Die Wiener Moderne
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Die Wiener Moderne
Die Wiener Moderne bezeichnet den Kulturbetrieb in der österreichischen Hauptstadt um die Jahrhundertwende (von etwa 1890 bis 1910). In den politischen und gesellschaftlichen Wirren, die schließlich den Zerfall der Donaumonarchie bewirken werden, kommt es zu einer letzten Blütezeit in Philosophie, Malerei, Architektur, Musik und Literatur. Die Wiener Moderne hat sich als Gegenströmung zum Naturalismus gebildet und möchte der in diesem vorherrschenden Maxime des naturgetreuen Abbildens realer Umstände die „Kunst um der Kunst willen“ (frz. l'art pour l'art) entgegensetzen. Das Ergebnis ist ein Stilkonglomerat, beeinflusst von vielfältigen, teils widersprüchlichen Strömungen des Fin de siècle in Europa.
Der Kuss (Gustav Klimt, 1907–1908)
Das Looshaus von Adolf Loos (1909)
Hintergründe und Einflüsse
Die konservativ-katholische Monarchie Österreich-Ungarn ist unter Kaiser Franz Joseph I. in ihrer Endphase angelangt. Die Industrialisierung verläuft vergleichsweise schleppend, der Verwaltungsapparat ist enorm und die Nationalitätenkonflikte im Vielvölkerstaat spitzen sich zu. Die Hauptstadt Wien, die um 1900 über 2 Millionen Einwohner hat, mehr als heute, ist Schmelztiegel der Kulturen, hier sammelt sich die intellektuelle Hautevolee. Auch das politische Leben in Wien ist bunt. Sozialdemokratie (Victor Adler), Zionismus (Theodor Herzl) und Austromarxismus (Otto Bauer) entwickeln sich. Bürgermeister Karl Lueger benutzt nach eigenen Worten den öffentlichen Antisemitismus als politische Strategie. 1914 sind 9 Prozent der Wiener Bürger Juden. Sie haben großen Anteil am künstlerischen Schaffen, so sind beispielsweise Karl Kraus, Arthur Schnitzler, Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Alfred Polgar jüdischen Glaubens.
Im endzeitlichen Milieu von Prunk und Niedergang wenden sich die Künstler, konträr zum nüchternen Naturalismus, dem Inneren und der Psyche zu. Es kommt zur Ich-Zergliederung. Das Ich wird als „unrettbar“ (Ernst Mach) erkannt. Der Zusammenhang von Ich und Gesellschaft, Ich und Welt, wird nicht mehr rational begründet, sondern er zeigt sich an den Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Verstand und Gefühl. Eine „Stimmung“ drückt für die Zeitgenossen oft mehr aus, als sich mit Begriffen sagen lässt.
Der Ideenimport erfolgte über direkte persönliche Beziehungen avantgardistisch engagierter Einzelner. Der Architekt Adolf Loos etwa blieb sein Leben lang beeindruckt und beeinflusst von seinem Amerikaaufenthalt von 1893 bis 1896, vor allem in Chicago und New York. Der Literaturkritiker und Autor Hermann Bahr pendelte ständig zwischen Berlin und Wien und unterlag so selbst der permanenten Wandlung durch immer neuere Ideen. Er ist zuerst Wagnerianer und Anhänger Bismarcks, danach Marxist, Naturalist, Symbolist, schließlich Expressionist und am Schluss konservativer Katholik.
Signifikante Namen und Gruppierungen
Kirche am Steinhof; sie gilt als bedeutendster Sakralbau der Wiener Moderne in Wien.[1]
Hermann Bahr, Mentor der Kaffeehausliteraten, Zeichnung von Ferry Bératon, 1893
Philosophie und Psychologie
Ernst Mach machte sich als Philosoph, Physiker und Wissenschaftstheoretiker einen Namen. Ludwig Wittgenstein leistete bedeutende Beiträge zur analytischen Philosophie und Sprachphilosophie.
Sigmund Freud revolutionierte die Psychologie durch die Begründung der Psychoanalyse. Er publizierte 1899 seine berühmt gewordene „Traumdeutung“.
Bildende Kunst
Das künstlerische Schaffen bündelte sich in den Vereinigungen der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte.
Die drei herausragendsten und international bekannten Maler der Wiener Moderne sind Gustav Klimt (Jugendstil), Oskar Kokoschka und Egon Schiele (beide Expressionismus).
Die Architektur prägten Otto Wagner und Adolf Loos. Otto Wagner verfasst eine Schrift mit dem Titel Moderne Architektur von 1895, in der er die Ära und Vorherrschaft des Historismus (insbes. der Bauten der Wiener Ringstraße im neugriechischen, neurömischen und neubarocken Stil) für beendet erklärt. Den Begriff „Moderne“ kennt er noch nicht, er spricht lediglich von der notwendigen Anpassung der Architektur an den technischen Fortschritt.
Literatur
In der Literatur ist die Gruppierung Jung-Wien um Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Peter Altenberg im Café Griensteidl zu nennen. Das Kaffeehaus ist in Wien eine kulturelle Institution, man spricht von Kaffeehausliteratur. Es wird für viele Künstler zum zweiten Heim - hier entstehen Feuilletons und Gelegenheitskunst, teilweise nur in Form von Fragmenten, Altenberg nennt seine Werke „Extrakte des Lebens“. Andere Literatencafés waren das Café Central, das Café Museum und das Café Herrenhof. Dort trafen sich nebst oben genannten Hermann Broch, Anton Kuh, Friedrich Torberg, Alfred Polgar, Egon Friedell, Georg Trakl, Joseph Roth und Robert Musil.
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Der Kuss (Gustav Klimt, 1907–1908)
Das Looshaus von Adolf Loos (1909)
Hintergründe und Einflüsse
Die konservativ-katholische Monarchie Österreich-Ungarn ist unter Kaiser Franz Joseph I. in ihrer Endphase angelangt. Die Industrialisierung verläuft vergleichsweise schleppend, der Verwaltungsapparat ist enorm und die Nationalitätenkonflikte im Vielvölkerstaat spitzen sich zu. Die Hauptstadt Wien, die um 1900 über 2 Millionen Einwohner hat, mehr als heute, ist Schmelztiegel der Kulturen, hier sammelt sich die intellektuelle Hautevolee. Auch das politische Leben in Wien ist bunt. Sozialdemokratie (Victor Adler), Zionismus (Theodor Herzl) und Austromarxismus (Otto Bauer) entwickeln sich. Bürgermeister Karl Lueger benutzt nach eigenen Worten den öffentlichen Antisemitismus als politische Strategie. 1914 sind 9 Prozent der Wiener Bürger Juden. Sie haben großen Anteil am künstlerischen Schaffen, so sind beispielsweise Karl Kraus, Arthur Schnitzler, Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Alfred Polgar jüdischen Glaubens.
Im endzeitlichen Milieu von Prunk und Niedergang wenden sich die Künstler, konträr zum nüchternen Naturalismus, dem Inneren und der Psyche zu. Es kommt zur Ich-Zergliederung. Das Ich wird als „unrettbar“ (Ernst Mach) erkannt. Der Zusammenhang von Ich und Gesellschaft, Ich und Welt, wird nicht mehr rational begründet, sondern er zeigt sich an den Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Verstand und Gefühl. Eine „Stimmung“ drückt für die Zeitgenossen oft mehr aus, als sich mit Begriffen sagen lässt.
Der Ideenimport erfolgte über direkte persönliche Beziehungen avantgardistisch engagierter Einzelner. Der Architekt Adolf Loos etwa blieb sein Leben lang beeindruckt und beeinflusst von seinem Amerikaaufenthalt von 1893 bis 1896, vor allem in Chicago und New York. Der Literaturkritiker und Autor Hermann Bahr pendelte ständig zwischen Berlin und Wien und unterlag so selbst der permanenten Wandlung durch immer neuere Ideen. Er ist zuerst Wagnerianer und Anhänger Bismarcks, danach Marxist, Naturalist, Symbolist, schließlich Expressionist und am Schluss konservativer Katholik.
Signifikante Namen und Gruppierungen
Kirche am Steinhof; sie gilt als bedeutendster Sakralbau der Wiener Moderne in Wien.[1]
Hermann Bahr, Mentor der Kaffeehausliteraten, Zeichnung von Ferry Bératon, 1893
Philosophie und Psychologie
Ernst Mach machte sich als Philosoph, Physiker und Wissenschaftstheoretiker einen Namen. Ludwig Wittgenstein leistete bedeutende Beiträge zur analytischen Philosophie und Sprachphilosophie.
Sigmund Freud revolutionierte die Psychologie durch die Begründung der Psychoanalyse. Er publizierte 1899 seine berühmt gewordene „Traumdeutung“.
Bildende Kunst
Das künstlerische Schaffen bündelte sich in den Vereinigungen der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte.
Die drei herausragendsten und international bekannten Maler der Wiener Moderne sind Gustav Klimt (Jugendstil), Oskar Kokoschka und Egon Schiele (beide Expressionismus).
Die Architektur prägten Otto Wagner und Adolf Loos. Otto Wagner verfasst eine Schrift mit dem Titel Moderne Architektur von 1895, in der er die Ära und Vorherrschaft des Historismus (insbes. der Bauten der Wiener Ringstraße im neugriechischen, neurömischen und neubarocken Stil) für beendet erklärt. Den Begriff „Moderne“ kennt er noch nicht, er spricht lediglich von der notwendigen Anpassung der Architektur an den technischen Fortschritt.
Literatur
In der Literatur ist die Gruppierung Jung-Wien um Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Peter Altenberg im Café Griensteidl zu nennen. Das Kaffeehaus ist in Wien eine kulturelle Institution, man spricht von Kaffeehausliteratur. Es wird für viele Künstler zum zweiten Heim - hier entstehen Feuilletons und Gelegenheitskunst, teilweise nur in Form von Fragmenten, Altenberg nennt seine Werke „Extrakte des Lebens“. Andere Literatencafés waren das Café Central, das Café Museum und das Café Herrenhof. Dort trafen sich nebst oben genannten Hermann Broch, Anton Kuh, Friedrich Torberg, Alfred Polgar, Egon Friedell, Georg Trakl, Joseph Roth und Robert Musil.
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