Das Speziallager Nr. 1 Mühlberg
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Das Speziallager Nr. 1 Mühlberg
Das Speziallager Nr. 1 Mühlberg war eines der zehn Speziallager des NKWD/MWD in der Sowjetischen Besatzungszone und befand sich ungefähr 4 km nordöstlich der Stadt Mühlberg/Elbe auf der Gemarkung des Bad Liebenwerdaer Ortsteils Neuburxdorf. Während des Zweiten Weltkrieges waren hier mehrere tausend Kriegsgefangene im Stammlager IV B (Stalag IV B) untergebracht. Heute befindet sich auf dem Gelände eine Gedenkstätte für die Opfer beider Lager.
Vorgeschichte
→ Hauptartikel: Stalag IV B
Während des Zweiten Weltkrieges befand sich am Ort das Kriegsgefangenenlager „Stalag IV B“ der deutschen Wehrmacht, das insgesamt von etwa 300.000 Gefangenen aus über 40 Nationen durchlaufen wurde. Etwa 3000 Kriegsgefangene, darunter 2350 Sowjetbürger, kamen im Stalag IV B ums Leben.
Ende April 1945 wurde das Stalag IV B von sowjetischen Truppen besetzt und kurz darauf aufgelöst. Danach begann die Rote Armee mit der Inhaftierung ehemaliger Ostarbeiter, kriegsgefangener Rotarmisten und Angehöriger der Wlassowarmee auf dem Gelände, ehe diese in die Sowjetunion abtransportiert wurden.
Ende August/Anfang September 1945 wurde auf dem Gelände dann das Speziallager Nr. 1 eingerichtet.
Inhaftierte des Speziallagers
→ Hauptartikel: Speziallager
Verhaftungsvorwürfe zur Einweisung in ein sowjetisches Speziallager waren
Mitgliedschaft in der NSDAP (etwa 62 %)
untere und mittlere Funktionärselite des nationalsozialistischen Herrschaftssystems: HJ-Führer, Mitarbeiter von Gestapo, SD und sonstigen deutschen Straforganen (etwa 22 %)
unterstellte Gefährdung für das Besatzungsregime: Spione, Diversanten, Redakteure, Zersetzungsarbeit (etwa 16 %)[1]
Die manchmal kolportierte Behauptung, die Sowjets hätten in größerer Zahl vermeintliche Kriegsverbrecher in den Speziallagern inhaftiert, lässt sich nicht belegen.[2] Dieser Haftvorwurf wurde nur äußerst selten erhoben.[3] Im Speziallager Mühlberg befanden sich über die genannten Personengruppen hinaus eine Reihe ehemaliger Generäle und Offiziere der Wehrmacht sowie 39 Reichsgerichtsräte.
Die nach der Verhaftung von NKWD/MWD-Offizieren durchgeführten Verhöre fanden generell unter Anwendung von Folter statt. Die Verhafteten hatten keine Möglichkeit der Verteidigung, sie waren der Willkür der Vernehmungsoffiziere ausgeliefert. Vermuteten die Vernehmer eine Bestätigung ihrer Verdachtsmomente, kamen die Betroffenen vor ein sowjetisches Tribunal. Der große Rest wurde gezwungen, ein in russischer Sprache verfasstes Vernehmungsprotokoll zu unterschreiben und kam ohne Gerichtsurteil in die Speziallager.
Zweck der Verhaftung war auch die Isolierung vermeintlicher „Klassenfeinde“, um die radikale Umgestaltung in der Sowjetischen Besatzungszone durchzusetzen.
Plan des Frauenlagers
Das Lager durchliefen insgesamt mehr als 21.800 Inhaftierte, darunter auch Frauen.[4] Durchschnittlich war das Lager mit 12.000 Menschen belegt.
Auch während der Haftzeit erfolgten für einige Häftlinge weitere Verhöre. Rund 150 Inhaftierte wurden daraufhin zur Verurteilung durch sowjetische Militärtribunale abtransportiert. Die Verhöre und Verurteilungen unterstanden – im Gegensatz zu den Nürnberger Prozessen – keiner internationalen Kontrolle.
Haftbedingungen
Die Inhaftierten waren vollständig von der Außenwelt isoliert. Es gab keine Benachrichtigung der Angehörigen über den Aufenthaltsort der Inhaftierten. Briefverkehr fand nicht statt. Auch im Todesfall wurden die Angehörigen nicht informiert.
Im Innern des Lagers herrschten katastrophale Haftbedingungen.
Bedrückend war die mangelhafte Hygiene, denn die Kleidung der Häftlinge hatte sich im Laufe der Haftzeit in ihre Bestandteile aufgelöst. Es gab keine Seife zur Körperpflege, an Zahnhygiene war nicht zu denken. Da es keine Strohsäcke oder Decken, keine Esslöffel, Essschüsseln oder Trinkgefäße gab, wurden auch Ofenrohrkapseln oder Ofenkacheln als Ess- und Trinkgefäße benutzt.
Die Ernährung der Häftlinge war einseitig und völlig unzureichend. Durch die ständigen Hungerrationen und die mangelnde Hygiene entstanden Dystrophie, Ruhr, Tuberkulose und Typhus. Dazu kam noch, dass alle Gefangenen den ständigen Attacken von Läusen und Flöhen schutzlos ausgesetzt waren, die als Typhusträger die vorhandenen Mangelkrankheiten noch erweiterten.
Das Lager Mühlberg war kein Arbeitslager. Die Gefangenen waren, bis auf einige Lagerkommandos, sich selbst überlassen. Es gab keine Bücher oder Schreibmöglichkeiten. Die Baracken waren überbelegt. Die drangvolle Enge ließ den Gefangenen noch nicht einmal beim Schlafen Platz für ein Alleinsein. Jeder wurde mit seiner Verhaftung aus der ihm vertrauten Umgebung gerissen, in eine fremde Umwelt gestellt und war mit Menschen zusammen, die ihm fremd waren und deren Wesen und Eigenarten er nicht verstand. Zwar bildeten sich Schicksalsgemeinschaften, die jedoch nur solange hielten, bis eine Verlegung in eine andere Baracke oder in ein anderes Lager erfolgte und diese Gemeinschaften wieder auseinandergerissen wurden.
Die deutschen Lagerärzte, selbst Häftlinge, standen auf verlorenem Posten, denn Medikamente waren kaum verfügbar und medizinische Geräte gab es nicht. So starben in Mühlberg viele an den Folgen des Hungers, körperlichem und seelischem Verfall und an nicht behandelten Krankheiten.
Die sowjetischen Organe waren nicht um Abhilfe bemüht.
Deportation
→ Hauptartikel: Pelzmützentransport
1946 deportierte man etwa 3000 Inhaftierte in die Sowjetunion, wo sie als Kriegsgefangene behandelt wurden.
Am 8. Februar 1947 verlud man auf dem Bahnhof Neuburxdorf ungefähr 1000 noch arbeitsfähige meist jugendliche Häftlinge. Auf Grund der großen Kälte hatte man sie mit Watteanzügen und Pelzmützen der Wehrmacht ausgestattet. Daher entstand die Bezeichnung Pelzmützentransport.
In den Waggons waren außer einem Kübel für die Notdurft und einem kleinen Ofen weder Strohsäcke noch sonstige sanitäre Gegenstände vorhanden. Da die Brennstoffversorgung nur sporadisch erfolgte, wurden im Laufe des Transportes die vorhandenen Holzpritschen verfeuert, um eine erträgliche Temperatur im Waggoninneren zu erzeugen.
Nach einem qualvollen Transport von 33 Tagen, in den eiskalten Viehwaggons, wurden die Inhaftierten am 14. März 1947 im sibirischen Anschero-Sudschensk ausgeladen und ins NKWD/MWD-Lager 7503/11 Anschero-Sudschensk gebracht.
Dort mussten sie in Bergwerken und auf Baustellen Zwangsarbeit leisten. Erst zwischen 1950 und 1955 kamen sie wieder zurück nach Deutschland.
Auflösung
Im Juli 1948 entließ man fast zwei Drittel der Lagerbelegschaft. Richtlinien, nach denen entlassen wurde, waren nicht zu erkennen.
Die meisten der verbliebenen ungefähr 3000 Häftlinge verlud man am 17. September 1948 auf dem Bahnhof Neuburxdorf in Waggons und transportierte sie ins NKWD/MWD-Lager Nr. 2 Buchenwald. Viele dieser Häftlinge wurden am 9. und 13. Februar 1950 nach Waldheim gebracht, wo sie in den Waldheimer Prozessen (Schnellverfahren) zu langjährigen Haftstrafen sowie in einigen Fällen zum Tode verurteilt wurden. Die Schauprozesse fanden ohne Rechtsgrundlage statt und die Urteile standen in stalinistischer Verfahrensweise bereits vorher fest. Der Rest der Gefangenen wurde 1950 entlassen.
Die Auflösung des Lagers Mühlberg erfolgte noch 1948.
Opfer
Die Sterberate war sehr hoch. Für die Zeit von 1945 bis 1948 sind in den sowjetischen Lagerakten des Speziallagers Mühlberg 6.765 Todesfälle unter den Häftlingen vermerkt.[5] Es gab keine Einzelgräber, alle Toten wurden außerhalb des Lagers in Massengräber geworfen und notdürftig zugeschüttet. Die Angehörigen wurden nie benachrichtigt.
Kränze, die nach der Auflösung des Lagers auf dem Gelände von Angehörigen niedergelegt wurden, hatte man auf Weisung der zuständigen DDR-Behörden umgehend entfernt.
Nachdem bei landwirtschaftlichen Arbeiten immer wieder Knochen gefunden worden waren, wurde das Gelände aufgeforstet.
Nach der politischen Wende 1989 stellten Angehörige der Toten Kreuze und Gedenksteine auf.
1990 wurde die Initiativgruppe Lager Mühlberg gegründet, die sich seitdem der Gestaltung der Gedenkstätte und der Aufarbeitung der Geschichte des Speziallagers Mühlberg widmet.
Seit 1992 ist mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. und des Landes Brandenburg eine Gedenkstätte für alle Toten des Speziallagers entstanden. Aus einzelnen Massengräbern wurden dabei Skelette geborgen und würdevoll neu bestattet.
Jährlich finden mehrere Gedenktreffen auf dem ehemaligen Lagergelände statt.[6]
Am 6. September 2008 wurden Namenstafeln mit den Namen der Verstorbenen feierlich enthüllt.
Die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH sucht seit Mitte 2016 Käufer für das Bergwerkseigentum auf dem Gelände der Gedenkstätte, um das Areal zum Kiesabbau zu nutzen.[7]
Bekannte Inhaftierte
Margret Bechler, Frau des Offiziers und NKFD-Mitglieds Bernhard Bechler
Bernhard Benning, Volkswirtschaftler, stellvertretender Leiter der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG
Richard Berger, Lehrer und Heimatforscher, † 30. Juni 1948
Georg Bilkenroth, Kraftwerksdirektor
Helmut Bischoff, SS-Obersturmbannführer, Verwaltung des KZ Mittelbau-Dora
Paul Blumberger, Reichsgerichtsrat, † 30. Januar 1946
Leo Brandenburg, Reichsgerichtsrat, † 2. März 1946
Ernst Brandis, Reichsgerichtsrat, † 24. Dezember 1945
Heinrich Burmeister, Reichsgerichtsrat, † 25. Mai 1946
Stephan Dietrich, Lehrer, Schulleiter, erzgebirgischer Heimatdichter und Mundartsprecher
Fritz Dörffler, Reichsgerichtsrat, † 17. Oktober 1945
Heinrich Eufinger, Gynäkologe, Euthanasiearzt, SS-Obersturmbannführer, nach der Entlassung Chefarzt in Burgstädt bei Chemnitz, ab 1956 Chefarzt in Sanderbusch bei Oldenburg
Marianne Fischer-Kupfer, Opernsängerin
Richard Francke, Reichsgerichtsrat, † 24. Februar 1947
Ulrich von Fresenius, Oberbürgermeister von Wernigerode
Heinrich Frings, Richter, † 25. Januar 1946
Theodor Fritsch, Buchhändler, † 31. Dezember 1946
Walther Froelich, Reichsgerichtsrat, † 31. Dezember 1945
Wilhelm Goldmann, Verleger
Hermann Günther, Reichsgerichtsrat, † 7. Oktober 1945
August Guth, Reichsgerichtsrat, † 26. Dezember 1945
Siegfried Haenicke, General der Infanterie, † 19. Februar 1946
Jan Herchenröder, Journalist, Kriegsberichterstatter
Hermann Hoffmann, Reichsgerichtsrat, † 17. Oktober 1945
Hans Iber, Reichsgerichtsrat, † 10. Januar 1946
Wilhelm Jost, Architekt, Rektor der TH Dresden, SA- und SS-Mitglied, † 15. August 1948 in einem Lager bei Saratow (Russland)
Achim Kilian, Jugendlicher, später Autor von Büchern über das Speziallager Mühlberg
Erich Karlewski, General der Flieger, † 24. Dezember 1946
Ewald Kluge, Motorradrennfahrer
Siegfried Köhler (Komponist), als HJ-Mitglied verhaftet, später Präsident des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR
Artur Köllensperger, österreichischer Richter am Obersten Gerichtshof und deutscher Reichsgerichtsrat, † 12. Juni 1946
Georg Krausz, Journalist, Kommunist, KZ-Häftling, später stellvertretender Chefredakteur des Neuen Deutschlands
Otto von Kursell, NSDAP-Mitglied der ersten Stunde, Maler, Ministerialrat, Direktor der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg
Oskar Lecher, Chemiker, † 30. Oktober 1947
Gertrud Lehmann-Waldschütz, Schriftstellerin
Hugo Luschin, österreichischer Richter am Obersten Gerichtshof und deutscher Reichsgerichtsrat, † 15. Februar 1946
Hellmut Mehnert, als Jugendlicher im Speziallager Mühlberg, später einer der bedeutendsten Diabetologen Deutschlands
Wolfgang von Nathusius, Arzt aus Leipzig, später Bundesverdienstkreuzträger
Hans Neumerkel, Reichsgerichtsrat, † 23. Januar 1946
Charles Noble, US-amerikanischer Unternehmer
John H. Noble, Sohn von Charles Noble, kehrte erst 1955 aus dem Gulag zurück in die USA
Karl Pawelka, Richter am höchsten tschechoslowakischen Gericht und deutscher Reichsgerichtsrat, † 1949 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Max Poepel, Bürgermeister der Stadt Aue
Eberhard Puntsch, als Jugendlicher im Speziallager Mühlberg, später Autor und bayrischer FDP-Politiker
Gustav Rathje, Filmproduktionsleiter, † 27. November 1947
Paul Reckzeh, Arzt und Gestapo-Spitzel, nach 1955 von der Stasi vor Anklage in der Bundesrepublik geschützt
Otto Rietzsch, Reichsgerichtsrat, † 15. Februar 1947
Ernst Rittweger, Reichsgerichtsrat, † 2. Dezember 1946
Hans-Ulrich Rottka, Reichskriegsgerichtsrat, 1942 wegen „zu humaner Auffassungen“ in den Ruhestand versetzt
Hans Wolfgang Sachse, Komponist
August Schäfer, Reichsgerichtsrat
Fritz Schettler, Verleger, † 29. November 1946
Erich Schultze, Reichsgerichtsrat, † 2. Dezember 1946
Werner Schulze, emeritierter Reichsgerichtsrat, † 2. März 1946
Bruno Schuster, Reichsgerichtsrat, † 12. Januar 1946
Marianne Simson, Schauspielerin
Siegfried von Sivers, deutschbaltischer Aktivist, Arzt und Schriftsteller
Willy Stegemann, Philologe, † 16. Mai 1946
Paul Vogt, Reichsgerichtsrat
Günther Wagenlehner, Leutnant, von Mühlberg in die Sowjetunion verschleppt kehrte er erst 1955 zurück, später im Bundesverteidigungsministerium
Erich Walther, Generalmajor der deutschen Luftwaffe, † 26. Dezember 1948 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Friedrike Wieking, leitende Kriminalbeamte
Walfried Winkler, Motorradrennfahrer
Gerhard Wischer, Psychiater und Euthanasiearzt, 1950 in Waldheim zum Tode verurteilt und am 4. November 1950 hingerichtet
Walter Witting, Generalleutnant, † 19. Februar 1947
Hans H. Zerlett, Drehbuchautor und Regisseur, † 6. Juli 1949 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Erhard Ziegler, Reichsgerichtsrat, † 22. Mai 1946
Quelle
Vorgeschichte
→ Hauptartikel: Stalag IV B
Während des Zweiten Weltkrieges befand sich am Ort das Kriegsgefangenenlager „Stalag IV B“ der deutschen Wehrmacht, das insgesamt von etwa 300.000 Gefangenen aus über 40 Nationen durchlaufen wurde. Etwa 3000 Kriegsgefangene, darunter 2350 Sowjetbürger, kamen im Stalag IV B ums Leben.
Ende April 1945 wurde das Stalag IV B von sowjetischen Truppen besetzt und kurz darauf aufgelöst. Danach begann die Rote Armee mit der Inhaftierung ehemaliger Ostarbeiter, kriegsgefangener Rotarmisten und Angehöriger der Wlassowarmee auf dem Gelände, ehe diese in die Sowjetunion abtransportiert wurden.
Ende August/Anfang September 1945 wurde auf dem Gelände dann das Speziallager Nr. 1 eingerichtet.
Inhaftierte des Speziallagers
→ Hauptartikel: Speziallager
Verhaftungsvorwürfe zur Einweisung in ein sowjetisches Speziallager waren
Mitgliedschaft in der NSDAP (etwa 62 %)
untere und mittlere Funktionärselite des nationalsozialistischen Herrschaftssystems: HJ-Führer, Mitarbeiter von Gestapo, SD und sonstigen deutschen Straforganen (etwa 22 %)
unterstellte Gefährdung für das Besatzungsregime: Spione, Diversanten, Redakteure, Zersetzungsarbeit (etwa 16 %)[1]
Die manchmal kolportierte Behauptung, die Sowjets hätten in größerer Zahl vermeintliche Kriegsverbrecher in den Speziallagern inhaftiert, lässt sich nicht belegen.[2] Dieser Haftvorwurf wurde nur äußerst selten erhoben.[3] Im Speziallager Mühlberg befanden sich über die genannten Personengruppen hinaus eine Reihe ehemaliger Generäle und Offiziere der Wehrmacht sowie 39 Reichsgerichtsräte.
Die nach der Verhaftung von NKWD/MWD-Offizieren durchgeführten Verhöre fanden generell unter Anwendung von Folter statt. Die Verhafteten hatten keine Möglichkeit der Verteidigung, sie waren der Willkür der Vernehmungsoffiziere ausgeliefert. Vermuteten die Vernehmer eine Bestätigung ihrer Verdachtsmomente, kamen die Betroffenen vor ein sowjetisches Tribunal. Der große Rest wurde gezwungen, ein in russischer Sprache verfasstes Vernehmungsprotokoll zu unterschreiben und kam ohne Gerichtsurteil in die Speziallager.
Zweck der Verhaftung war auch die Isolierung vermeintlicher „Klassenfeinde“, um die radikale Umgestaltung in der Sowjetischen Besatzungszone durchzusetzen.
Plan des Frauenlagers
Das Lager durchliefen insgesamt mehr als 21.800 Inhaftierte, darunter auch Frauen.[4] Durchschnittlich war das Lager mit 12.000 Menschen belegt.
Auch während der Haftzeit erfolgten für einige Häftlinge weitere Verhöre. Rund 150 Inhaftierte wurden daraufhin zur Verurteilung durch sowjetische Militärtribunale abtransportiert. Die Verhöre und Verurteilungen unterstanden – im Gegensatz zu den Nürnberger Prozessen – keiner internationalen Kontrolle.
Haftbedingungen
Die Inhaftierten waren vollständig von der Außenwelt isoliert. Es gab keine Benachrichtigung der Angehörigen über den Aufenthaltsort der Inhaftierten. Briefverkehr fand nicht statt. Auch im Todesfall wurden die Angehörigen nicht informiert.
Im Innern des Lagers herrschten katastrophale Haftbedingungen.
Bedrückend war die mangelhafte Hygiene, denn die Kleidung der Häftlinge hatte sich im Laufe der Haftzeit in ihre Bestandteile aufgelöst. Es gab keine Seife zur Körperpflege, an Zahnhygiene war nicht zu denken. Da es keine Strohsäcke oder Decken, keine Esslöffel, Essschüsseln oder Trinkgefäße gab, wurden auch Ofenrohrkapseln oder Ofenkacheln als Ess- und Trinkgefäße benutzt.
Die Ernährung der Häftlinge war einseitig und völlig unzureichend. Durch die ständigen Hungerrationen und die mangelnde Hygiene entstanden Dystrophie, Ruhr, Tuberkulose und Typhus. Dazu kam noch, dass alle Gefangenen den ständigen Attacken von Läusen und Flöhen schutzlos ausgesetzt waren, die als Typhusträger die vorhandenen Mangelkrankheiten noch erweiterten.
Das Lager Mühlberg war kein Arbeitslager. Die Gefangenen waren, bis auf einige Lagerkommandos, sich selbst überlassen. Es gab keine Bücher oder Schreibmöglichkeiten. Die Baracken waren überbelegt. Die drangvolle Enge ließ den Gefangenen noch nicht einmal beim Schlafen Platz für ein Alleinsein. Jeder wurde mit seiner Verhaftung aus der ihm vertrauten Umgebung gerissen, in eine fremde Umwelt gestellt und war mit Menschen zusammen, die ihm fremd waren und deren Wesen und Eigenarten er nicht verstand. Zwar bildeten sich Schicksalsgemeinschaften, die jedoch nur solange hielten, bis eine Verlegung in eine andere Baracke oder in ein anderes Lager erfolgte und diese Gemeinschaften wieder auseinandergerissen wurden.
Die deutschen Lagerärzte, selbst Häftlinge, standen auf verlorenem Posten, denn Medikamente waren kaum verfügbar und medizinische Geräte gab es nicht. So starben in Mühlberg viele an den Folgen des Hungers, körperlichem und seelischem Verfall und an nicht behandelten Krankheiten.
Die sowjetischen Organe waren nicht um Abhilfe bemüht.
Deportation
→ Hauptartikel: Pelzmützentransport
1946 deportierte man etwa 3000 Inhaftierte in die Sowjetunion, wo sie als Kriegsgefangene behandelt wurden.
Am 8. Februar 1947 verlud man auf dem Bahnhof Neuburxdorf ungefähr 1000 noch arbeitsfähige meist jugendliche Häftlinge. Auf Grund der großen Kälte hatte man sie mit Watteanzügen und Pelzmützen der Wehrmacht ausgestattet. Daher entstand die Bezeichnung Pelzmützentransport.
In den Waggons waren außer einem Kübel für die Notdurft und einem kleinen Ofen weder Strohsäcke noch sonstige sanitäre Gegenstände vorhanden. Da die Brennstoffversorgung nur sporadisch erfolgte, wurden im Laufe des Transportes die vorhandenen Holzpritschen verfeuert, um eine erträgliche Temperatur im Waggoninneren zu erzeugen.
Nach einem qualvollen Transport von 33 Tagen, in den eiskalten Viehwaggons, wurden die Inhaftierten am 14. März 1947 im sibirischen Anschero-Sudschensk ausgeladen und ins NKWD/MWD-Lager 7503/11 Anschero-Sudschensk gebracht.
Dort mussten sie in Bergwerken und auf Baustellen Zwangsarbeit leisten. Erst zwischen 1950 und 1955 kamen sie wieder zurück nach Deutschland.
Auflösung
Im Juli 1948 entließ man fast zwei Drittel der Lagerbelegschaft. Richtlinien, nach denen entlassen wurde, waren nicht zu erkennen.
Die meisten der verbliebenen ungefähr 3000 Häftlinge verlud man am 17. September 1948 auf dem Bahnhof Neuburxdorf in Waggons und transportierte sie ins NKWD/MWD-Lager Nr. 2 Buchenwald. Viele dieser Häftlinge wurden am 9. und 13. Februar 1950 nach Waldheim gebracht, wo sie in den Waldheimer Prozessen (Schnellverfahren) zu langjährigen Haftstrafen sowie in einigen Fällen zum Tode verurteilt wurden. Die Schauprozesse fanden ohne Rechtsgrundlage statt und die Urteile standen in stalinistischer Verfahrensweise bereits vorher fest. Der Rest der Gefangenen wurde 1950 entlassen.
Die Auflösung des Lagers Mühlberg erfolgte noch 1948.
Opfer
Die Sterberate war sehr hoch. Für die Zeit von 1945 bis 1948 sind in den sowjetischen Lagerakten des Speziallagers Mühlberg 6.765 Todesfälle unter den Häftlingen vermerkt.[5] Es gab keine Einzelgräber, alle Toten wurden außerhalb des Lagers in Massengräber geworfen und notdürftig zugeschüttet. Die Angehörigen wurden nie benachrichtigt.
Kränze, die nach der Auflösung des Lagers auf dem Gelände von Angehörigen niedergelegt wurden, hatte man auf Weisung der zuständigen DDR-Behörden umgehend entfernt.
Nachdem bei landwirtschaftlichen Arbeiten immer wieder Knochen gefunden worden waren, wurde das Gelände aufgeforstet.
Nach der politischen Wende 1989 stellten Angehörige der Toten Kreuze und Gedenksteine auf.
1990 wurde die Initiativgruppe Lager Mühlberg gegründet, die sich seitdem der Gestaltung der Gedenkstätte und der Aufarbeitung der Geschichte des Speziallagers Mühlberg widmet.
Seit 1992 ist mit Unterstützung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. und des Landes Brandenburg eine Gedenkstätte für alle Toten des Speziallagers entstanden. Aus einzelnen Massengräbern wurden dabei Skelette geborgen und würdevoll neu bestattet.
Jährlich finden mehrere Gedenktreffen auf dem ehemaligen Lagergelände statt.[6]
Am 6. September 2008 wurden Namenstafeln mit den Namen der Verstorbenen feierlich enthüllt.
Die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH sucht seit Mitte 2016 Käufer für das Bergwerkseigentum auf dem Gelände der Gedenkstätte, um das Areal zum Kiesabbau zu nutzen.[7]
Bekannte Inhaftierte
Margret Bechler, Frau des Offiziers und NKFD-Mitglieds Bernhard Bechler
Bernhard Benning, Volkswirtschaftler, stellvertretender Leiter der Reichs-Kredit-Gesellschaft AG
Richard Berger, Lehrer und Heimatforscher, † 30. Juni 1948
Georg Bilkenroth, Kraftwerksdirektor
Helmut Bischoff, SS-Obersturmbannführer, Verwaltung des KZ Mittelbau-Dora
Paul Blumberger, Reichsgerichtsrat, † 30. Januar 1946
Leo Brandenburg, Reichsgerichtsrat, † 2. März 1946
Ernst Brandis, Reichsgerichtsrat, † 24. Dezember 1945
Heinrich Burmeister, Reichsgerichtsrat, † 25. Mai 1946
Stephan Dietrich, Lehrer, Schulleiter, erzgebirgischer Heimatdichter und Mundartsprecher
Fritz Dörffler, Reichsgerichtsrat, † 17. Oktober 1945
Heinrich Eufinger, Gynäkologe, Euthanasiearzt, SS-Obersturmbannführer, nach der Entlassung Chefarzt in Burgstädt bei Chemnitz, ab 1956 Chefarzt in Sanderbusch bei Oldenburg
Marianne Fischer-Kupfer, Opernsängerin
Richard Francke, Reichsgerichtsrat, † 24. Februar 1947
Ulrich von Fresenius, Oberbürgermeister von Wernigerode
Heinrich Frings, Richter, † 25. Januar 1946
Theodor Fritsch, Buchhändler, † 31. Dezember 1946
Walther Froelich, Reichsgerichtsrat, † 31. Dezember 1945
Wilhelm Goldmann, Verleger
Hermann Günther, Reichsgerichtsrat, † 7. Oktober 1945
August Guth, Reichsgerichtsrat, † 26. Dezember 1945
Siegfried Haenicke, General der Infanterie, † 19. Februar 1946
Jan Herchenröder, Journalist, Kriegsberichterstatter
Hermann Hoffmann, Reichsgerichtsrat, † 17. Oktober 1945
Hans Iber, Reichsgerichtsrat, † 10. Januar 1946
Wilhelm Jost, Architekt, Rektor der TH Dresden, SA- und SS-Mitglied, † 15. August 1948 in einem Lager bei Saratow (Russland)
Achim Kilian, Jugendlicher, später Autor von Büchern über das Speziallager Mühlberg
Erich Karlewski, General der Flieger, † 24. Dezember 1946
Ewald Kluge, Motorradrennfahrer
Siegfried Köhler (Komponist), als HJ-Mitglied verhaftet, später Präsident des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR
Artur Köllensperger, österreichischer Richter am Obersten Gerichtshof und deutscher Reichsgerichtsrat, † 12. Juni 1946
Georg Krausz, Journalist, Kommunist, KZ-Häftling, später stellvertretender Chefredakteur des Neuen Deutschlands
Otto von Kursell, NSDAP-Mitglied der ersten Stunde, Maler, Ministerialrat, Direktor der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg
Oskar Lecher, Chemiker, † 30. Oktober 1947
Gertrud Lehmann-Waldschütz, Schriftstellerin
Hugo Luschin, österreichischer Richter am Obersten Gerichtshof und deutscher Reichsgerichtsrat, † 15. Februar 1946
Hellmut Mehnert, als Jugendlicher im Speziallager Mühlberg, später einer der bedeutendsten Diabetologen Deutschlands
Wolfgang von Nathusius, Arzt aus Leipzig, später Bundesverdienstkreuzträger
Hans Neumerkel, Reichsgerichtsrat, † 23. Januar 1946
Charles Noble, US-amerikanischer Unternehmer
John H. Noble, Sohn von Charles Noble, kehrte erst 1955 aus dem Gulag zurück in die USA
Karl Pawelka, Richter am höchsten tschechoslowakischen Gericht und deutscher Reichsgerichtsrat, † 1949 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Max Poepel, Bürgermeister der Stadt Aue
Eberhard Puntsch, als Jugendlicher im Speziallager Mühlberg, später Autor und bayrischer FDP-Politiker
Gustav Rathje, Filmproduktionsleiter, † 27. November 1947
Paul Reckzeh, Arzt und Gestapo-Spitzel, nach 1955 von der Stasi vor Anklage in der Bundesrepublik geschützt
Otto Rietzsch, Reichsgerichtsrat, † 15. Februar 1947
Ernst Rittweger, Reichsgerichtsrat, † 2. Dezember 1946
Hans-Ulrich Rottka, Reichskriegsgerichtsrat, 1942 wegen „zu humaner Auffassungen“ in den Ruhestand versetzt
Hans Wolfgang Sachse, Komponist
August Schäfer, Reichsgerichtsrat
Fritz Schettler, Verleger, † 29. November 1946
Erich Schultze, Reichsgerichtsrat, † 2. Dezember 1946
Werner Schulze, emeritierter Reichsgerichtsrat, † 2. März 1946
Bruno Schuster, Reichsgerichtsrat, † 12. Januar 1946
Marianne Simson, Schauspielerin
Siegfried von Sivers, deutschbaltischer Aktivist, Arzt und Schriftsteller
Willy Stegemann, Philologe, † 16. Mai 1946
Paul Vogt, Reichsgerichtsrat
Günther Wagenlehner, Leutnant, von Mühlberg in die Sowjetunion verschleppt kehrte er erst 1955 zurück, später im Bundesverteidigungsministerium
Erich Walther, Generalmajor der deutschen Luftwaffe, † 26. Dezember 1948 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Friedrike Wieking, leitende Kriminalbeamte
Walfried Winkler, Motorradrennfahrer
Gerhard Wischer, Psychiater und Euthanasiearzt, 1950 in Waldheim zum Tode verurteilt und am 4. November 1950 hingerichtet
Walter Witting, Generalleutnant, † 19. Februar 1947
Hans H. Zerlett, Drehbuchautor und Regisseur, † 6. Juli 1949 im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Erhard Ziegler, Reichsgerichtsrat, † 22. Mai 1946
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