und endgültig regelte.[26] Anhand von Militärdiplomen scheint die offizielle Einrichtung der beiden Provinzen hingegen auf die Zeit zwischen 82 und 90 datierbar zu sein.[27] Die exakte Amtsbezeichnung des niedergermanischen Statthalters lautete jetzt: legatus Augusti pro praetore Germaniae inferioris (vorher: legatus Augusti pro praetore exercitus Germanici inferioris).
Seit dem Ende der 80er Jahre wurden aus den Legaten der germanischen Heere konsularische Statthalter der beiden schmalen Grenzprovinzen Ober- und Niedergermanien. Im Rang und in ihrer Laufbahn standen sie etwa zwischen den Statthaltern der beiden moesischen und denen der großen, mit drei Legionen besetzten Provinzen wie Britannien, wohin der militärische und politische Aufstieg die Statthalter der germanischen Provinzen häufig führte. Zensus und Finanzverwaltung und damit das gesamte Steuerwesen unterstanden weiterhin dem Prokurator von Gallien (Sitz: Augusta Treverorum).[27] Die Hauptstädte der beiden Provinzen und Sitze der Statthalter blieben in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) und Mogontiacum (Mainz), wo sich das Oberkommando der beiden Heere befunden hatte.
Domitian und seine Berater hatten schnell erkannt, dass der Wert der vertraglichen Beziehungen zu den germanischen Stammeseliten bei ausreichender Stärke der römischen Grenztruppen nicht hoch einzustufen war. Ein aktives Eingreifen in innergermanische Konflikte im Sinne einer Schutzmacht stand nie zur Diskussion. Als die Cherusker ein Jahr nach dem Chattenkrieg Domitians von diesen bedrängt Rom um Hilfe baten, erhielten sie keine militärische, sondern finanzielle Unterstützung.[28] Danach fanden nahezu keine erkennbaren diplomatischen Aktivitäten jenseits des Limes statt.
In der außen- und militärpolitischen Praxis könnte Tiberius ein Vorbild für Domitian gewesen sein. Dieser setzte die Politik, die ihm in Senatskreisen größte Vorwürfe einbrachte, fort: Er führte nur dann Kriege, wenn sie unumgänglich waren, und verstärkte ansonsten die Grenzsicherung. Domitian wollte, wie sein Vater und sein Bruder, militärische Erfolge vorweisen.[25]
Daker- und Pannonische Kriege
Die Feldzüge gegen die Chatten brachten reiche Beute ein und führten zu kleineren Gebietsgewinnen für die Römer; sie mussten abgebrochen werden, da die Legionen an der Donau benötigt wurden. Mitte 85[29] drangen starke dakische Kriegerverbände des Stammesfürsten Diurpaneus[30] von Nordosten in die römische Provinz Moesien ein und trafen die Römer völlig unvorbereitet. Der Statthalter Gaius Oppius Sabinus fiel während der gescheiterten Abwehrkämpfe, die Daker plünderten und brandschatzten viele Siedlungen und Kastelle. Der Kaiser ordnete eine Verlegung von Legionen aus allen Teilen des Reiches an und begab sich selbst mit seinen Prätorianern unter dem Befehl von Cornelius Fuscus an die moesische Front. Auf dem Marsch von Rom aus verstärkte Domitian seine Truppen aus Pannonien und Dalmatien. Das Oberkommando führte der Kaiser, den Oberbefehl erhielt Fuscus, ihm beigeordnet waren die Legaten Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus und Lucius Funisulanus Vettonianus. Mit zwei erfolgreichen Expeditionen konnte Diurpaneus über die Donau zurückgetrieben werden, Domitian erhielt drei imperatorische Akklamationen und kehrte nach Rom zurück, wo er seinen ersten Dakertriumph feierte.[31]
Fuscus blieb als Oberbefehlshaber in Moesien, reorganisierte die Provinz und das Heer und bereitete den Rachefeldzug gegen die Daker vor. Mitte 86 überschritt er die Donau, stellte Diurpaneus und verlor in der ersten Schlacht, die ihn das Leben kostete, fast die gesamte Expeditionsarmee.[32] Diese zweite Niederlage innerhalb kurzer Zeit hätte Domitian neben dem außenpolitischen Schaden auch innenpolitisch in Bedrängnis bringen können, sodass er erneut nach Moesien aufbrach und Truppen verlegte. Eine Konsequenz der Verlegung war die Aufgabe und Schleifung des schottischen Kastells Inchtuthil und damit die Beschränkung des römischen Gebietes auf die Gebiete südlich des Forth-Clyde-Kanals.[33] Bis Ende 86 schlug Cornelius Nigrinus als neuer Oberbefehlshaber mindestens zwei erfolgreiche Schlachten gegen die Daker und in erster Linie Diurpaneus. Im Spätherbst 86 kehrte Domitian nach Rom zurück und verzichtete auf einen Triumph.[34]
Nach dem Ausfall von Diurpaneus wurde Decebalus zum Führer der dakischen Stämme.[35] Bisher hatte er sich neutral verhalten und dem Kaiser bei beiden Aufenthalten in Moesien seine Neutralität versichert und vermutlich ein Bündnis angeboten. Nun verband er sich mit den in der Walachei sitzenden sarmatischen Panzerreitern der Roxolanen. Domitian reagierte mit Truppenverlegungen und Reorganisation. Die schon im Herbst 86 durchgeführte Trennung der römischen Provinz in Moesia superior (Obermösien) und Moesia inferior (Niedermösien) zeugt davon, dass der Kaiser eine systematische Befriedung der Daker plante, die er nun umsetzte. Während Cornelius Nigrinus in Moesia Inferior die Ordnung hielt und die römische Position ausbaute, griff Lucius Tettius Iulianus von Moesia superior aus im Jahr 88 Sarmizegetusa, das dakischen Machtzentrum in den Westkarpaten, an. Nach Verlusten mussten die Römer sich zurückziehen und überwinterten in Obermoesien.[36] Nach der Schlacht von Tapae, die für Decebalus mit einer Niederlage endete, bot dieser Domitian einen Friedensschluss an, den der Kaiser aber ablehnte. Stattdessen sollten die Legionen von Mainz und Britannien aus verstärkt werden, was sich aufgrund des Saturninusaufstandes verzögerte. Im Sommer 89 startete die zweite Strafexpedition gegen Decebalus und Sarmizegetusa, die sich zuerst gegen die Markomannen richtete, deren Bündnisangebot Domitian abgelehnt hatte. Der Widerstand war jedoch so groß, dass die Römer sich über die Donau zurückziehen mussten. Als Folge des Angriffs und der römischen Niederlage traten die Quaden und Jazygen in den Krieg ein und bildeten eine bedrohliche pannonische Allianz gegen die Römer. Der Kaiser änderte nach Beratungen seine Strategie: Er nahm Friedensverhandlungen mit Decebalus auf. Der Dakerkönig unterwarf sich Rom, Domitian selbst reiste in das dakische Hinterland, wo der Bruder des Königs, Diegis, zum römischen Klientelfürsten gekrönt wurde.[37] Decebalus erhielt zivile und militärische Unterstützung sowie Subsidienzahlungen, die wirtschaftlichen Beziehungen prosperierten in der Folgezeit. Die nicht unüblichen Zahlungen an die Daker waren einer der Gründe für den Feldzug Trajans gegen die Daker.[38] Domitian erhielt drei imperatorische Akklamationen und feierte bei seiner Rückkehr im Herbst 89 einen Triumph.
Im Jahr 92 war Domitian erneut an der östlichen Donaufront, um die Einfälle der sarmatischen Jazygen niederzuschlagen, die zuvor bei Brigetio die Legio XXI Rapax vernichtet hatten.[39] Dieser Sarmatenkrieg wurde anschließend von dem Dichter Arruntius Stella verherrlicht.
Britannien
In Britannien gelang es Domitian mit Hilfe des Statthalters Gnaeus Iulius Agricola, dem Schwiegervater des Geschichtsschreibers Tacitus, den römischen Machtbereich bis zur Grenze des schottischen Hochlandes zu erweitern. Im Jahr 83 oder 84 überschritt Agricola auf Anweisung des Kaisers den Firth of Clyde, um die schottischen Gebiete endgültig zu befrieden.[40] Die Gegenwehr der Kaledonen unter ihrem Führer Calgacus war massiv, sodass Agricola sieben Feldzüge führen musste. Die letzte Schlacht fand am mons Graupius statt, die Kaledonen flohen und Rom stand der Weg nach Norden offen.[41] Ein römischer Flottenverband umsegelte Schottland und nahm die Unterwerfung der Orkneyinseln entgegen.
Kurz nach den Erfolgen in Britannien ließ Domitian die Truppen verlegen. Agricolas erzwungenen Abzug und die damit verbundene Aufgabe Schottlands und Konsolidierung des römischen Machtbereichs begründet Tacitus mit dem Neid und schlechten Wesen Domitians.[42] Tatsächlich hatte der Kaiser aufgrund der Lage in Pannonien gute Gründe, diese Front stillzulegen und die Legionen zu verlegen,[43] er ließ Agricola vom Senat mit Triumphinsignien und einer Statue ehren. Bis 86 wurde das gerade erst aufgebaute Fort Inchtuthil geschleift, die Truppen zogen sich in die Nähe des späteren Hadrianswalls zurück. Agricolas Nachfolger als Legat in Britannien wurde Sallustius Lucullus, den Domitian vermutlich 96 hinrichten ließ.[44] Der Rückzug sicherte die schottische Front und sorgte für Ruhe im Norden; unter Trajan wurde die Grenzlinie noch weiter nach Süden gelegt.
Tod
Die Ermordung Domitians geschah aus dem inneren Kreis am Hof und aus persönlichen Motiven heraus. Begründet wird sie damit, dass der Kaiser zunehmend misstrauisch wurde, Verschwörungen gegen sich fürchtete[45] und entsprechend brutal agierte.[46] Unter anderem wird angeführt, dass er seinen Cousin Titus Flavius Sabinus, den Mann seiner Nichte Iulia, der Tochter des Titus, aus ebenso marginalen Gründen hinrichten ließ wie seinen Vetter Clemens, den Vater der designierten Thronerben Vespasian und Domitian.[47] Das auslösende Moment für die Verschwörer soll die Ermordung von Epaphroditos gewesen sein,[48] die die engsten Mitarbeiter Domitians auch um ihr Leben fürchten ließ. Umstritten ist, wer genau zur Gruppe dazugehörte und wer eingeweiht war. Fest steht, dass Stephanus, der Prokurator von Domitians Nichte Domitilla, sowie Maximus, ein Freigelassener von Domitians Kammerdiener Parthenios, die Tat ausführten; Stephanus drohte eine Anklage wegen Unterschlagung.[49] Die weitere Besetzung differiert, es sollen rangniedrige Soldaten, weitere Freigelassene und Kammerdiener sowie Gladiatoren beteiligt gewesen sein.[50] Ob Domitians Frau Domitia Longina treibende Kraft war, ob Nerva zumindest Kenntnis hatte und ob die Prätorianerpräfekten die Verschwörung billigten, lässt sich nicht sagen.[51]
Domitian wurde schließlich am 18. September 96 in seinem Palast in Rom „hinterlistig ermordet“.[52] Ausgeführt wurde die Tat von Stephanus, der einige Tage zuvor bereits einen Arm verbunden hatte und eine Verletzung vortäuschte, um in den Binden einen Dolch zu verstecken. Der Kaiser starb unter starker Gegenwehr, die Täter wurden noch vor Ort von den Wachen getötet.[53] Domitians vollständige Titulatur zum Zeitpunkt seines Todes lautete Imperator Caesar Domitianus Augustus Germanicus, Pontifex maximus, Tribuniciae potestatis XVI, Imperator XXIII, Consul XVII, Pater patriae. Der Senat billigte die Tat, das Andenken Domitians fiel der damnatio memoriae anheim.[54] Die Dynastie der Flavier endete mit ihm. Sein Nachfolger wurde der langjährige Senator Nerva. Er war als Übergangskandidat zum einen aus dem flavischen Kreis und so für die Prätorianer und besonders den Senat tragbar, zum anderen war von ihm als kinderlosem, älteren Mann keine lange Regierungszeit zu erwarten.[55] Seine Position war jedoch gefährdet, da Domitian bei Armee und Volk sehr beliebt gewesen war.[56]
Domitianbild
Antike Autoren
Die beiden wichtigsten überlieferten Historiker der frühen römischen Kaiserzeit, Tacitus und Sueton, schrieben ihre Werke in Erinnerung an die von ihnen dargestellte Gewaltherrschaft des Kaisers (in der Forschung manchmal „Domitianerlebnis“ genannt) sowie in der Regierungszeit der Adoptivkaiser, die Domitian als Negativfolie ihrer eigenen Politik sahen. Dementsprechend ist das überlieferte Domitianbild sehr negativ. Zwar beschreibt insbesondere Sueton die Regierungsarbeit des Kaisers zum größten Teil positiv[57], wirft ihm jedoch Verschwendung, Missbrauch der Staatsgelder und Rechtsbeugung vor[58] und zeichnet insgesamt das Bild eines grausamen Herrschers mit äußerst schlechtem Charakter[59].
Hinsichtlich des Werkes von Tacitus lässt sich dies freilich nicht mehr sicher sagen, da die Teile seiner Historien, welche die Regierungsjahre des Domitian behandelten, nicht erhalten sind. Aufgrund von Beschreibungen des jungen Domitian, Anspielungen in früheren Büchern sowie Selbstaussagen des Autors kann jedoch geschlossen werden, dass Tacitus Domitian ähnlich ungünstig beschrieb wie Sueton.[60] Plinius der Jüngere beschrieb Domitian in seinem Panegyrikus an Nervas berühmten Nachfolger Trajan ebenfalls mit den Eigenschaften eines Tyrannen.
Die Christen wurden regional zurückgedrängt, so in Rom und Kleinasien. In diesem Zusammenhang entstand die ursprünglich an sieben Gemeinden in Kleinasien gerichtete Offenbarung des Johannes (auch: Apokalypse). Die christlichen Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts schildern Domitian als grausamen Christenverfolger. Tertullian, Eusebius von Caesarea und Laktanz nennen ihn in einer Reihe mit Nero. Bei Tertullian wird er als „halber Nero“[61] bezeichnet, für Eusebius ist er der zweite Christenverfolger,[62] Laktanz reiht ihn direkt nach Nero und vor andere berühmte Verfolger wie Decius oder Diokletian ein.[63] Obwohl keine systematische Christenverfolgung unter Domitian stattfand, hat insbesondere die christliche Historiografie das Domitianbild nachhaltig negativ geprägt.
Auch spätere antike Geschichtsschreiber wie Jordanes gehen knapp auf Domitian ein. Noch Prokopios von Caesarea schildert ihn um 550 als Tyrannen und behauptet, die Römer hätten derart unter ihm gelitten, dass sie seinen Körper nach seiner Ermordung in kleine Stücke zerhackt hätten.[64]
Die 4. Satire Juvenals, auch als „Fischsatire“ bekannt, gibt eine parodistische Schilderung einer Consiliumssitzung unter Domitian: Der Kaiser wird darin als grausamer Tyrann geschildert, der Rom „ungestraft und ohne Richter“ die besten Geister geraubt habe.[65] Dieses alte Domitianbild wird auch in zahlreichen historischen Romanen verarbeitet, so zum Beispiel in Kate Quinns Die Hure des Kaisers (2009).
Moderne Forschung
Mit der ersten modernen Domitianbiografie legte Stéphane Gsell Ende des 19. Jahrhunderts für lange Jahre das Domitianbild fest. Den Quellen folgend, sah er den Kaiser als einen hochmütigen Menschen, der eine absolutistische Regierung durchsetzen und den Senat völlig entmachten wollte.[66] Ähnlich urteilte Alfred von Domaszewski; er sprach von Verachtung, Anmaßung und Autokratie als einzigen Elementen der Regierungszeit.[67] Die Darstellung Domitians als pessimus princeps korrelierte insbesondere mit dem positiven Bild Trajans als optimus princeps.[68] Die Kritiker des negativen Domitianbildes setzten bei Tacitus und Plinius an und stellten die Leistungen des Kaisers heraus, ohne das Gesamtbild aufgrund der Domitian zugeschriebenen schlechten Eigenschaften revidieren zu können.[69]
Seit den 1960er Jahren begann die Forschung, das Domitianbild zu revidieren.[70] Rainald Goetz (1978) und Brian Jones (1979) näherten sich dem Kaiser prosopographisch mit einer Untersuchung seiner Unterstützer und Gegner an. Ihr Urteil ist, dass Domitian als Person schwierig gewesen sein kann, seine Herrschaft komplex und vieles unerklärlich sei. Insgesamt sehen sie seine Regierungszeit als positiv an und die Schwierigkeiten in der Missachtung des Senats.[71] In den 1990er Jahren versuchten Christian Witschel und Pat Southern, den Kaiser psychologisch zu deuten, und sahen ihn als Opfer seines Ehrgeizes, seiner Kindheit und Jugend oder seiner Zurücksetzung hinter Titus.[72] Die neueste Einführung zur Zeit der Flavier von Stefan Pfeiffer aus dem Jahr 2009 lehnt die psychologisierenden Ansätze ab. Pfeiffer kategorisiert, ähnlich wie Jones, Domitian als fähigen Herrscher und Verwalter und sieht die Gründe für sein Scheitern im Verhältnis zum Senat und dessen deutlichen Ausschluss an der politischen Teilhabe.[73]
Christiana Urner, die in ihrer Dissertation die Quellenlage und die Forschungsliteratur bis 1989 untersucht, enthält sich weitgehend einer Beurteilung des Kaisers. Sie stellt fest, dass Informationen, die für Domitian und seine Herrschaft sprechen, weit weniger berücksichtigt wurden als die, die gegen ihn sprechen. Sie folgert daraus, dass das Domitianbild einem Wandel vom Tyrannen hin zum umsichtigen Staatsmann unterläge.[74] Anhand der Kriegsführung an der Donau kommt Karl Strobel zu einem ähnlichen Ergebnis. Er sieht Domitian als erfolgreichsten Feldherrn nach Augustus, zugleich deutet er die Niederlagen in den Dakerkriegen als Auslöser für das Zerwürfnis mit dem Senat und schwindende Legitimation.[75] In seiner Trajan-Biografie aus dem Jahr 2010 baut Strobel diese Sichtweise weiter aus. Ein Unterkapitel behandelt die Frage nach Domitians Leistungen und Herrschaftsausübung.[76] Strobel betont, dass Domitian ein klares und systematisches Konzept seiner Herrschaft gehabt habe,[77] in dem sich autokratische und hellenistische Elemente wiederfinden ließen;[78] die Abwertung seiner Herrschaft als pessimus princeps resultiere in erster Linie aus der Inszenierung und Aufwertung Trajans als optimus princeps.[79]
Quelle - literatur & Einzelnachweise
Domitian
Kapitolinische Museen
Domitian wurde in der traditionell von Senatoren verfassten Geschichtsschreibung als schlechter Princeps und Tyrann (pessimus princeps) dargestellt, da er dem Senat nicht den gewünschten Respekt entgegenbrachte und Entscheidungen traf, ohne ihn zu konsultieren. Nach seinem Tod sollte seine Selbstdarstellung als Kaiser offiziell ausgelöscht werden. Erst die moderne Forschung ab Ende des 20. Jahrhunderts revidierte das Domitianbild. Seine militärischen Erfolge in Germanien und Pannonien sowie seine Finanz- und Provinzpolitik lassen ihn als fähigen Herrscher erscheinen. Zugleich bleiben seine Persönlichkeit und Herrschaftsauffassung in Teilen unerklärlich.
Leben bis zur Übernahme der Herrschaft
Domitian wurde am 24. Oktober 51 in Rom als zweiter Sohn des Senators Titus Flavius Vespasianus, des späteren Kaisers, geboren. Über seine Jugend ist wenig bekannt. Laut Sueton verbrachte er sie unter ärmlichen Umständen,[1] was jedoch nicht den Tatsachen entsprochen haben dürfte. Als Sohn einer senatorischen Familie, die neben finanziellen Mitteln auch Ansehen und Einfluss hatte, dürfte Domitian standesgemäß erzogen worden sein.[2]
Als Vespasian im Vierkaiserjahr 69 zum Kaiser ausgerufen wurde, konnte Domitian, im Gegensatz zu seinem Onkel Titus Flavius Sabinus, der Verfolgung durch die Anhänger des Vitellius entkommen und war nach dem Sieg der Flavier zusammen mit Gaius Licinius Mucianus der politische Statthalter des neuen Kaisers in Rom.[3] In den folgenden Jahren wurde Domitian von seinem Vater zwar nicht bewusst zurückgesetzt, spielte aber neben seinem als Mitherrscher und Nachfolger herausgestellten Bruder Titus nur eine nachgeordnete Rolle und wurde nicht auf die Rolle des Princeps vorbereitet. Er erhielt den Titel Caesar, wurde fünfmal Suffektkonsul und bekleidete einmal, im Jahr 73, ein ordentliches Konsulat. Damit war er bis zu Titus’ Herrschaftsantritt insgesamt einmal weniger Konsul als sein Bruder, zweimal weniger als sein Vater. Als Titus im Jahr 79 Vespasians Nachfolge antrat, machte er seinen Bruder zum Kollegen im ordentlichen Konsulat des Jahres 80, verlieh ihm jedoch nicht die tribunicia potestas, die er selbst während der Herrschaft Vespasians erhalten hatte.
Der Prinzipat
Regierungsantritt
Antike Autoren hielten es für möglich, dass Domitian den Tod seines Bruders Titus am 13. September 81 herbeigeführt hatte, doch erlauben die widersprüchlichen Quellen keine eindeutige Beurteilung. Am selben Tag riefen die Prätorianer Domitian zum Imperator aus, er versprach ihnen ein Donativum.[4] Am 14. September trat er die Nachfolge als Kaiser an. Der Senat verlieh ihm die Titel Imperator, pater patriae, pontifex maximus, Augustus sowie die tribunicia potestas und erkannte damit den Herrschaftsübergang an.[5] Domitian bemühte sich um personelle und legislative Kontinuität. Der Freundeskreis (amici) des Kaisers hatte weitgehend die gleiche Zusammensetzung wie unter Vespasian und Titus, seine Sachentscheidungen knüpften sowohl an die der julisch-claudischen Dynastie als auch an die seines Vaters und Bruders an.[6]
Domitian erwies sich damit am Anfang seiner Regierungszeit auch in den Augen des Senats als fähiger Regierungschef. Er bekämpfte energisch die Korruption, steigerte die Effizienz der Verwaltung und brachte die Staatsfinanzen in Ordnung. Unter den zahlreichen von Domitian verwirklichten Bauvorhaben sind besonders das monumentale Stadion auf dem Marsfeld, der Titusbogen, das Forum Transitorium und sein überlebensgroßes Reiterstandbild (Equus Domitiani) auf dem Forum Romanum zu erwähnen.
Verhältnis zum Senat
Büste Domitians
Den Senat brachte Domitian nicht lange nach seinem Herrschaftsantritt gegen sich auf, weil er ihn kaum noch zu Rate zog und sich angeblich von seinem Umfeld als dominus et deus („Herr und Gott“) anreden ließ.[7] Nicht anders als seine Vorgänger auch, richtete Domitian ein consilium principis ein, eine Art informellen Kronrat.[8] Allerdings nahmen an diesem Rat auch Ritter teil, was den Senat teils brüskierte, insbesondere dann, wenn der Kaiser von den besten Männern aus beiden Ständen sprach, die sich um ihn versammelt hätten. Darüber hinaus gerieten die wenigen Treffen des consilium in der Villa des Princeps in den Albaner Bergen – und nicht in Rom – in den Ruf der Heimlichtuerei und der bewussten Abgrenzung.[9] Wie vermutlich unter Tiberius auch, setzte Domitian einen ehemaligen Quästor ein, der sich um die Belange des Senats kümmern und diesen betreuen sollte.[10]
Ähnlich wie vor ihm Caligula und nach ihm Commodus brach Domitian damit die Spielregeln des Prinzipats, denen zufolge der Kaiser zwar faktisch alle Macht in Händen hielt, nach außen aber die Rolle von Volk und Senat in Ehren zu halten hatte. Domitian scheint diese seit Augustus übliche Fassade zumindest in der zweiten Hälfte seiner Regierung immer weniger gepflegt zu haben und durch die Offenlegung der tatsächlichen Machtverhältnisse brüskierte er den Senat immer mehr. 85 übernahm er schließlich noch das Amt des Zensors auf Lebenszeit[11] und damit das Recht, Senatoren zu ernennen und zu entlassen. Als einziger Kaiser führte Domitian offiziell den Titel eines censor perpetuus. Allerdings nahm Domitian für sich nicht in Anspruch, selbst ein Gott zu sein, und er forderte für sich selbst keine göttliche Verehrung, vielmehr sah er sich unter göttlichem Schutz stehend.
Domitians autokratische Herrschaft führte zum Widerstand senatorischer Kreise sowie einiger Philosophen, die gegen den Prinzipat Stellung bezogen. Die Feindseligkeit dieser Kreise, die in den Plinius-Briefen bezeugt ist,[12] trug entscheidend dazu bei, das Bild Domitians nach seinem Tod zu verdunkeln. Heute gehen daher die meisten Althistoriker davon aus, der Kaiser sei in der Innen- und Außenpolitik weitaus erfolgreicher gewesen, als es die Quellen suggerieren. Die Forschung sieht Domitians Umgang mit dem Senat differenzierter. Er wählte Amtsinhaber, insbesondere militärische, nach ihrer Fähigkeit aus und nicht nach ihrer Ahnenliste. Dies wirkte sich unmittelbar auf die Aufstiegsmöglichkeiten der senatorischen Elite aus. Domitian entschied sich auch für Kommandanten aus dem Ritterstand, wie zum Beispiel Iulius Ursus oder Cornelius Fuscus, während er patrizische Legaten abberief oder nicht wie erwartet beförderte. Dennoch suchte der Princeps die Unterstützung des Senats und hinderte fähige Senatoren nicht an ihrer Karriere.[13]
Als die Chatten im Winter 88/89 n. Chr. den obergermanischen Statthalter Lucius Antonius Saturninus gegen Domitian unterstützen wollten,[14] reagierte Domitian nach Niederschlagung der Revolte auf dieses Angebot mit einem Kriegszug gegen sie. Es ist bezeichnend, dass die Revolte sehr rasch zusammenbrach, was dafür spricht, dass der Kaiser auch weiterhin die Unterstützung der Armee und ihrer Kommandeure besaß. Mehrere Senatoren ließ Domitian hinrichten, andere schickte er in die Verbannung und beschlagnahmte ihr Eigentum. In den meisten Fällen war die Begründung für die Maßnahmen entweder Anstiftung zum Umsturz oder Beleidigung des Herrschers und des Herrscherhauses. Die durchweg summarische Beschreibung des „Terrors“ von Domitian gerade bei Sueton[15] deutet auf eine Vielzahl von Ermordungen und Exilierungen hin, allerdings werden nur 14 Senatoren namentlich genannt. Für Claudius hingegen sind 35 Hinrichtungen von Senatoren und über 300 von Rittern überliefert.[16]
Wie alle römischen Kaiser förderte Domitian Kunst und Künstler und war unter anderem Mäzen der Dichter Statius und Martial.
Aktivitäten in Germanien
Denarius Domitians
Unter Domitian begann die Phase einer erneuten römischen Expansion rechts des Rheins im Bereich der obergermanischen Heeresgruppe. Als ein Krieg in Germanien unausweichlich schien, entschied der Kaiser nach einer Ratssitzung,[17] unter dem Vorwand eines Zensus in Gallien im Jahre 83 über den Rhein zu marschieren.[18] Vermutlich im Frühjahr 83 begann der Krieg gegen die Chatten,[19] dessen Ziel die Schwächung der Chatten als letztem größeren Unruheherd in Rheinnähe war. Domitian stieß tief bis in das chattische Kernland vor,[20] also weit ins heutige Hessen.[21] Im Herbst wurde der Kriegszug in Germanien gegen die Chatten zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Dabei gelang die Unterwerfung des Gebiets zwischen Taunus, Lahn und Main (Wetterau). Domitian begann schließlich mit der Errichtung des Limes, des römischen Grenzwalles zwischen Rhein und Donau. Außerdem nahm Domitian zwischen Juni und August 83 den Siegerbeinamen Germanicus an. Dies war das erste Mal, dass ein Prinzeps diesen nicht vererbt bekommen hatte, sondern durch eigene militärische Leistungen für sich beanspruchte.[22] Am Ende des Jahres 83 feierte er den Triumph in Rom und bekam weitere Ehrungen durch den Senat verliehen.[23] Hierzu zählen vor allem, vor dem Senat im Triumphgewand erscheinen zu dürfen und von 24 Liktoren begleitet zu werden. Außerdem wurde der Oktober in Domitianus umbenannt.
Nach einem erneuten Chattenkrieg im Jahre 85 gelang es Domitian, den Erfolg im Chattenland durch die Einrichtung der Taunuskastelle und Dislozierung von Truppen zu festigen;[24] die Bereiche des ober- und niedergermanischen Heeres wurden in zwei ordentliche Provinzen umgewandelt. Der Chattenkrieg stellte für längere Zeit die letzte große militärische Machtdemonstration im rechtsrheinischen Germanien dar. Manches spricht dafür, dass die Domitian feindlich gesinnte Überlieferung den Erfolg dieser Operationen kleinredet; tatsächlich blieb die Grenze zum freien Germanien in der Folgezeit fast 100 Jahre lang weitgehend friedlich. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Domitian seine Ziele in diesem Raum nicht erreicht hat.[25]
Domitian erklärte so das seit Augustus ungelöste Germanienproblem durch die offizielle Gründung der beiden Provinzen Germania superior („Obergermanien“) und Germania inferior („Niedergermanien“) für beendet. Noch im Jahre 82 war in offiziellen Dokumenten nur von der Germania die Rede gewesen. Kurz darauf tauchen die ersten Inschriften auf, die von duae Germaniae sprechen. Tilmann Bechert nimmt daher an, dass Germania inferior etwa in den Jahren 83/84 seine lex provinciae erhalten hat, die alle Fragen der Gerichtsbarkeit, Steuergesetzgebung und Verwaltung in der Provinz gesetzlich und endgültig regelte.[26] Anhand von Militärdiplomen scheint die offizielle Einrichtung der beiden Provinzen hingegen auf die Zeit zwischen 82 und 90 datierbar zu sein.[27] Die exakte Amtsbezeichnung des niedergermanischen Statthalters lautete jetzt: legatus Augusti pro praetore Germaniae inferioris (vorher: legatus Augusti pro praetore exercitus Germanici inferioris).
Seit dem Ende der 80er Jahre wurden aus den Legaten der germanischen Heere konsularische Statthalter der beiden schmalen Grenzprovinzen Ober- und Niedergermanien. Im Rang und in ihrer Laufbahn standen sie etwa zwischen den Statthaltern der beiden moesischen und denen der großen, mit drei Legionen besetzten Provinzen wie Britannien, wohin der militärische und politische Aufstieg die Statthalter der germanischen Provinzen häufig führte. Zensus und Finanzverwaltung und damit das gesamte Steuerwesen unterstanden weiterhin dem Prokurator von Gallien (Sitz: Augusta Treverorum).[27] Die Hauptstädte der beiden Provinzen und Sitze der Statthalter blieben in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) und Mogontiacum (Mainz), wo sich das Oberkommando der beiden Heere befunden hatte.
Domitian und seine Berater hatten schnell erkannt, dass der Wert der vertraglichen Beziehungen zu den germanischen Stammeseliten bei ausreichender Stärke der römischen Grenztruppen nicht hoch einzustufen war. Ein aktives Eingreifen in innergermanische Konflikte im Sinne einer Schutzmacht stand nie zur Diskussion. Als die Cherusker ein Jahr nach dem Chattenkrieg Domitians von diesen bedrängt Rom um Hilfe baten, erhielten sie keine militärische, sondern finanzielle Unterstützung.[28] Danach fanden nahezu keine erkennbaren diplomatischen Aktivitäten jenseits des Limes statt.
In der außen- und militärpolitischen Praxis könnte Tiberius ein Vorbild für Domitian gewesen sein. Dieser setzte die Politik, die ihm in Senatskreisen größte Vorwürfe einbrachte, fort: Er führte nur dann Kriege, wenn sie unumgänglich waren, und verstärkte ansonsten die Grenzsicherung. Domitian wollte, wie sein Vater und sein Bruder, militärische Erfolge vorweisen.[25]
Daker- und Pannonische Kriege
Die Feldzüge gegen die Chatten brachten reiche Beute ein und führten zu kleineren Gebietsgewinnen für die Römer; sie mussten abgebrochen werden, da die Legionen an der Donau benötigt wurden. Mitte 85[29] drangen starke dakische Kriegerverbände des Stammesfürsten Diurpaneus[30] von Nordosten in die römische Provinz Moesien ein und trafen die Römer völlig unvorbereitet. Der Statthalter Gaius Oppius Sabinus fiel während der gescheiterten Abwehrkämpfe, die Daker plünderten und brandschatzten viele Siedlungen und Kastelle. Der Kaiser ordnete eine Verlegung von Legionen aus allen Teilen des Reiches an und begab sich selbst mit seinen Prätorianern unter dem Befehl von Cornelius Fuscus an die moesische Front. Auf dem Marsch von Rom aus verstärkte Domitian seine Truppen aus Pannonien und Dalmatien. Das Oberkommando führte der Kaiser, den Oberbefehl erhielt Fuscus, ihm beigeordnet waren die Legaten Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus und Lucius Funisulanus Vettonianus. Mit zwei erfolgreichen Expeditionen konnte Diurpaneus über die Donau zurückgetrieben werden, Domitian erhielt drei imperatorische Akklamationen und kehrte nach Rom zurück, wo er seinen ersten Dakertriumph feierte.[31]
Fuscus blieb als Oberbefehlshaber in Moesien, reorganisierte die Provinz und das Heer und bereitete den Rachefeldzug gegen die Daker vor. Mitte 86 überschritt er die Donau, stellte Diurpaneus und verlor in der ersten Schlacht, die ihn das Leben kostete, fast die gesamte Expeditionsarmee.[32] Diese zweite Niederlage innerhalb kurzer Zeit hätte Domitian neben dem außenpolitischen Schaden auch innenpolitisch in Bedrängnis bringen können, sodass er erneut nach Moesien aufbrach und Truppen verlegte. Eine Konsequenz der Verlegung war die Aufgabe und Schleifung des schottischen Kastells Inchtuthil und damit die Beschränkung des römischen Gebietes auf die Gebiete südlich des Forth-Clyde-Kanals.[33] Bis Ende 86 schlug Cornelius Nigrinus als neuer Oberbefehlshaber mindestens zwei erfolgreiche Schlachten gegen die Daker und in erster Linie Diurpaneus. Im Spätherbst 86 kehrte Domitian nach Rom zurück und verzichtete auf einen Triumph.[34]
Nach dem Ausfall von Diurpaneus wurde Decebalus zum Führer der dakischen Stämme.[35] Bisher hatte er sich neutral verhalten und dem Kaiser bei beiden Aufenthalten in Moesien seine Neutralität versichert und vermutlich ein Bündnis angeboten. Nun verband er sich mit den in der Walachei sitzenden sarmatischen Panzerreitern der Roxolanen. Domitian reagierte mit Truppenverlegungen und Reorganisation. Die schon im Herbst 86 durchgeführte Trennung der römischen Provinz in Moesia superior (Obermösien) und Moesia inferior (Niedermösien) zeugt davon, dass der Kaiser eine systematische Befriedung der Daker plante, die er nun umsetzte. Während Cornelius Nigrinus in Moesia Inferior die Ordnung hielt und die römische Position ausbaute, griff Lucius Tettius Iulianus von Moesia superior aus im Jahr 88 Sarmizegetusa, das dakischen Machtzentrum in den Westkarpaten, an. Nach Verlusten mussten die Römer sich zurückziehen und überwinterten in Obermoesien.[36] Nach der Schlacht von Tapae, die für Decebalus mit einer Niederlage endete, bot dieser Domitian einen Friedensschluss an, den der Kaiser aber ablehnte. Stattdessen sollten die Legionen von Mainz und Britannien aus verstärkt werden, was sich aufgrund des Saturninusaufstandes verzögerte. Im Sommer 89 startete die zweite Strafexpedition gegen Decebalus und Sarmizegetusa, die sich zuerst gegen die Markomannen richtete, deren Bündnisangebot Domitian abgelehnt hatte. Der Widerstand war jedoch so groß, dass die Römer sich über die Donau zurückziehen mussten. Als Folge des Angriffs und der römischen Niederlage traten die Quaden und Jazygen in den Krieg ein und bildeten eine bedrohliche pannonische Allianz gegen die Römer. Der Kaiser änderte nach Beratungen seine Strategie: Er nahm Friedensverhandlungen mit Decebalus auf. Der Dakerkönig unterwarf sich Rom, Domitian selbst reiste in das dakische Hinterland, wo der Bruder des Königs, Diegis, zum römischen Klientelfürsten gekrönt wurde.[37] Decebalus erhielt zivile und militärische Unterstützung sowie Subsidienzahlungen, die wirtschaftlichen Beziehungen prosperierten in der Folgezeit. Die nicht unüblichen Zahlungen an die Daker waren einer der Gründe für den Feldzug Trajans gegen die Daker.[38] Domitian erhielt drei imperatorische Akklamationen und feierte bei seiner Rückkehr im Herbst 89 einen Triumph.
Im Jahr 92 war Domitian erneut an der östlichen Donaufront, um die Einfälle der sarmatischen Jazygen niederzuschlagen, die zuvor bei Brigetio die Legio XXI Rapax vernichtet hatten.[39] Dieser Sarmatenkrieg wurde anschließend von dem Dichter Arruntius Stella verherrlicht.
Britannien
In Britannien gelang es Domitian mit Hilfe des Statthalters Gnaeus Iulius Agricola, dem Schwiegervater des Geschichtsschreibers Tacitus, den römischen Machtbereich bis zur Grenze des schottischen Hochlandes zu erweitern. Im Jahr 83 oder 84 überschritt Agricola auf Anweisung des Kaisers den Firth of Clyde, um die schottischen Gebiete endgültig zu befrieden.[40] Die Gegenwehr der Kaledonen unter ihrem Führer Calgacus war massiv, sodass Agricola sieben Feldzüge führen musste. Die letzte Schlacht fand am mons Graupius statt, die Kaledonen flohen und Rom stand der Weg nach Norden offen.[41] Ein römischer Flottenverband umsegelte Schottland und nahm die Unterwerfung der Orkneyinseln entgegen.
Kurz nach den Erfolgen in Britannien ließ Domitian die Truppen verlegen. Agricolas erzwungenen Abzug und die damit verbundene Aufgabe Schottlands und Konsolidierung des römischen Machtbereichs begründet Tacitus mit dem Neid und schlechten Wesen Domitians.[42] Tatsächlich hatte der Kaiser aufgrund der Lage in Pannonien gute Gründe, diese Front stillzulegen und die Legionen zu verlegen,[43] er ließ Agricola vom Senat mit Triumphinsignien und einer Statue ehren. Bis 86 wurde das gerade erst aufgebaute Fort Inchtuthil geschleift, die Truppen zogen sich in die Nähe des späteren Hadrianswalls zurück. Agricolas Nachfolger als Legat in Britannien wurde Sallustius Lucullus, den Domitian vermutlich 96 hinrichten ließ.[44] Der Rückzug sicherte die schottische Front und sorgte für Ruhe im Norden; unter Trajan wurde die Grenzlinie noch weiter nach Süden gelegt.
Tod
Die Ermordung Domitians geschah aus dem inneren Kreis am Hof und aus persönlichen Motiven heraus. Begründet wird sie damit, dass der Kaiser zunehmend misstrauisch wurde, Verschwörungen gegen sich fürchtete[45] und entsprechend brutal agierte.[46] Unter anderem wird angeführt, dass er seinen Cousin Titus Flavius Sabinus, den Mann seiner Nichte Iulia, der Tochter des Titus, aus ebenso marginalen Gründen hinrichten ließ wie seinen Vetter Clemens, den Vater der designierten Thronerben Vespasian und Domitian.[47] Das auslösende Moment für die Verschwörer soll die Ermordung von Epaphroditos gewesen sein,[48] die die engsten Mitarbeiter Domitians auch um ihr Leben fürchten ließ. Umstritten ist, wer genau zur Gruppe dazugehörte und wer eingeweiht war. Fest steht, dass Stephanus, der Prokurator von Domitians Nichte Domitilla, sowie Maximus, ein Freigelassener von Domitians Kammerdiener Parthenios, die Tat ausführten; Stephanus drohte eine Anklage wegen Unterschlagung.[49] Die weitere Besetzung differiert, es sollen rangniedrige Soldaten, weitere Freigelassene und Kammerdiener sowie Gladiatoren beteiligt gewesen sein.[50] Ob Domitians Frau Domitia Longina treibende Kraft war, ob Nerva zumindest Kenntnis hatte und ob die Prätorianerpräfekten die Verschwörung billigten, lässt sich nicht sagen.[51]
Domitian wurde schließlich am 18. September 96 in seinem Palast in Rom „hinterlistig ermordet“.[52] Ausgeführt wurde die Tat von Stephanus, der einige Tage zuvor bereits einen Arm verbunden hatte und eine Verletzung vortäuschte, um in den Binden einen Dolch zu verstecken. Der Kaiser starb unter starker Gegenwehr, die Täter wurden noch vor Ort von den Wachen getötet.[53] Domitians vollständige Titulatur zum Zeitpunkt seines Todes lautete Imperator Caesar Domitianus Augustus Germanicus, Pontifex maximus, Tribuniciae potestatis XVI, Imperator XXIII, Consul XVII, Pater patriae. Der Senat billigte die Tat, das Andenken Domitians fiel der damnatio memoriae anheim.[54] Die Dynastie der Flavier endete mit ihm. Sein Nachfolger wurde der langjährige Senator Nerva. Er war als Übergangskandidat zum einen aus dem flavischen Kreis und so für die Prätorianer und besonders den Senat tragbar, zum anderen war von ihm als kinderlosem, älteren Mann keine lange Regierungszeit zu erwarten.[55] Seine Position war jedoch gefährdet, da Domitian bei Armee und Volk sehr beliebt gewesen war.[56]
Domitianbild
Antike Autoren
Die beiden wichtigsten überlieferten Historiker der frühen römischen Kaiserzeit, Tacitus und Sueton, schrieben ihre Werke in Erinnerung an die von ihnen dargestellte Gewaltherrschaft des Kaisers (in der Forschung manchmal „Domitianerlebnis“ genannt) sowie in der Regierungszeit der Adoptivkaiser, die Domitian als Negativfolie ihrer eigenen Politik sahen. Dementsprechend ist das überlieferte Domitianbild sehr negativ. Zwar beschreibt insbesondere Sueton die Regierungsarbeit des Kaisers zum größten Teil positiv[57], wirft ihm jedoch Verschwendung, Missbrauch der Staatsgelder und Rechtsbeugung vor[58] und zeichnet insgesamt das Bild eines grausamen Herrschers mit äußerst schlechtem Charakter[59].
Hinsichtlich des Werkes von Tacitus lässt sich dies freilich nicht mehr sicher sagen, da die Teile seiner Historien, welche die Regierungsjahre des Domitian behandelten, nicht erhalten sind. Aufgrund von Beschreibungen des jungen Domitian, Anspielungen in früheren Büchern sowie Selbstaussagen des Autors kann jedoch geschlossen werden, dass Tacitus Domitian ähnlich ungünstig beschrieb wie Sueton.[60] Plinius der Jüngere beschrieb Domitian in seinem Panegyrikus an Nervas berühmten Nachfolger Trajan ebenfalls mit den Eigenschaften eines Tyrannen.
Die Christen wurden regional zurückgedrängt, so in Rom und Kleinasien. In diesem Zusammenhang entstand die ursprünglich an sieben Gemeinden in Kleinasien gerichtete Offenbarung des Johannes (auch: Apokalypse). Die christlichen Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts schildern Domitian als grausamen Christenverfolger. Tertullian, Eusebius von Caesarea und Laktanz nennen ihn in einer Reihe mit Nero. Bei Tertullian wird er als „halber Nero“[61] bezeichnet, für Eusebius ist er der zweite Christenverfolger,[62] Laktanz reiht ihn direkt nach Nero und vor andere berühmte Verfolger wie Decius oder Diokletian ein.[63] Obwohl keine systematische Christenverfolgung unter Domitian stattfand, hat insbesondere die christliche Historiografie das Domitianbild nachhaltig negativ geprägt.
Auch spätere antike Geschichtsschreiber wie Jordanes gehen knapp auf Domitian ein. Noch Prokopios von Caesarea schildert ihn um 550 als Tyrannen und behauptet, die Römer hätten derart unter ihm gelitten, dass sie seinen Körper nach seiner Ermordung in kleine Stücke zerhackt hätten.[64]
Die 4. Satire Juvenals, auch als „Fischsatire“ bekannt, gibt eine parodistische Schilderung einer Consiliumssitzung unter Domitian: Der Kaiser wird darin als grausamer Tyrann geschildert, der Rom „ungestraft und ohne Richter“ die besten Geister geraubt habe.[65] Dieses alte Domitianbild wird auch in zahlreichen historischen Romanen verarbeitet, so zum Beispiel in Kate Quinns Die Hure des Kaisers (2009).
Moderne Forschung
Mit der ersten modernen Domitianbiografie legte Stéphane Gsell Ende des 19. Jahrhunderts für lange Jahre das Domitianbild fest. Den Quellen folgend, sah er den Kaiser als einen hochmütigen Menschen, der eine absolutistische Regierung durchsetzen und den Senat völlig entmachten wollte.[66] Ähnlich urteilte Alfred von Domaszewski; er sprach von Verachtung, Anmaßung und Autokratie als einzigen Elementen der Regierungszeit.[67] Die Darstellung Domitians als pessimus princeps korrelierte insbesondere mit dem positiven Bild Trajans als optimus princeps.[68] Die Kritiker des negativen Domitianbildes setzten bei Tacitus und Plinius an und stellten die Leistungen des Kaisers heraus, ohne das Gesamtbild aufgrund der Domitian zugeschriebenen schlechten Eigenschaften revidieren zu können.[69]
Seit den 1960er Jahren begann die Forschung, das Domitianbild zu revidieren.[70] Rainald Goetz (1978) und Brian Jones (1979) näherten sich dem Kaiser prosopographisch mit einer Untersuchung seiner Unterstützer und Gegner an. Ihr Urteil ist, dass Domitian als Person schwierig gewesen sein kann, seine Herrschaft komplex und vieles unerklärlich sei. Insgesamt sehen sie seine Regierungszeit als positiv an und die Schwierigkeiten in der Missachtung des Senats.[71] In den 1990er Jahren versuchten Christian Witschel und Pat Southern, den Kaiser psychologisch zu deuten, und sahen ihn als Opfer seines Ehrgeizes, seiner Kindheit und Jugend oder seiner Zurücksetzung hinter Titus.[72] Die neueste Einführung zur Zeit der Flavier von Stefan Pfeiffer aus dem Jahr 2009 lehnt die psychologisierenden Ansätze ab. Pfeiffer kategorisiert, ähnlich wie Jones, Domitian als fähigen Herrscher und Verwalter und sieht die Gründe für sein Scheitern im Verhältnis zum Senat und dessen deutlichen Ausschluss an der politischen Teilhabe.[73]
Christiana Urner, die in ihrer Dissertation die Quellenlage und die Forschungsliteratur bis 1989 untersucht, enthält sich weitgehend einer Beurteilung des Kaisers. Sie stellt fest, dass Informationen, die für Domitian und seine Herrschaft sprechen, weit weniger berücksichtigt wurden als die, die gegen ihn sprechen. Sie folgert daraus, dass das Domitianbild einem Wandel vom Tyrannen hin zum umsichtigen Staatsmann unterläge.[74] Anhand der Kriegsführung an der Donau kommt Karl Strobel zu einem ähnlichen Ergebnis. Er sieht Domitian als erfolgreichsten Feldherrn nach Augustus, zugleich deutet er die Niederlagen in den Dakerkriegen als Auslöser für das Zerwürfnis mit dem Senat und schwindende Legitimation.[75] In seiner Trajan-Biografie aus dem Jahr 2010 baut Strobel diese Sichtweise weiter aus. Ein Unterkapitel behandelt die Frage nach Domitians Leistungen und Herrschaftsausübung.[76] Strobel betont, dass Domitian ein klares und systematisches Konzept seiner Herrschaft gehabt habe,[77] in dem sich autokratische und hellenistische Elemente wiederfinden ließen;[78] die Abwertung seiner Herrschaft als pessimus princeps resultiere in erster Linie aus der Inszenierung und Aufwertung Trajans als optimus princeps.[79]
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