"Die Linke hat wohl ein Rad ab"
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"Die Linke hat wohl ein Rad ab"
Viele Abgeordnete sind in den Hochwassergebieten, auf Sommerfesten, im Büro - nur nicht im Plenum. Die Linke hat die leeren Stuhlreihen ausgenutzt und mit einem Trick den Bundestag kurzzeitig lahmgelegt. Nun werfen sich alle gegenseitig unfaire Methoden vor.
Berlin - Dem CSU-Abgeordneten Wolfgang Zöller, einem gemütlichen Bartträger von 70 Jahren, entfuhr mitten in der Plenardebatte ein herzhaftes "Oh Gott!". Und zwar so laut, dass es die Schriftführer des Bundestags im Protokoll vermerkten.
Was war passiert?
Am Donnerstagabend, zwischen 20 und 21 Uhr, zweifelte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jörn Wunderlich, die Beschlussfähigkeit des Bundestags an. Wie so oft bei abendlichen Abstimmungen war der Saal nur mäßig besetzt.
Tatsächlich ergab ein Hammelsprung: Nur 268 der insgesamt 620 Abgeordneten waren anwesend. Laut Geschäftsordnung ist das Parlament nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten da sind.
Um Punkt 20.49 Uhr wurde die Sitzung abgebrochen - obwohl noch rund 40 Tagesordnungspunkte auf dem Programm standen. Darunter auch eine Reihe von Abstimmungen über Gesetzentwürfe, etwa zur vertraulichen Geburt.
Der provozierte Hammelsprung sorgt auch einen Tag später noch für Unmut im Parlament. Volker Beck von den Grünen twitterte: "Die Linke hat wohl ein Rad ab." Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn nannte die Aktion ein "Kasperletheater". Die anderen Fraktionen seien "zu Recht verärgert", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist sauer, dass eine geplante Abstimmung zu seinem Arzneimittelgesetz verschoben werden musste, hieß es aus der Koalition. Die schwarz-gelbe Koalition will damit Erleichterungen für die Pharmaindustrie durchsetzen. Bundestagspräsident Norbert Lammert soll über das Vorgehen ebenfalls nicht begeistert sein. Denn im Endspurt zur Sommerpause zählt jede produktive Stunde unter der gläsernen Reichstagskuppel.
"In ist, wer drin ist"
Der Geschäftsordnungstrick der Linken ist im Regelwerk vorgesehen, aber ungewöhnlich. Denn abgestimmt wird oft mit wenigen Teilnehmern, vor allem in den Abendstunden. Und gerade in diesen Tagen werden leere Fraktionsreihen toleriert. Viele Abgeordnete sind wegen des Hochwassers in ihren Wahlkreisen unterwegs oder sitzen an Papieren, die im Juni fertig werden müssen. Auch ist in Berlin Sommerfest-Saison, ein Empfang jagt den nächsten.
In den allermeisten Fällen greift aber das sogenannte Pairing-Abkommen. Danach zieht, wenn Abgeordnete verhindert sind, die Opposition eigene Leute zurück, um die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse zu wahren. Dieses Abkommen kann man aber aufbrechen, wenn man den politischen Gegner mal richtig ärgern will. Und man kann ihn genüsslich mit einem Hammelsprung vorführen. Genau das hat die Linke gemacht.
"Die Koalition dachte anscheinend, das genügend von ihren Leuten da sein würden", sagte die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak SPIEGEL ONLINE am Freitag. "Und das war nicht der Fall. Aber wenn die Koalition ein Gesetz beschließen will, dann muss sie ihre Mehrheit sicherstellen."
Einen vergleichbaren Fall gab es im vergangenen Jahr. Damals provozierte die Opposition einen Abbruch der Plenarsitzung und verzögerte damit die Entscheidung über das umstrittene Betreuungsgeld.
Die Linken-Frau sieht ihre Fraktion im Recht. "Denn die Koalition hat schon die ganze Woche die Geschäftsordnung für ihre Interessen ausgenutzt. Frei nach dem Motto: Was kümmert uns die Meinung der Opposition." Wawzyniak führt als Beispiele die Mindestlohn-Regelung und die Abgeordnetenbestechung an, die dank schwarz-gelber Mehrheit von der Tagesordnung gekippt wurden. Zudem werde das neue Europawahlrecht in einem "unverhältnismäßigen Tempo durchgeboxt".
Dieses Mal weckte die Situation bei so manchem Parlamentarier den Drang zum schlechten Wortwitz. "Ich bitte um ein Signal, ob noch Kolleginnen und Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, draußen sind. Das ist nicht der Fall", sagte Parlamentspräsidentin Petra Pau, kurz bevor sie den Bundestag für arbeitsunfähig erklärte. Daraufhin entgegneten Zwischenrufer:
Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Doch! Es sind noch viele draußen!
Mechthild Rawert [SPD]: Aber nicht jeder will rein!
Manfred Grund [CDU/CSU]: In ist, wer drin ist!
Die Abstimmung zum umstrittenen Arzneimittelgesetz wurde am Freitag dann nachgeholt, das Gesetz erfolgreich verabschiedet. Zwei andere Entscheidungen, zum Verbraucherschutz und zur Filmförderung, mussten allerdings auf nächste Woche geschoben werden.
Quelle
Berlin - Dem CSU-Abgeordneten Wolfgang Zöller, einem gemütlichen Bartträger von 70 Jahren, entfuhr mitten in der Plenardebatte ein herzhaftes "Oh Gott!". Und zwar so laut, dass es die Schriftführer des Bundestags im Protokoll vermerkten.
Was war passiert?
Am Donnerstagabend, zwischen 20 und 21 Uhr, zweifelte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jörn Wunderlich, die Beschlussfähigkeit des Bundestags an. Wie so oft bei abendlichen Abstimmungen war der Saal nur mäßig besetzt.
Tatsächlich ergab ein Hammelsprung: Nur 268 der insgesamt 620 Abgeordneten waren anwesend. Laut Geschäftsordnung ist das Parlament nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten da sind.
Um Punkt 20.49 Uhr wurde die Sitzung abgebrochen - obwohl noch rund 40 Tagesordnungspunkte auf dem Programm standen. Darunter auch eine Reihe von Abstimmungen über Gesetzentwürfe, etwa zur vertraulichen Geburt.
Der provozierte Hammelsprung sorgt auch einen Tag später noch für Unmut im Parlament. Volker Beck von den Grünen twitterte: "Die Linke hat wohl ein Rad ab." Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn nannte die Aktion ein "Kasperletheater". Die anderen Fraktionen seien "zu Recht verärgert", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist sauer, dass eine geplante Abstimmung zu seinem Arzneimittelgesetz verschoben werden musste, hieß es aus der Koalition. Die schwarz-gelbe Koalition will damit Erleichterungen für die Pharmaindustrie durchsetzen. Bundestagspräsident Norbert Lammert soll über das Vorgehen ebenfalls nicht begeistert sein. Denn im Endspurt zur Sommerpause zählt jede produktive Stunde unter der gläsernen Reichstagskuppel.
"In ist, wer drin ist"
Der Geschäftsordnungstrick der Linken ist im Regelwerk vorgesehen, aber ungewöhnlich. Denn abgestimmt wird oft mit wenigen Teilnehmern, vor allem in den Abendstunden. Und gerade in diesen Tagen werden leere Fraktionsreihen toleriert. Viele Abgeordnete sind wegen des Hochwassers in ihren Wahlkreisen unterwegs oder sitzen an Papieren, die im Juni fertig werden müssen. Auch ist in Berlin Sommerfest-Saison, ein Empfang jagt den nächsten.
In den allermeisten Fällen greift aber das sogenannte Pairing-Abkommen. Danach zieht, wenn Abgeordnete verhindert sind, die Opposition eigene Leute zurück, um die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse zu wahren. Dieses Abkommen kann man aber aufbrechen, wenn man den politischen Gegner mal richtig ärgern will. Und man kann ihn genüsslich mit einem Hammelsprung vorführen. Genau das hat die Linke gemacht.
"Die Koalition dachte anscheinend, das genügend von ihren Leuten da sein würden", sagte die Linken-Abgeordnete Halina Wawzyniak SPIEGEL ONLINE am Freitag. "Und das war nicht der Fall. Aber wenn die Koalition ein Gesetz beschließen will, dann muss sie ihre Mehrheit sicherstellen."
Einen vergleichbaren Fall gab es im vergangenen Jahr. Damals provozierte die Opposition einen Abbruch der Plenarsitzung und verzögerte damit die Entscheidung über das umstrittene Betreuungsgeld.
Die Linken-Frau sieht ihre Fraktion im Recht. "Denn die Koalition hat schon die ganze Woche die Geschäftsordnung für ihre Interessen ausgenutzt. Frei nach dem Motto: Was kümmert uns die Meinung der Opposition." Wawzyniak führt als Beispiele die Mindestlohn-Regelung und die Abgeordnetenbestechung an, die dank schwarz-gelber Mehrheit von der Tagesordnung gekippt wurden. Zudem werde das neue Europawahlrecht in einem "unverhältnismäßigen Tempo durchgeboxt".
Dieses Mal weckte die Situation bei so manchem Parlamentarier den Drang zum schlechten Wortwitz. "Ich bitte um ein Signal, ob noch Kolleginnen und Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, draußen sind. Das ist nicht der Fall", sagte Parlamentspräsidentin Petra Pau, kurz bevor sie den Bundestag für arbeitsunfähig erklärte. Daraufhin entgegneten Zwischenrufer:
Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Doch! Es sind noch viele draußen!
Mechthild Rawert [SPD]: Aber nicht jeder will rein!
Manfred Grund [CDU/CSU]: In ist, wer drin ist!
Die Abstimmung zum umstrittenen Arzneimittelgesetz wurde am Freitag dann nachgeholt, das Gesetz erfolgreich verabschiedet. Zwei andere Entscheidungen, zum Verbraucherschutz und zur Filmförderung, mussten allerdings auf nächste Woche geschoben werden.
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