Hermann Weinkauff
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Hermann Weinkauff
Hermann Karl August Weinkauff (* 10. Februar 1894 in Trippstadt, Pfalz; † 9. Juli 1981 in Heidelberg) war ein deutscher Jurist. Er wirkte vornehmlich in verschiedenen Richter-Positionen und war der erste Präsident des Bundesgerichtshofs.
Hermann Weinkauff 1951
Leben
Hermann Weinkauff besuchte das Gymnasium in Speyer und studierte danach Rechtswissenschaft in München, Heidelberg, Würzburg und Paris. 1912 wurde er Mitglied des Corps Hubertia München.[1]
Die Erste juristische Staatsprüfung legte er 1920 ab, die zweite 1922. Im gleichen Jahr wurde er zum Gerichtsassessor im Staatsministerium der Justiz ernannt und arbeitete dort bis 1923. Von 1924 bis 1926 war er als Staatsanwalt am Landgericht München tätig, danach als Amtsrichter am Arbeitsgericht München bis 1928. Von 1928 bis 1929 studierte er französisches Recht in Paris.
Von 1930 bis 1932 war er Oberamtsrichter am Amtsgericht Berchtesgaden, von 1932-1937 Direktor am Landgericht München I, ab 1935 I. Hilfsrichter am Reichsgericht. 1937 erfolgte seine Ernennung zum Reichsgerichtsrat. Er wurde 1938 mit dem nationalsozialistischen „Silbernen Treudienst-Ehrenzeichen“ ausgezeichnet. Weinkauff gehörte seit dem 1. Februar 1934 dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) an.[2]
Nach dem Krieg war er mehrere Monate in einem amerikanischen Lager interniert. Danach trat er zunächst eine Stelle als Präsident des Landgerichts Bamberg an, bevor er ab 1949 Oberlandesgerichtspräsident wurde. Anfang Oktober 1950 ernannte ihn Bundespräsident Theodor Heuss zum ersten Präsidenten des Bundesgerichtshofs.
Die Universität Heidelberg verlieh ihm 1951 die Ehrendoktorwürde. Am 1. März 1960 ging er in den Ruhestand. Ausgezeichnet wurde er hernach mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie am 9. Mai 1961 mit dem Bayerischen Verdienstorden. Weinkauff verfasste während seines Ruhestands mehrere Bücher und Artikel in rechtswissenschaftlichen Zeitschriften. Er starb im Alter von 87 Jahren in Heidelberg.
Werk
Weinkauff machte in seiner Funktion als Präsident des Bundesgerichtshofes vor allem im Jahre 1953 von sich reden, als er ein kurz zuvor ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes[3], das Gesetzeskraft hatte (§ 31 BVerfGG), scharf kritisierte und sich weigerte, der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtes zu folgen, ein bis dato einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde von 34 ehemaligen Gestapo-Beamten zu entscheiden, die auf Grundlage des Art. 131 Grundgesetz (GG) und des dazu ergangenen Bundesgesetzes Anspruch auf Wiedereinsetzung in den Beamtenstatus geltend machten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, dass alle Beamtenverhältnisse aus der Zeit des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 erloschen seien. Dementsprechend existiere kein Anspruch auf Wiedereinstellung. Dem Protest der meist aus ehemaligen Nationalsozialisten bestehenden Juristen schloss sich Weinkauff an.[4] Die vom Bundesverfassungsgericht aufgezählten, umfangreichen Unrechtsakte der Richter- und Beamtenschaft tat Weinkauff als bloße „Zierrate“ ab, die die eigentliche Arbeit der Beamtenschaft nicht nennenswert beeinflusst hätten. Dabei berief sich Weinkauff auf die Spitzen der deutschen Nachkriegs-Rechtswissenschaft, die weitgehend identisch mit denen der NS-Jurisprudenz waren. Deshalb hielt das Bundesverfassungsgericht einer abweichenden Entscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofes BGHZ 13, 265 in einem späteren Urteil BVerfGE 6, 132 zu Art. 131 GG entgegen, was diese führenden Rechtswissenschaftler der Nachkriegszeit während des Dritten Reiches publiziert hatten.
Weinkauff vertritt in seinem Buch Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus die These Gustav Radbruchs, der Rechtspositivismus habe die deutsche Justiz im Dritten Reich „wehrlos“ gegen nationalsozialistisches Unrecht gemacht. Folgerichtig vertritt Weinkauff stattdessen die Lehre eines religiös geprägten Naturrechts, welche er auch in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzubinden versuchte.[5][6][7]
Die These der Wehrlosigkeit ist umstritten. Sie besagt, die Juristen hätten sich dem rechtspositivistischen Grundsatz „Gesetz ist Gesetz“ verpflichtet gefühlt und deswegen nichts gegen die Gesetze der Nationalsozialisten unternommen.[8] Die Gegner derartiger Thesen betonen, dass die Justiz zwischen 1933 und 1945 keinesfalls Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei, sondern dass „Richter und Staatsanwälte, Verwaltungsjuristen und Rechtsprofessoren und (in geringem Maße) auch die Anwaltschaft aus eigener Überzeugung und mit professioneller Selbstverständlichkeit am Aufbau des ‚Dritten Reiches‘ teilnahmen und hierfür die Institution des Rechtssystems [...] missbrauchten“, so Udo Reifner.[9]
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler nennt die Ausführungen Weinkauffs zum Rechtswesen im Nationalsozialismus eine „schwer erträgliche Apologetik“.[10]
Werke (Auswahl)
Die Französische Justizreform von 1926-1929, in: Juristische Rundschau (JR) 1929, 221 ff.
Das Naturrecht in evangelischer Sicht, in: Werner Maihofer (Hrsg.), Naturrecht oder Rechtspositivismus?, Darmstadt 1962, S. 211 ff.
Richtertum und Rechtsfindung in Deutschland, Tübingen 1952.
Die Militäropposition gegen Hitler und das Widerstandsrecht, in: Europäische Publikation e.V. (Hrsg.), Vollmacht des Gewissens. Probleme des militärischen Widerstandes gegen Hitler, Bd. 1, Frankfurt am Main u.a. 1960, S. 152 ff.
Das Naturrecht und die Große Justizreform. Gedanken über die Grundfragen der Rechtsprechung, in: Frankfurter Rundschau (FR) vom 6. April 1960.
Über das Widerstandsrecht. Vortrag, gehalten vor der juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe [...], Karlsruhe 1956.
Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Stuttgart 1968.
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Hermann Weinkauff 1951
Leben
Hermann Weinkauff besuchte das Gymnasium in Speyer und studierte danach Rechtswissenschaft in München, Heidelberg, Würzburg und Paris. 1912 wurde er Mitglied des Corps Hubertia München.[1]
Die Erste juristische Staatsprüfung legte er 1920 ab, die zweite 1922. Im gleichen Jahr wurde er zum Gerichtsassessor im Staatsministerium der Justiz ernannt und arbeitete dort bis 1923. Von 1924 bis 1926 war er als Staatsanwalt am Landgericht München tätig, danach als Amtsrichter am Arbeitsgericht München bis 1928. Von 1928 bis 1929 studierte er französisches Recht in Paris.
Von 1930 bis 1932 war er Oberamtsrichter am Amtsgericht Berchtesgaden, von 1932-1937 Direktor am Landgericht München I, ab 1935 I. Hilfsrichter am Reichsgericht. 1937 erfolgte seine Ernennung zum Reichsgerichtsrat. Er wurde 1938 mit dem nationalsozialistischen „Silbernen Treudienst-Ehrenzeichen“ ausgezeichnet. Weinkauff gehörte seit dem 1. Februar 1934 dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) an.[2]
Nach dem Krieg war er mehrere Monate in einem amerikanischen Lager interniert. Danach trat er zunächst eine Stelle als Präsident des Landgerichts Bamberg an, bevor er ab 1949 Oberlandesgerichtspräsident wurde. Anfang Oktober 1950 ernannte ihn Bundespräsident Theodor Heuss zum ersten Präsidenten des Bundesgerichtshofs.
Die Universität Heidelberg verlieh ihm 1951 die Ehrendoktorwürde. Am 1. März 1960 ging er in den Ruhestand. Ausgezeichnet wurde er hernach mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie am 9. Mai 1961 mit dem Bayerischen Verdienstorden. Weinkauff verfasste während seines Ruhestands mehrere Bücher und Artikel in rechtswissenschaftlichen Zeitschriften. Er starb im Alter von 87 Jahren in Heidelberg.
Werk
Weinkauff machte in seiner Funktion als Präsident des Bundesgerichtshofes vor allem im Jahre 1953 von sich reden, als er ein kurz zuvor ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes[3], das Gesetzeskraft hatte (§ 31 BVerfGG), scharf kritisierte und sich weigerte, der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtes zu folgen, ein bis dato einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde von 34 ehemaligen Gestapo-Beamten zu entscheiden, die auf Grundlage des Art. 131 Grundgesetz (GG) und des dazu ergangenen Bundesgesetzes Anspruch auf Wiedereinsetzung in den Beamtenstatus geltend machten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, dass alle Beamtenverhältnisse aus der Zeit des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 erloschen seien. Dementsprechend existiere kein Anspruch auf Wiedereinstellung. Dem Protest der meist aus ehemaligen Nationalsozialisten bestehenden Juristen schloss sich Weinkauff an.[4] Die vom Bundesverfassungsgericht aufgezählten, umfangreichen Unrechtsakte der Richter- und Beamtenschaft tat Weinkauff als bloße „Zierrate“ ab, die die eigentliche Arbeit der Beamtenschaft nicht nennenswert beeinflusst hätten. Dabei berief sich Weinkauff auf die Spitzen der deutschen Nachkriegs-Rechtswissenschaft, die weitgehend identisch mit denen der NS-Jurisprudenz waren. Deshalb hielt das Bundesverfassungsgericht einer abweichenden Entscheidung des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofes BGHZ 13, 265 in einem späteren Urteil BVerfGE 6, 132 zu Art. 131 GG entgegen, was diese führenden Rechtswissenschaftler der Nachkriegszeit während des Dritten Reiches publiziert hatten.
Weinkauff vertritt in seinem Buch Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus die These Gustav Radbruchs, der Rechtspositivismus habe die deutsche Justiz im Dritten Reich „wehrlos“ gegen nationalsozialistisches Unrecht gemacht. Folgerichtig vertritt Weinkauff stattdessen die Lehre eines religiös geprägten Naturrechts, welche er auch in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzubinden versuchte.[5][6][7]
Die These der Wehrlosigkeit ist umstritten. Sie besagt, die Juristen hätten sich dem rechtspositivistischen Grundsatz „Gesetz ist Gesetz“ verpflichtet gefühlt und deswegen nichts gegen die Gesetze der Nationalsozialisten unternommen.[8] Die Gegner derartiger Thesen betonen, dass die Justiz zwischen 1933 und 1945 keinesfalls Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei, sondern dass „Richter und Staatsanwälte, Verwaltungsjuristen und Rechtsprofessoren und (in geringem Maße) auch die Anwaltschaft aus eigener Überzeugung und mit professioneller Selbstverständlichkeit am Aufbau des ‚Dritten Reiches‘ teilnahmen und hierfür die Institution des Rechtssystems [...] missbrauchten“, so Udo Reifner.[9]
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler nennt die Ausführungen Weinkauffs zum Rechtswesen im Nationalsozialismus eine „schwer erträgliche Apologetik“.[10]
Werke (Auswahl)
Die Französische Justizreform von 1926-1929, in: Juristische Rundschau (JR) 1929, 221 ff.
Das Naturrecht in evangelischer Sicht, in: Werner Maihofer (Hrsg.), Naturrecht oder Rechtspositivismus?, Darmstadt 1962, S. 211 ff.
Richtertum und Rechtsfindung in Deutschland, Tübingen 1952.
Die Militäropposition gegen Hitler und das Widerstandsrecht, in: Europäische Publikation e.V. (Hrsg.), Vollmacht des Gewissens. Probleme des militärischen Widerstandes gegen Hitler, Bd. 1, Frankfurt am Main u.a. 1960, S. 152 ff.
Das Naturrecht und die Große Justizreform. Gedanken über die Grundfragen der Rechtsprechung, in: Frankfurter Rundschau (FR) vom 6. April 1960.
Über das Widerstandsrecht. Vortrag, gehalten vor der juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe [...], Karlsruhe 1956.
Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Stuttgart 1968.
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
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