Der Linksliberalismus oder Sozialliberalismus
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Der Linksliberalismus oder Sozialliberalismus
Als Linksliberalismus oder Sozialliberalismus wird heute eine politische Strömung bezeichnet, die Liberalismus und Elemente linker Politik verbindet. Der moderne Linksliberalismus versucht, sowohl negative Freiheit (Freiheit von etwas, z. B. Abwehr staatlicher Eingriffe) als auch positive Freiheit (Freiheit zu etwas, z. B. Teilhabe an öffentlichten Gütern) zu verwirklichen.
Historisch gesehen ist linker Liberalismus jedoch nicht das gleiche wie sozialer Liberalismus. So haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entschiedene Linksliberale wie Eugen Richter zwar die reaktionäre Politik der konservativen Eliten kritisiert, aber zugleich den Aufbau eines Sozialstaats abgelehnt. Erst am Beginn des 20. Jahrhunderts vertraten führende Linksliberale wie Theodor Barth und Friedrich Naumann vermehrt sozialpolitische Positionen. Heute bezeichnen sich Linksliberale auch oft als radikaldemokratisch, worin zum Ausdruck kommt, dass die Bürger wesentlich mehr Einfluss auf das staatliche Handeln erlangen sollen, etwa durch einen Ausbau plebiszitärer Instrumente.
Der Begriff wurde 1893 von Ignaz Jastrow eingeführt.
Geschichte des Linksliberalismus in Deutschland
Aus der Betrachtung der politischen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert ergeben sich folgende Charakteristika des linken Liberalismus:
„Soziale Öffnung“[1], die zunächst zu einer Akzeptanz staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben und später zu eigenen Forderungen nach deren Ausweitung führte.
Die Bereitschaft, Bündnisse oder Koalitionen mit der Sozialdemokratie einzugehen, die sich unter anderem in Stichwahlabkommen bei der Reichstagswahl 1912 oder der Bildung der Weimarer Koalition 1919 manifestierte - geleitet von der Überzeugung der linken Liberalen, „ihr auf die gesamte Gesellschaft gerichtetes Reformprogramm primär gemeinsam mit der Sozialdemokratie realisieren zu können.“[2]
Hohe Affinität zu pazifistischen Positionen. Die zunächst als „bürgerliche Reformbewegung“[3] anzusehende Friedensbewegung wurde - abgesehen von religiös motivierten Gruppierungen - überwiegend von Linksliberalen getragen.[4]
Anfänge
Eine als „Sozialliberalismus“ zu bezeichnende Strömung lässt sich in Deutschland schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts beobachten. Die Bestrebungen, eine liberale Antwort auf die soziale Frage zu finden, führten 1873 zur Gründung des Vereins für Socialpolitik.[5] Auch die 1868 gebildeten Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine sind dem sozialliberalen Spektrum zuzuordnen.[6]
Deutsches Kaiserreich
Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) gab es eine große Zersplitterung des liberalen Parteienspektrums mit zahlreichen Abspaltungen und Neugründungen. Als linksliberal bezeichnet werden für diese Zeit in der Regel die Gruppierungen, die sich – oft unter dem Etikett freisinnig oder fortschrittlich – „in bewusster Distanzierung" von der Bismarck unterstützenden und als konservativ geltenden Nationalliberalen Partei organisierten.[7] Namhafte linksliberale Politiker dieser Epoche waren Eugen Richter, Theodor Barth, Franz August Schenk von Stauffenberg und Friedrich Naumann. Der von Naumann 1896 gegründete Nationalsoziale Verein hatte als erste bürgerliche Partei eine sozialliberale Ausrichtung und brachte durch seinen 1903 erfolgten Anschluss an die Freisinnige Vereinigung diese Strömung im linksliberalen Parteienspektrum stärker zur Geltung, während dort bis dahin der „Kampf um politische Freiheiten eindeutige Priorität“ gegenüber der Sozialen Frage besaß.[8] 1910 schlossen sich die verschiedenen linksliberalen Parteien mit Ausnahme der kleinen Demokratischen Vereinigung zur Fortschrittlichen Volkspartei zusammen. Seitdem wird in der deutschsprachigen Publizistik und Fachliteratur überwiegend der Begriff „Linksliberalismus“ zur Kennzeichnung dieser Strömung verwendet.[9]
Weimarer Republik
Für die Zeit der Weimarer Republik (1919–1933) wird die Deutsche Demokratische Partei (DDP; seit 1930: Deutsche Staatspartei) als linksliberal angesehen, in Abgrenzung zur als rechtsliberal bezeichneten Deutschen Volkspartei (DVP). Zu den Gründern der DDP gehörten der Soziologe Max Weber, der Jurist und Vater der Weimarer Verfassung Hugo Preuß und der ehemalige Nationalsoziale Friedrich Naumann.
Wichtig für die Entwicklung des Weimarer Linksliberalismus war Anton Erkelenz, von 1923 bis 1929 Vorsitzender des Parteivorstandes der DDP und Vorsitzender der liberalen Hirsch−Dunckerschen Gewerkvereine bis zu deren Verbot 1933.[10]
Als weitere bedeutende linksliberale Persönlichkeit in diesem Zeitraum gilt Ludwig Quidde, der Friedensnobelpreis-Träger des Jahres 1927. Er war 1930 auch beteiligt, als sich der linke Flügel der DDP im Zuge ihrer Umwandlung in die Staatspartei abspaltete und die pazifistisch ausgerichtete Radikaldemokratische Partei gründete, die in der kritischen Endphase der Republik allerdings bedeutungslos blieb.[11]
Widerstand und Exil 1933 bis 1945
Der organisierte Linksliberalismus hat im Kampf gegen die nationalsozialistische Herrschaft so gut wie keine Spur hinterlassen. Zu erwähnen sind lediglich einzelne Persönlichkeiten und ihr Einsatz, darunter das Wirken Hellmut von Gerlachs im Pariser Exil, der sich dort in der Liga für Menschenrechte engagierte und Anteil nahm an der Nobelpreis-Kampagne für Carl von Ossietzky[12] oder die vor allem in Norddeutschland operierende Robinsohn-Strassmann-Gruppe, die überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der DDP und ihrer Jugendorganisation bestand.[13]
Bundesrepublik Deutschland
Mit der 1948 gegründeten FDP entstand erstmals eine Partei, die das gesamte liberale Spektrum umfasste. In der Anfangsphase differierte die politische Ausrichtung der Landesverbände teilweise erheblich, wobei linksliberale Traditionen vor allem in Baden-Württemberg und den Stadtstaaten Hamburg und Bremen vorherrschten, während sich besonders in Nordrhein-Westfalen und Hessen starke nationalliberale Tendenzen zeigten.[14]
Stärker wurde der linke Flügel der FDP seit Mitte der 1960er Jahre in der Zeit der Notstandsgesetze, Großen Koalition und außerparlamentarischen Opposition, als ein Teil der studentenbewegten Kräfte, der weniger revolutionäre als reformorientierte Strategien verfolgte, sich der FDP oder den Jungdemokraten anschloss.
Am politisch einflussreichsten war der Linksliberalismus in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1969 und 1982, als die FDP mit der SPD die Sozialliberale Koalition bildete und sich mit den 1971 verabschiedeten Freiburger Thesen – flankiert von der „Streitschrift“ Noch eine Chance für die Liberalen ihres damaligen Generalsekretärs Karl-Hermann Flach [15] – zu einem „demokratischen und sozialen Liberalismus“ bekannte.[16]
Der als „Wende“ bezeichnete Kurswechsel des Jahres 1982, der zum Ende der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene und einem Bündnis der Liberalen mit der CDU/CSU führte, wurde vom linken Flügel der FDP teilweise nicht mitgetragen. In der Folge verließen zahlreiche Linksliberale die Partei und trugen zum in der Geschichte der FDP bislang größten Rückgang der Mitgliederzahl bei.[17]
Logo der Liberalen Demokraten
Viele der linken Freidemokraten traten in die SPD ein; darunter Günter Verheugen, Ingrid Matthäus-Maier und Andreas von Schoeler. Die von den Jungdemokraten unterstützte Neugründung Liberale Demokraten unter Führung von Ulrich Krüger und Theo Schiller blieb politisch bedeutungslos; ein Teil ihrer Mitglieder wechselte später zu den Grünen, darunter die spätere Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk. Gescheitert ist der Versuch, durch „Liberale Vereinigungen“, deren Bundesverband zeitweise von der nach ihrem Austritt aus der FDP parteilosen Helga Schuchardt geleitet wurde, für die in verschiedenen Parteien organisierten Linksliberalen weiterhin eine gemeinsame Plattform zu schaffen.[18]
Von den neuen politischen Organisationen, die sich 1989/1990 aus den oppositionellen Bürgerrechtsbewegungen der DDR entwickelten, kann am ehesten das Bündnis 90 als „sozial-“ oder „linksliberal“ eingestuft werden,[19] das sich 1992/1993 mit den Grünen zum Bündnis 90/Die Grünen zusammenschloss. Diesem ist es danach gelungen, im linksliberalen Wählerpotenzial Fuß zu fassen.[20] Bündnis 90/Die Grünen insgesamt ist allerdings eine Sammlung verschiedener Strömungen, darunter auch linksalternativer und ehemals kommunistischer.
Die seit der Europawahl 2009 bekanntgewordene Piratenpartei könnte sich aufgrund ihrer Basis eher zu einer linksliberalen als zu einer anarchistischen Gruppe entwickeln.[21] Verschiedene Vertreter der Piraten selbst verwenden die Bezeichnung gern für sich. Der Landesparteitag Nordrhein-Westfalen beschloss am 5. April 2014 ein Positionspapier, dem zufolge er „die Piratenpartei Deutschland im Selbstverständnis (...) als sozialliberale Partei“ betrachtet.[22]
Auch die parteiinterne Strömung „Emanzipatorische Linke“ der Linkspartei wird aufgrund ihrer gesellschaftsliberalen Standpunkte teils als linksliberal bezeichnet.
Ende August 2014 kündigten der ehemalige Hamburger FDP-Senator Dieter Biallas und der ehemalige Vize-Parteichef der Hamburger FDP, Najib Karim, die Gründung einer neuen linksliberalen Partei an.[23] Karim war im Monat zuvor aus der FDP ausgetreten.[24] Der Gründungskreis trat unter dem Namen Neue Liberale an die Öffentlichkeit. Ein erster Bundesparteitag wählte am 28. September 2014 Karim und Sylvia Canel zu gleichberechtigten Vorsitzenden. Die Partei trat in Hamburg 2015 erstmals zu einer Wahl an.
Schweiz
In der Schweiz kann die 2004 gegründete Grünliberale Partei als linksliberal, aber nicht als sozialliberal bezeichnet werden. Ihre Parteipolitik verbindet wirtschaftsliberales, gesellschaftsliberales und ökologisches Denken.
Eine linksliberale, insbesondere aber sozialliberale und später auch ökologisch orientierte Schweizer Partei war der Landesring der Unabhängigen, der von 1936 bis 1999 existierte und seinen Höhepunkt in den Jahren um 1970 hatte.
Linksliberale Parteien außerhalb des deutschsprachigen Raums
Über lange Zeit war der Linksliberalismus in Form des Radikalismus vor allem in Frankreich stark verwurzelt. Wichtigster historischer Proponent des Radikalismus war die „Radikale Partei“, die über viele Jahrzehnte – bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts – die französische Politik dominierte. Die Parti Radical war im Gegensatz zu sozialistischen oder kommunistischen Strömungen die Vertreterin des „radikalen“ Bürgertums, das in Frankreich auf eine lange Tradition zurückblickt.
In mehreren europäischen Ländern gibt es derzeit in den Parlamenten vertretene liberale Parteien, die sich links der Mitte positionieren und meist einer mehr rechts orientierten liberalen Partei gegenüberstehen. Dies sind zum Beispiel die kleine Parti Radical de Gauche in Frankreich, die sich als ideologische Nachfolgerin der Parti Radical betrachtet. In Polen sind dies etwa die Demokraci, die aus der liberalen und bis Mitte der 1990er Jahre in Regierungsverantwortung stehenden Unia Wolności hervorgegangen waren und der als liberalkonservativ angesehenen Platforma Obywatelska von Donald Tusk gegenüberstehen, sowie die auch als progressiv betrachtete Partei Twój Ruch von Janusz Palikot. Des Weiteren die Democraten 66 in den Niederlanden oder Det Radikale Venstre in Dänemark, die sich als linkeste der liberalen Parteien Europas einordnen lässt.[25] Für die Bestimmung ihrer politischen Position werden in diesen Ländern an Stelle des in Deutschland gängigen Terminus Linksliberalismus unter anderem Begriffe wie sozialer, progressiver, radikaler oder neuer Liberalismus verwendet.
Siehe auch
Freiburger Thesen
Freiburger Kreis (Forum)
Quelle - Literartur & Einzelnachweise
Historisch gesehen ist linker Liberalismus jedoch nicht das gleiche wie sozialer Liberalismus. So haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entschiedene Linksliberale wie Eugen Richter zwar die reaktionäre Politik der konservativen Eliten kritisiert, aber zugleich den Aufbau eines Sozialstaats abgelehnt. Erst am Beginn des 20. Jahrhunderts vertraten führende Linksliberale wie Theodor Barth und Friedrich Naumann vermehrt sozialpolitische Positionen. Heute bezeichnen sich Linksliberale auch oft als radikaldemokratisch, worin zum Ausdruck kommt, dass die Bürger wesentlich mehr Einfluss auf das staatliche Handeln erlangen sollen, etwa durch einen Ausbau plebiszitärer Instrumente.
Der Begriff wurde 1893 von Ignaz Jastrow eingeführt.
Geschichte des Linksliberalismus in Deutschland
Aus der Betrachtung der politischen Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert ergeben sich folgende Charakteristika des linken Liberalismus:
„Soziale Öffnung“[1], die zunächst zu einer Akzeptanz staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben und später zu eigenen Forderungen nach deren Ausweitung führte.
Die Bereitschaft, Bündnisse oder Koalitionen mit der Sozialdemokratie einzugehen, die sich unter anderem in Stichwahlabkommen bei der Reichstagswahl 1912 oder der Bildung der Weimarer Koalition 1919 manifestierte - geleitet von der Überzeugung der linken Liberalen, „ihr auf die gesamte Gesellschaft gerichtetes Reformprogramm primär gemeinsam mit der Sozialdemokratie realisieren zu können.“[2]
Hohe Affinität zu pazifistischen Positionen. Die zunächst als „bürgerliche Reformbewegung“[3] anzusehende Friedensbewegung wurde - abgesehen von religiös motivierten Gruppierungen - überwiegend von Linksliberalen getragen.[4]
Anfänge
Eine als „Sozialliberalismus“ zu bezeichnende Strömung lässt sich in Deutschland schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts beobachten. Die Bestrebungen, eine liberale Antwort auf die soziale Frage zu finden, führten 1873 zur Gründung des Vereins für Socialpolitik.[5] Auch die 1868 gebildeten Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine sind dem sozialliberalen Spektrum zuzuordnen.[6]
Deutsches Kaiserreich
Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) gab es eine große Zersplitterung des liberalen Parteienspektrums mit zahlreichen Abspaltungen und Neugründungen. Als linksliberal bezeichnet werden für diese Zeit in der Regel die Gruppierungen, die sich – oft unter dem Etikett freisinnig oder fortschrittlich – „in bewusster Distanzierung" von der Bismarck unterstützenden und als konservativ geltenden Nationalliberalen Partei organisierten.[7] Namhafte linksliberale Politiker dieser Epoche waren Eugen Richter, Theodor Barth, Franz August Schenk von Stauffenberg und Friedrich Naumann. Der von Naumann 1896 gegründete Nationalsoziale Verein hatte als erste bürgerliche Partei eine sozialliberale Ausrichtung und brachte durch seinen 1903 erfolgten Anschluss an die Freisinnige Vereinigung diese Strömung im linksliberalen Parteienspektrum stärker zur Geltung, während dort bis dahin der „Kampf um politische Freiheiten eindeutige Priorität“ gegenüber der Sozialen Frage besaß.[8] 1910 schlossen sich die verschiedenen linksliberalen Parteien mit Ausnahme der kleinen Demokratischen Vereinigung zur Fortschrittlichen Volkspartei zusammen. Seitdem wird in der deutschsprachigen Publizistik und Fachliteratur überwiegend der Begriff „Linksliberalismus“ zur Kennzeichnung dieser Strömung verwendet.[9]
Weimarer Republik
Für die Zeit der Weimarer Republik (1919–1933) wird die Deutsche Demokratische Partei (DDP; seit 1930: Deutsche Staatspartei) als linksliberal angesehen, in Abgrenzung zur als rechtsliberal bezeichneten Deutschen Volkspartei (DVP). Zu den Gründern der DDP gehörten der Soziologe Max Weber, der Jurist und Vater der Weimarer Verfassung Hugo Preuß und der ehemalige Nationalsoziale Friedrich Naumann.
Wichtig für die Entwicklung des Weimarer Linksliberalismus war Anton Erkelenz, von 1923 bis 1929 Vorsitzender des Parteivorstandes der DDP und Vorsitzender der liberalen Hirsch−Dunckerschen Gewerkvereine bis zu deren Verbot 1933.[10]
Als weitere bedeutende linksliberale Persönlichkeit in diesem Zeitraum gilt Ludwig Quidde, der Friedensnobelpreis-Träger des Jahres 1927. Er war 1930 auch beteiligt, als sich der linke Flügel der DDP im Zuge ihrer Umwandlung in die Staatspartei abspaltete und die pazifistisch ausgerichtete Radikaldemokratische Partei gründete, die in der kritischen Endphase der Republik allerdings bedeutungslos blieb.[11]
Widerstand und Exil 1933 bis 1945
Der organisierte Linksliberalismus hat im Kampf gegen die nationalsozialistische Herrschaft so gut wie keine Spur hinterlassen. Zu erwähnen sind lediglich einzelne Persönlichkeiten und ihr Einsatz, darunter das Wirken Hellmut von Gerlachs im Pariser Exil, der sich dort in der Liga für Menschenrechte engagierte und Anteil nahm an der Nobelpreis-Kampagne für Carl von Ossietzky[12] oder die vor allem in Norddeutschland operierende Robinsohn-Strassmann-Gruppe, die überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der DDP und ihrer Jugendorganisation bestand.[13]
Bundesrepublik Deutschland
Mit der 1948 gegründeten FDP entstand erstmals eine Partei, die das gesamte liberale Spektrum umfasste. In der Anfangsphase differierte die politische Ausrichtung der Landesverbände teilweise erheblich, wobei linksliberale Traditionen vor allem in Baden-Württemberg und den Stadtstaaten Hamburg und Bremen vorherrschten, während sich besonders in Nordrhein-Westfalen und Hessen starke nationalliberale Tendenzen zeigten.[14]
Stärker wurde der linke Flügel der FDP seit Mitte der 1960er Jahre in der Zeit der Notstandsgesetze, Großen Koalition und außerparlamentarischen Opposition, als ein Teil der studentenbewegten Kräfte, der weniger revolutionäre als reformorientierte Strategien verfolgte, sich der FDP oder den Jungdemokraten anschloss.
Am politisch einflussreichsten war der Linksliberalismus in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1969 und 1982, als die FDP mit der SPD die Sozialliberale Koalition bildete und sich mit den 1971 verabschiedeten Freiburger Thesen – flankiert von der „Streitschrift“ Noch eine Chance für die Liberalen ihres damaligen Generalsekretärs Karl-Hermann Flach [15] – zu einem „demokratischen und sozialen Liberalismus“ bekannte.[16]
Der als „Wende“ bezeichnete Kurswechsel des Jahres 1982, der zum Ende der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene und einem Bündnis der Liberalen mit der CDU/CSU führte, wurde vom linken Flügel der FDP teilweise nicht mitgetragen. In der Folge verließen zahlreiche Linksliberale die Partei und trugen zum in der Geschichte der FDP bislang größten Rückgang der Mitgliederzahl bei.[17]
Logo der Liberalen Demokraten
Viele der linken Freidemokraten traten in die SPD ein; darunter Günter Verheugen, Ingrid Matthäus-Maier und Andreas von Schoeler. Die von den Jungdemokraten unterstützte Neugründung Liberale Demokraten unter Führung von Ulrich Krüger und Theo Schiller blieb politisch bedeutungslos; ein Teil ihrer Mitglieder wechselte später zu den Grünen, darunter die spätere Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk. Gescheitert ist der Versuch, durch „Liberale Vereinigungen“, deren Bundesverband zeitweise von der nach ihrem Austritt aus der FDP parteilosen Helga Schuchardt geleitet wurde, für die in verschiedenen Parteien organisierten Linksliberalen weiterhin eine gemeinsame Plattform zu schaffen.[18]
Von den neuen politischen Organisationen, die sich 1989/1990 aus den oppositionellen Bürgerrechtsbewegungen der DDR entwickelten, kann am ehesten das Bündnis 90 als „sozial-“ oder „linksliberal“ eingestuft werden,[19] das sich 1992/1993 mit den Grünen zum Bündnis 90/Die Grünen zusammenschloss. Diesem ist es danach gelungen, im linksliberalen Wählerpotenzial Fuß zu fassen.[20] Bündnis 90/Die Grünen insgesamt ist allerdings eine Sammlung verschiedener Strömungen, darunter auch linksalternativer und ehemals kommunistischer.
Die seit der Europawahl 2009 bekanntgewordene Piratenpartei könnte sich aufgrund ihrer Basis eher zu einer linksliberalen als zu einer anarchistischen Gruppe entwickeln.[21] Verschiedene Vertreter der Piraten selbst verwenden die Bezeichnung gern für sich. Der Landesparteitag Nordrhein-Westfalen beschloss am 5. April 2014 ein Positionspapier, dem zufolge er „die Piratenpartei Deutschland im Selbstverständnis (...) als sozialliberale Partei“ betrachtet.[22]
Auch die parteiinterne Strömung „Emanzipatorische Linke“ der Linkspartei wird aufgrund ihrer gesellschaftsliberalen Standpunkte teils als linksliberal bezeichnet.
Ende August 2014 kündigten der ehemalige Hamburger FDP-Senator Dieter Biallas und der ehemalige Vize-Parteichef der Hamburger FDP, Najib Karim, die Gründung einer neuen linksliberalen Partei an.[23] Karim war im Monat zuvor aus der FDP ausgetreten.[24] Der Gründungskreis trat unter dem Namen Neue Liberale an die Öffentlichkeit. Ein erster Bundesparteitag wählte am 28. September 2014 Karim und Sylvia Canel zu gleichberechtigten Vorsitzenden. Die Partei trat in Hamburg 2015 erstmals zu einer Wahl an.
Schweiz
In der Schweiz kann die 2004 gegründete Grünliberale Partei als linksliberal, aber nicht als sozialliberal bezeichnet werden. Ihre Parteipolitik verbindet wirtschaftsliberales, gesellschaftsliberales und ökologisches Denken.
Eine linksliberale, insbesondere aber sozialliberale und später auch ökologisch orientierte Schweizer Partei war der Landesring der Unabhängigen, der von 1936 bis 1999 existierte und seinen Höhepunkt in den Jahren um 1970 hatte.
Linksliberale Parteien außerhalb des deutschsprachigen Raums
Über lange Zeit war der Linksliberalismus in Form des Radikalismus vor allem in Frankreich stark verwurzelt. Wichtigster historischer Proponent des Radikalismus war die „Radikale Partei“, die über viele Jahrzehnte – bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts – die französische Politik dominierte. Die Parti Radical war im Gegensatz zu sozialistischen oder kommunistischen Strömungen die Vertreterin des „radikalen“ Bürgertums, das in Frankreich auf eine lange Tradition zurückblickt.
In mehreren europäischen Ländern gibt es derzeit in den Parlamenten vertretene liberale Parteien, die sich links der Mitte positionieren und meist einer mehr rechts orientierten liberalen Partei gegenüberstehen. Dies sind zum Beispiel die kleine Parti Radical de Gauche in Frankreich, die sich als ideologische Nachfolgerin der Parti Radical betrachtet. In Polen sind dies etwa die Demokraci, die aus der liberalen und bis Mitte der 1990er Jahre in Regierungsverantwortung stehenden Unia Wolności hervorgegangen waren und der als liberalkonservativ angesehenen Platforma Obywatelska von Donald Tusk gegenüberstehen, sowie die auch als progressiv betrachtete Partei Twój Ruch von Janusz Palikot. Des Weiteren die Democraten 66 in den Niederlanden oder Det Radikale Venstre in Dänemark, die sich als linkeste der liberalen Parteien Europas einordnen lässt.[25] Für die Bestimmung ihrer politischen Position werden in diesen Ländern an Stelle des in Deutschland gängigen Terminus Linksliberalismus unter anderem Begriffe wie sozialer, progressiver, radikaler oder neuer Liberalismus verwendet.
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