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Großindustrie und Aufstieg der NSDAP

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Großindustrie und Aufstieg der NSDAP Empty Großindustrie und Aufstieg der NSDAP

Beitrag  checker Fr März 18, 2016 10:54 am

Die Frage nach dem Anteil der Großindustrie am Aufstieg der NSDAP ist in der Geschichtswissenschaft ein zentraler Gegenstand in der politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Endphase der Weimarer Republik. Umstritten ist dabei vor allem, ob und wie weit die Großindustrie die NSDAP die entscheidenden Jahre nach der Reichstagswahl von 1930 bis zum Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 förderte.[1]

Vorwiegend marxistische Historiker behaupteten, es seien im Wesentlichen die Besitzer und Vertreter von Großunternehmen gewesen, die Adolf Hitler an die Macht gebracht hätten.[2] Dem widersprach der amerikanische Historiker Henry Ashby Turner seit den 1970er Jahren in verschiedenen Publikationen. Mit seinen Forschungsergebnissen löste er eine scharf geführte Kontroverse aus. Turners Positionen wurden dabei aber im Wesentlichen bestätigt.[3] Heute wird die These, die Unterstützung durch Industrielle sei ein entscheidender Faktor für den Aufstieg der NSDAP zur Macht gewesen, von der Lehrmeinung in der Geschichtswissenschaft abgelehnt.

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Berlin/Sportpalast, 1932, NS-Betriebszellenversammlung:„Jagt die Bonzen aus den Sesseln !“ Die Weimarer Republik wurde von NS-Seite als Bonzokratie („Korruptionsstaat“) bezeichnet. Nach Gleichschaltung 1933 nahm die Begriff-Verwendung jedoch ab.[4]

Begriffs- und Quellenproblematik

Der Streit um den Beitrag der Großindustrie am Aufstieg der NSDAP wurde jahrzehntelang geführt, ohne dass geklärt wurde, wer denn unter „Großindustrie“ zu verstehen ist. Man behalf sich mit allgemeinen Begriffen wie „die“ Wirtschaft oder das „Kapital“ oder nannte exemplarische Namen. Erst 1985 schlug Henry Turner vor, als Großindustrie private Unternehmen in den Gebieten Handel, Finanzen, Industrie und Versicherung zu bezeichnen, die ein Nominalkapital von mindestens zwanzig Millionen Reichsmark hatten.[5]

Ein weiteres grundsätzliches Problem ist die Quellenlage, da sowohl Geldgeber als auch Empfänger wenig Interesse an einer Offenlegung ihrer Beziehungen hatten. Dies gilt besonders für die Finanzen der NSDAP, deren diesbezügliche Unterlagen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges auf Anweisung Hitlers von der Münchner Parteikanzlei vernichtet wurden.[6]

Ferner liegen Quellen von Unternehmerseite in den Firmenarchiven in großer Zahl vor, doch hieraus ergibt sich zum einen das Problem der schieren Quellenfülle, zum anderen die Frage, ob die Archive nicht eventuell nach Kriegsende von belastenden Dokumenten bereinigt worden sind.[7]
Forschungssituation

Der Problembereich „Industrie und Nationalsozialismus vor 1933“ wurde, so die Einschätzung einer führenden Überblicksdarstellung zur Weimarer Republik, von der nichtmarxistischen Forschung zunächst vernachlässigt.[8] Zwar hatte bereits 1946 der in der Nachkriegszeit als „der führende Repräsentant der deutschen Geschichtswissenschaft“[9] angesehene Friedrich Meinecke in seinem Buch Die deutsche Katastrophe[10] „die politischen Machenschaften ‚der‘ Schwerindustrie und ‚des‘ Großgrundbesitzes, die nach seiner Auffassung die Weimarer Republik entscheidend untergraben haben, verurteilt und die Gefahr des Machtmißbrauchs durch einflußreiche kapitalkräftige Kreise deutlich“ beschrieben.[11]

Doch da quellennahe Studien nicht vorlagen, konnte die gegen Ende der 1960er Jahre populär werdende faschismustheoretische Deutung von DDR-Historikern die Diskussion zeitweilig auch in Westdeutschland beherrschen. In dieser Perspektive war die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, ganz im Sinne der sowjetmarxistischen Agententheorie, durch die deutsche Großindustrie manipuliert worden. So hätten Vertreter der Industrie Hitler an die Macht gebracht.

In Reaktion auf diese Publikationen nahm sich die westliche Forschung seit Ende der 1960er Jahre verstärkt dieser Frage an. Vor allem der amerikanische Historiker Henry A. Turner konnte durch eine Reihe von quellenkritischen Studien auf empirischer Basis größere Klarheit über finanzielle Zuwendungen industrieller Kreise an die NSDAP herstellen. Nach Einschätzung Eberhard Kolbs gelang es Turner „verschiedene Behauptungen, die durch ständige Wiederholung den Rang gesicherter Fakten erhalten hatten, als Legenden zu entlarven, und den Quellenwert einiger bis dahin als 'Schlüsseldokumente' eingestufter Beweisstücke in Frage zu stellen.“[12] Nach Turners Befund erhielt die NSDAP nur einen bescheidenen Teil des von der Großindustrie verausgabten „politischen Geldes“. Turners Ergebnisse lösten eine heftige Kontroverse aus.

In dieser Kontroverse wurden laut Einschätzung Kolbs die Diskussionsebenen nicht klar unterschieden und daher aneinander vorbeigeredet. Zwei Aspekte müssten klar getrennt werden:

die Finanzierung der NSDAP
die Rolle der Großindustrie und der industriellen Spitzenverbände in der Endphase der Weimarer Republik.

Was den Aspekt der Finanzierung anbelangt, so bezeichnete Kolb die Diskussion nach dem heutigen Stand als abgeschlossen:

„Sofern nicht bisher unbekannte Quellenbestände auftauchen und zu neuen Schlussfolgerungen zwingen, darf als erwiesen gelten, daß die Großindustrie keinen letztlich entscheidenden materiellen Beitrag zum Aufstieg des Nationalsozialismus und zu den nationalsozialistischen Wahlerfolgen geleistet hat.[13]“

Über das relativ geringe Maß direkter finanzieller Unterstützung der NSDAP durch die Großindustrie könne also heute kaum mehr ein Zweifel bestehen. Sehr viel komplexer sei dagegen die Beantwortung des zweiten Aspektes, nämlich der Frage inwieweit die Großindustrie durch politische Aktivitäten geholfen habe, den Boden für Hitler zu bereiten. Diese Diskussion sei noch nicht abgeschlossen. Auch hier gebe es aber bereits Ergebnisse, etwa dass die Schwerindustrie nicht einheitlich agierte und auch nicht an der Vermittlung eines Gesprächs zwischen Hitler und Papen beteiligt war. Dennoch habe die Großindustrie der Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus den Boden bereitet. Kolb resümiert:

„Die Industrie war nicht Urheber der Regierung Hitler, und der weitaus überwiegende Teil der Großindustriellen erstrebte bis Januar 1933 nicht die Errichtung einer nationalsozialistischen Herrschaft. Aber das Unternehmerlager hat durch die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und die Hinneigung zu einem autoritären System die Auflösung der Weimarer Republik vorangetrieben und der Diktatur vorgearbeitet. Daher trägt die Industrie im allgemeinen und die Großindustrie im besonderen ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Ermöglichung Hitlers und der NS-Herrschaft.[14]“

Einschätzung von Zeitgenossen

Bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren waren viele Zeitgenossen überzeugt, der Nationalsozialismus werde von der Großindustrie finanziert. Carl von Ossietzky erklärte in einer kommunistischen Zeitschrift im September 1930, Hitler sei „heute nur noch eine Kreatur der Industrie“, die doch wohl kaum „ihr schönes Geld hergeben [würde] für einen Verein, dessen Ziel es ist, sie zu enteignen“.[15] Die linksdemokratische Weltbühne glaubte sich mit dem Nationalsozialismus nicht weiter auseinandersetzen zu müssen, da sie ihn als von der Industrie fremdgesteuert verstand:

„Hugenberg wird seinen Golem Hitler nicht zu selbständig werden lassen; wenn er ihn nicht mehr braucht, wird er ihm einfach die Bezüge sperren, und die nationalsozialistische Bewegung wird ebenso mysteriös hinschwinden wie sie in diesen beiden letzten Jahren mysteriös gewachsen ist.“[16]

Ihren bildlichen Ausdruck fand diese Überzeugung in John Heartfields Fotomontage, die im Oktober 1932 auf dem Titelbild der Arbeiter Illustrierte Zeitung erschien. Unter der Schlagzeile: „Der Sinn des Hitlergrußes“ sieht man Hitler mit grüßend nach hinten gewinkeltem Arm; hinter ihm stehend legt eine überdimensionierte Figur im Anzug mehrere Tausend-Mark-Scheine in seine Hand; der Text „Millionen stehen hinter mir“ persifliert kalauernd Hitlers Sprache.[17] Bertolt Brecht hat 1941 in seinem „aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ die These literarisch verfremdet wiedergegeben.[18]

Die in Heartfields Montage ausgedrückte These ähnelt der dogmatischen Ausformulierung der marxistisch-leninistischen Faschismustheorie durch das 13. Plenum des Exekutivkomitees der Komintern vom Dezember 1933, die Georgi Dimitrow auf dem 7. Weltkongress im August 1935 übernahm:

„Der Faschismus an der Macht, Genossen, ist, wie ihn das 13. Plenum des EKKI richtig charakterisiert hat, «die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“[19]

Wenn die Nationalsozialisten die Agenten der Monopolkapitalisten waren, dann war es naheliegend, dass diese sie auch bezahlt hatten. Diese Überzeugung wurde als Agententheorie fester Bestandteil der sowjetkommunistischen Ideologie.

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Fritz Thyssen (1928)

Auch viele konservative Zeitgenossen glaubten an eine großindustrielle Unterstützung für die NSDAP.[20] Für den ehemaligen Reichskanzler Heinrich Brüning war die Finanzierung durch die Großindustrie die Ursache für den Aufstieg Hitlers. Er schrieb am 28. August 1937, aus seinem Exil, in einem privaten Brief an Winston Churchill:

„Hitlers wirklicher Aufstieg begann erst 1929, als die deutschen Großindustriellen und andere es ablehnten, weiterhin Gelder an eine Menge patriotischer Organisationen auszuschütten, die bis dahin die ganze Arbeit für das deutsche ‚Risorgimento’ geleistet hatten. Ihrer Ansicht nach waren diese Organisationen in ihren sozialen Gedanken zu fortschrittlich. Sie waren froh, dass Hitler die Arbeiter radikal entrechten wollte. Die Geldspenden, die sie anderen Organisationen vorenthielten, flossen Hitlers Organisation zu. Das ist natürlich allerorts der übliche Beginn des Faschismus.“[21]

Einzelne Industrielle wie Fritz Thyssen und Emil Kirdorf machten aus ihrer Unterstützung für die junge Partei Hitlers keinen Hehl. Die Nationalsozialisten selbst gaben gelegentlich ebenfalls freimütig zu, dass sie Spenden aus der Industrie annahmen. So beschreibt Heinrich Brüning in seinen Memoiren seine Empörung, als er „aus Nazi-Kreisen“ erfahren habe, dass die Vereinigten Stahlwerke im Präsidentschaftswahlkampf 1932 eine halbe Million RM an Hitler gespendet hätten, der von ihm unterstützte Hindenburg dagegen nur 5000 RM erhalten habe.[22] Die Reichskanzlei setzte daraufhin eine Untersuchung in Gang, die auf der Grundlage von Schätzungen und Pressespekulationen zu der Ansicht kam, dass von April 1931 bis April 1932 40 bis 45 Millionen Reichsmark von ausländischen Industriellen an die NSDAP gezahlt wurden. Von inländischen Unternehmern seien aber nur fünf Millionen gezahlt worden, was einem Anteil von sieben bis acht Prozent der jährlichen Parteieinnahmen entsprach.[23] Als Spender nannte die Untersuchung Thyssen, den jüdischen Warenhausbesitzer Oscar Tietz, den französischen Interessenverband der Schwerindustrie Comité des Forges, den griechischen Waffenhändler Basil Zaharoff, den britischen Rüstungskonzern Vickers, Henri Deterding und Ivar Kreuger.[24]

Die Bemühungen Hitlers und seiner Partei, diese Geldquelle noch üppiger sprudeln zu lassen, wie etwa seine Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub am 26. Januar 1932, wurden von der kommunistischen Presse stark skandalisiert, was ebenfalls dazu beitrug, dass weite Kreise der Zeitgenossen glaubten, dass sie durchaus erfolgreich gewesen seien.[25]
Marxistische Einschätzungen in der Nachkriegszeit

In der DDR entstanden eine ganze Reihe von Arbeiten, die nachzuweisen versuchten, dass die NSDAP im Interesse der Großindustrie gehandelt habe und zu diesem Zweck von ihr an die Macht gebracht worden sei. Die Historiker Jürgen Kuczynski, Kurt Gossweiler, Eberhard Czichon und Wolfgang Ruge differenzierten dabei die Agententheorie der Komintern durch die von Kuczynski entwickelte Monopolgruppentheorie: Demnach seien im staatsmonopolistischen Kapitalismus zwar politische und ökonomische Herrschaft miteinander verschmolzen, doch gebe es innerhalb der Kapitalistenklasse einzelne Fraktionen, eben die Monopolgruppen, die unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Herrschaftsstile hätten. Sie unterschieden die ältere, konservativ-autoritäre schwerindustrielle Monopolgruppe von einer jüngeren und eher modern und reformistisch agierenden Gruppe der chemischen und Elektroindustrie, zu denen seit Gossweilers Habilitationsschrift[26] als dritte Monopolgruppe noch das Finanzkapital hinzutrat.

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Die Kölner Villa Kurt von Schröders, in der Papen und Hitler am 4. Januar 1933 auf eine gemeinsame Regierungsbildung verabredeten

Die genaue Zuordnung der verschiedenen Akteure zu den drei Monopolgruppen wechselt zwar bei den genannten Historikern, doch besteht durchaus Einigkeit zwischen ihnen, dass Hitler ein „mühselig hochgespielter und teuer bezahlter politischer Kandidat“ einer „Nazi-Gruppe“[27] innerhalb der deutschen Industrie gewesen sei.

Als Belege für die unmittelbare Verantwortung der deutschen „Monopolherren“ für die Herrschaft des Nationalsozialismus verwendete die marxistische Forschung neben Interessenkonvergenzen zwischen beiden u.a. biographische Quellen, namentlich die Thyssen-Memoiren,[28] die Tatsache, dass die entscheidenden Verhandlungen zwischen Hitler und Hindenburgs Kamarilla im Januar 1933 im Hause des Kölner Bankiers Kurt von Schröder stattgefunden hatten (siehe Treffen Papens mit Hitler im Haus des Bankiers Schröder), sowie die so genannte Industrielleneingabe. Dabei handelt es sich um ein Schreiben von 20 Industriellen, Kaufleuten und Vertretern der Landwirtschaft vom November 1932, in der Hindenburg aufgefordert wurde, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Zwar fehlten die Unterschriften der mächtigsten Ruhr-Industriellen Paul Reusch (Gutehoffnungshütte), Albert Vögler (Vereinigte Stahlwerke) und Fritz Springorum (Hoesch AG), doch diese hätten indirekt ihre Zustimmung erklärt.[29] Die Forschung der DDR interpretierte das Verhalten der beteiligten Wirtschaftsleute stets als repräsentativ für ihre jeweilige Monopolgruppe und schloss so auf deren Verantwortung.[30]

Einschätzungen aus der Bundesrepublik und dem westlichen Ausland
Industrie und Nationalsozialismus vor 1930

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Ernst von Borsig, Porträtaufnahme aus dem Jahr 1930

Relativ unstrittig ist, dass die Nationalsozialisten von Anfang an um Gelder von Gönnern jeder Art und insbesondere auch von Industriellen warben. Adolf Hitler sprach im Rückblick auf die Zeit der Deutschen Arbeiter-Partei, der unmittelbaren Vorgängerorganisation der NSDAP, davon, dass „ein paar arme Teufel“ auf Geldleute gehofft hatten.[31] In den ersten Jahren vor dem Putsch von 1923 flossen tatsächlich Gelder vom Bayerischen Industriellenverband und von einigen mittelständischen Unternehmern. Indirekt profitierte die NSDAP auch von einer Spende von Fritz Thyssen im Wert von 100.000 Goldmark an den Deutschen Kampfbund, einen Zusammenschluss paramilitärischer Organisationen in Bayern. Zu den frühen Förderern gehörten weiterhin auch Ernst von Borsig und Albert Vögler.

Nach dem Scheitern des Putsches wandten sich so gut wie alle externen Geldgeber wieder von den Nationalsozialisten ab. In der Mitte der 1920er Jahre war die Partei fast gänzlich auf Beiträge, Erlöse für Propagandamaterial oder Eintrittsgelder angewiesen. Nur einzelne mittelständische Unternehmer wie der Klavierbauer Edwin Bechstein oder der Verleger Hugo Bruckmann griffen Hitler beim Neuaufbau seiner Partei unter die Arme.[32] Ende 1926 versuchten die Nationalsozialisten daher durch intensives Werben bei der Großindustrie neue Geldquellen zu erschließen. So versuchte Hitler über Emil Kirdorf Kontakt zur Großindustrie zu bekommen und verfasste die nur in Industriekreisen verbreitete Schrift Der Weg zum Wiederaufstieg, in der er versuchte seine Ideologie den Industriellen nahezubringen. Im Oktober 1927 kam es daraufhin zu einem Treffen mit führenden Unternehmern aus dem Ruhrgebiet, das allerdings finanziell für die NSDAP ergebnislos blieb. Ebenfalls sprach Hitler zwischen 1926 und 1927 viermal in Essen vor jeweils mehreren hundert Industriellen.[33] In einen Rundbrief an eine Reihe von Großindustriellen vom Mai 1927 warb die NSDAP offen um Geld, in dem Schreiben hieß es:

„Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei hat auch den Schutz des rechtmäßig erworbenen Eigentums auf ihr Programm geschrieben. Durch die Begeisterung ihrer Anhänger und durch ihre straffe Organisation ist sie allein in der Lage, dem Terror von links wirksam entgegenzutreten. Leider ist das ohne bedeutende Geldmittel nicht zu machen. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als uns an die deutsch und deutsch-völkisch gesinnten Kreise aus Industrie und Handel mit der Bitte um Unterstützung zu wenden […] Für eine gute Verwendung der Gelder bietet Ihnen die Ehrlichkeit unserer Bewegung volle Gewähr.[34]“

Als Splitterpartei blieb sie jedoch für die Industrie bis zum überraschenden Wahlerfolg von 1930 weitgehend uninteressant.[35] Erst danach begannen die Beziehungen zwischen Partei und Industrie enger zu werden. Die entscheidende Forschungsfrage war, welche Qualität diese Beziehungen annahmen.
Turners Forschungen

Die nichtmarxistische Forschung hatte den differenzierten Arbeiten aus der DDR in dieser Hinsicht zunächst nur wenig entgegenzusetzen. Zwar warf ihr der deutsche Politologe Eike Hennig bereits 1970 vor, sie simplifiziere den komplexen Vorgang der Machtübertragung an den Nationalsozialismus zu einem „ganz und gar monokausalen Kaufakt“,[36] in Ermangelung eigener quellenbasierter Studien über das Verhalten der Großindustrie am Ende der Weimarer Republik konnte sie aber nicht falsifiziert werden. Das änderte sich zu Beginn der siebziger Jahre mit den quellenkritischen Studien des amerikanischen Historikers Henry A. Turner.[37] Ihm gelang es, verschiedene unbelegte Behauptungen eindeutig zu widerlegen.

Unbestreitbar ist, dass in den frühen dreißiger Jahren Unterstützungsgelder der Industrie an die NSDAP flossen. Spenden kamen außer von dem bekennenden Nationalsozialisten Thyssen auch von Fritz Springorum, Paul Silverberg, Kurt Schmitt und Friedrich Flick. Kollektiv kam Geld von der so genannten Ruhrlade, dem Verein für die bergbaulichen Interessen, dem Arbeitgeberverband für den Bezirk der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller sowie dem I.G.-Farben-Konzern. Allein Thyssen hat von 1930 bis 1933 etwa 400.000 Reichsmark der NSDAP zukommen lassen. Auch bei dem Erwerb und der Renovierung des Palais Barlow (Braunes Haus) in München war er beteiligt. Allerdings unterstützte Thyssen wie auch die übrigen Industriellen wenn möglich solche Nationalsozialisten wie Hermann Göring oder Walther Funk, die sie für gemäßigt hielten.[38]

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Der Braunkohlen-Industrielle Paul Silverberg, Aufnahme aus dem Jahr 1930

Welche Bedeutung diese Spenden aus der Industrie und von anderer Seite für die Gesamtfinanzierung der Partei vor 1933 hatten, ist auf Reichsebene wegen der schlechten Überlieferungslage nur schwer abschätzbar. Gemeinsam mit Horst Matzerath wies Turner aber anhand von vorhandenen Daten für die Gaue im Rheinland eine starke Selbstfinanzierungsquote über Mitgliederbeiträge nach. Deutlich geringer waren die Bedeutung von Spenden, die zumeist ebenfalls von Mitgliedern kamen, und die Einnahmen aus Veranstaltungen. So nahm die Partei im Gau Köln-Aachen zwischen Juni und August 1931 insgesamt 62.310 RM ein. Davon entfielen 47.015 (75 %) auf Beiträge, 8705 RM auf Spenden und 6400 RM auf Veranstaltungseinnahmen. Hinzu kamen 190 RM sonstige Einnahmen. Insgesamt war die NSDAP ähnlich wie die SPD und anders als die bürgerlichen Parteien eine sich selbst finanzierende Partei.[39]

Bei ihren Spendeneinnahmen spielte auch weniger die Großindustrie eine Rolle, die sich durch die anhaltende „sozialistische“ Rhetorik der Partei abgeschreckt fühlte – in den Länderparlamenten stimmte die NSDAP wiederholt gemeinsam mit den Linksparteien, z. B. 1927 gegen die Einführung der angeblich zu wenig arbeiterfreundlichen Arbeitslosenversicherung und die Erhöhung der indirekten Steuern.[40] Wichtiger waren kleine oder mittelständische Industrielle wie Bechstein. Zwar gab es außer NSDAP-Mitglied Thyssen auch einige Großunternehmer, die größere Spendenbeträge überwiesen, doch konnte Turner nachweisen, dass sie gleichzeitig und zumeist in noch höherem Grade auch andere Parteien unterstützten. Zweck dieser Spenden war nicht, die NSDAP an die Macht zu bringen, sondern sich ihres Wohlwollens im Falle einer Machtergreifung zu versichern – so im Falle Friedrich Flicks, der wegen der Gelsenberg-Affäre angreifbar war – oder um sie von ihrem vermeintlich sozialistischen Kurs abzubringen.[41]

Einen bedeutenden finanziellen Beitrag zur Unterstützung des Nationalsozialismus leistete die deutsche Industrie vor der Machtübernahme nicht. Auch die Finanzhilfen ausländischer Unternehmer bezeichnete Turner als bloße Gerüchte, die ihre Wurzeln in den Anzeigenkampagnen gehabt hätten, die z. B. der radikal antikommunistische niederländische Ölindustrielle Henri Deterding für seinen Shell-Konzern im Völkischen Beobachter geschaltet hatte. Deterding, der sich erst 1936 mit seiner Übersiedlung nach Deutschland offen zum Nationalsozialismus bekannte, hatte stets dementiert, den Aufstieg der Nationalsozialisten aktiv gefördert zu haben, und auch in den lobenden Nachrufen, die deutsche Zeitungen nach seinem Tod 1939 veröffentlichten, wurde keine solche Förderung erwähnt.[42]

Die Rede, die Hitler am 26. Januar 1932[43] vor dem Industrie-Club Düsseldorf hielt, hatte nach Turners Darstellung durchaus nicht den enormen Werbeerfolg, der ihr in der marxistischen Geschichtsschreibung zugewiesen wurde. Hitler hatte sich zwar alle Mühe gegeben, die Industriellen nicht durch die antisemitischen oder kreditreformerischen Töne zu verunsichern, wie sie in der NSDAP gang und gäbe waren. Er bekannte sich vielmehr zum Privateigentum, erklärte, die Weltwirtschaftskrise könne nur mit politischen Mitteln gelöst werden, verschwieg aber, mit welchen, und rief zum Kampf gegen Demokratie und Bolschewismus auf. Im Publikum befanden sich in auffällig großer Zahl kleinere Eisenwarenhersteller, während prominente Mitglieder des Industrieclubs wie Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Reusch, Paul Silverberg und Carl Duisberg fehlten. Man applaudierte höflich, in Fritz Thyssens begeisterten Ruf: „Heil, Herr Hitler!“ mochte aber nur etwa ein Drittel der Teilnehmer einstimmen. Den „Durchbruch“ bei den westdeutschen Industriekapitänen, von dem die nationalsozialistische Presse später schrieb, hat die Rede also mit Sicherheit nicht gebracht.[44] Finanzielle Zusagen blieben aus. Dasselbe gilt für ein Treffen einen Tag später. Hjalmar Schacht klagte daraufhin in einem Brief an Hitler „die Schwerindustrie (…) trägt ihren Namen Schwerindustrie von ihrer Schwerfälligkeit.“[45]

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Hjalmar Schacht als Wirtschaftsminister im Gespräch mit Hitler, Aufnahme aus dem Jahr 1936

Auch die Industrielleneingabe erscheint bei Turner in einem anderen Licht als in der marxistischen Forschung. Er weist nach, dass sie nach nationalsozialistischer Einschätzung ein Fehlschlag war, da erstens Hindenburg im Anschluss eben nicht Hitler, sondern Kurt von Schleicher zum Nachfolger des gerade zurückgetretenen Franz von Papen ernannte und zweitens fast alle Schwerindustriellen ihre Unterschrift verweigerten. Dass diese mit ihr sympathisiert hätten, kann Turner durch eine andere Eingabe vom November 1932 unplausibel machen: Hier hatten neben 337 weiteren Persönlichkeiten auch Springorum und Vögler für die Regierung Papen, für die DNVP und damit klar gegen die NSDAP unterschrieben, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie mit der Industrielleneingabe und ihrer diametral anderen Stoßrichtung solidarisch gewesen wären.

Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Industriellen unterstützte laut Turners Forschungen in der Endphase der Weimarer Republik nämlich nicht Hitler und die NSDAP, sondern Papen und die DNVP. An sie ging der ganz überwiegende Teil der politischen Spenden. Um Papen an der Macht zu halten, sei aber von einigen Industriellen im Sinne eines Zähmungskonzepts befürwortet worden, die NSDAP als Juniorpartner zu gewinnen und „an den Staat heranzuziehen“.[46] Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt auch der Historiker Reinhard Neebe in seiner 1981 erschienenen Dissertation über den Reichsverband der Deutschen Industrie. Der mächtige Unternehmerverband sei am Ende der Weimarer Republik durch interne Interessengegensätze gegenüber dem zunehmend autonom agierenden Staat in eine Patt-Situation geraten. Dass sich in diesem Konflikt die pro-nationalsozialistische „Thyssen-Gruppe“ gegenüber dem gegen die NSDAP gerichteten Kurs der Verbandsführung von Duisberg und Krupp durchsetzte, sei „nicht Voraussetzung und Ursache der Machtergreifung, sondern … im Gegenteil deren Folge“.[47]

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Albert Vögler, der Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke, unterstützte 1932 die Regierung Papen

Erst nach der Machtübernahme kann von einer massiven finanziellen Unterstützung der NSDAP durch die Großindustrie gesprochen werden. Im Februar 1933 empfingen Hitler und Göring mehr als zwei Dutzend Industrielle, darunter Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, den Vorsitzenden des Reichsverbands der Deutschen Industrie, der bislang zur NSDAP stets auf Distanz geblieben war. Nach einer Rede Hitlers, in der er sich für das Privateigentum und gegen wirtschaftliche Experimente starkgemacht hatte, sagten die Unternehmer der NSDAP für den bevorstehenden Wahlkampf eine Summe von drei Millionen Reichsmark zu. Im Juni 1933 wurde diese Unterstützung der Unternehmer für die NSDAP als Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft institutionalisiert: Von nun an trug die deutsche Industrie massiv und stetig zur Finanzierung der NSDAP bei. Das Treffen vom 20. Februar 1933 war nach Turners Meinung „ein Meilenstein: der erste bedeutende materielle Beitrag von Organisationen der Großindustrie für die nationalsozialistische Sache.“.[48] Auch Adam Tooze sieht in den Spenden vom Februar und März 1933 „einen wirklich entscheidenden Beitrag“ als die Partei „vor der letzten Wahl ihrer Geschichte stand“.[49]
Turner-Stegmann-Kontroverse

Turners Thesen wurde bereits 1973 von Dirk Stegmann heftig widersprochen,[50] der in leichter Abwandlung die Meinung der DDR-Historiker vertrat, wonach die Unterstützung des „Hitler-Flügels” innerhalb der Großindustrie für die Vorbereitung von Hitlers Kanzlerschaft mit entscheidend gewesen sei. Die sich anschließende, z.T. erbittert geführte Kontroverse[51] verlief nur zum Teil fruchtbar, da die Kontrahenten ihre Fragestellungen und Forschungsziele nicht klar genug bezeichneten. Während es Turner in allererster Linie um die Falsifizierung der These ging, die Großindustrie hätte den Aufstieg des Nationalsozialismus finanziert, kam es Stegmann auf eine umfassende Analyse der großindustriellen Interessenpolitik und ihres Anteils an der Zerstörung der Weimarer Republik an.

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Hitlers innerparteilicher Widersacher Gregor Strasser, Aufnahme aus dem Jahr 1928

Im Versuch einer Bilanz der Kontroverse hat der Archivar Thomas Trump, gestützt auf einige neue Archivalien, Turners Thesen im Grundsatz bestätigt. Demnach machte der Anteil der an die NSDAP fließenden Gelder den geringeren Teil der Spenden aus der Industrie aus. Zum Teil setzten die Industriellen dabei auch auf die falschen Kräfte: So unterstützte Silverberg nach dem Wahlerfolg der NSDAP am 31. Juli 1932 Hitlers innerparteilichen Widersacher Gregor Strasser, der als gemäßigt galt, allerdings bald schon entmachtet wurde. Für die meisten Unternehmer, die für die NSDAP spendeten, war dies eine Art Rückversicherung. Der Großteil der industriellen Zahlungen ging an die etablierten Rechtsparteien, namentlich an die DNVP.[52]

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Beitrag  checker Fr März 18, 2016 10:57 am

Stand der Diskussion

Turners These von der weitgehenden Eigenfinanzierung der NSDAP hat sich mittlerweile allgemein durchgesetzt. So spottet der Berliner Historiker Hagen Schulze z. B. über die „grobschlächtigen Versuche aus vorwiegend kommunistischer Richtung“, den Aufstieg des Nationalsozialismus „als einzige ungeheure Verschwörung zu verstehen“.[53] Auch der marxistische Historiker Reinhard Kühnl meint, dass beim orthodox-marxistischen Verständnis des Aufstiegs des Nationalsozialismus „die Nähe zu Verschwörungstheorien nicht zu übersehen ist“.[54]

Anders sieht es bei der Rolle aus, die die Großindustriellen in der Endphase der Weimarer Republik spielten. Nicht nur, dass sie nichts unternahmen, um die zunehmend bedrohte Demokratie zu schützen, sie trugen sogar aktiv zu ihrem Abbau bei. Im Frühjahr 1930 arbeiteten sie auf einen Bruch der Großen Koalition unter dem sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller hin, der letzten parlamentarischen Regierung der Weimarer Republik. Der RDI-Vorsitzende Carl Duisberg sprach offen aus, dass sein Verband „eine ganz andere Fahrtrichtung im kapitalistischen Sinne, nicht im sozialistischen Sinne" anstrebte.[55] Zu diesem Zweck entfaltete der Verband eine rege publizistische Tätigkeit, die im Dezember 1929 in der Denkschrift Aufstieg oder Niedergang gipfelte. Hier sagten die Industriellen der Sozialpolitik der Weimarer Republik den offenen Kampf an, die man sich unter dem gerade beschlossenen Youngplan nicht mehr würde leisten können. Stattdessen forderten sie, den Reichshaushalt durch harte Sparmaßnahmen auszugleichen, gleichzeitig die Steuern für Unternehmer zu senken, ein Ende der Zwangsschlichtung und eine Leistungskürzung in der Arbeitslosenversicherung. Dass sich diese Forderungen nicht mit, sondern nur gegen die Sozialdemokraten würden durchsetzen lassen, war beabsichtigt.[56] Die Installation der Regierung Brüning, die den Beginn der Präsidialkabinette markiert und eben die Politik des Haushaltsausgleichs und der Sozialkürzungen ins Werk setzte, die von den Industriellen gefordert worden war, wurde vom RDI denn auch ausdrücklich begrüßt. Im Sommer 1930 drängten Springorum und andere Industrielle, jetzt endlich den Artikel 48 anzuwenden, der eine Gesetzgebung per Notverordnung ohne Zustimmung des Parlaments erlaubte.[57]

Großindustrie und Aufstieg der NSDAP PaulReusch
Paul Reusch, undatierte Porträtaufnahme

Bald waren die Industriellen aber von Brüning enttäuscht, der seine Minderheitsregierung von der SPD tolerieren ließ. Nach der Bankenkrise forderte der Schwerindustrielle Reusch:

„Nachdem er [Brüning] nicht den Mut hat, sich von der Sozialdemokratie zu trennen, muß er von der Wirtschaft und vom Reichsverband auf das allerschärfste bekämpft werden ... Im weiteren bin ich der Ansicht, daß wir endlich einmal unsere Taktik den Gewerkschaften gegenüber ändern müssen. Die Industrie war bisher zu feige, den Kampf mit den Gewerkschaften mit aller Schärfe aufzunehmen.“[58]

Dieser Konfrontationskurs ließ sich aber nicht durchsetzen, weil andere Großindustrielle wie RDI-Geschäftsführer Ludwig Kastl an Brüning festhielten. Einig wurden sich die Unternehmer erst wieder im Frühjahr 1932, als nach Brünings Sturz der rechtskonservative Franz von Papen Kanzler wurde. Sein offen erklärtes Ziel eines autoritären „Neuen Staates", in dem die Reichsregierung nicht mehr vom Vertrauen des Reichstags, sondern einzig vom Wohlwollen des Reichspräsidenten abhängig sein sollte, wurde von ihnen begeistert begrüßt. Die Spenden flossen reichlich an die papenfreundlichen Parteien, auch in der Öffentlichkeit traten die Großunternehmer offen für die Regierung Papen ein. Henry A. Turner setzt das entsprechende Kapitel in seinem Buch daher unter die Überschrift: „Die Kapitalisten finden ihren Kanzler.“

Der Bielefelder Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler resümiert daher die Debatte um die Rolle der Industriellen am Ende der Weimarer Republik:

„Das Ammenmärchen, dass sie sich Hitler und seine Schergen gekauft hätten, ist zwar endgültig widerlegt. Doch kann man sie mitnichten von dem gravierenden Vorwurf freisprechen, alles nur Mögliche zur Zerstörung der Republik beigetragen zu haben.“[59]

Ähnlich eindeutig urteilt Hans-Ulrich Thamer:

„Auf keinen Fall kann die Dynamik der nationalsozialistischen Glaubens- und Protestbewegung mit materiellen Unterstützungen der Großindustrie erklärt werden. Die Finanzierung der gewaltigen Propagandakampagnen der NSDAP erfolgte in erster Linie durch die Mitglieder und ihre Beiträge sowie durch Eintrittsgelder, dann durch Hilfe von Sympathisanten vor allem mit kleineren und mittleren Betrieben. Es liegen keine Belege für eine kontinuierliche finanzielle Förderung der NSDAP durch die Großindustrie vor. Zudem war das Verhalten der Großindustrie gegenüber der NSDAP und Hitlers Regierungsbeteiligung 1932/33 sehr uneinheitlich; nur eine kleine Fraktion unterstützte Hitler. Wichtiger war die Rolle der Großwirtschaft und anderer traditioneller Machteliten bei der Zerstörung der parlamentarischen Demokratie zugunsten einer autoritären Staatsform, die sich am Ende vor dem Ansturm der NSDAP nicht behaupten konnte.“[60]

Nach Adam Tooze war Hitler auf eine etwaige Unterstützung der Industriellen gar nicht angewiesen:

„Nach dem Ersten Weltkrieg war die Unternehmerlobby stark genug gewesen, um die revolutionären Impulse der Jahre 1918 und 1919 eindämmen zu können. Nun, in der tiefsten Krise des Kapitalismus, fehlte dem deutschen Unternehmertum schlicht die Macht, sich gegen einen Staatsinterventionismus zu wehren, der diesmal nicht von links, sondern von rechts drohte.“[61]


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