Die Hildebrand & Wolfmüller
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Die Hildebrand & Wolfmüller
Die Hildebrand & Wolfmüller von 1894 war das erste serienmäßig produzierte Motorrad der Welt; der Daimler-Reitwagen von 1885 war ein Versuchsträger für den Motor und blieb ein Einzelstück.[4]
Hildebrand & Wolfmüller von 1894
Benzinmotorrad
Hersteller: Hildebrand & Wolfmüller
Produktionszeitraum 1894 bis 1895
Klasse Motorrad
Motordaten
Viertaktmotor, wassergekühlter Zweizylinder-Tandem-Motor, Tropfenschmierung, Oberflächenvergaser mit einem Tankvolumen von 6,5 Liter, Glührohrzündung
Hubraum (cm³) 1488/1530 cm³
Bohrung: 90 mm
Hub: 117/120 mm[Anm. 1] Verdichtung: 3:1, Kraftstoff: Leichtbenzin mit einem Siedepunkt von 30–35 Grad
Leistung (kW, PS) 2,5 PS bei 240 min−1
Höchstgeschwindigkeit (km/h) 40 km/h[Anm. 2]
(Rekord 72 km/h)
Getriebe Direktantrieb
Antrieb Schubstangen
Bremsen vorne: Klotzbremse
hinten: Bodenbremse (erste Serienmodelle)
Radstand (mm) 1.300[Anm. 3]
Leergewicht (kg) 84 kg[1][2][3]
Hinterradnabe mit Nockenscheibe und „Kolbenrückzugsfeder“ (Aufnahme eines Nachbaus)
Vorgeschichte
1887 gründete der begeisterte Radsportler Heinrich Hildebrand (1855–1928) die Zeitschrift Radfahr-Chronik; 1889 konstruierte er zusammen mit seinem Bruder Wilhelm ein Dampfrad, das für Hildebrand nicht den erhofften Erfolg erbrachte. Das Modell wurde weiterentwickelt und 1893 gelang es, für das einzige Exemplar einen Käufer in Paris zu finden. Dieser nahm am 14. November 1896 unter der Startnummer 18 am „Emancipation Run“ nach Aufhebung des Red Flag Acts teil. Das Dampfrad steht heute in England, wo es im Londoner Science Museum zu besichtigen ist.[1]
1892 beauftragte Hildebrand den Konstrukteur Alois Wolfmüller mit der Ausarbeitung eines Motorrads mit Benzinmotor nach Daimler. Wolfmüller, der unter anderem bei Dürkopp in Bielefeld und Carl Benz in Mannheim arbeitete, engagierte seinen Jugendfreund und Ingenieur Hans Geisenhof sowie Ludwig Rüb und Johann Strömel als Mitarbeiter.[2]
Entwicklung
Ende 1893 war die Entwicklung abgeschlossen und ein erster Prototyp für Testfahrten gebaut worden. Der Prototyp, der heute im Besitz des Deutschen Museums ist, soll für 430 Goldmark gebaut worden sein. Bei den ersten Versuchen, noch mit einem Zweitakt-Tandemmotor, gab es Verletzte. Der Mechaniker Strömel vergaß, den Verbindungsbolzen mit einem Splint zu sichern. Der herausfliegende Kolben schlug ihm den Arm ab.[1]
Am 10. Januar 1894 startete der erste Probelauf und am 18. und 19. Januar 1894 gab es die ersten Probefahrten in Bamberg, wo Wolfmüller und Geisenhof ihre Werkstatt hatten. „Dabei lief das Motorrad zwar gleichmäßig, jedoch rückwärts“.[1] Ende Januar 1894 überstand das Motorrad, unter dem Fahrer Geisenhof, eine Dauerfahrt über „100 Runden an der Landsberger Allee“[3] in München.
Im Patent vom 20. Januar 1894 (DRP 78553) wird das Zweirad mit Petroleum als „Motorrad“ bezeichnet.[2] Das Patent wurde für die Ingenieure Alois Wolfmüller und Hans Geisenhof erteilt.[5] Die Motorradfabrik nahm am 1. März 1894 in München, Colosseumstraße 1, ihren Betrieb auf.
Technik
Der wassergekühlte Motor[Anm. 4] war in einem Vierfach-Rohrrahmen untergebracht, dessen Bauweise später von Alfred Angas Scott bei seinem ersten Modell 3 3/4 übernommen wurde. Das vordere Speichenrad mit Veith-Schlauchreifen hatte einen Durchmesser von 26 Zoll, das Hinterrad bestand aus einem 22-Zoll-Metallschwungrad, dessen Veith-Schlauchreifen mit Metallnieten als Profil ausgestattet waren. Die Steuerung der Auslassventile (12,7 mm Durchmesser) erfolgte über eine an der Hinterradnabe angebrachten Nockenscheibe, die damit über lange Stoßstangen und Umlenk-Hakenhebel die Kipphebel betätigte. Die Einlassventile waren als Schnüffelventile ausgebildet. Die Pleuelstangen des Motors wirkten direkt auf das als Kurbelwelle fungierende Hinterrad. Verstellbare Gummibänder holten die Pleuel zurück.[6] Obwohl zumeist behauptet wird, es gäbe keine Kolbenrückziehfeder als Bauteil in Kolbenmotoren, hatten die Gummibänder der Hildebrand & Wolfmüller diese Funktion. Hinter dem vorderen Emailschild befand sich der Luftfilter für die Luftzufuhr (Ansaug- und Rückführungsrohr) des Brenners der Glührohrzündung. Dahinter war das Regulierungsventil für den Oberflächenvergaser, der über Rückschlagsiebe und Schwimmer verfügte.
Vorderes Emailschild (vor dem Lenkkopf)
Das hintere Schutzblech diente als Wassertank der Thermosiphonkühlung, der Ölbehälter befand sich in den vorderen Rahmenrohren, ein konstruktives Detail, das erst 50 Jahre später wieder Einzug in die Motorradtechnik hielt. Am Vorderrad war eine fahrradübliche Klotzbremse vorhanden, das Hinterrad war ungebremst. Aus heutiger Sicht erstaunlich war eine Notbremse mittels Sporn als Bremsanker. Die Werbebroschüre aus dem Jahr 1894 führt dazu aus:
„Unter dem Zwillings-Cylinder ist eine neuartige Bodenbremse angebracht, welche mittelst der Füsse nach Verlassen der Fussruher in Wirkung gesetzt wird. Diese Bremse greift direkt am Boden in der Spur der beiden Räder an.“[1]
Zum Starten musste die „Kerze“ der Glührohrzündung vorgeheizt werden, danach wurde das Motorrad angeschoben und zum Anhalten die Benzinzufuhr mit einem Hebel am rechten Lenkerende unterbrochen.
Verbreitung
Da Hildebrand & Wolfmüller in bis zu fünf Werkstätten produzieren ließen, die ihre Teile getrennt durchnummerierten, ist eine konkrete Zahl der gebauten Motorräder nicht bekannt. Rauck gibt zwischen 800 und 2000 Stück an,[2] Spies erscheint die Zahl von 930 gebauten Exemplaren zu hoch[1], und Alois Wolfmüller gab 1929 in der ADAC Motorwelt eine Zahl von 350 bis 400 an.[7] Acht bis zehn Motorräder sollen im ersten Jahr pro Tag das Werk verlassen haben. Auf seinem Höhepunkt hatte das Unternehmen 850 Arbeiter und 50 Angestellte in vier Zweigwerken. Lizenzen wurden nach Frankreich an Duncan & Suberbie & Cie in Croissy vergeben – dort wurde die Hildebrand & Wolfmüller unter dem Namen Pétrolette angeboten –, Werksvertretungen gab es europaweit. Die Preise lagen zwischen 850 und 1200 Goldmark. Bei der Bestellung mussten 300 Goldmark Anzahlung geleistet werden; die Wartezeit betrug bis zur Auslieferung drei Monate.[1]
Technische Beschreibung der Hildebrand & Wolfmüller
Fahrberichte
Kunden (die einen Einweisungslehrgang absolvieren mussten) bemängelten den stoßartigen Motorlauf bei niedrigen Drehzahlen, die feuergefährliche Glührohrzündung und den unzureichenden Oberflächenvergaser,[2] der sich in der warmen Jahreszeit am wohlsten fühlte.[3]
H. O. Duncan: „Es war etwas Übernatürliches in der Art, wie sie vorwärtssprang, und wer konnte mir sagen, ob sie nicht jeden Augenblick durchgehen könnte wie ein Pferd. […] Ich dachte daran umzukehren, aber, um die Wahrheit zu sagen, ich konnte nicht wenden. […] alles, was ich tun konnte, war, geradeaus zu steuern.“[1]
Oscar Koch: „Bei Fahrten, die ich selbst unternommen habe, streikte der Motor nicht nur schon bei ganz geringen Steigungen, sondern er blieb zuweilen sogar in der Ebene stehen. Der Hauptgrund des Versagens lag wohl darin, daß die Kraft des Motors nicht durch Riemen, sondern durch Kurbeln und Kurbelstangen auf das Hinterrad des Fahrzeugs übertragen wurde, wobei dem Motor jegliche Schwungmassen fehlten, so daß seine Kolben durch Gummibänder, die sich beim Explosionshube spannten, zurückgezogen werden mußten. Die beste Kraft des Motors wurde daher beim Spannen dieser Gummibänder vergeudet, die zudem in den meisten Fällen die Kurbeln nicht einmal über den toten Punkt hinwegzuführen vermochten“.[8]
Hildebrand & Wolfmüller Briefmarke
Spies schreibt: „Das Motorrad war als Spielzeug zwar interessant, als Alltagsgefährt jedoch untauglich“.[1]
Produktionsende
Entscheidend für den Niedergang der Motorradfabrik und des ersten serienmäßig hergestellten Motorrads waren die technischen Unzulänglichkeiten und letztlich die Konkurrenz aus Frankreich. Die Motorräder von De Dion-Bouton waren fortschrittlicher, die Hildebrand & Wolfmüller mit ihrem starren Antrieb war konstruktionsbedingt nicht entwicklungsfähig.[3] Die Produktion endete im Oktober 1895[2] und am 2. November 1895 wurde das Konkursverfahren eröffnet.[5] Der französische Lizenznehmer meldete ebenfalls Ende 1895 Konkurs an.[2] Hildebrand gelang es den Konkurs bis Ende 1897 hinauszuzögern. Wolfmüller schied am 19. Mai 1897 aus dem Unternehmen aus und am 27. Juli 1897 meldete Hildebrand noch ein weiteres Patent an.[5] Wolfmüller konstruierte danach ein neues Modell mit stehendem Einzylindermotor, Wellenantrieb und Kupplung. Das Patentmodell vom 5. Oktober 1899, über seinen Vater angemeldet, wurde nie gebaut.[1]
Erhaltene Motorräder
Acht Hildebrand & Wolfmüller-Motorräder sind in Deutschland erhalten, dazu der Prototyp von 1893.[1] Ausgestellte Hildebrand & Wolfmüller-Motorräder sind im Deutschen Museum in München, im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm, im Motorradmuseum auf Schloss Augustusburg und im PS.SPEICHER in Einbeck zu besichtigen.
Das Auktionshaus Bonhams versteigerte anlässlich der „International Classic MotorCycle Show“ in Stafford am 25. April 2010 eine original erhaltene Hildebrand & Wolfmüller, die um 1930 zuletzt gelaufen sein soll. Die Versteigerung erzielte 86.200 GBP (~104.000 Euro).[9]
Nachbauten
Die Brüder Thomas und Michael Leibfritz bauten die Hildebrand & Wolfmüller in kleiner Stückzahl nach.[10] Eine weitere Kleinserie wurde von Mike Kron aufgelegt.[11][12] Nachbauten werden auch von der Schweizer Firma classic-racing-motorcycles hergestellt.[13]
Quelle
Hildebrand & Wolfmüller von 1894
Benzinmotorrad
Hersteller: Hildebrand & Wolfmüller
Produktionszeitraum 1894 bis 1895
Klasse Motorrad
Motordaten
Viertaktmotor, wassergekühlter Zweizylinder-Tandem-Motor, Tropfenschmierung, Oberflächenvergaser mit einem Tankvolumen von 6,5 Liter, Glührohrzündung
Hubraum (cm³) 1488/1530 cm³
Bohrung: 90 mm
Hub: 117/120 mm[Anm. 1] Verdichtung: 3:1, Kraftstoff: Leichtbenzin mit einem Siedepunkt von 30–35 Grad
Leistung (kW, PS) 2,5 PS bei 240 min−1
Höchstgeschwindigkeit (km/h) 40 km/h[Anm. 2]
(Rekord 72 km/h)
Getriebe Direktantrieb
Antrieb Schubstangen
Bremsen vorne: Klotzbremse
hinten: Bodenbremse (erste Serienmodelle)
Radstand (mm) 1.300[Anm. 3]
Leergewicht (kg) 84 kg[1][2][3]
Hinterradnabe mit Nockenscheibe und „Kolbenrückzugsfeder“ (Aufnahme eines Nachbaus)
Vorgeschichte
1887 gründete der begeisterte Radsportler Heinrich Hildebrand (1855–1928) die Zeitschrift Radfahr-Chronik; 1889 konstruierte er zusammen mit seinem Bruder Wilhelm ein Dampfrad, das für Hildebrand nicht den erhofften Erfolg erbrachte. Das Modell wurde weiterentwickelt und 1893 gelang es, für das einzige Exemplar einen Käufer in Paris zu finden. Dieser nahm am 14. November 1896 unter der Startnummer 18 am „Emancipation Run“ nach Aufhebung des Red Flag Acts teil. Das Dampfrad steht heute in England, wo es im Londoner Science Museum zu besichtigen ist.[1]
1892 beauftragte Hildebrand den Konstrukteur Alois Wolfmüller mit der Ausarbeitung eines Motorrads mit Benzinmotor nach Daimler. Wolfmüller, der unter anderem bei Dürkopp in Bielefeld und Carl Benz in Mannheim arbeitete, engagierte seinen Jugendfreund und Ingenieur Hans Geisenhof sowie Ludwig Rüb und Johann Strömel als Mitarbeiter.[2]
Entwicklung
Ende 1893 war die Entwicklung abgeschlossen und ein erster Prototyp für Testfahrten gebaut worden. Der Prototyp, der heute im Besitz des Deutschen Museums ist, soll für 430 Goldmark gebaut worden sein. Bei den ersten Versuchen, noch mit einem Zweitakt-Tandemmotor, gab es Verletzte. Der Mechaniker Strömel vergaß, den Verbindungsbolzen mit einem Splint zu sichern. Der herausfliegende Kolben schlug ihm den Arm ab.[1]
Am 10. Januar 1894 startete der erste Probelauf und am 18. und 19. Januar 1894 gab es die ersten Probefahrten in Bamberg, wo Wolfmüller und Geisenhof ihre Werkstatt hatten. „Dabei lief das Motorrad zwar gleichmäßig, jedoch rückwärts“.[1] Ende Januar 1894 überstand das Motorrad, unter dem Fahrer Geisenhof, eine Dauerfahrt über „100 Runden an der Landsberger Allee“[3] in München.
Im Patent vom 20. Januar 1894 (DRP 78553) wird das Zweirad mit Petroleum als „Motorrad“ bezeichnet.[2] Das Patent wurde für die Ingenieure Alois Wolfmüller und Hans Geisenhof erteilt.[5] Die Motorradfabrik nahm am 1. März 1894 in München, Colosseumstraße 1, ihren Betrieb auf.
Technik
Der wassergekühlte Motor[Anm. 4] war in einem Vierfach-Rohrrahmen untergebracht, dessen Bauweise später von Alfred Angas Scott bei seinem ersten Modell 3 3/4 übernommen wurde. Das vordere Speichenrad mit Veith-Schlauchreifen hatte einen Durchmesser von 26 Zoll, das Hinterrad bestand aus einem 22-Zoll-Metallschwungrad, dessen Veith-Schlauchreifen mit Metallnieten als Profil ausgestattet waren. Die Steuerung der Auslassventile (12,7 mm Durchmesser) erfolgte über eine an der Hinterradnabe angebrachten Nockenscheibe, die damit über lange Stoßstangen und Umlenk-Hakenhebel die Kipphebel betätigte. Die Einlassventile waren als Schnüffelventile ausgebildet. Die Pleuelstangen des Motors wirkten direkt auf das als Kurbelwelle fungierende Hinterrad. Verstellbare Gummibänder holten die Pleuel zurück.[6] Obwohl zumeist behauptet wird, es gäbe keine Kolbenrückziehfeder als Bauteil in Kolbenmotoren, hatten die Gummibänder der Hildebrand & Wolfmüller diese Funktion. Hinter dem vorderen Emailschild befand sich der Luftfilter für die Luftzufuhr (Ansaug- und Rückführungsrohr) des Brenners der Glührohrzündung. Dahinter war das Regulierungsventil für den Oberflächenvergaser, der über Rückschlagsiebe und Schwimmer verfügte.
Vorderes Emailschild (vor dem Lenkkopf)
Das hintere Schutzblech diente als Wassertank der Thermosiphonkühlung, der Ölbehälter befand sich in den vorderen Rahmenrohren, ein konstruktives Detail, das erst 50 Jahre später wieder Einzug in die Motorradtechnik hielt. Am Vorderrad war eine fahrradübliche Klotzbremse vorhanden, das Hinterrad war ungebremst. Aus heutiger Sicht erstaunlich war eine Notbremse mittels Sporn als Bremsanker. Die Werbebroschüre aus dem Jahr 1894 führt dazu aus:
„Unter dem Zwillings-Cylinder ist eine neuartige Bodenbremse angebracht, welche mittelst der Füsse nach Verlassen der Fussruher in Wirkung gesetzt wird. Diese Bremse greift direkt am Boden in der Spur der beiden Räder an.“[1]
Zum Starten musste die „Kerze“ der Glührohrzündung vorgeheizt werden, danach wurde das Motorrad angeschoben und zum Anhalten die Benzinzufuhr mit einem Hebel am rechten Lenkerende unterbrochen.
Verbreitung
Da Hildebrand & Wolfmüller in bis zu fünf Werkstätten produzieren ließen, die ihre Teile getrennt durchnummerierten, ist eine konkrete Zahl der gebauten Motorräder nicht bekannt. Rauck gibt zwischen 800 und 2000 Stück an,[2] Spies erscheint die Zahl von 930 gebauten Exemplaren zu hoch[1], und Alois Wolfmüller gab 1929 in der ADAC Motorwelt eine Zahl von 350 bis 400 an.[7] Acht bis zehn Motorräder sollen im ersten Jahr pro Tag das Werk verlassen haben. Auf seinem Höhepunkt hatte das Unternehmen 850 Arbeiter und 50 Angestellte in vier Zweigwerken. Lizenzen wurden nach Frankreich an Duncan & Suberbie & Cie in Croissy vergeben – dort wurde die Hildebrand & Wolfmüller unter dem Namen Pétrolette angeboten –, Werksvertretungen gab es europaweit. Die Preise lagen zwischen 850 und 1200 Goldmark. Bei der Bestellung mussten 300 Goldmark Anzahlung geleistet werden; die Wartezeit betrug bis zur Auslieferung drei Monate.[1]
Technische Beschreibung der Hildebrand & Wolfmüller
Fahrberichte
Kunden (die einen Einweisungslehrgang absolvieren mussten) bemängelten den stoßartigen Motorlauf bei niedrigen Drehzahlen, die feuergefährliche Glührohrzündung und den unzureichenden Oberflächenvergaser,[2] der sich in der warmen Jahreszeit am wohlsten fühlte.[3]
H. O. Duncan: „Es war etwas Übernatürliches in der Art, wie sie vorwärtssprang, und wer konnte mir sagen, ob sie nicht jeden Augenblick durchgehen könnte wie ein Pferd. […] Ich dachte daran umzukehren, aber, um die Wahrheit zu sagen, ich konnte nicht wenden. […] alles, was ich tun konnte, war, geradeaus zu steuern.“[1]
Oscar Koch: „Bei Fahrten, die ich selbst unternommen habe, streikte der Motor nicht nur schon bei ganz geringen Steigungen, sondern er blieb zuweilen sogar in der Ebene stehen. Der Hauptgrund des Versagens lag wohl darin, daß die Kraft des Motors nicht durch Riemen, sondern durch Kurbeln und Kurbelstangen auf das Hinterrad des Fahrzeugs übertragen wurde, wobei dem Motor jegliche Schwungmassen fehlten, so daß seine Kolben durch Gummibänder, die sich beim Explosionshube spannten, zurückgezogen werden mußten. Die beste Kraft des Motors wurde daher beim Spannen dieser Gummibänder vergeudet, die zudem in den meisten Fällen die Kurbeln nicht einmal über den toten Punkt hinwegzuführen vermochten“.[8]
Hildebrand & Wolfmüller Briefmarke
Spies schreibt: „Das Motorrad war als Spielzeug zwar interessant, als Alltagsgefährt jedoch untauglich“.[1]
Produktionsende
Entscheidend für den Niedergang der Motorradfabrik und des ersten serienmäßig hergestellten Motorrads waren die technischen Unzulänglichkeiten und letztlich die Konkurrenz aus Frankreich. Die Motorräder von De Dion-Bouton waren fortschrittlicher, die Hildebrand & Wolfmüller mit ihrem starren Antrieb war konstruktionsbedingt nicht entwicklungsfähig.[3] Die Produktion endete im Oktober 1895[2] und am 2. November 1895 wurde das Konkursverfahren eröffnet.[5] Der französische Lizenznehmer meldete ebenfalls Ende 1895 Konkurs an.[2] Hildebrand gelang es den Konkurs bis Ende 1897 hinauszuzögern. Wolfmüller schied am 19. Mai 1897 aus dem Unternehmen aus und am 27. Juli 1897 meldete Hildebrand noch ein weiteres Patent an.[5] Wolfmüller konstruierte danach ein neues Modell mit stehendem Einzylindermotor, Wellenantrieb und Kupplung. Das Patentmodell vom 5. Oktober 1899, über seinen Vater angemeldet, wurde nie gebaut.[1]
Erhaltene Motorräder
Acht Hildebrand & Wolfmüller-Motorräder sind in Deutschland erhalten, dazu der Prototyp von 1893.[1] Ausgestellte Hildebrand & Wolfmüller-Motorräder sind im Deutschen Museum in München, im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm, im Motorradmuseum auf Schloss Augustusburg und im PS.SPEICHER in Einbeck zu besichtigen.
Das Auktionshaus Bonhams versteigerte anlässlich der „International Classic MotorCycle Show“ in Stafford am 25. April 2010 eine original erhaltene Hildebrand & Wolfmüller, die um 1930 zuletzt gelaufen sein soll. Die Versteigerung erzielte 86.200 GBP (~104.000 Euro).[9]
Nachbauten
Die Brüder Thomas und Michael Leibfritz bauten die Hildebrand & Wolfmüller in kleiner Stückzahl nach.[10] Eine weitere Kleinserie wurde von Mike Kron aufgelegt.[11][12] Nachbauten werden auch von der Schweizer Firma classic-racing-motorcycles hergestellt.[13]
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