*** Wanderer ***
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*** Wanderer ***
Das Unternehmen Wanderer war ein bedeutender deutscher Hersteller von Fahrrädern, Motorrädern, Autos, Lieferwagen, Werkzeugmaschinen und Büromaschinen. Über das Vermögen der Wanderer-Werke AG, zuletzt als Finanzholding ohne eigenen Geschäftsbetrieb tätig, wurde im Juli 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN DE0007756009
Gründung 1885 in Chemnitz
Sitz Augsburg
Leitung Oliver Bialowons (Sprecher des Vorstands)
Gerhard Schmidt (Mitglied des Vorstands)
Mitarbeiter 4.415 (Jahresdurchschnitt 2007)[1]
Umsatz 577,7 Mio. Euro (2007)
Website Wanderer-Werke AG
Den Namen „Wanderer“ bezogen die beiden Firmengründer Winklhofer und Jaenicke aus der Übersetzung der Bezeichnung „Rover“, die der Engländer John Kemp Starley seinen Fahrrädern gab.
Geschichte bis 1945
Wanderer-Anzeige 1898
Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz (1920)
Hinterhof der Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz (2011)
Die Wurzeln von Wanderer gehen bis in das Jahr 1885 zurück. In diesem Jahr gründeten Johann Baptist Winklhofer und Richard Adolf Jaenicke in Chemnitz die am 26. Februar 1885 ins Handelsregister eingetragene Gesellschaft „Chemnitzer Velociped-Depôt Winklhofer & Jaenicke“ zum Verkauf und zur Reparatur von Fahrrädern. Wenig später fertigten sie bereits einige Hochräder selbst an und ab dem Winter 1885/1886 wurde eine fabrikmäßige Herstellung vorbereitet. Winklhofer und Jaenicke firmierten daher ab 4. Januar 1887 als „Chemnitzer Veloziped-Fabrik Winklhofer & Jaenicke“.
1894 erwarben Winklhofer und Jaenicke ein Areal von 19.000 m² in Schönau bei Chemnitz und bauten dort ein Verwaltungs- und Lagerhaus mit 52 Metern Front, einen Shedbau mit 2.500 Quadratmetern Nutzfläche, ein Maschinenhaus, ein Kesselhaus, einen Stall und Wagenremise. Für sich selbst errichteten die Unternehmer gegenüber ein Doppelhaus. Um 1900 war Wanderer zu einem bedeutenden Unternehmen auf dem Fahrradmarkt geworden und hielt verschiedene Patente, unter anderem für die erste deutsche Zweigang-Nabenschaltung.
Ab 1899 begann Wanderer mit der Serienproduktion von Fräsmaschinen.[2] Dieser Schritt war maßgeblich dadurch motiviert, dass die zur damaligen Zeit auf dem Markt verfügbaren Fräsmaschinen nicht die Genauigkeitsanforderungen Winklhofers und Jaenickes erfüllten.
Das erste Motorrad wurde 1902 gebaut, 1903/1904 begann die Serienproduktion von Schreibmaschinen unter der Marke Continental und 1909 die von Additions- bzw. Zweispeziesrechenmaschinen. 1905 entstand der erste Auto-Prototyp „Wanderermobil“, 1907 folgte der zweite und 1911 wurde auf dem Berliner Autosalon der Wanderer 5/12 PS Typ W1 gezeigt. 1913 konnte die Automobil-Serienproduktion aufgenommen werden.
Wanderer „Continental“ Schreibmaschine
„Wir hatten einen ganz niedlichen, kleinen Wagen im Auge, kleiner als alle bisher gebauten Wagen, niedrig im Anschaffungspreis, sparsam im Benzin-, Gummi- und Ölverbrauch, anspruchslos im Platzbedarf, aber großen Wagen gleich an Schnelligkeit und im Nehmen von Steigungen“, schrieb Winklhofer später.
In Anlehnung an die im selben Jahr in Berlin uraufgeführte Operette „Puppchen“ von Jean Gilbert wurde das zierliche Auto (1,5 m breit, 3 m lang) nach einer Aufführung in Chemnitz vom Volksmund Puppchen genannt. Bereits 1913 kam die Weiterentwicklung zum W2, der 15 PS leistete. Die weitere Entwicklung ging bis zum W8 5/20 PS 1926/1927. Zur Ausweitung der Autoproduktion baute Wanderer ein weiteres Werk im Chemnitzer Vorort Siegmar, das 1927 die Produktion aufnahm. Für den Nachfolger des Puppchen wurde 1930 bei Ferdinand Porsche in Stuttgart die Konstruktion eines Sechszylinder- und zweier Achtzylinder-Motoren in Auftrag gegeben. Nur der Sechszylinder debütierte 1931 im W14 12/65 PS mit einem Dreiliter-Leichtmetallmotor, denn Probleme des Unternehmens ließen es von der Fahrzeugproduktion abrücken. Auch auf Druck der Dresdner Bank, die Wanderer Kredite über 5 Millionen Reichsmark gewährt hatte, verkaufte Wanderer Lizenzen für die schweren Motorräder an den tschechischen Ingenieur Dr. Fr. Janeček, der damit die Motorradmarke Jawa gründete, und schloss Mitte 1932 mit der auf Bestreben der Sächsischen Landesbank gegründeten Auto Union AG einen Kauf- und Pachtvertrag für das moderne Wanderer-Fahrzeugwerk in Siegmar ab. Im Auto-Union-Konzern wurden neben Audi, DKW und Horch weiter Automobile der Mittelklasse unter der Marke Wanderer gebaut.
Unter der Regie der Auto Union kam 1933 der W21, ein direkter Konkurrent des Mercedes-Benz 170, auf den Markt. Insgesamt bot die Marke Wanderer ab diesem Jahr eine breitgefächerte Modellpalette von sechs Karosserien mit drei Motoren an. Vom erfolgreichsten Modell Wanderer W24 wurden von 1937 bis 1940 rund 22.500 Exemplare hergestellt. Eine Besonderheit mehrerer Wanderer-Modelle war in der damaligen Zeit eine geteilte Windschutzscheibe.
Die Wanderer-Werke selbst konzentrierten sich sehr erfolgreich auf die Produktion hochwertiger Werkzeugmaschinen, Schreibmaschinen, Rechenmaschinen und Fahrräder. Das Radsportteam des Unternehmens konnte viele sportliche Erfolge erringen. Die fast lautlos arbeitende Schreibmaschine „Wanderer Continental silenta“ war mit ihrem speziellen Hebelwerk weltweit konkurrenzlos.
Logo des Unternehmens Wanderer
Wanderer Mofa um 1906 uvm.
PKW-Modelle
Typ Bauzeitraum Zylinder Hubraum Leistung Vmax
W1 (5/12 PS) „Puppchen“ 1912–1913 4 Reihe 1147 cm³ 12 PS (8,8 kW) 70 km/h
W2 (5/15 PS) „Puppchen“ 1913–1914 4 Reihe 1222 cm³ 15 PS (11 kW) 70 km/h
W3 (5/15 PS) „Puppchen“ 1914–1919 4 Reihe 1286 cm³ 15 PS (11 kW) 70 km/h
W4 (5/15 PS) „Puppchen“ 1919–1924 4 Reihe 1306 cm³ 17 PS (12,5 kW) 78 km/h
W6 (6/18 PS) 1921–1923 4 Reihe 1551 cm³ 18 PS (13,2 kW) 80 km/h
W9 (6/24 PS) 1923–1925 4 Reihe 1551 cm³ 24 PS (17,6 kW) 85 km/h
W8 (5/20 PS) „Puppchen“ 1925–1926 4 Reihe 1306 cm³ 20 PS (14,7 kW) 78 km/h
W10/I (6/30 PS) 1926–1928 4 Reihe 1551 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W10/II (8/40 PS) 1927–1929 4 Reihe 1940 cm³ 40 PS (29 kW) 95 km/h
W11 (10/50 PS) 1928–1930 6 Reihe 2540 cm³ 50 PS (37 kW) 90 km/h
W10/IV (6/30 PS) 1930–1932 4 Reihe 1563 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W11 (10/50 PS) 1930–1933 6 Reihe 2540 cm³ 50 PS (37 kW) 97 km/h
W14 (12/65 PS) 1931–1932 6 Reihe 2970–2995 cm³ 65 PS (48 kW) 105 km/h
W15 (6/30 PS) 1932 4 Reihe 1563 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W17 (7/35 PS) 1932–1933 6 Reihe 1690 cm³ 35 PS (25,7 kW) 90 km/h
W20 (8/40 PS) 1932–1933 6 Reihe 1950 cm³ 40 PS (29 kW) 95 km/h
W21 / W235 / W35 1933–1936 6 Reihe 1690 cm³ 35 PS (25,7 kW) 95 km/h
W22 / W240 / W40 1933–1938 6 Reihe 1950 cm³ 40 PS (29 kW) 100 km/h
W245 / W250 1935 6 Reihe 2257 cm³ 50 PS (37 kW) 100–105 km/h
W45 / W50 / W51 Spezial 1936–1938 6 Reihe 2257 cm³ 55 PS (40 kW) 100–105 km/h
W25K 1936–1938 6 Reihe 1950 cm³ 85 PS (62,5 kW) 145 km/h
W52 1937 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 115 km/h
W24 1937–1940 4 Reihe 1767 cm³ 42 PS (30,9 kW) 105 km/h
W26 1937–1940 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 115 km/h
W23 1937–1941 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 105 km/h
Firmengeschichte ab 1945
Verlagerung nach Westdeutschland
Wanderer Herren-Fahrrad, Baujahr 2004
Nach dem Krieg kam es am 30. Juni 1946 zu dem von der sowjetischen Besatzungsmacht wohlwollend geduldeten Volksentscheid über das Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes. Dazu gehörten nicht nur die Betriebe, die Rüstungsgüter hergestellt hatten. Aufgrund dieses Volksentscheids wurden sowohl die Wanderer-Werke als auch die Auto Union enteignet und in der DDR als Volkseigene Betriebe weitergeführt. Das Autowerk in Siegmar wurde der VVB Fahrzeugbau zugeordnet, der Werkzeugmaschinenbetrieb als VEB Wanderer-Fräsmaschinenbau (ab 1951 VEB Fritz-Heckert-Werk, dem späteren Stammbetrieb des VEB Werkzeugmaschinenkombinat „Fritz-Heckert“) weitergeführt und der Büromaschinenbetrieb in Schönau wurde zum VEB Wanderer-Continental Büromaschinenwerk unter dem Dach der VVB Mechanik. In der Besatzungszeit wurden auch große Teile der nahezu unversehrten Wanderer-Werke demontiert und als Reparationsleistungen in die Sowjetunion verbracht.
Als Folge von Enteignung und Verstaatlichung in der DDR führten Eigentümer und Manager der Wanderer-Werke das Unternehmen in Westdeutschland fort. So tagte im Jahr 1948 in München eine außerordentliche Hauptversammlung der Wanderer-Werke AG und beschloss, den Sitz der Gesellschaft von Chemnitz nach München zu verlegen. Ab 1949 wurden wieder Fahrräder und Mopeds gehandelt, hergestellt von der Firma Meister in Bielefeld. Daraus entwickelte sich die heutige Wanderer-Werke AG; die Automobilproduktion wurde indes nicht wieder aufgenommen.
Büromaschinen
In den 1950er Jahren setzte Wanderer die Tradition als Büromaschinenhersteller fort. Das Unternehmen beteiligte sich 1953 zunächst zu 50 % an der Exacta Büromaschinen GmbH und späteren Exacta Continental GmbH in Köln. 1960 folgten die restlichen 50 %. Damit war Wanderer der damals größte westdeutsche Büromaschinenproduzent.
Um mit der rasanten Entwicklung des modernen Informatik Schritt halten zu können, hatte Wanderer einen elektronischen Tischrechner, die Wanderer Logatronic für die Mittlere Datentechnik entworfen, dessen Elektronik Wanderer beim Computerpionier Heinz Nixdorf entwickeln ließ. Infolge einer Unternehmenskrise wurde das Unternehmen 1968 schließlich an Nixdorf verkauft und bildete von nun an den industriellen Kern der Nixdorf Computer AG.
Holding und Insolvenz
Reiserad aufgebaut auf Wanderer-Rahmen, 2006
Fahrräder mit dem Markennamen „Wanderer“ wurden seit 1998 wieder hergestellt. Seit 2006 geschah dies unter Federführung der Zwei plus zwei GmbH in Köln. Dort werden die Fahrräder entwickelt, in Deutschland hergestellt und von ausgewählten Fachhändlern vertrieben. Die Wanderer-Werke AG treten dabei lediglich als Lizenzgeber für den Markennamen auf.
Ansonsten stellte sich die Wanderer-Werke AG 2008 als Finanzholding ohne eigenen Geschäftsbetrieb mit den Sparten Poststellen-Verwaltung (engl. „mailroom management“) (über eine 50,1-%-Beteiligung an der börsennotierten Böwe-Systec-Gruppe), Kraftfahrzeugteile (Carl Kittel Autoteile GmbH, Kittel Supplier GmbH) und Verpackungsmaterialien (Karl Fislage GmbH & Co. KG, Merseburger Verpackung GmbH) dar. Zuletzt wurde der Konzern über zwei Jahrzehnte von Claus Gerckens geführt.[3]
Als höchst problematisch erwies sich dabei die Tatsache, dass große Teile des Unternehmens auf Kredit finanziert worden waren. Die Kredite wurden dabei nicht nur durch Banken, sondern auch zwischen den Unternehmenstöchtern vergeben. Als die Sparte Kraftfahrzeugteile im Zuge der Absatzkrise der Automobilindustrie hohe Verluste einfuhr und sich gleichzeitig die Übernahme des US-Konkurrenten Bell & Howell durch die Böwe-Systec-Gruppe als Fehlinvestition herausstellte, ließen sich die Defizite nicht mehr auffangen, und die Wanderer-Gruppe brach Stück für Stück zusammen.[4][5][6] Das Insolvenzverfahren wurde im Juli 2010 eröffnet. Während die Sparte Verpackungen noch über ein Management-Buy-Out an eine Investorengemeinschaft[7] und Böwe Systec an die Possehl-Gruppe[8] verkauft werden konnten, musste der Bereich Kraftfahrzeugteile mit seinen rund 500 Mitarbeitern gänzlich schließen.[9] Nur die Fahrräder wurden bis März 2013 noch unter dem Markennamen Wanderer produziert, zuletzt von der Zwei plus zwei GmbH.
Quelle
Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN DE0007756009
Gründung 1885 in Chemnitz
Sitz Augsburg
Leitung Oliver Bialowons (Sprecher des Vorstands)
Gerhard Schmidt (Mitglied des Vorstands)
Mitarbeiter 4.415 (Jahresdurchschnitt 2007)[1]
Umsatz 577,7 Mio. Euro (2007)
Website Wanderer-Werke AG
Den Namen „Wanderer“ bezogen die beiden Firmengründer Winklhofer und Jaenicke aus der Übersetzung der Bezeichnung „Rover“, die der Engländer John Kemp Starley seinen Fahrrädern gab.
Geschichte bis 1945
Wanderer-Anzeige 1898
Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz (1920)
Hinterhof der Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz (2011)
Die Wurzeln von Wanderer gehen bis in das Jahr 1885 zurück. In diesem Jahr gründeten Johann Baptist Winklhofer und Richard Adolf Jaenicke in Chemnitz die am 26. Februar 1885 ins Handelsregister eingetragene Gesellschaft „Chemnitzer Velociped-Depôt Winklhofer & Jaenicke“ zum Verkauf und zur Reparatur von Fahrrädern. Wenig später fertigten sie bereits einige Hochräder selbst an und ab dem Winter 1885/1886 wurde eine fabrikmäßige Herstellung vorbereitet. Winklhofer und Jaenicke firmierten daher ab 4. Januar 1887 als „Chemnitzer Veloziped-Fabrik Winklhofer & Jaenicke“.
1894 erwarben Winklhofer und Jaenicke ein Areal von 19.000 m² in Schönau bei Chemnitz und bauten dort ein Verwaltungs- und Lagerhaus mit 52 Metern Front, einen Shedbau mit 2.500 Quadratmetern Nutzfläche, ein Maschinenhaus, ein Kesselhaus, einen Stall und Wagenremise. Für sich selbst errichteten die Unternehmer gegenüber ein Doppelhaus. Um 1900 war Wanderer zu einem bedeutenden Unternehmen auf dem Fahrradmarkt geworden und hielt verschiedene Patente, unter anderem für die erste deutsche Zweigang-Nabenschaltung.
Ab 1899 begann Wanderer mit der Serienproduktion von Fräsmaschinen.[2] Dieser Schritt war maßgeblich dadurch motiviert, dass die zur damaligen Zeit auf dem Markt verfügbaren Fräsmaschinen nicht die Genauigkeitsanforderungen Winklhofers und Jaenickes erfüllten.
Das erste Motorrad wurde 1902 gebaut, 1903/1904 begann die Serienproduktion von Schreibmaschinen unter der Marke Continental und 1909 die von Additions- bzw. Zweispeziesrechenmaschinen. 1905 entstand der erste Auto-Prototyp „Wanderermobil“, 1907 folgte der zweite und 1911 wurde auf dem Berliner Autosalon der Wanderer 5/12 PS Typ W1 gezeigt. 1913 konnte die Automobil-Serienproduktion aufgenommen werden.
Wanderer „Continental“ Schreibmaschine
„Wir hatten einen ganz niedlichen, kleinen Wagen im Auge, kleiner als alle bisher gebauten Wagen, niedrig im Anschaffungspreis, sparsam im Benzin-, Gummi- und Ölverbrauch, anspruchslos im Platzbedarf, aber großen Wagen gleich an Schnelligkeit und im Nehmen von Steigungen“, schrieb Winklhofer später.
In Anlehnung an die im selben Jahr in Berlin uraufgeführte Operette „Puppchen“ von Jean Gilbert wurde das zierliche Auto (1,5 m breit, 3 m lang) nach einer Aufführung in Chemnitz vom Volksmund Puppchen genannt. Bereits 1913 kam die Weiterentwicklung zum W2, der 15 PS leistete. Die weitere Entwicklung ging bis zum W8 5/20 PS 1926/1927. Zur Ausweitung der Autoproduktion baute Wanderer ein weiteres Werk im Chemnitzer Vorort Siegmar, das 1927 die Produktion aufnahm. Für den Nachfolger des Puppchen wurde 1930 bei Ferdinand Porsche in Stuttgart die Konstruktion eines Sechszylinder- und zweier Achtzylinder-Motoren in Auftrag gegeben. Nur der Sechszylinder debütierte 1931 im W14 12/65 PS mit einem Dreiliter-Leichtmetallmotor, denn Probleme des Unternehmens ließen es von der Fahrzeugproduktion abrücken. Auch auf Druck der Dresdner Bank, die Wanderer Kredite über 5 Millionen Reichsmark gewährt hatte, verkaufte Wanderer Lizenzen für die schweren Motorräder an den tschechischen Ingenieur Dr. Fr. Janeček, der damit die Motorradmarke Jawa gründete, und schloss Mitte 1932 mit der auf Bestreben der Sächsischen Landesbank gegründeten Auto Union AG einen Kauf- und Pachtvertrag für das moderne Wanderer-Fahrzeugwerk in Siegmar ab. Im Auto-Union-Konzern wurden neben Audi, DKW und Horch weiter Automobile der Mittelklasse unter der Marke Wanderer gebaut.
Unter der Regie der Auto Union kam 1933 der W21, ein direkter Konkurrent des Mercedes-Benz 170, auf den Markt. Insgesamt bot die Marke Wanderer ab diesem Jahr eine breitgefächerte Modellpalette von sechs Karosserien mit drei Motoren an. Vom erfolgreichsten Modell Wanderer W24 wurden von 1937 bis 1940 rund 22.500 Exemplare hergestellt. Eine Besonderheit mehrerer Wanderer-Modelle war in der damaligen Zeit eine geteilte Windschutzscheibe.
Die Wanderer-Werke selbst konzentrierten sich sehr erfolgreich auf die Produktion hochwertiger Werkzeugmaschinen, Schreibmaschinen, Rechenmaschinen und Fahrräder. Das Radsportteam des Unternehmens konnte viele sportliche Erfolge erringen. Die fast lautlos arbeitende Schreibmaschine „Wanderer Continental silenta“ war mit ihrem speziellen Hebelwerk weltweit konkurrenzlos.
Logo des Unternehmens Wanderer
Wanderer Mofa um 1906 uvm.
PKW-Modelle
Typ Bauzeitraum Zylinder Hubraum Leistung Vmax
W1 (5/12 PS) „Puppchen“ 1912–1913 4 Reihe 1147 cm³ 12 PS (8,8 kW) 70 km/h
W2 (5/15 PS) „Puppchen“ 1913–1914 4 Reihe 1222 cm³ 15 PS (11 kW) 70 km/h
W3 (5/15 PS) „Puppchen“ 1914–1919 4 Reihe 1286 cm³ 15 PS (11 kW) 70 km/h
W4 (5/15 PS) „Puppchen“ 1919–1924 4 Reihe 1306 cm³ 17 PS (12,5 kW) 78 km/h
W6 (6/18 PS) 1921–1923 4 Reihe 1551 cm³ 18 PS (13,2 kW) 80 km/h
W9 (6/24 PS) 1923–1925 4 Reihe 1551 cm³ 24 PS (17,6 kW) 85 km/h
W8 (5/20 PS) „Puppchen“ 1925–1926 4 Reihe 1306 cm³ 20 PS (14,7 kW) 78 km/h
W10/I (6/30 PS) 1926–1928 4 Reihe 1551 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W10/II (8/40 PS) 1927–1929 4 Reihe 1940 cm³ 40 PS (29 kW) 95 km/h
W11 (10/50 PS) 1928–1930 6 Reihe 2540 cm³ 50 PS (37 kW) 90 km/h
W10/IV (6/30 PS) 1930–1932 4 Reihe 1563 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W11 (10/50 PS) 1930–1933 6 Reihe 2540 cm³ 50 PS (37 kW) 97 km/h
W14 (12/65 PS) 1931–1932 6 Reihe 2970–2995 cm³ 65 PS (48 kW) 105 km/h
W15 (6/30 PS) 1932 4 Reihe 1563 cm³ 30 PS (22 kW) 85 km/h
W17 (7/35 PS) 1932–1933 6 Reihe 1690 cm³ 35 PS (25,7 kW) 90 km/h
W20 (8/40 PS) 1932–1933 6 Reihe 1950 cm³ 40 PS (29 kW) 95 km/h
W21 / W235 / W35 1933–1936 6 Reihe 1690 cm³ 35 PS (25,7 kW) 95 km/h
W22 / W240 / W40 1933–1938 6 Reihe 1950 cm³ 40 PS (29 kW) 100 km/h
W245 / W250 1935 6 Reihe 2257 cm³ 50 PS (37 kW) 100–105 km/h
W45 / W50 / W51 Spezial 1936–1938 6 Reihe 2257 cm³ 55 PS (40 kW) 100–105 km/h
W25K 1936–1938 6 Reihe 1950 cm³ 85 PS (62,5 kW) 145 km/h
W52 1937 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 115 km/h
W24 1937–1940 4 Reihe 1767 cm³ 42 PS (30,9 kW) 105 km/h
W26 1937–1940 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 115 km/h
W23 1937–1941 6 Reihe 2651 cm³ 62 PS (45,6 kW) 105 km/h
Firmengeschichte ab 1945
Verlagerung nach Westdeutschland
Wanderer Herren-Fahrrad, Baujahr 2004
Nach dem Krieg kam es am 30. Juni 1946 zu dem von der sowjetischen Besatzungsmacht wohlwollend geduldeten Volksentscheid über das Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes. Dazu gehörten nicht nur die Betriebe, die Rüstungsgüter hergestellt hatten. Aufgrund dieses Volksentscheids wurden sowohl die Wanderer-Werke als auch die Auto Union enteignet und in der DDR als Volkseigene Betriebe weitergeführt. Das Autowerk in Siegmar wurde der VVB Fahrzeugbau zugeordnet, der Werkzeugmaschinenbetrieb als VEB Wanderer-Fräsmaschinenbau (ab 1951 VEB Fritz-Heckert-Werk, dem späteren Stammbetrieb des VEB Werkzeugmaschinenkombinat „Fritz-Heckert“) weitergeführt und der Büromaschinenbetrieb in Schönau wurde zum VEB Wanderer-Continental Büromaschinenwerk unter dem Dach der VVB Mechanik. In der Besatzungszeit wurden auch große Teile der nahezu unversehrten Wanderer-Werke demontiert und als Reparationsleistungen in die Sowjetunion verbracht.
Als Folge von Enteignung und Verstaatlichung in der DDR führten Eigentümer und Manager der Wanderer-Werke das Unternehmen in Westdeutschland fort. So tagte im Jahr 1948 in München eine außerordentliche Hauptversammlung der Wanderer-Werke AG und beschloss, den Sitz der Gesellschaft von Chemnitz nach München zu verlegen. Ab 1949 wurden wieder Fahrräder und Mopeds gehandelt, hergestellt von der Firma Meister in Bielefeld. Daraus entwickelte sich die heutige Wanderer-Werke AG; die Automobilproduktion wurde indes nicht wieder aufgenommen.
Büromaschinen
In den 1950er Jahren setzte Wanderer die Tradition als Büromaschinenhersteller fort. Das Unternehmen beteiligte sich 1953 zunächst zu 50 % an der Exacta Büromaschinen GmbH und späteren Exacta Continental GmbH in Köln. 1960 folgten die restlichen 50 %. Damit war Wanderer der damals größte westdeutsche Büromaschinenproduzent.
Um mit der rasanten Entwicklung des modernen Informatik Schritt halten zu können, hatte Wanderer einen elektronischen Tischrechner, die Wanderer Logatronic für die Mittlere Datentechnik entworfen, dessen Elektronik Wanderer beim Computerpionier Heinz Nixdorf entwickeln ließ. Infolge einer Unternehmenskrise wurde das Unternehmen 1968 schließlich an Nixdorf verkauft und bildete von nun an den industriellen Kern der Nixdorf Computer AG.
Holding und Insolvenz
Reiserad aufgebaut auf Wanderer-Rahmen, 2006
Fahrräder mit dem Markennamen „Wanderer“ wurden seit 1998 wieder hergestellt. Seit 2006 geschah dies unter Federführung der Zwei plus zwei GmbH in Köln. Dort werden die Fahrräder entwickelt, in Deutschland hergestellt und von ausgewählten Fachhändlern vertrieben. Die Wanderer-Werke AG treten dabei lediglich als Lizenzgeber für den Markennamen auf.
Ansonsten stellte sich die Wanderer-Werke AG 2008 als Finanzholding ohne eigenen Geschäftsbetrieb mit den Sparten Poststellen-Verwaltung (engl. „mailroom management“) (über eine 50,1-%-Beteiligung an der börsennotierten Böwe-Systec-Gruppe), Kraftfahrzeugteile (Carl Kittel Autoteile GmbH, Kittel Supplier GmbH) und Verpackungsmaterialien (Karl Fislage GmbH & Co. KG, Merseburger Verpackung GmbH) dar. Zuletzt wurde der Konzern über zwei Jahrzehnte von Claus Gerckens geführt.[3]
Als höchst problematisch erwies sich dabei die Tatsache, dass große Teile des Unternehmens auf Kredit finanziert worden waren. Die Kredite wurden dabei nicht nur durch Banken, sondern auch zwischen den Unternehmenstöchtern vergeben. Als die Sparte Kraftfahrzeugteile im Zuge der Absatzkrise der Automobilindustrie hohe Verluste einfuhr und sich gleichzeitig die Übernahme des US-Konkurrenten Bell & Howell durch die Böwe-Systec-Gruppe als Fehlinvestition herausstellte, ließen sich die Defizite nicht mehr auffangen, und die Wanderer-Gruppe brach Stück für Stück zusammen.[4][5][6] Das Insolvenzverfahren wurde im Juli 2010 eröffnet. Während die Sparte Verpackungen noch über ein Management-Buy-Out an eine Investorengemeinschaft[7] und Böwe Systec an die Possehl-Gruppe[8] verkauft werden konnten, musste der Bereich Kraftfahrzeugteile mit seinen rund 500 Mitarbeitern gänzlich schließen.[9] Nur die Fahrräder wurden bis März 2013 noch unter dem Markennamen Wanderer produziert, zuletzt von der Zwei plus zwei GmbH.
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Andy- Admin
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Gestern um 9:33 pm von Andy
» R.I.P. Heiko Reineke
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