Die Geschichte des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts
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Die Geschichte des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts
Die Geschichte des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts beschreibt die historische Entwicklung des Internationalen Privatrechts und des Internationalen Zivilverfahrensrechts.
Antike: πρόξενος und ius gentium (7. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert)
In der Antike galten Fremde zunächst als rechtlos. Recht galt grundsätzlich nur innerhalb der polis bzw. civitas. Die Gerichte wandten also auch ihr eigenes Recht, die sog. lex fori, an. Mit der Zunahme des Handels innerhalb Griechenlands zeigte sich diese Haltung bald als ungeeignet: Man ging dazu über Staatsverträge zu schließen oder den Fremden unter den Schutz eines Proxenos (altgr. πρόξενος – ‚Gastfreund‘) zu stellen. Im Römischen Recht bildete sich bald das ius gentium heraus, ein Sonderrecht für Fremde. Für römische Bürger galt das ius civile. Seit 242 v. Chr. existierte mit dem praetor peregrinus ein Prätor, dessen Aufgabe die Anwendung des ius gentium war. Dieses galt sowohl für Beziehungen unter Fremden als auch für Beziehungen zwischen Römern und Fremden. Mit der Constitutio Antoniniana Kaiser Caracallas 212 verlor diese Unterscheidung ihre Bedeutung.[1]
Personalitäts- und Territorialitätsprinzip (5. bis 12. Jahrhundert)
Mit der Völkerwanderung ab dem 5. Jahrhundert begannen germanische Stämme auf ehemals römischem Territorium zu siedeln. Das römische Recht galt hier zunächst auch für Germanen fort. Bald begannen jedoch Entwicklungen und Verschmelzungen zu eigenen Rechtsnormen, beispielsweise die Lex Romana Visigothorum Alarichs II.. Galt es das anwendbare Recht zu ermitteln, ging man von der Personalität des Rechtes aus: Jede Person wurde nach dem Recht ihres Volkes, der lex originis, behandelt („ius suum cuique tribuere“). Bald verschmolzen die verschiedenen Volksgruppen miteinander und so verschmolzen oft auch ihre Rechtsordnungen.[1]
Ab dem 12. Jahrhundert trat an die Stelle des Personalitätsprinzips das Territorialitätsprinzip: „Statutum non ligat nisi subditos“. Ob jemand vor Gericht gebracht werden konnte, hing davon ab, ob er Untertan war. Untertan war, wer mindestens ein Jahr und einen Tag innerhalb der Grenzen des Territoriums verbrachte. Später kam es in einigen deutschen Städten zur Errichtung von Gastgerichten, bei denen Fremde Klage einreichen und verklagt werden konnten. Vor diesen Gerichten entwickelten sich die ersten allseitigen Kollisionsnormen: So wurden Rechtsgeschäfte nach dem Recht des Ortes, an dem sie getätigt wurden behandelt: „locus regit actum“. Später wurde diese Regel auch auf unerlaubte Handlungen ausgeweitet: Diese unterlagen der lex loci delicti, dem Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde. Gleichermaßen galt für Rechte an Sachen die lex rei sitae, das Recht an dem die Sache belegen war.[1]
Statutenlehre (13. bis 18. Jahrhundert)
Bartolus de Saxoferrato
In Norditalien begann ab dem 11. und 12. Jahrhundert reger Handel, der zur Entwicklung eigener Gesetze, der statuta führte. Dabei war zu klären, welches Recht bei Streitigkeiten zwischen Händlern unterschiedlicher Städte anzuwenden war. Erste Lösungsversuche finden sich im 12. Jahrhundert bei dem Postglossator Aldricus. Demnach sollte der Richter die Rechtsordnung anwenden, die ihm als bessere erscheine („consuetudo quae potior et utilior videtur“).[1]
Als Anfänge des modernen IPR gilt die Statutenlehre der Postglossatoren zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Oberitalien. Zu ihren Vertretern zählen Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis. Sie unterscheiden drei Arten von Statuten:
Statuta personalia: Diese betreffen die Person (zum Beispiel Handlungsfähigkeit) und haften ihr an, wo immer sie hingeht. Eine Person steht auch in einem anderen Stadtstaat bezüglich persönlicher rechtlicher Qualitäten ihrem Heimatstatut. Diesem Statut unterstehen auch die beweglichen Gegenstände, die eine Person mit sich trägt.
Statuta realia: Diese gelten nur für unbewegliche Sachen innerhalb der Grenzen des Stadtstaates.
Statuta mixta: Diese sind Auffangtatbestand und gelten insbesondere für menschliche Handlungen (Vertragsabschluss, Delikte). Bei diesen Handlung galten die statuta des Handlungsortes.
Man leitete also aus einer Sachnorm auch ihren Anwendungsbereich ab. Jede Sachnorm wurde auf ihren kollisionsrechtlichen Gehalt befragt. Jakobus Balduini führte ferner die Regel ein, dass Verfahrensrecht stets der lex fori (lat. Recht des Gerichtes) untersteht. Das materielle Recht, die lex causae (lat. Recht der Sache), könne hingegen auch ausländisches sein.[1]
Die Statutenlehre wurde nun unentwegt verfeinert und fortentwickelt. In Frankreich entwickelte Charles Dumoulin (Molinaeus) in seinem Werk Conclusiones de statutis et consuetodinibus localibus den Parteiwillen als Anknüpfungsmoment und legte für die statuta personalia nicht mehr die lex originis sondern das domicile fest. Als Vorläufer des ordre public können seine Vorschläge gelten, bestimmte Fragen der Parteivereinbarung zu entziehen. Bertrand d’Argentré (Argentreus) erweiterte den Anwendungsbereich der statuta realia auf alle sachenrechtlichen Fragen und stärkte somit das Territorialitätsprinzip.[1]
In den Niederlanden systematisierte Paul Voet in De statutis eorumque concursu (1660) die Statutenlehre und unterteile diese erstmals in einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Johannes Voet, dessen Sohn, ging erstmals von einem national geprägten Statutenrecht aus: Dem Gesetzgeber steht es aufgrund seiner Souveränität frei, den Anwendungsbereich seiner Gesetze zu bestimmen. Die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen seien jedoch durch den Grundsatz der comitas, der gegenseitigen Rücksichtnahme, zum Ausgleich zu bringen. Ulrich Huber verfeinerte dieses Wechselspiel von staatlicher Souveränität und dem Grundsatz der comitas.[1]
Die großen Privatrechtskodifikationen (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das österreichische Allgemeine Bürgerlicher Gesetzbuch von 1811) folgten noch der Statutenlehre. Ebenso der französische Code civil von 1804; dieser leitete jedoch mit Art. 3 Abs. 3 die Abkehr von der Statutenlehre und den Übergang zum Staatsangehörigkeitsprinzip im 19. Jahrhundert ein.[1]
Rezeption der comitas-Lehre im common law (18. oder 19. Jahrhundert)
In den Vereinigten Staaten verbreitete Joseph Story die Ideen Hubers. Commentaries on the Conflict of Law ist eine IPR-Theorie, die die Anwendung fremden Rechts mit völkerrechtlicher Rücksichtnahme, der comity begründet. Die Gliederung des Werkes entsprach nicht mehr der herkömmlichen Statutenlehre, sondern war nach Rechtsgebieten geordnet.[1]
Das englische common law war von kontinentaleuropäischen Einflüssen bis ins 18. Jahrhundert völlig abgeschirmt. Auch durch die Insellage bedingt kam es seltener zu Rechtsfällen mit Auslandsberührung. Traten solche Fälle auf, wurden sie nur dann von den Gerichten entschieden, wenn die englische jurisdiction gegeben war. Englische jurisdiction bestand für alle Fälle im Inland. Englische Gerichte urteilten dann stets nach der lex fori, dem common law. Als erstes Zeichen der Rezeption kontinentaler IPR-Theorien kann die Entscheidung Robinson v. Bland (1790) gelten: Lord Mansfield erwog auf Grundlage der comitas-Lehre die Entwicklung von Kollisionsregeln. Erst hierdurch wurde die Entwicklung des IPRs in England ermöglicht.[1]
Begründung des modernen IPR: Friedrich Carl von Savigny (1849)
Friedrich Carl von Savigny
Karl Georg von Wächters Schrift Über die Kollision der Privatrechtsgesetze verschiedener Staaten beendete die Fortentwicklung der Statutenlehre, indem sie ihre mangelnde Flexibilität aufzeigte. Jedoch konnte sich weiterhin keine Alternative durchsetzen. Ein entscheidender Durchbruch gelang erst Friedrich Carl von Savigny: Im achten Band (Über die örtliche und zeitliche Geltung der Gesetze (1849)) seines Systems des heutigen römischen Rechts begründet er das moderne IPR, das den „Sitz des Rechtsverhältnisses“ als Ausgangspunkt für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts sieht. Fremdes Recht wird aus Freundlichkeit gegenüber anderen Staaten angewandt, also aus Gründen der comitas. Anders als in der Statutenlehre wird nun aber nicht eine inländische Norm nach ihrem Anwendungsbereich befragt. Stattdessen geht von Savigny vom Lebensverhältnis aus und prüft es auf die Rechtsordnung, die am besten auf dieses Anwendung findet.[1]
Universalismus und Nationalismus (um 1850–1950)
In Italien entwickelte sich kurz nach von Savignys Schrift die italienische Schule. Grundlegend für diese war ein Vortrag Pasquale Stanislao Mancinis 1851 in Turin mit dem Titel Della nazionalità come fondamento del diritto delle genti. Unter dem politischen Einfluss des italienischen risorgimento stelle Mancini die Staatsangehörigkeit als tragende Anknüpfung des IPR heraus. Dies sei ein Gebot des Völkerrechts. Dies wird als universalistischer Ansatz bezeichnet. Ebenfalls auf Mancini und seine Schule zurück geht die Fortentwicklung des ordre public. Mancini wurde in Kontinentaleuropa weithin rezipiert. Die IPR-Kodifikationen Italiens (1842, 1942 und 1995), Spaniens (1889), Österreichs (1978), das deutsche EGBGB und viele internationale Abkommen übernahmen die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit.[1]
Der universalistische Ansatz Mancinis wurde in Frankreich von Antoine Pillet modifiziert: Der nationale Gesetzgeber wolle, dass ein Gesetz für alle seine Staatsangehörigen, unabhängig von ihrem Aufenthalt, (permanent) und für alle Personen innerhalb seines Territoriums (général) gelte. Im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs muss also jeder Staat die Wirkung seiner Gesetze einschränken: Gesetze zum Individualschutz gelten permanentement, Gesetze im Interesse der öffentlichen Ordnung généralement mit Einschränkung auf das eigene Staatsgebiet. Diese Unterscheidung konnte sich nicht durchsetzen. Pillets Schüler Jean-Paulin Niboyet entwickelte die Theorie des réalisme national: Jeder Staat könne sein IPR frei festlegen, allerdings nur innerhalb seines Territoriums durchsetzen. Ausländisches Recht wird lediglich aus courteoisie internationale angewandt. Diese territorialistische Ausrichtung des IPR zwischen den Weltkriegen wurde erst durch Henri Batiffol und seinen Schüler Paul Lagarde überwunden.[1]
Restatement Second of the Conflict of Laws und American Legal Realism in den USA
In den USA hat jeder Bundesstaat sein eigenes IPR, das (bis auf Louisiana) lediglich Richterrecht ist. Eine Zusammenfassung dieser IPRs findet sich im Restatement (Second) of the Conflict of Laws von 1972. Zu ermitteln ist anhand verschiedener policies das Recht des Staates mit der most significant relationship. Neue Ansätze methodischer Art finden sich bei Albert Ehrenzweig, Brainerd Currie, David F. Cavers und Robert A. Leflar.[1]
20. und 21. Jahrhundert
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wird internationaler Entscheidungseinklang in Kontinentaleuropa zum Hauptziel des IPR. Savignys Ideen haben sich durchgesetzt. Internationaler Entscheidungseinklang wird besonders durch rechtsvergleichende Arbeit und die Konventionen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht.[1]
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Antike: πρόξενος und ius gentium (7. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert)
In der Antike galten Fremde zunächst als rechtlos. Recht galt grundsätzlich nur innerhalb der polis bzw. civitas. Die Gerichte wandten also auch ihr eigenes Recht, die sog. lex fori, an. Mit der Zunahme des Handels innerhalb Griechenlands zeigte sich diese Haltung bald als ungeeignet: Man ging dazu über Staatsverträge zu schließen oder den Fremden unter den Schutz eines Proxenos (altgr. πρόξενος – ‚Gastfreund‘) zu stellen. Im Römischen Recht bildete sich bald das ius gentium heraus, ein Sonderrecht für Fremde. Für römische Bürger galt das ius civile. Seit 242 v. Chr. existierte mit dem praetor peregrinus ein Prätor, dessen Aufgabe die Anwendung des ius gentium war. Dieses galt sowohl für Beziehungen unter Fremden als auch für Beziehungen zwischen Römern und Fremden. Mit der Constitutio Antoniniana Kaiser Caracallas 212 verlor diese Unterscheidung ihre Bedeutung.[1]
Personalitäts- und Territorialitätsprinzip (5. bis 12. Jahrhundert)
Mit der Völkerwanderung ab dem 5. Jahrhundert begannen germanische Stämme auf ehemals römischem Territorium zu siedeln. Das römische Recht galt hier zunächst auch für Germanen fort. Bald begannen jedoch Entwicklungen und Verschmelzungen zu eigenen Rechtsnormen, beispielsweise die Lex Romana Visigothorum Alarichs II.. Galt es das anwendbare Recht zu ermitteln, ging man von der Personalität des Rechtes aus: Jede Person wurde nach dem Recht ihres Volkes, der lex originis, behandelt („ius suum cuique tribuere“). Bald verschmolzen die verschiedenen Volksgruppen miteinander und so verschmolzen oft auch ihre Rechtsordnungen.[1]
Ab dem 12. Jahrhundert trat an die Stelle des Personalitätsprinzips das Territorialitätsprinzip: „Statutum non ligat nisi subditos“. Ob jemand vor Gericht gebracht werden konnte, hing davon ab, ob er Untertan war. Untertan war, wer mindestens ein Jahr und einen Tag innerhalb der Grenzen des Territoriums verbrachte. Später kam es in einigen deutschen Städten zur Errichtung von Gastgerichten, bei denen Fremde Klage einreichen und verklagt werden konnten. Vor diesen Gerichten entwickelten sich die ersten allseitigen Kollisionsnormen: So wurden Rechtsgeschäfte nach dem Recht des Ortes, an dem sie getätigt wurden behandelt: „locus regit actum“. Später wurde diese Regel auch auf unerlaubte Handlungen ausgeweitet: Diese unterlagen der lex loci delicti, dem Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde. Gleichermaßen galt für Rechte an Sachen die lex rei sitae, das Recht an dem die Sache belegen war.[1]
Statutenlehre (13. bis 18. Jahrhundert)
Bartolus de Saxoferrato
In Norditalien begann ab dem 11. und 12. Jahrhundert reger Handel, der zur Entwicklung eigener Gesetze, der statuta führte. Dabei war zu klären, welches Recht bei Streitigkeiten zwischen Händlern unterschiedlicher Städte anzuwenden war. Erste Lösungsversuche finden sich im 12. Jahrhundert bei dem Postglossator Aldricus. Demnach sollte der Richter die Rechtsordnung anwenden, die ihm als bessere erscheine („consuetudo quae potior et utilior videtur“).[1]
Als Anfänge des modernen IPR gilt die Statutenlehre der Postglossatoren zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Oberitalien. Zu ihren Vertretern zählen Bartolus de Saxoferrato und Baldus de Ubaldis. Sie unterscheiden drei Arten von Statuten:
Statuta personalia: Diese betreffen die Person (zum Beispiel Handlungsfähigkeit) und haften ihr an, wo immer sie hingeht. Eine Person steht auch in einem anderen Stadtstaat bezüglich persönlicher rechtlicher Qualitäten ihrem Heimatstatut. Diesem Statut unterstehen auch die beweglichen Gegenstände, die eine Person mit sich trägt.
Statuta realia: Diese gelten nur für unbewegliche Sachen innerhalb der Grenzen des Stadtstaates.
Statuta mixta: Diese sind Auffangtatbestand und gelten insbesondere für menschliche Handlungen (Vertragsabschluss, Delikte). Bei diesen Handlung galten die statuta des Handlungsortes.
Man leitete also aus einer Sachnorm auch ihren Anwendungsbereich ab. Jede Sachnorm wurde auf ihren kollisionsrechtlichen Gehalt befragt. Jakobus Balduini führte ferner die Regel ein, dass Verfahrensrecht stets der lex fori (lat. Recht des Gerichtes) untersteht. Das materielle Recht, die lex causae (lat. Recht der Sache), könne hingegen auch ausländisches sein.[1]
Die Statutenlehre wurde nun unentwegt verfeinert und fortentwickelt. In Frankreich entwickelte Charles Dumoulin (Molinaeus) in seinem Werk Conclusiones de statutis et consuetodinibus localibus den Parteiwillen als Anknüpfungsmoment und legte für die statuta personalia nicht mehr die lex originis sondern das domicile fest. Als Vorläufer des ordre public können seine Vorschläge gelten, bestimmte Fragen der Parteivereinbarung zu entziehen. Bertrand d’Argentré (Argentreus) erweiterte den Anwendungsbereich der statuta realia auf alle sachenrechtlichen Fragen und stärkte somit das Territorialitätsprinzip.[1]
In den Niederlanden systematisierte Paul Voet in De statutis eorumque concursu (1660) die Statutenlehre und unterteile diese erstmals in einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Johannes Voet, dessen Sohn, ging erstmals von einem national geprägten Statutenrecht aus: Dem Gesetzgeber steht es aufgrund seiner Souveränität frei, den Anwendungsbereich seiner Gesetze zu bestimmen. Die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen seien jedoch durch den Grundsatz der comitas, der gegenseitigen Rücksichtnahme, zum Ausgleich zu bringen. Ulrich Huber verfeinerte dieses Wechselspiel von staatlicher Souveränität und dem Grundsatz der comitas.[1]
Die großen Privatrechtskodifikationen (Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794, das österreichische Allgemeine Bürgerlicher Gesetzbuch von 1811) folgten noch der Statutenlehre. Ebenso der französische Code civil von 1804; dieser leitete jedoch mit Art. 3 Abs. 3 die Abkehr von der Statutenlehre und den Übergang zum Staatsangehörigkeitsprinzip im 19. Jahrhundert ein.[1]
Rezeption der comitas-Lehre im common law (18. oder 19. Jahrhundert)
In den Vereinigten Staaten verbreitete Joseph Story die Ideen Hubers. Commentaries on the Conflict of Law ist eine IPR-Theorie, die die Anwendung fremden Rechts mit völkerrechtlicher Rücksichtnahme, der comity begründet. Die Gliederung des Werkes entsprach nicht mehr der herkömmlichen Statutenlehre, sondern war nach Rechtsgebieten geordnet.[1]
Das englische common law war von kontinentaleuropäischen Einflüssen bis ins 18. Jahrhundert völlig abgeschirmt. Auch durch die Insellage bedingt kam es seltener zu Rechtsfällen mit Auslandsberührung. Traten solche Fälle auf, wurden sie nur dann von den Gerichten entschieden, wenn die englische jurisdiction gegeben war. Englische jurisdiction bestand für alle Fälle im Inland. Englische Gerichte urteilten dann stets nach der lex fori, dem common law. Als erstes Zeichen der Rezeption kontinentaler IPR-Theorien kann die Entscheidung Robinson v. Bland (1790) gelten: Lord Mansfield erwog auf Grundlage der comitas-Lehre die Entwicklung von Kollisionsregeln. Erst hierdurch wurde die Entwicklung des IPRs in England ermöglicht.[1]
Begründung des modernen IPR: Friedrich Carl von Savigny (1849)
Friedrich Carl von Savigny
Karl Georg von Wächters Schrift Über die Kollision der Privatrechtsgesetze verschiedener Staaten beendete die Fortentwicklung der Statutenlehre, indem sie ihre mangelnde Flexibilität aufzeigte. Jedoch konnte sich weiterhin keine Alternative durchsetzen. Ein entscheidender Durchbruch gelang erst Friedrich Carl von Savigny: Im achten Band (Über die örtliche und zeitliche Geltung der Gesetze (1849)) seines Systems des heutigen römischen Rechts begründet er das moderne IPR, das den „Sitz des Rechtsverhältnisses“ als Ausgangspunkt für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts sieht. Fremdes Recht wird aus Freundlichkeit gegenüber anderen Staaten angewandt, also aus Gründen der comitas. Anders als in der Statutenlehre wird nun aber nicht eine inländische Norm nach ihrem Anwendungsbereich befragt. Stattdessen geht von Savigny vom Lebensverhältnis aus und prüft es auf die Rechtsordnung, die am besten auf dieses Anwendung findet.[1]
Universalismus und Nationalismus (um 1850–1950)
In Italien entwickelte sich kurz nach von Savignys Schrift die italienische Schule. Grundlegend für diese war ein Vortrag Pasquale Stanislao Mancinis 1851 in Turin mit dem Titel Della nazionalità come fondamento del diritto delle genti. Unter dem politischen Einfluss des italienischen risorgimento stelle Mancini die Staatsangehörigkeit als tragende Anknüpfung des IPR heraus. Dies sei ein Gebot des Völkerrechts. Dies wird als universalistischer Ansatz bezeichnet. Ebenfalls auf Mancini und seine Schule zurück geht die Fortentwicklung des ordre public. Mancini wurde in Kontinentaleuropa weithin rezipiert. Die IPR-Kodifikationen Italiens (1842, 1942 und 1995), Spaniens (1889), Österreichs (1978), das deutsche EGBGB und viele internationale Abkommen übernahmen die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit.[1]
Der universalistische Ansatz Mancinis wurde in Frankreich von Antoine Pillet modifiziert: Der nationale Gesetzgeber wolle, dass ein Gesetz für alle seine Staatsangehörigen, unabhängig von ihrem Aufenthalt, (permanent) und für alle Personen innerhalb seines Territoriums (général) gelte. Im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs muss also jeder Staat die Wirkung seiner Gesetze einschränken: Gesetze zum Individualschutz gelten permanentement, Gesetze im Interesse der öffentlichen Ordnung généralement mit Einschränkung auf das eigene Staatsgebiet. Diese Unterscheidung konnte sich nicht durchsetzen. Pillets Schüler Jean-Paulin Niboyet entwickelte die Theorie des réalisme national: Jeder Staat könne sein IPR frei festlegen, allerdings nur innerhalb seines Territoriums durchsetzen. Ausländisches Recht wird lediglich aus courteoisie internationale angewandt. Diese territorialistische Ausrichtung des IPR zwischen den Weltkriegen wurde erst durch Henri Batiffol und seinen Schüler Paul Lagarde überwunden.[1]
Restatement Second of the Conflict of Laws und American Legal Realism in den USA
In den USA hat jeder Bundesstaat sein eigenes IPR, das (bis auf Louisiana) lediglich Richterrecht ist. Eine Zusammenfassung dieser IPRs findet sich im Restatement (Second) of the Conflict of Laws von 1972. Zu ermitteln ist anhand verschiedener policies das Recht des Staates mit der most significant relationship. Neue Ansätze methodischer Art finden sich bei Albert Ehrenzweig, Brainerd Currie, David F. Cavers und Robert A. Leflar.[1]
20. und 21. Jahrhundert
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wird internationaler Entscheidungseinklang in Kontinentaleuropa zum Hauptziel des IPR. Savignys Ideen haben sich durchgesetzt. Internationaler Entscheidungseinklang wird besonders durch rechtsvergleichende Arbeit und die Konventionen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht.[1]
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