Der Tragschrauber, auch Autogyro, Gyrokopter oder Gyrocopter
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Der Tragschrauber, auch Autogyro, Gyrokopter oder Gyrocopter
Ein Tragschrauber, auch Autogyro, Gyrokopter oder Gyrocopter genannt, ist ein Drehflügler, der in seiner Funktionsweise einem Hubschrauber ähnelt. Jedoch wird hier der Rotor nicht durch ein Triebwerk, sondern passiv durch den Fahrtwind in Drehung versetzt (Autorotation). Der Auftrieb ergibt sich dabei durch den Widerstand des sich drehenden Rotorblattes bei nach hinten geneigter Rotorfläche. Der Vortrieb erfolgt, wie beim Starrflügelflugzeug, meist durch ein Propellertriebwerk.
ArrowCopter AC10 – moderner Tragschrauber aus Carbon
Tragschrauber Bensen B-8
Tragschrauber MTO-Sport
Tragschrauber sind interessant für Anwendungen, bei denen geringe Geschwindigkeiten erwünscht, aber Senkrechtstart und -landung nicht notwendig sind. Vorteile sind dabei die Überziehsicherheit (d. h. ein Strömungsabriss ist nicht möglich), die geringen Bau-, Wartungs- und Betriebsmittelkosten, das geringe Gewicht und der geringe Platzbedarf sowie die einfache Erlernbarkeit der Bedienung.
Als Erfinder des Tragschraubers wurde lange Zeit der Spanier Juan de la Cierva genannt, der seinen Autogiro als geschützten Markennamen im Jahr 1923 bekannt machte. Das Grundprinzip des Tragschraubers wurde jedoch bereits zuvor von dem Mallorquiner Pere Sastre Obrador entworfen.[1]
Technik
McCulloch J-2, mit kleinen Zusatz-Tragflächen
Der Antrieb erfolgt meist durch Kolbentriebwerke und Propeller. Der Rotor wird an einem Mast befestigt. Ein Schlaggelenk, das eine Bewegung des Rotorblattes nach oben oder unten zulässt, ist zentrales Merkmal eines Tragschraubers. Eine Taumelscheibe wird nicht benötigt; zur Steuerung wird der komplette Rotor geschwenkt. Zusätzlich wird ein herkömmliches Seitenruder zur Steuerung benötigt. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit wird meist ein festes Fahrwerk verwendet. Eine geschlossene Kabine ist eher selten. Einige Modelle setzen zusätzliche Tragflächen ein.
Tragschrauber benötigen nur eine sehr kurze Startrollstrecke von wenigen Metern bis etwa 100 m und gehören damit zur Gruppe der ESTOL-Flugzeuge. Die Landerollstrecke liegt zwischen 0 und einigen 10 m. Zur weiteren Verkürzung der Startstrecke kann der Rotor vor dem Start durch einen weiteren Motor oder eine Getriebeeinheit auf die Startdrehzahl beschleunigt oder auch von Hand angeworfen werden.
Die Autorotation kommt dadurch zustande, dass das Rotorblatt im inneren Bereich der Rotorebene einen so hohen Anstellwinkel hat, dass eine das Blatt beschleunigende Kraft resultiert. Im äußeren Durchmesser hingegen bremst die Resultierende das Blatt. Diese Kräfte sind im stationären Flug im Gleichgewicht. Erhöht man den Anstellwinkel der Rotorebene, verschiebt sich die Grenze zwischen beschleunigendem Bereich und abbremsendem nach außen, es entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Beschleunigung, ergo: der Rotor erhöht seine Drehzahl. So wird verständlich, wie der Tragschrauberrotor stets automatisch die nötige Rotordrehzahl einnimmt, um die Maschine zu tragen.
Sicherheit und Stabilität
Da der Rotor nur durch den Luftstrom angetrieben wird, ist er mechanisch gering belastet, und es ist kein kompliziertes Getriebe notwendig. Der Antriebsausfall ist ebenfalls unkritisch. Tragschrauber haben keine Mindestgeschwindigkeit und können somit nicht in einen überzogenen Flugzustand geraten. Das war auch die Motivation des Erfinders Juan de la Cierva. Der richtige Umgang mit diesen Fluggeräten muss trotzdem gut geschult werden, denn negative Anstellwinkel sind nicht zulässig, da sie – ähnlich wie zu große Anstellwinkel bei anderen Fluggeräten – zu einem kritischen Flugzustand führen können.[2] Negative Anstellwinkel werden durch starkes Drücken am Steuerknüppel erreicht, was zu einer Anströmung des Rotors von oben führen würde; gleichzeitig hohe Vortriebsleistung verstärkt den negativen Effekt.[3]
Tragschrauber im Vergleich zu Hubschrauber und Flugzeug
Vorteile eines Tragschraubers sind:
Wartung und Betrieb eines Hubschraubers sind wegen der komplizierteren Mechanik doppelt bis dreimal so teuer wie die Unterhaltung eines Tragschraubers.
Die Bauart eines Tragschraubers ist viel simpler als die des Hubschraubers. Auch dieser besitzt nur einen Motor, jedoch muss neben dem Haupt- mit einer relativ aufwendigen Übertragung auch der Heckrotor angetrieben werden. Die zyklische und kollektive Blattsteuerung des Hubschraubers ist ebenfalls weitaus aufwendiger als die bei kleinen Gyrocoptern übliche Kopfkippsteuerung. Bei größeren Tragschraubern nimmt die Komplexität der Rotoranlage zu, erreicht aber meist nicht den Komplexitätsgrad von Hubschraubern.
Anders als beim Hubschrauber ist der Ausfall des Antriebs relativ ungefährlich. Der Hubschrauber geht bei Motorausfall zur Autorotation über – aber eine Notlandung mit Autorotation gilt als sehr schwieriges Manöver. Der Tragschrauber dagegen befindet sich ständig in Autorotation, dadurch entfällt die beim Hubschrauber entstehende Umschaltzeit, in der der Hubschrauberrotor an Drehzahl verliert.
Der Tragschrauber kennt keinen Strömungsabriss wegen zu geringer Fahrt, da die Drehzahl des Rotors wichtiger ist als die Vorwärtsfahrt. Im Vergleich mit Flugzeugen kann der Gyrocopter eine kürzere Startstrecke und eine bei weitem kürzere Landerollstrecke von nur zehn Metern haben. Die geringe Fahrt beim Landen macht auch die Notlandung ungefährlicher als bei Flächenflugzeugen, da sich die Landerollstrecke extrem verkürzt. Auch sind steilere Anflüge möglich.
Der Tragschrauber ist einfacher zu beherrschen als ein Hubschrauber und nicht schwieriger zu fliegen als ein Flugzeug.
Der Tragschrauber ist, anders als der Hubschrauber und das Flächenflugzeug, sehr unempfindlich gegen Turbulenzen und fliegt daher ruhiger als Flächenflugzeuge, insbesondere als Ultraleichtflugzeuge.
Der Platzbedarf im Hangar ist geringer als bei Flugzeugen.
Nachteile:
Im Gegensatz zum Hubschrauber kann ein reiner Tragschrauber nicht schweben und in der Regel nicht senkrecht starten und landen.
Der Leistungsbedarf ist im Vergleich zu Flugzeugen bei gleicher Masse höher. Tragschrauber sind in diesem Punkt etwa gleichwertig zu Hubschraubern.
Compound Autogyro
Eine Sonderform ist der compound autogyro, bei dem nur bei Start und Landung der Rotor angetrieben wird, etwa mit Blattspitzenantrieb. Beim Vorwärtsflug erzeugt er dann freidrehend, gegebenenfalls zusammen mit Tragflächen den Auftrieb, mit Vortrieb durch normale Propeller-Triebwerke, so etwa beim Fairey Rotodyne.
Entwicklungsgeschichte
Cierva-Tragschrauber, 1930 bei einer Vorführung im englischen Croydon.
Pitcairn Autogiro
Die Anfänge
Erfunden wurde der Tragschrauber von dem Spanier Juan de la Cierva, der sein Fluggerät Autogiro nannte. Nachdem ein von ihm entwickelter Bomber abgestürzt war, weil er in einen überzogenen Flugzustand geraten war, entwickelte er ein Fluggerät, bei dem dieser Zustand nicht auftreten kann. 1920 begann er mit „rotierenden Flügeln“, wie er sie nannte, zu experimentieren. Das Resultat war der erste erfolgreiche Flug eines Autogiro, des C4, am 9. Januar 1923 in Getafe, Spanien. Es folgten 1925 der C.6 und 1928 der C.8, wobei dem Entwickler wesentliche Lösungen zur Stabilisierung des Rotors eines Drehflüglers gelangen, die später auch bei Hubschraubern genutzt wurden, so z. B. die Schlaggelenke.
Ende der 1920er Jahre gab es einen Autogiro-Boom. Harold Pitcairn und sein Kollege Walter Kellett gründeten nach Lizenzierung durch de la Cierva in den USA eine Firma zur Herstellung von Tragschraubern. Sie belieferten das US Post Office mit ihren Produkten. Mit der Rezession brach dieses Geschäft jedoch ein.
In dieser Zeit wurden Tragschrauber auch in Großbritannien (besonders Cierva in enger Kooperation mit Avro), Deutschland (insbesondere Focke-Wulf), der Sowjetunion (ZAGI) und Frankreich (SNCASO) entwickelt.
In Deutschland entwickelte Oberingenieur Engelbert Zaschka 1927 einen kombinierten Trag- und Hubschrauber. Bei der Entwicklung von Zaschka wurden im Unterschied zu den bis damals bekannten Trag- und Hubschraubern die Rotoren des Zaschka-Rotationsflugzeugs mit einer zwei Kreiseln wirksamen Schwungmasse zwangsläufig rotierend verbunden. Durch diese Anordnung konnte mit abgestelltem Motor ein gefahrloser senkrechter Gleitflug ausgeführt werden.[4][5]
Nach de la Ciervas Tod 1936 konnten andere auf seine Erfolge aufbauen und die Entwicklung des Hubschraubers vorantreiben. In Frankreich wurde der Gyroplane-Laboratoire von Louis Bréguet und René Dorand weiterentwickelt, sodass man 1937 bei Probeflügen, die von dem Ingenieur und Piloten Claysse überwacht wurden, neue Weltrekorde aufstellen konnte.
Zweiter Weltkrieg
Focke-Achgelis Fa 330
Im Zweiten Weltkrieg führten einige deutsche U-Boote den unmotorisierten Schlepp-Tragschrauber Focke-Achgelis Fa 330 „Bachstelze“ mit. Er war mit einer Person bemannt, die als Ausguck diente, und wurde an einer Leine hinter dem aufgetaucht fahrenden U-Boot geschleppt. In Großbritannien erfolgte die Kalibrierung der Luftraumüberwachung mit Hilfe von Tragschraubern. Dazu wurden Tragschrauber des britischen Musters Cierva C.30 „Rota“ in einer Flugstaffel eingesetzt. In Japan wurden Tragschrauber Ka-1 zur Artilleriebeobachtung eingesetzt. Geplant wurde außerdem, von umgebauten Frachtern aus operierende Tragschrauber zur Abwehr von U-Booten einzusetzen. In der Sowjetunion wurden fünf in einer Staffel zusammengefasste Tragschrauber ZAGI A-7 am Anfang des Krieges zu Aufklärungsflügen und zum Abwurf von Flugblättern genutzt.
Somit spielten Tragschrauber insgesamt keine wesentliche militärische Rolle, die Militärs wandten sich dem Hubschrauber zu. Dieser versprach neue taktische Möglichkeiten und ein breiteres Einsatzspektrum.
Einsatzgebiete
Freizeitbereich
Tragschrauber werden häufig zu Freizeitzwecken geflogen, wo sie wegen des niedrigen Anschaffungspreises und der geringen Betriebsmittelkosten beliebt sind. Im Oktober 2003 wurde in Deutschland erstmals einem Tragschrauber die Musterzulassung als Ultraleichtflugzeug erteilt. So zugelassene Tragschrauber dürfen dort mit der Sportpilotenlizenz geflogen werden. Besitzer einer solchen Lizenz für herkömmliche Ultraleichtflugzeuge müssen dazu eine Zusatzprüfung ablegen, es ist jedoch auch möglich, die Ausbildung ausschließlich auf Tragschraubern zu absolvieren.
Von 2009 bis 2010 wurde erstmals eine Weltreise per Tragschrauber unternommen. Das Ehepaar Melanie und Andreas Stütz flog in 18 Monaten in verschiedenen Tragschraubertypen durch Europa, das südliche Afrika, Australien, Neuseeland, USA und Südamerika. Das Abenteuer wurde im Buch Weltflug – Zwei Überflieger auf fünf Kontinenten und im Film Weltflug.tv – Die Weltreise mit Tragschrauber dokumentiert.[6][7]
Professionelle Bereiche
Tragschrauber sind grundsätzlich für bestimmte polizeiliche Aufgaben (z. B. Luftraumüberwachung) oder zur Unterstützung im Rahmen von Katastrophenhilfe geeignet. In Deutschland fanden Tests statt. Im Irak werden Tragschrauber für polizeiliche Zwecke eingesetzt.
Deutschland
Von Juli bis Dezember 2007 testete die Polizei Brandenburg einen angemieteten Tragschrauber vom Typ HTC MT-03 auf dem Flugplatz Saarmund auf seine Tauglichkeit für Polizeieinsätze. Vier flugerfahrene Beamte der Landespolizei waren mit dem Praxistest befasst. Zu den Testabschnitten in unterschiedlichen Flughöhen gehörten u. a.:
Konstanz von Polizeifunk an Bord,
Beweiskraft von Luftbildaufnahmen während des Einsatzflugs,
Umwelt- und Verkehrsüberwachung (in rund 300 Metern Höhe) sowie
Personensuche und -verfolgung aus der Luft.
Hauptmotiv für den Einsatz von Tragschraubern sind die gegenüber Hubschraubern niedrigen Anschaffungs-, Betriebs- und Wartungskosten. So kostet eine Hubschrauber-Flugstunde durchschnittlich 1.000 Euro, eine Tragschrauber-Flugstunde dagegen nur 120 Euro. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Boden zu beiden Seiten leicht beobachtet werden kann. Die Spitzengeschwindigkeit im polizeibezogenen Einsatz liegt bei 160 km/h, die Mindestgeschwindigkeit bei 30 km/h.
Als Hauptproblem bei dem getesteten Tragschrauber erwies sich jedoch die geringe Nutzlast von maximal 210 kg. Weiterhin besteht eine rechtliche Hürde in der Luftfahrtbestimmung, wonach bewohntes Gebiet mit Ultraleichtflugzeugen und Tragschraubern grundsätzlich nicht im Tiefflug überflogen werden darf. Das Innenministerium Brandenburg plante daher eine Ausnahmeregelung für Polizeiflüge. In einem umfassenden Abschlussbericht zur mit Erfolg abgeschlossen Phase II des Projekts wurde ein Rechtsgutachten zum „Einsatz von Tragschraubern bei Behörden mit Sicherheitsaufgaben (Polizei)“ erstellt. Im Ergebnis wurden keine rechtlichen Schranken für den Einsatz erkannt. Das Projekt wurde bis zur Entscheidung des Innenministers mit Erfolg in einer dritten Phase fortgeführt.
Im Februar 2010 ließ der neue Innenminister von Brandenburg, Rainer Speer (SPD), das von seinem CDU-Vorgänger gestartete Projekt einstellen.[8]
2012 testete das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) zusammen mit dem THW den Einsatz von Tragschraubern für die Bekämpfung von Katastrophen (vor allem als Erkundungshilfsmittel).[9]
Ausland
Seit 2009 wurden mehrere Projekte in Kurdistan, Irak realisiert. 2010 wurde der erste Tragschrauber an den kurdischen Innenminister Karim Sinjari übergeben. Ziel der Projekte ist es, Piloten auszubilden, die für das Innenministerium die An- und Abflugwege der Flughäfen in Arbil und Sulaimaniyya vor terroristischen Übergriffen überwachen.
Diese auf den Tragschraubern ausgebildeten Piloten bilden das Rückgrat der gesamten Pilotencrew der kurdischen Polizei. In einem nächsten Schritt werden sie zu Helikopterpiloten (auf Eurocopter EC 120 B) ausgebildet.[10][11][12]
Tragschrauber und Helikopter der kurdischen Polizei
Little Nellie, der zusammenlegbare Tragschrauber aus dem Film James Bond 007 – Man lebt nur zweimal
Trivia
Schon im Jahre 1934 tauchte ein Autogyro im Film Es geschah in einer Nacht auf, ebenso in Die 39 Stufen von 1935. Besonders bekannt wurde der Tragschrauber durch den James-Bond-Film Man lebt nur zweimal („Little Nellie“) sowie durch Mad Max 2.
In der Fernsehserie Das A-Team fliegt H. M. Murdock am Anfang der letzten Staffel einen Tragschrauber und begründet das mit den Worten: „Das habe ich mal in einem James-Bond-Film gesehen. Seitdem habe ich immer einen Hubschrauber im Koffer dabei.“
Siehe auch
Liste der Tragschrauber
Quelle - literatur & einzelnachweise
ArrowCopter AC10 – moderner Tragschrauber aus Carbon
Tragschrauber Bensen B-8
Tragschrauber MTO-Sport
Tragschrauber sind interessant für Anwendungen, bei denen geringe Geschwindigkeiten erwünscht, aber Senkrechtstart und -landung nicht notwendig sind. Vorteile sind dabei die Überziehsicherheit (d. h. ein Strömungsabriss ist nicht möglich), die geringen Bau-, Wartungs- und Betriebsmittelkosten, das geringe Gewicht und der geringe Platzbedarf sowie die einfache Erlernbarkeit der Bedienung.
Als Erfinder des Tragschraubers wurde lange Zeit der Spanier Juan de la Cierva genannt, der seinen Autogiro als geschützten Markennamen im Jahr 1923 bekannt machte. Das Grundprinzip des Tragschraubers wurde jedoch bereits zuvor von dem Mallorquiner Pere Sastre Obrador entworfen.[1]
Technik
McCulloch J-2, mit kleinen Zusatz-Tragflächen
Der Antrieb erfolgt meist durch Kolbentriebwerke und Propeller. Der Rotor wird an einem Mast befestigt. Ein Schlaggelenk, das eine Bewegung des Rotorblattes nach oben oder unten zulässt, ist zentrales Merkmal eines Tragschraubers. Eine Taumelscheibe wird nicht benötigt; zur Steuerung wird der komplette Rotor geschwenkt. Zusätzlich wird ein herkömmliches Seitenruder zur Steuerung benötigt. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit wird meist ein festes Fahrwerk verwendet. Eine geschlossene Kabine ist eher selten. Einige Modelle setzen zusätzliche Tragflächen ein.
Tragschrauber benötigen nur eine sehr kurze Startrollstrecke von wenigen Metern bis etwa 100 m und gehören damit zur Gruppe der ESTOL-Flugzeuge. Die Landerollstrecke liegt zwischen 0 und einigen 10 m. Zur weiteren Verkürzung der Startstrecke kann der Rotor vor dem Start durch einen weiteren Motor oder eine Getriebeeinheit auf die Startdrehzahl beschleunigt oder auch von Hand angeworfen werden.
Die Autorotation kommt dadurch zustande, dass das Rotorblatt im inneren Bereich der Rotorebene einen so hohen Anstellwinkel hat, dass eine das Blatt beschleunigende Kraft resultiert. Im äußeren Durchmesser hingegen bremst die Resultierende das Blatt. Diese Kräfte sind im stationären Flug im Gleichgewicht. Erhöht man den Anstellwinkel der Rotorebene, verschiebt sich die Grenze zwischen beschleunigendem Bereich und abbremsendem nach außen, es entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Beschleunigung, ergo: der Rotor erhöht seine Drehzahl. So wird verständlich, wie der Tragschrauberrotor stets automatisch die nötige Rotordrehzahl einnimmt, um die Maschine zu tragen.
Sicherheit und Stabilität
Da der Rotor nur durch den Luftstrom angetrieben wird, ist er mechanisch gering belastet, und es ist kein kompliziertes Getriebe notwendig. Der Antriebsausfall ist ebenfalls unkritisch. Tragschrauber haben keine Mindestgeschwindigkeit und können somit nicht in einen überzogenen Flugzustand geraten. Das war auch die Motivation des Erfinders Juan de la Cierva. Der richtige Umgang mit diesen Fluggeräten muss trotzdem gut geschult werden, denn negative Anstellwinkel sind nicht zulässig, da sie – ähnlich wie zu große Anstellwinkel bei anderen Fluggeräten – zu einem kritischen Flugzustand führen können.[2] Negative Anstellwinkel werden durch starkes Drücken am Steuerknüppel erreicht, was zu einer Anströmung des Rotors von oben führen würde; gleichzeitig hohe Vortriebsleistung verstärkt den negativen Effekt.[3]
Tragschrauber im Vergleich zu Hubschrauber und Flugzeug
Vorteile eines Tragschraubers sind:
Wartung und Betrieb eines Hubschraubers sind wegen der komplizierteren Mechanik doppelt bis dreimal so teuer wie die Unterhaltung eines Tragschraubers.
Die Bauart eines Tragschraubers ist viel simpler als die des Hubschraubers. Auch dieser besitzt nur einen Motor, jedoch muss neben dem Haupt- mit einer relativ aufwendigen Übertragung auch der Heckrotor angetrieben werden. Die zyklische und kollektive Blattsteuerung des Hubschraubers ist ebenfalls weitaus aufwendiger als die bei kleinen Gyrocoptern übliche Kopfkippsteuerung. Bei größeren Tragschraubern nimmt die Komplexität der Rotoranlage zu, erreicht aber meist nicht den Komplexitätsgrad von Hubschraubern.
Anders als beim Hubschrauber ist der Ausfall des Antriebs relativ ungefährlich. Der Hubschrauber geht bei Motorausfall zur Autorotation über – aber eine Notlandung mit Autorotation gilt als sehr schwieriges Manöver. Der Tragschrauber dagegen befindet sich ständig in Autorotation, dadurch entfällt die beim Hubschrauber entstehende Umschaltzeit, in der der Hubschrauberrotor an Drehzahl verliert.
Der Tragschrauber kennt keinen Strömungsabriss wegen zu geringer Fahrt, da die Drehzahl des Rotors wichtiger ist als die Vorwärtsfahrt. Im Vergleich mit Flugzeugen kann der Gyrocopter eine kürzere Startstrecke und eine bei weitem kürzere Landerollstrecke von nur zehn Metern haben. Die geringe Fahrt beim Landen macht auch die Notlandung ungefährlicher als bei Flächenflugzeugen, da sich die Landerollstrecke extrem verkürzt. Auch sind steilere Anflüge möglich.
Der Tragschrauber ist einfacher zu beherrschen als ein Hubschrauber und nicht schwieriger zu fliegen als ein Flugzeug.
Der Tragschrauber ist, anders als der Hubschrauber und das Flächenflugzeug, sehr unempfindlich gegen Turbulenzen und fliegt daher ruhiger als Flächenflugzeuge, insbesondere als Ultraleichtflugzeuge.
Der Platzbedarf im Hangar ist geringer als bei Flugzeugen.
Nachteile:
Im Gegensatz zum Hubschrauber kann ein reiner Tragschrauber nicht schweben und in der Regel nicht senkrecht starten und landen.
Der Leistungsbedarf ist im Vergleich zu Flugzeugen bei gleicher Masse höher. Tragschrauber sind in diesem Punkt etwa gleichwertig zu Hubschraubern.
Compound Autogyro
Eine Sonderform ist der compound autogyro, bei dem nur bei Start und Landung der Rotor angetrieben wird, etwa mit Blattspitzenantrieb. Beim Vorwärtsflug erzeugt er dann freidrehend, gegebenenfalls zusammen mit Tragflächen den Auftrieb, mit Vortrieb durch normale Propeller-Triebwerke, so etwa beim Fairey Rotodyne.
Entwicklungsgeschichte
Cierva-Tragschrauber, 1930 bei einer Vorführung im englischen Croydon.
Pitcairn Autogiro
Die Anfänge
Erfunden wurde der Tragschrauber von dem Spanier Juan de la Cierva, der sein Fluggerät Autogiro nannte. Nachdem ein von ihm entwickelter Bomber abgestürzt war, weil er in einen überzogenen Flugzustand geraten war, entwickelte er ein Fluggerät, bei dem dieser Zustand nicht auftreten kann. 1920 begann er mit „rotierenden Flügeln“, wie er sie nannte, zu experimentieren. Das Resultat war der erste erfolgreiche Flug eines Autogiro, des C4, am 9. Januar 1923 in Getafe, Spanien. Es folgten 1925 der C.6 und 1928 der C.8, wobei dem Entwickler wesentliche Lösungen zur Stabilisierung des Rotors eines Drehflüglers gelangen, die später auch bei Hubschraubern genutzt wurden, so z. B. die Schlaggelenke.
Ende der 1920er Jahre gab es einen Autogiro-Boom. Harold Pitcairn und sein Kollege Walter Kellett gründeten nach Lizenzierung durch de la Cierva in den USA eine Firma zur Herstellung von Tragschraubern. Sie belieferten das US Post Office mit ihren Produkten. Mit der Rezession brach dieses Geschäft jedoch ein.
In dieser Zeit wurden Tragschrauber auch in Großbritannien (besonders Cierva in enger Kooperation mit Avro), Deutschland (insbesondere Focke-Wulf), der Sowjetunion (ZAGI) und Frankreich (SNCASO) entwickelt.
In Deutschland entwickelte Oberingenieur Engelbert Zaschka 1927 einen kombinierten Trag- und Hubschrauber. Bei der Entwicklung von Zaschka wurden im Unterschied zu den bis damals bekannten Trag- und Hubschraubern die Rotoren des Zaschka-Rotationsflugzeugs mit einer zwei Kreiseln wirksamen Schwungmasse zwangsläufig rotierend verbunden. Durch diese Anordnung konnte mit abgestelltem Motor ein gefahrloser senkrechter Gleitflug ausgeführt werden.[4][5]
Nach de la Ciervas Tod 1936 konnten andere auf seine Erfolge aufbauen und die Entwicklung des Hubschraubers vorantreiben. In Frankreich wurde der Gyroplane-Laboratoire von Louis Bréguet und René Dorand weiterentwickelt, sodass man 1937 bei Probeflügen, die von dem Ingenieur und Piloten Claysse überwacht wurden, neue Weltrekorde aufstellen konnte.
Zweiter Weltkrieg
Focke-Achgelis Fa 330
Im Zweiten Weltkrieg führten einige deutsche U-Boote den unmotorisierten Schlepp-Tragschrauber Focke-Achgelis Fa 330 „Bachstelze“ mit. Er war mit einer Person bemannt, die als Ausguck diente, und wurde an einer Leine hinter dem aufgetaucht fahrenden U-Boot geschleppt. In Großbritannien erfolgte die Kalibrierung der Luftraumüberwachung mit Hilfe von Tragschraubern. Dazu wurden Tragschrauber des britischen Musters Cierva C.30 „Rota“ in einer Flugstaffel eingesetzt. In Japan wurden Tragschrauber Ka-1 zur Artilleriebeobachtung eingesetzt. Geplant wurde außerdem, von umgebauten Frachtern aus operierende Tragschrauber zur Abwehr von U-Booten einzusetzen. In der Sowjetunion wurden fünf in einer Staffel zusammengefasste Tragschrauber ZAGI A-7 am Anfang des Krieges zu Aufklärungsflügen und zum Abwurf von Flugblättern genutzt.
Somit spielten Tragschrauber insgesamt keine wesentliche militärische Rolle, die Militärs wandten sich dem Hubschrauber zu. Dieser versprach neue taktische Möglichkeiten und ein breiteres Einsatzspektrum.
Einsatzgebiete
Freizeitbereich
Tragschrauber werden häufig zu Freizeitzwecken geflogen, wo sie wegen des niedrigen Anschaffungspreises und der geringen Betriebsmittelkosten beliebt sind. Im Oktober 2003 wurde in Deutschland erstmals einem Tragschrauber die Musterzulassung als Ultraleichtflugzeug erteilt. So zugelassene Tragschrauber dürfen dort mit der Sportpilotenlizenz geflogen werden. Besitzer einer solchen Lizenz für herkömmliche Ultraleichtflugzeuge müssen dazu eine Zusatzprüfung ablegen, es ist jedoch auch möglich, die Ausbildung ausschließlich auf Tragschraubern zu absolvieren.
Von 2009 bis 2010 wurde erstmals eine Weltreise per Tragschrauber unternommen. Das Ehepaar Melanie und Andreas Stütz flog in 18 Monaten in verschiedenen Tragschraubertypen durch Europa, das südliche Afrika, Australien, Neuseeland, USA und Südamerika. Das Abenteuer wurde im Buch Weltflug – Zwei Überflieger auf fünf Kontinenten und im Film Weltflug.tv – Die Weltreise mit Tragschrauber dokumentiert.[6][7]
Professionelle Bereiche
Tragschrauber sind grundsätzlich für bestimmte polizeiliche Aufgaben (z. B. Luftraumüberwachung) oder zur Unterstützung im Rahmen von Katastrophenhilfe geeignet. In Deutschland fanden Tests statt. Im Irak werden Tragschrauber für polizeiliche Zwecke eingesetzt.
Deutschland
Von Juli bis Dezember 2007 testete die Polizei Brandenburg einen angemieteten Tragschrauber vom Typ HTC MT-03 auf dem Flugplatz Saarmund auf seine Tauglichkeit für Polizeieinsätze. Vier flugerfahrene Beamte der Landespolizei waren mit dem Praxistest befasst. Zu den Testabschnitten in unterschiedlichen Flughöhen gehörten u. a.:
Konstanz von Polizeifunk an Bord,
Beweiskraft von Luftbildaufnahmen während des Einsatzflugs,
Umwelt- und Verkehrsüberwachung (in rund 300 Metern Höhe) sowie
Personensuche und -verfolgung aus der Luft.
Hauptmotiv für den Einsatz von Tragschraubern sind die gegenüber Hubschraubern niedrigen Anschaffungs-, Betriebs- und Wartungskosten. So kostet eine Hubschrauber-Flugstunde durchschnittlich 1.000 Euro, eine Tragschrauber-Flugstunde dagegen nur 120 Euro. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Boden zu beiden Seiten leicht beobachtet werden kann. Die Spitzengeschwindigkeit im polizeibezogenen Einsatz liegt bei 160 km/h, die Mindestgeschwindigkeit bei 30 km/h.
Als Hauptproblem bei dem getesteten Tragschrauber erwies sich jedoch die geringe Nutzlast von maximal 210 kg. Weiterhin besteht eine rechtliche Hürde in der Luftfahrtbestimmung, wonach bewohntes Gebiet mit Ultraleichtflugzeugen und Tragschraubern grundsätzlich nicht im Tiefflug überflogen werden darf. Das Innenministerium Brandenburg plante daher eine Ausnahmeregelung für Polizeiflüge. In einem umfassenden Abschlussbericht zur mit Erfolg abgeschlossen Phase II des Projekts wurde ein Rechtsgutachten zum „Einsatz von Tragschraubern bei Behörden mit Sicherheitsaufgaben (Polizei)“ erstellt. Im Ergebnis wurden keine rechtlichen Schranken für den Einsatz erkannt. Das Projekt wurde bis zur Entscheidung des Innenministers mit Erfolg in einer dritten Phase fortgeführt.
Im Februar 2010 ließ der neue Innenminister von Brandenburg, Rainer Speer (SPD), das von seinem CDU-Vorgänger gestartete Projekt einstellen.[8]
2012 testete das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) zusammen mit dem THW den Einsatz von Tragschraubern für die Bekämpfung von Katastrophen (vor allem als Erkundungshilfsmittel).[9]
Ausland
Seit 2009 wurden mehrere Projekte in Kurdistan, Irak realisiert. 2010 wurde der erste Tragschrauber an den kurdischen Innenminister Karim Sinjari übergeben. Ziel der Projekte ist es, Piloten auszubilden, die für das Innenministerium die An- und Abflugwege der Flughäfen in Arbil und Sulaimaniyya vor terroristischen Übergriffen überwachen.
Diese auf den Tragschraubern ausgebildeten Piloten bilden das Rückgrat der gesamten Pilotencrew der kurdischen Polizei. In einem nächsten Schritt werden sie zu Helikopterpiloten (auf Eurocopter EC 120 B) ausgebildet.[10][11][12]
Tragschrauber und Helikopter der kurdischen Polizei
Little Nellie, der zusammenlegbare Tragschrauber aus dem Film James Bond 007 – Man lebt nur zweimal
Trivia
Schon im Jahre 1934 tauchte ein Autogyro im Film Es geschah in einer Nacht auf, ebenso in Die 39 Stufen von 1935. Besonders bekannt wurde der Tragschrauber durch den James-Bond-Film Man lebt nur zweimal („Little Nellie“) sowie durch Mad Max 2.
In der Fernsehserie Das A-Team fliegt H. M. Murdock am Anfang der letzten Staffel einen Tragschrauber und begründet das mit den Worten: „Das habe ich mal in einem James-Bond-Film gesehen. Seitdem habe ich immer einen Hubschrauber im Koffer dabei.“
Siehe auch
Liste der Tragschrauber
Quelle - literatur & einzelnachweise
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