Wenn Patienten in der Arztpraxis überrumpelt werden
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Wenn Patienten in der Arztpraxis überrumpelt werden
Das Geschäft mit individuellen Gesundheitsleistungen boomt. Doch nicht alle sind nachweislich wirksam. Eine Internetseite soll Patienten bei der Entscheidung helfen.
Bachblütenkonzentrate sind wässrige Auszüge der Blüten von wildwachsenden Pflanzen. Eine Therapie damit soll das seelische Gleichgewicht wieder herstellen. Das mag stimmen. Zunächst allerdings sorgt eine Behandlung mit Bachblüten für monetäres Ungleichgewicht im Portemonnaie der Patienten. Denn keine gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten.
Dennoch werden solche Therapien von Ärzten angeboten. Sie firmieren unter der Bezeichnung „individuelle Gesundheitsleistungen". Das sind Behandlungen, die zwischen Arzt und Patient direkt vereinbart werden. Außer den Bachblüten geht es dabei auch um Akupunktur oder die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs.
Für die Ärzte sind das wertvolle Zusatzeinnahmen. Der Markt mit solchen Angeboten boomt, das Wissenschaftliche Institut der AOK schätzt den jährlichen Umsatz auf 1,5 Milliarden Euro. Jeder vierte Patient bekommt beim Besuch einer Arztpraxis eine individuelle Gesundheitsleistung (Igel) angeboten.
Verband fordert Einpruchsfrist für Versicherte
Mit dem Internetportal „Igel-Monitor“ wollen die Krankenkassen nun für Klarheit sorgen. Denn „in vielen Fällen sind solche Leistungen ein großes Ärgernis“, sagte die Chefin des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer. Sie verglich das Igel-Angebot schon einmal mit „Haustürgeschäften von Staubsaugervertretern“.
Fakt ist, dass die medizinische Wirksamkeit mancher individueller Gesundheitsleistung umstritten ist. Und: Die meisten Patienten können in der Regel nur schwer beurteilen, ob sie diese Leistungen wirklich benötigen. Deshalb forderte Pfeiffer nun eine Einspruchsfrist für Versicherte, wenn der Arzt eine Igel-Leistung verkauft.
„Wenn Ärzte eine Igel-Leistung erst machen dürfen, wenn der Patient 24 Stunden Bedenkzeit hatte, wird das Überrumpeln in der Arztpraxis unterbunden“, sagte sie bei der Vorstellung des Internetportals. Haustürgeschäfte könne ein Kunde ja auch nachträglich widerrufen.
Die Verbandschefin forderte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, das geplante Patientenschutzgesetz in dieser Hinsicht nachzubessern. Die Regelungen dort seien noch höchst unzureichend.
"Igel-Monitor" soll Patienten aufklären
Der „Igel-Monitor“ im Internet soll nun das Wissen der Patienten über Igel-Leistungen vergrößern, die Seite ist seit Mittwoch online. Dort findet sich eine Liste von 24 Igel-Leistungen, die besonders häufig angeboten werden. Dazu zählen die Glaukom-Vorsorgeuntersuchung beim Augenarzt und der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung beim Frauenarzt.
Experten des Medizinischen Diensts der Krankenkassen (MDS) haben die Angebote nach fünf Kategorien unerteilt. In sieben Fällen kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Leistung „tendenziell negativ“ zu bewerten war. Vier Mal wog der Schaden sogar schwerer als der Nutzen.
„Wir wollen Patienten vor Maßnahmen schützen, die nicht nachgewiesenermaßen mehr Vorteile als Nachteile bedeuten“, sagte MDS-Expertin Monika Lelgmann. Dies werde nicht von jeder Leistung erfüllt. Man sei bei der Beurteilung der Igel-Leistungen vorsichtig vorgegangen.
Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass jeder Eingriff in den Körper Schaden anrichte, der nur durch den Nachweis eines klaren Nutzens zu rechtfertigen sei. Sei dies nicht der Fall, falle das Urteil über eine Leistung tendenziell negativ. „Die Anforderung an den Beleg des Nutzens einer Maßnahme ist bei gesunden Menschen besonders hoch anzusetzen“, sagte Lelgmann.
Standesorganisationen mahnen zu sensiblem Umgang
Der Trend, dass Ärzte immer mehr Leistungen anbieten, die von den Kassen nicht übernommen werden, macht auch ihren Standesorganisationen Sorge. So appellierte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, Ende des vergangenen Jahres an seine Kollegen, mit dem Thema sensibel umzugehen.
Sie sollten das Vertrauen der Patienten nicht aufs Spiel setzen. Zuvor hatte eine Befragung von Patienten im Auftrag der KBV ergeben, dass der Anteil der Patienten, die die Leistungen angeboten bekommen, gestiegen war und dass viele von ihnen die Bedenkzeit zur Annahme eines solchen Angebots als zu kurz empfinden.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, wies anlässlich der Vorstellung des „Igel-Monitors“ darauf hin, dass zum Spektrum der individuellen Leistungen auch Sportuntersuchungen, Schulatteste oder Reiseimpfungen gehörten, die aus der Erstattungspflicht der Krankenkassen herausgenommen worden seien.
Sie könnten im Einzelfall durchaus sinnvoll sein und würden von den Patienten gezielt nachgefragt. Es sei „nicht immer ganz einfach, eine genaue Grenze zu ziehen zwischen dem, was medizinisch notwendig ist, und dem, was von den Patienten als Wunschleistung gefordert und auch noch ärztlich empfehlenswert oder vertretbar ist“, sagte Montgomery.
Quelle
Bachblütenkonzentrate sind wässrige Auszüge der Blüten von wildwachsenden Pflanzen. Eine Therapie damit soll das seelische Gleichgewicht wieder herstellen. Das mag stimmen. Zunächst allerdings sorgt eine Behandlung mit Bachblüten für monetäres Ungleichgewicht im Portemonnaie der Patienten. Denn keine gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten.
Dennoch werden solche Therapien von Ärzten angeboten. Sie firmieren unter der Bezeichnung „individuelle Gesundheitsleistungen". Das sind Behandlungen, die zwischen Arzt und Patient direkt vereinbart werden. Außer den Bachblüten geht es dabei auch um Akupunktur oder die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs.
Für die Ärzte sind das wertvolle Zusatzeinnahmen. Der Markt mit solchen Angeboten boomt, das Wissenschaftliche Institut der AOK schätzt den jährlichen Umsatz auf 1,5 Milliarden Euro. Jeder vierte Patient bekommt beim Besuch einer Arztpraxis eine individuelle Gesundheitsleistung (Igel) angeboten.
Verband fordert Einpruchsfrist für Versicherte
Mit dem Internetportal „Igel-Monitor“ wollen die Krankenkassen nun für Klarheit sorgen. Denn „in vielen Fällen sind solche Leistungen ein großes Ärgernis“, sagte die Chefin des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer. Sie verglich das Igel-Angebot schon einmal mit „Haustürgeschäften von Staubsaugervertretern“.
Fakt ist, dass die medizinische Wirksamkeit mancher individueller Gesundheitsleistung umstritten ist. Und: Die meisten Patienten können in der Regel nur schwer beurteilen, ob sie diese Leistungen wirklich benötigen. Deshalb forderte Pfeiffer nun eine Einspruchsfrist für Versicherte, wenn der Arzt eine Igel-Leistung verkauft.
„Wenn Ärzte eine Igel-Leistung erst machen dürfen, wenn der Patient 24 Stunden Bedenkzeit hatte, wird das Überrumpeln in der Arztpraxis unterbunden“, sagte sie bei der Vorstellung des Internetportals. Haustürgeschäfte könne ein Kunde ja auch nachträglich widerrufen.
Die Verbandschefin forderte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf, das geplante Patientenschutzgesetz in dieser Hinsicht nachzubessern. Die Regelungen dort seien noch höchst unzureichend.
"Igel-Monitor" soll Patienten aufklären
Der „Igel-Monitor“ im Internet soll nun das Wissen der Patienten über Igel-Leistungen vergrößern, die Seite ist seit Mittwoch online. Dort findet sich eine Liste von 24 Igel-Leistungen, die besonders häufig angeboten werden. Dazu zählen die Glaukom-Vorsorgeuntersuchung beim Augenarzt und der Ultraschall zur Krebsfrüherkennung beim Frauenarzt.
Experten des Medizinischen Diensts der Krankenkassen (MDS) haben die Angebote nach fünf Kategorien unerteilt. In sieben Fällen kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Leistung „tendenziell negativ“ zu bewerten war. Vier Mal wog der Schaden sogar schwerer als der Nutzen.
„Wir wollen Patienten vor Maßnahmen schützen, die nicht nachgewiesenermaßen mehr Vorteile als Nachteile bedeuten“, sagte MDS-Expertin Monika Lelgmann. Dies werde nicht von jeder Leistung erfüllt. Man sei bei der Beurteilung der Igel-Leistungen vorsichtig vorgegangen.
Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass jeder Eingriff in den Körper Schaden anrichte, der nur durch den Nachweis eines klaren Nutzens zu rechtfertigen sei. Sei dies nicht der Fall, falle das Urteil über eine Leistung tendenziell negativ. „Die Anforderung an den Beleg des Nutzens einer Maßnahme ist bei gesunden Menschen besonders hoch anzusetzen“, sagte Lelgmann.
Standesorganisationen mahnen zu sensiblem Umgang
Der Trend, dass Ärzte immer mehr Leistungen anbieten, die von den Kassen nicht übernommen werden, macht auch ihren Standesorganisationen Sorge. So appellierte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, Ende des vergangenen Jahres an seine Kollegen, mit dem Thema sensibel umzugehen.
Sie sollten das Vertrauen der Patienten nicht aufs Spiel setzen. Zuvor hatte eine Befragung von Patienten im Auftrag der KBV ergeben, dass der Anteil der Patienten, die die Leistungen angeboten bekommen, gestiegen war und dass viele von ihnen die Bedenkzeit zur Annahme eines solchen Angebots als zu kurz empfinden.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, wies anlässlich der Vorstellung des „Igel-Monitors“ darauf hin, dass zum Spektrum der individuellen Leistungen auch Sportuntersuchungen, Schulatteste oder Reiseimpfungen gehörten, die aus der Erstattungspflicht der Krankenkassen herausgenommen worden seien.
Sie könnten im Einzelfall durchaus sinnvoll sein und würden von den Patienten gezielt nachgefragt. Es sei „nicht immer ganz einfach, eine genaue Grenze zu ziehen zwischen dem, was medizinisch notwendig ist, und dem, was von den Patienten als Wunschleistung gefordert und auch noch ärztlich empfehlenswert oder vertretbar ist“, sagte Montgomery.
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