Deutsches synthetisches Benzin oder Leuna-Benzin
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Deutsches synthetisches Benzin oder Leuna-Benzin
Deutsches synthetisches Benzin, auch Leuna-Benzin nach der Entwicklerfirma und größtem Lieferanten, war ab Ende der 1920er Jahre ein Ottokraftstoff in Deutschland, der in Hydrierwerken aus Kohle hergestellt wurde. Die I.G. Farben vertrieben dies von ihnen zuerst in den Leunawerken hergestellte Benzin hauptsächlich über ihre eigene Vertriebsfirma, die Deutsche Gasolin Aktiengesellschaft. Der später auch Deutsches Benzin genannte Ottokraftstoff wurde ab 1936 auch in anderen Herstellverfahren der Kohleverflüssigung und auch von weiteren Unternehmen, die nicht zur I.G. Farben gehörten, in Hydrierwerken hergestellt.
Werbung der Gasolin AG, Berlin für „Deutsches Benzin“ aus den Leuna Werken der I.G. Farben
Geschichte
Royal Dutch und BASF waren je zur Hälfte an der 1921 gegründeten Internationale Bergin Compagnie voor Olie en Kolen Chemie zur internationalen Nutzung der deutschen Patente zur Kohlehydrierung beteiligt. Im Zuge der Vereinbarung von BASF und Standard Oil of New Jersey in den Jahren 1925/1926, in der Produktion von Synthetischem Benzin aus Kohle zusammenzuarbeiten, fiel die Entscheidung, die Hugo Stinnes-Riebeck Oel-AG als Vertriebsorganisation in Deutschland für das Synthetische Benzin zu nutzen und aufzubauen.[2]
Im Deutschen Reich begann 1926 die I.G. Farben (das Folgeunternehmen der BASF) im Ammoniakwerk Merseburg – Leuna Werke mit der industriellen Herstellung von sogenanntem Leuna-Benzin (siehe auch Motalin) aus Braunkohle nach dem Bergius-Pier-Verfahren. Die Produktion von synthetischem Benzin war allerdings extrem aufwändig und im Vergleich zu den Weltmarktpreisen immer zu teuer.
Daher trafen sich bereits im November 1932 die I.G.-Farben-Direktoren Bütefisch und Gattineau mit Hitler, um ihn über die zukünftige Bedeutung synthetischen Benzins aufzuklären. Sie erhielten von Hitler die Zusage, im Falle seiner Regierung die Herstellung von synthetischem Benzin durch Absatz- und Mindestpreisgarantien zu unterstützen.[3] Eine solche Mindestpreisgarantie wurde dann im Feder-Bosch-Abkommen vom 14. Dezember 1933 vertraglich vereinbart.
Die Erdölförderung in Deutschland reichte nur für knapp 30 Prozent des heimischen Bedarfs. Wegen eines hohen Gehalts an Schwer- und Schmierölen war daraus die Entwicklung von Ottokraftstoffen speziell für Flugzeuge kaum möglich. Die Nutzung der bedeutenden Kohlevorkommen über das eigens entwickelte Verfahren der Kohleverflüssigung erhielt daher aus militärstrategischen Gründen vor dem Zweiten Weltkrieg eine große Bedeutung. Der Bau von Hydrierwerken wurde wesentlicher Bestandteil der Autarkiebestrebungen des Vierjahresplans und politisch gegenüber anfänglichen Widerständen der Industrie durchgesetzt und breit öffentlich diskutiert.[4]
Öffentliche Thematisierung
Neben Karl Aloys Schenzinger, einem erfolgreichen („Rohstoff-“)Sachbuchautor im Dritten Reich („Anilin. Roman eines Farbstoffes“) war insbesondere der seit 1935 auf Mallorca lebende Bestsellerautor Anton Zischka federführend bei der populärwissenschaftlichen Darstellung der Synthesethematik. Zischkas „Wissenschaft bricht Monopole“ (1936) wurde als Pflichtlektüre in den Realschulen eingeführt, das Buch wurde in 18 Sprachen übersetzt und für die NS-Propaganda genutzt. Wie auch in dem 1939 erschienenen Werk „Ölkrieg“ erklärte der von Fritz Todt geförderte Zischka dabei Kriege und bewaffnete Konflikte als Auseinandersetzung um (ungleich verteiltes) Land und Rohstoffe. Er stellte demgegenüber technische Entwicklungen aus Deutschland wie etwa die Kohleverflüssigung oder die vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte Synthese von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren als mögliche globale Friedensstifter dar. Darüber hinaus wurde dem „raffenden“ Kapitalismus angloamerikanischer Prägung die „schaffende“ „Volksgemeinschaft“ als größte und wichtigste „Synthese einer neuen Zeit“ gegenübergestellt. Gerade weil sich Zischka krasser chauvinistischer oder rassistischer Äußerungen enthielt, wurde damit auch im Ausland das im Sinne der NS-Vorkriegspropaganda erwünschte friedliche und moderne Bild des „Dritten Reiches“ vermittelt.
Technische Realisierungen
1936 gelang[6] im Hydrierwerk Scholven der Hibernia AG die Kohleverflüssigung von Steinkohle nach dem Verfahren der I.G. Farben. Im Dezember 1936 gründete die Gelsenkirchener Bergwerks-AG die Gelsenberg Benzin AG, in deren Werk die Kohleverflüssigung ebenfalls für Steinkohle ab 1939 durchgeführt wurde.
Bei Kriegsbeginn 1939 produzierten sieben Hydrierwerke (das größte in Leuna), drei waren kurz vor Produktionsbeginn, zwei im Bau:
1935 Ruhland-Schwarzheide (Synthesewerk Schwarzheide der BRABAG)
1936 Böhlen (BRABAG) für Braunkohlenteer
1936 Magdeburg-Rothensee (BRABAG) ebenfalls für Braunkohlenteer
1936 Scholven (Hibernia AG) für Steinkohle
1937 in Bottrop-Welheim für Kokereiteer
1939 Gelsenberg für Steinkohle
1939 Maltheuern (Sudetenländische Treibstoffwerke AG)[7]
1940 Lützkendorf bei Krumpa im Geiseltal (Wintershall AG) für Erdölrückstand
1940 Zeitz (BRABAG) für Braunkohlenteer
1940 Stettin-Pölitz[8] für Kokereiteer (I.G.-Farben, Rhenania-Ossag, DAPG)
1941 Wesseling (Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG) für Braunkohle.
Daneben gab es noch Werke in Bari (Albanischer Erdölrückstand), Livorno (Rumänischer Erdölrückstand) sowie Blechhammer in Oberschlesien (I.G.-Farben) für Teeröle und eine Anlage in Auschwitz / Monowitz.
Im Jahre 1943 gab es zwölf produzierende Hydrierwerke. Die Hydrierwerke deckten den größten Teil des Treibstoffbedarfs der Wehrmacht und waren alleinige Quelle des Flugbenzins für die Luftwaffe. Im Frühjahr 1944 war die Zahl der Anlagen auf 15 gestiegen. Wegen der steigenden Zahl von alliierten Luftangriffen auf die ungeschützten Raffinerien und Hydrierwerke wurde ab 1944 durch den Mineralölsicherungsplan versucht, den drohenden Zusammenbruch der Treibstoffversorgung zu verhindern. Dies gelang nicht – im März 1945 betrug die Kapazität der Hydrierwerke nur noch drei Prozent des Höchststandes von 1943.
Leuna-Tanksäule vor den Ruinen der Dresdner Lukaskirche
Leuna-Werke, Destillationsanlagen in der Treibstofferzeugung, 1959
Fortführung nach dem Krieg
In Westdeutschland wurde nach dem Krieg die Kohleverflüssigung wegen der konkurrenzlos niedrigen Erdölpreise nicht fortgeführt. In der DDR wurde sie, obwohl ebenfalls „untragbar unwirtschaftlich“, dagegen erst Anfang der 1970er Jahre endgültig aufgegeben, war aber bis zum Zusammenbruch der DDR Bestandteil der strategischen Planung des Ministerrats. In der Bundesrepublik Deutschland kam es in der Folge der ersten „Ölkrise“ von 1973 im von der Bundesregierung 1974 beschlossenen Programm Energieforschung zur Errichtung von sieben Pilotanlagen zur Kohleveredelung (Vergasung und Verflüssigung), die von 1977 bis 1980 in Betrieb gingen. Die letzte noch betriebene sehr kleine Anlage in Essen mit einer Produktion von ca. 200 kg/Tag wurde 2004 demontiert und für China Shenhua Energy in China wiederaufgebaut.
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Werbung der Gasolin AG, Berlin für „Deutsches Benzin“ aus den Leuna Werken der I.G. Farben
Geschichte
Royal Dutch und BASF waren je zur Hälfte an der 1921 gegründeten Internationale Bergin Compagnie voor Olie en Kolen Chemie zur internationalen Nutzung der deutschen Patente zur Kohlehydrierung beteiligt. Im Zuge der Vereinbarung von BASF und Standard Oil of New Jersey in den Jahren 1925/1926, in der Produktion von Synthetischem Benzin aus Kohle zusammenzuarbeiten, fiel die Entscheidung, die Hugo Stinnes-Riebeck Oel-AG als Vertriebsorganisation in Deutschland für das Synthetische Benzin zu nutzen und aufzubauen.[2]
Im Deutschen Reich begann 1926 die I.G. Farben (das Folgeunternehmen der BASF) im Ammoniakwerk Merseburg – Leuna Werke mit der industriellen Herstellung von sogenanntem Leuna-Benzin (siehe auch Motalin) aus Braunkohle nach dem Bergius-Pier-Verfahren. Die Produktion von synthetischem Benzin war allerdings extrem aufwändig und im Vergleich zu den Weltmarktpreisen immer zu teuer.
Daher trafen sich bereits im November 1932 die I.G.-Farben-Direktoren Bütefisch und Gattineau mit Hitler, um ihn über die zukünftige Bedeutung synthetischen Benzins aufzuklären. Sie erhielten von Hitler die Zusage, im Falle seiner Regierung die Herstellung von synthetischem Benzin durch Absatz- und Mindestpreisgarantien zu unterstützen.[3] Eine solche Mindestpreisgarantie wurde dann im Feder-Bosch-Abkommen vom 14. Dezember 1933 vertraglich vereinbart.
Die Erdölförderung in Deutschland reichte nur für knapp 30 Prozent des heimischen Bedarfs. Wegen eines hohen Gehalts an Schwer- und Schmierölen war daraus die Entwicklung von Ottokraftstoffen speziell für Flugzeuge kaum möglich. Die Nutzung der bedeutenden Kohlevorkommen über das eigens entwickelte Verfahren der Kohleverflüssigung erhielt daher aus militärstrategischen Gründen vor dem Zweiten Weltkrieg eine große Bedeutung. Der Bau von Hydrierwerken wurde wesentlicher Bestandteil der Autarkiebestrebungen des Vierjahresplans und politisch gegenüber anfänglichen Widerständen der Industrie durchgesetzt und breit öffentlich diskutiert.[4]
Öffentliche Thematisierung
Neben Karl Aloys Schenzinger, einem erfolgreichen („Rohstoff-“)Sachbuchautor im Dritten Reich („Anilin. Roman eines Farbstoffes“) war insbesondere der seit 1935 auf Mallorca lebende Bestsellerautor Anton Zischka federführend bei der populärwissenschaftlichen Darstellung der Synthesethematik. Zischkas „Wissenschaft bricht Monopole“ (1936) wurde als Pflichtlektüre in den Realschulen eingeführt, das Buch wurde in 18 Sprachen übersetzt und für die NS-Propaganda genutzt. Wie auch in dem 1939 erschienenen Werk „Ölkrieg“ erklärte der von Fritz Todt geförderte Zischka dabei Kriege und bewaffnete Konflikte als Auseinandersetzung um (ungleich verteiltes) Land und Rohstoffe. Er stellte demgegenüber technische Entwicklungen aus Deutschland wie etwa die Kohleverflüssigung oder die vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte Synthese von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren als mögliche globale Friedensstifter dar. Darüber hinaus wurde dem „raffenden“ Kapitalismus angloamerikanischer Prägung die „schaffende“ „Volksgemeinschaft“ als größte und wichtigste „Synthese einer neuen Zeit“ gegenübergestellt. Gerade weil sich Zischka krasser chauvinistischer oder rassistischer Äußerungen enthielt, wurde damit auch im Ausland das im Sinne der NS-Vorkriegspropaganda erwünschte friedliche und moderne Bild des „Dritten Reiches“ vermittelt.
Technische Realisierungen
1936 gelang[6] im Hydrierwerk Scholven der Hibernia AG die Kohleverflüssigung von Steinkohle nach dem Verfahren der I.G. Farben. Im Dezember 1936 gründete die Gelsenkirchener Bergwerks-AG die Gelsenberg Benzin AG, in deren Werk die Kohleverflüssigung ebenfalls für Steinkohle ab 1939 durchgeführt wurde.
Bei Kriegsbeginn 1939 produzierten sieben Hydrierwerke (das größte in Leuna), drei waren kurz vor Produktionsbeginn, zwei im Bau:
1935 Ruhland-Schwarzheide (Synthesewerk Schwarzheide der BRABAG)
1936 Böhlen (BRABAG) für Braunkohlenteer
1936 Magdeburg-Rothensee (BRABAG) ebenfalls für Braunkohlenteer
1936 Scholven (Hibernia AG) für Steinkohle
1937 in Bottrop-Welheim für Kokereiteer
1939 Gelsenberg für Steinkohle
1939 Maltheuern (Sudetenländische Treibstoffwerke AG)[7]
1940 Lützkendorf bei Krumpa im Geiseltal (Wintershall AG) für Erdölrückstand
1940 Zeitz (BRABAG) für Braunkohlenteer
1940 Stettin-Pölitz[8] für Kokereiteer (I.G.-Farben, Rhenania-Ossag, DAPG)
1941 Wesseling (Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG) für Braunkohle.
Daneben gab es noch Werke in Bari (Albanischer Erdölrückstand), Livorno (Rumänischer Erdölrückstand) sowie Blechhammer in Oberschlesien (I.G.-Farben) für Teeröle und eine Anlage in Auschwitz / Monowitz.
Im Jahre 1943 gab es zwölf produzierende Hydrierwerke. Die Hydrierwerke deckten den größten Teil des Treibstoffbedarfs der Wehrmacht und waren alleinige Quelle des Flugbenzins für die Luftwaffe. Im Frühjahr 1944 war die Zahl der Anlagen auf 15 gestiegen. Wegen der steigenden Zahl von alliierten Luftangriffen auf die ungeschützten Raffinerien und Hydrierwerke wurde ab 1944 durch den Mineralölsicherungsplan versucht, den drohenden Zusammenbruch der Treibstoffversorgung zu verhindern. Dies gelang nicht – im März 1945 betrug die Kapazität der Hydrierwerke nur noch drei Prozent des Höchststandes von 1943.
Leuna-Tanksäule vor den Ruinen der Dresdner Lukaskirche
Leuna-Werke, Destillationsanlagen in der Treibstofferzeugung, 1959
Fortführung nach dem Krieg
In Westdeutschland wurde nach dem Krieg die Kohleverflüssigung wegen der konkurrenzlos niedrigen Erdölpreise nicht fortgeführt. In der DDR wurde sie, obwohl ebenfalls „untragbar unwirtschaftlich“, dagegen erst Anfang der 1970er Jahre endgültig aufgegeben, war aber bis zum Zusammenbruch der DDR Bestandteil der strategischen Planung des Ministerrats. In der Bundesrepublik Deutschland kam es in der Folge der ersten „Ölkrise“ von 1973 im von der Bundesregierung 1974 beschlossenen Programm Energieforschung zur Errichtung von sieben Pilotanlagen zur Kohleveredelung (Vergasung und Verflüssigung), die von 1977 bis 1980 in Betrieb gingen. Die letzte noch betriebene sehr kleine Anlage in Essen mit einer Produktion von ca. 200 kg/Tag wurde 2004 demontiert und für China Shenhua Energy in China wiederaufgebaut.
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