Brüssel verlangt von Berlin neue Steuersenkungen
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Brüssel verlangt von Berlin neue Steuersenkungen
Erstmals überprüft die EU die Haushaltsentwürfe der Mitgliedsstaaten. Im Gegensatz zu den Schuldenländern muss Berlin keinen Rüffel fürchten. Dafür erhebt Brüssel andere Ansprüche an die Deutschen.
Nun meldet während der Koalitionsverhandlungen noch ein Partner Wünsche an: Einer, der nicht auf Ministerämter scharf ist, der auch keine Parteitage zu bestehen hat und der auch nicht am Verhandlungstisch sitzt: Ein EU-Kommissar hat sich eingemischt und Reformen angemahnt – solche, die er längst von der Bundesregierung verlangt hat.
"Diese Empfehlungen gelten noch immer", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Ich vertraue darauf, dass die Empfehlungen in den Koalitionsverhandlungen ernst genommen werden." Für Deutschland stellt seine Behörde fest: Seit einigen Monaten ist einfach – nichts passiert. Die Bundesregierung habe "keine Fortschritte" bei der Umsetzung der Empfehlungen gemacht, die die EU-Kommission bereits im Sommer für jedes Land abgab und die vom Rat der Finanzminister einmütig gebilligt wurden.
Das Nachprüfen im Herbst ist eine frisch institutionalisierte Brüsseler Übung: Zum ersten Mal überhaupt unterzieht die EU-Kommission in diesem Jahr die Haushaltspläne der Mitglieder der Währungsunion einer Untersuchung und Prüfung. Das Regelwerk soll Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen helfen, in der Fiskal-, aber auch in der Wirtschaftspolitik.
Die Kommission hat das Recht, die Budgetpläne sogar zur Neubearbeitung zurückgehen zu lassen, wenn ihr durch Fehlplanungen die Stabilität der ganzen Euro-Zone in Gefahr scheint. Sie machte davon zwar in keinem Fall Gebrauch – nahm ihre Bewertung aber dennoch zum Anlass zu entschiedenen Mahnungen an die Hauptstädte, eben auch an Berlin.
Berlin muss Schuldenstand zurückfahren
Budgetpolitisch gab es wenig am Bundeshaushalt 2014 auszusetzen. Rehn machte deutlich, er habe keine Zweifel, dass Deutschland die Regeln des Stabilitätspakts zur Neuverschuldung einhalten werde. Er machte auch ausreichende deutsche Fortschritte dabei aus, den Schuldenstand von heute 81 Prozent irgendwann auf den vereinbarten Richtwert von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken – das galt den Gründern der Währungsunion einmal als Obergrenze langfristiger Stabilität. Das Ziel für Griechenland liegt, zum Vergleich, bei 120 Prozent im Jahr 2020, und ob es erreicht werden wird, ist nach wie vor von vielen, sich dauernd verändernden Faktoren abhängig und daher unsicher.
Für 2013 erwartet die Kommission einen ausgeglichenen Haushalt in Deutschland, im Vergleich zu den meisten anderen Ländern steht die Bundesrepublik bei den Staatsfinanzen sehr gut da. Deutschland und das kleine Estland, das erst in diesem Jahr zur Euro-Zone gestoßen ist, sind die einzigen beiden der nun überprüften Länder, denen die Kommission einschränkungslos bescheinigt, ihre Haushaltspläne stünden im Einklang mit den Vorgaben des Stabilitätspaktes – mit den alten Maastricht-Regeln also und ihren in der Krise beschlossenen Verschärfungen.
Dennoch sieht die europäische Koordinierung auch eine Abstimmung der Wirtschaftspolitik vor, jedenfalls soweit sie Auswirkungen auf die Staatsfinanzen hat. Kommissionsvizepräsident Rehn, ein Liberaler aus Finnland, wünscht sich ein Reformprogramm von Berlin, das eine Menge Anspruchsvolles beinhaltet: So soll Berlin "Bedingungen für ein die Binnennachfrage stützendes Lohnwachstum" aufrechterhalten, wie es die Empfehlungen vom Sommer formulieren, auf die Rehn nun verweist.
Weniger Steuern für Geringverdiener
Dazu soll die Bundesregierung die "hohe Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für Geringverdiener" senken – die neue Bundesregierung, da die alte im Wahlkampf nicht mehr dazu kam. Zudem solle die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt durch mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung gestärkt werden. "Es gibt strukturelle Hindernisse für die Binnennachfrage", sagte Rehn.
Am Mittwoch hatte die EU-Kommission eine eingehende Untersuchung der deutschen Leistungsbilanz angekündigt. Deutschland hatte über mehrere Jahre Indikatoren gerissen, die nach europäischen Regeln wegen des heftigen Exportüberschusses auf ein unausgeglichenes Wirtschaftsmodell hinweisen. Dabei hatte die Behörde auch auf mangelnde Investitionen in Deutschland hingewiesen.
Eine Möglichkeit, das zu ändern, könnte laut den Empfehlungen aus Brüssel eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte sein. Mit der Kritik gemeint ist etwa der beschränkte Zugang zu manchen Berufen – wie dem Meisterbrief, ein deutsches Unikum, für das die deutsche Wirtschaft nach Kräften kämpft. Auch eine weitergehende Liberalisierung des Eisenbahnmarktes strengt die Kommission seit langem und gegen deutschen Widerstand an.
Andere Länder kamen bei der Budgetprüfung nicht mit solchen Empfehlungen davon. Die Empfänger von Hilfskrediten der Euro-Partner sind unter noch strengerer Überwachung. Aber auch beim Rest hatte Rehn viel zu beanstanden: Italiens und Spaniens Haushaltspläne etwa liefen Gefahr, nicht mit EU-Regeln konform zu gehen. Und noch die mildeste Form der Ermahnung muss Regierungen zu denken geben: Als "in Einklang mit den Regeln, aber ohne Spielraum" für nachlassende Reformtätigkeit stufte die Kommission unter anderem die Niederlande und Frankreich ein.
Quelle
Nun meldet während der Koalitionsverhandlungen noch ein Partner Wünsche an: Einer, der nicht auf Ministerämter scharf ist, der auch keine Parteitage zu bestehen hat und der auch nicht am Verhandlungstisch sitzt: Ein EU-Kommissar hat sich eingemischt und Reformen angemahnt – solche, die er längst von der Bundesregierung verlangt hat.
"Diese Empfehlungen gelten noch immer", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Ich vertraue darauf, dass die Empfehlungen in den Koalitionsverhandlungen ernst genommen werden." Für Deutschland stellt seine Behörde fest: Seit einigen Monaten ist einfach – nichts passiert. Die Bundesregierung habe "keine Fortschritte" bei der Umsetzung der Empfehlungen gemacht, die die EU-Kommission bereits im Sommer für jedes Land abgab und die vom Rat der Finanzminister einmütig gebilligt wurden.
Das Nachprüfen im Herbst ist eine frisch institutionalisierte Brüsseler Übung: Zum ersten Mal überhaupt unterzieht die EU-Kommission in diesem Jahr die Haushaltspläne der Mitglieder der Währungsunion einer Untersuchung und Prüfung. Das Regelwerk soll Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen helfen, in der Fiskal-, aber auch in der Wirtschaftspolitik.
Die Kommission hat das Recht, die Budgetpläne sogar zur Neubearbeitung zurückgehen zu lassen, wenn ihr durch Fehlplanungen die Stabilität der ganzen Euro-Zone in Gefahr scheint. Sie machte davon zwar in keinem Fall Gebrauch – nahm ihre Bewertung aber dennoch zum Anlass zu entschiedenen Mahnungen an die Hauptstädte, eben auch an Berlin.
Berlin muss Schuldenstand zurückfahren
Budgetpolitisch gab es wenig am Bundeshaushalt 2014 auszusetzen. Rehn machte deutlich, er habe keine Zweifel, dass Deutschland die Regeln des Stabilitätspakts zur Neuverschuldung einhalten werde. Er machte auch ausreichende deutsche Fortschritte dabei aus, den Schuldenstand von heute 81 Prozent irgendwann auf den vereinbarten Richtwert von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken – das galt den Gründern der Währungsunion einmal als Obergrenze langfristiger Stabilität. Das Ziel für Griechenland liegt, zum Vergleich, bei 120 Prozent im Jahr 2020, und ob es erreicht werden wird, ist nach wie vor von vielen, sich dauernd verändernden Faktoren abhängig und daher unsicher.
Für 2013 erwartet die Kommission einen ausgeglichenen Haushalt in Deutschland, im Vergleich zu den meisten anderen Ländern steht die Bundesrepublik bei den Staatsfinanzen sehr gut da. Deutschland und das kleine Estland, das erst in diesem Jahr zur Euro-Zone gestoßen ist, sind die einzigen beiden der nun überprüften Länder, denen die Kommission einschränkungslos bescheinigt, ihre Haushaltspläne stünden im Einklang mit den Vorgaben des Stabilitätspaktes – mit den alten Maastricht-Regeln also und ihren in der Krise beschlossenen Verschärfungen.
Dennoch sieht die europäische Koordinierung auch eine Abstimmung der Wirtschaftspolitik vor, jedenfalls soweit sie Auswirkungen auf die Staatsfinanzen hat. Kommissionsvizepräsident Rehn, ein Liberaler aus Finnland, wünscht sich ein Reformprogramm von Berlin, das eine Menge Anspruchsvolles beinhaltet: So soll Berlin "Bedingungen für ein die Binnennachfrage stützendes Lohnwachstum" aufrechterhalten, wie es die Empfehlungen vom Sommer formulieren, auf die Rehn nun verweist.
Weniger Steuern für Geringverdiener
Dazu soll die Bundesregierung die "hohe Steuer- und Abgabenbelastung, insbesondere für Geringverdiener" senken – die neue Bundesregierung, da die alte im Wahlkampf nicht mehr dazu kam. Zudem solle die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt durch mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung gestärkt werden. "Es gibt strukturelle Hindernisse für die Binnennachfrage", sagte Rehn.
Am Mittwoch hatte die EU-Kommission eine eingehende Untersuchung der deutschen Leistungsbilanz angekündigt. Deutschland hatte über mehrere Jahre Indikatoren gerissen, die nach europäischen Regeln wegen des heftigen Exportüberschusses auf ein unausgeglichenes Wirtschaftsmodell hinweisen. Dabei hatte die Behörde auch auf mangelnde Investitionen in Deutschland hingewiesen.
Eine Möglichkeit, das zu ändern, könnte laut den Empfehlungen aus Brüssel eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte sein. Mit der Kritik gemeint ist etwa der beschränkte Zugang zu manchen Berufen – wie dem Meisterbrief, ein deutsches Unikum, für das die deutsche Wirtschaft nach Kräften kämpft. Auch eine weitergehende Liberalisierung des Eisenbahnmarktes strengt die Kommission seit langem und gegen deutschen Widerstand an.
Andere Länder kamen bei der Budgetprüfung nicht mit solchen Empfehlungen davon. Die Empfänger von Hilfskrediten der Euro-Partner sind unter noch strengerer Überwachung. Aber auch beim Rest hatte Rehn viel zu beanstanden: Italiens und Spaniens Haushaltspläne etwa liefen Gefahr, nicht mit EU-Regeln konform zu gehen. Und noch die mildeste Form der Ermahnung muss Regierungen zu denken geben: Als "in Einklang mit den Regeln, aber ohne Spielraum" für nachlassende Reformtätigkeit stufte die Kommission unter anderem die Niederlande und Frankreich ein.
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