Baumeister des Teufels - Das Verhältnis von Politik und Architektur
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Baumeister des Teufels - Das Verhältnis von Politik und Architektur
Architektur prägt nicht nur den öffentlichen Raum. Sie ist auch Ausdruck der Gesellschaft, in der sie entsteht. Und das in doppelter Hinsicht: Einmal durch ihre Formensprache und Funktionalität, andererseits durch die Art und Weise, wie über sie entschieden wird. Ein Politiker wird aber als Bauherr immer auch ein persönliches Kalkül in seine Entscheidung einfließen lassen: Inwiefern kann er seine Popularität, seine Bekanntheit steigern? Damit verbessern sich natürlich die Chancen der spektakulären Entwürfe von namhaften »Stararchitekten« – und nicht unbedingt jene Projekte, die tatsächlich die besten oder geeignetsten wären. Dieses Prozedere suggeriert auf paradoxe Weise sowohl Entscheidungsfreude und Mut des Politikers wie den Kult des unabhängigen Künstler-Architekten. Philip Johnson hat dieses Spannungsverhältnis zwischen (vermeintlicher) künstlerisch-ästhetischer Freiheit und den Abhängigkeiten von den Gesetzen des Marktes und der Politik einmal drastisch beschrieben:
"Ich würde auch für den Teufel persönlich bauen. Wer mich beauftragt, kauft mich. Ich bin käuflich. Ich bin eine Hure. Ich bin ein Künstler."
http://www.dasdossier.de/presseschau/kultur/architektur/baumeister-des-teufels
Über die geheime Bruderschaft von Politik und Architektur
Schöpferisches Image, imperialer Habitus
Es ist weithin bekannt, dass in Paris, nicht erst seit Mitterrand, eine Architektur der großen Gesten und Namen zelebriert wird. Louvre-Umbau (I.M. Pei), Institut du Monde Arabe (Jean Nouvel) oder Bibliothèque National de France (Dominique Perrault) sprechen hier eine deutliche Sprache. Letztlich geht das ganze Büroviertel La Défense mit seinem signalhaften "Grande Arche" (als Korrespondent zum kilometerweit entfernten Triumphbogen) auf präsidiale Weichenstellungen zurück.
Von Le Musée d'Orsay bis zu Musée National des Techniques, von La Villette bis zu La Cité de la Musique: Nicht umsonst werden diese Unternehmungen "Grand Projets de L'Etat" ganannt. Nun soll aus Paris die Weltmetropole "Grand Paris" werden, und kein anderer als Nicolas Sarkozy höchstselbst engagiert sich dafür. Seine Vision ist auf Übertrumpfung seines Amtsvorgängers angelegt, der sich mit Aplomb in die Architekturgeschichte der französischen Hauptstadt eingeschrieben hat. Dazu ließ er eine prominent besetzte, internationale Ideenwerkstatt Grand Pari(s) de l'agglomération parisienne (Die große Herausforderung Großraum Paris) abhalten. Dabei geht es um nichts Geringeres als den Umbau der gesamten Zentralregion: die, so Sarkozy, "größte Herausforderung der Politik des 21. Jahrhunderts" (Was Sarkozy aus Paris machen will).
Freilich gibt es auch andernorts solche Tendenzen; nur verschämter, mitnichten so souverän in Szene gesetzt wie in Frankreich. Dass Architektur und Politik einander - mal misstrauisch, mal euphorisch - umgarnen, ist immer häufiger zu beobachten. Nicht nur, dass im allgemeinen Sprachgebrauch der Architekt gleichsam omnipräsent geworden ist - welcher namhafte Politiker baut heute nicht am "europäischen Haus" oder ähnlichen Vorhaben herum? -, nein, Architektur scheint derzeit Treibstoff und Transmissionsriemen in einem zu sein, um gesellschaftliche Prozesse zu befördern.
Doch leider geht es ihr wie den übrigen Künsten: anything goes ist die Folge von everything was. Antworten auf die Fragen, was "die Politik" der Architektur (noch) zu bieten hat oder wie "die Baukultur" die Sphäre des Politischen tangiert, hängen naturgemäß vom Standpunkt des Betrachters ab und fallen entsprechend kontrovers aus. Klar ist lediglich, dass einerseits Geld knapp und öffentliche Bauaufträge rar geworden, andererseits die Selbstdarstellungsbedürfnisse, oder doch wenigstens die Abhängigkeiten von medialer Zuwendung, gewachsen sind.
Letzteres dürfte heute überhaupt das entscheidende Stichwort sein. Grundsätzlich muss man sehen: Bei allen relevanten Städtebauprojekten führen heutzutage Investoren die Bildregie, in einem wie auch immer gearteten Verbund mit der Politik. Sie setzen auf eine Form der Markenbildung (Branding), die den Kontext unberücksichtigt lässt. Und sie benötigen (Star)Architekten dafür, eben dieses Defizit auszugleichen. Darüber hinaus gibt es augenscheinlich bei Politikern, gleich welcher Couleur, eine gewisse Anfälligkeit für die big names der Szene. Dergleichen vollzieht sich zwar alles andere als verstohlen, wird aber so gut wie nie thematisiert, außer in Nebensätzen oder gelegentlichen Pressefotos. Umso mehr ist es angeraten, auf die Beziehung zwischen Politikern und Star-Architekten einmal einen kritischen Blick zu werfen.
Kunst entsteht durch Eingebung starker Individualitäten und ist die freie, durch materielle Bedingungen unbehinderte Erfüllung psychischen Dranges. Sie entsteht nicht durch Zufälligkeit, sondern als Schöpfung nach dem intensiven und bewussten Willen des befreiten, menschlichen Geistes.
Peter Behrens
Politiker und Architekten vereint die Suche nach dem medienwirksamen Spektakel
Kaum ein künstlerischer Beruf genießt so hohes Ansehen wie der des Architekten. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass sich dieser Berufsstand im allgemeinen weniger diven- und dandyhaft benimmt als etwa Schauspieler, Regisseure oder auch manche Maler; dass seine Mitglieder zwar in aller Öffentlichkeit sichtbare Dinge schaffen, aber auf der Straße kaum erkannt werden und von ihrem Privatleben selten etwas nach außen dringt. Dabei sind Architekten auch nur Menschen.
Ich will Dir was im Vertrauen sagen: Wenn Du als Architekt Erfolg haben willst, musst Du eine Art Hochstapler sein! - Ganz im Ernst, man muss Seiltanzen können und viele Dinge machen, die Du auf Hochschulen niemals lernst - Dinge, die aber beinahe wichtiger sind als das, was Du da hörst.
Alvar Alto
In Anbetracht der gegenwärtigen Wirtschaftslage nimmt es nicht Wunder, wenn Architekten nach jedem Auftragsstrohhalm greifen. Wollen doch die meisten von ihnen dasselbe wie andere Zeitgenossen: Geld verdienen, gut leben, ihre Ideen verwirklichen, sich einen Platz in der Geschichte sichern. Aber dazu müssen sie sich in der Regel auch den gleichen ökonomischen Mechanismen stellen. Im Kulturbereich heißt das: Wer viel Wirbel macht, erringt viel Aufmerksamkeit, avanciert womöglich zum Star - dessen Glanz strahlen und die Mächtigen anziehen möge!
Architekten scheinen heute nur eines gemein zu haben - nämlich etwas verkaufen zu wollen: um genau zu sein, sich selbst. Natürlicherweise ist schließlich das, was verkauft wird, hauptsächlich sie selber. Auf Architektur kommt es ihnen dabei nicht an.
Frank Lloyd Wright
Um große Aufträge zu ergattern, treten Architekten gern mit ausufernden und abstrusen Entwürfen an die Öffentlichkeit (um eben deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen). Da die Politiker davon in der Regel eher weniger verstehen, intuitiv jedoch das Spektakuläre, Aufsehenerregende - und, auch das, die damit einhergehende Publizität - erfassen, stellen sie sich gern vor solche Konzepte, Vorschläge und Modelle. Und an die Seite ihrer Schöpfer. Frei nach dem Motto: Sind wir nicht ein schönes Paar?
Der Architekt muss "den Abstand zwischen sich und der Aufgabe, zwischen sich und dem die Aufgabe verkörpernden Bauherrn ganz überspringen, muss sich so mit ihm gleichsetzen, wie der Dichter mit seinen Gestalten, wie der Schauspieler mit seinen Rollen."
Der Schöpfer, der geniale Interpret, der unbestechliche Tatmensch: Das etwa sind die mystischen Zuschreibungen des Berufsbildes, so sehen viele Architekten sich selbst. Politiker folgen dem nur allzu gern, wollen sie doch in die gleiche Rolle schlüpfen. Sie entwickeln eine Affinität für den erfolgreichen und namhaften Baumeister, weil sie damit einmal eine "mutige" Entscheidung treffen können, die keine harten Einschnitte bei ihrer Klientel bedeutet. Hier wird ja nicht, sagen wir einmal, den Krankenschwestern der Überstundenzuschlag gekürzt, die Mehrwertsteuer erhöht oder ein Staatstheater geschlossen. Eine Entscheidung also, die, so gesehen, politisch nichts - oder doch wenig - kostet und kein Risiko darstellt. Voraussetzung ist eigentlich nur, dass die Kür eines bestimmten Entwurfs und ihres Architekten von Entschlussfreude zeugt, "tatkräftig" wirkt und ein mediales Echo erwarten lässt.
Für das Spektakuläre müssen die Architekten sorgen. Das ist ihre Rolle in diesem Spiel.
Ich würde auch für den Teufel persönlich bauen. Wer mich beauftragt, kauft mich. Ich bin käuflich. Ich bin eine Hure. Ich bin ein Künstler.
Philip Johnson
Ja, stellen denn die Architekten letztlich nur die Handlanger ihrer jeweiligen (Bau)Herrschaft dar? Das wäre, Hand auf's Herz, schon ein bisschen niederschmetternd und mit den hehren Ansprüchen des Metiers nur schwerlich in Einklang zu bringen. Nach den Berufsgrundsätzen müsste doch auch die Art und Weise, wie ein Architekt an einen Bauauftrag kommt, sich eines prüfenden Blickes als würdig erweisen können. Denn allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz kann Architektur - wie sie entsteht und das, was sie bedingt - durchaus Auskunft über eine gesellschaftliche Verfassung geben, über allgemein anerkannte Spielregeln des Miteinanders. Wie hat es doch Union International des Architeces (UIA) im Jahre 1955 so trefflich festgelegt? Der Architekt "dient den Interessen seines Bauherrn soweit, als sie nicht in Widerspruch stehen zu seiner Pflichtauffassung und zu den Interessen der Allgemeinheit." Na also!
Indes, in diesem Kontext muss man auch die kulturelle Rolle des Baumeisters ansprechen. Tatsächlich ist diese Rolle ziemlich unbestimmt. Nicht umsonst wurde die Architektur amtlicherseits als "ein Gewerbe betrachtet, ohne dass dabei an eine hohe baukünstlerische Vorbildung oder eine besondere künstlerische Befähigung gedacht wird." Ist der Architekt nicht, sozusagen von Berufs wegen, viel zu stark dem Positivismus verpflichtet, den harten Fakten und der "guten Lösung", um kulturelle und gesellschaftsbeeinflussende Impulse zu produzieren?
Der Architekt verkauft das Produkt seiner geistigen Arbeit, und daher ist er in höherem Masse von seinen Auftraggebern abhängig als der Wursthändler von seiner Kundschaft.
Hannes Meyer
Entlarvt sich das große Wort von künstlerischer Individualität und Unabhängigkeit als bloßes Wunschdenken?
Die Kunst unserer Zeit ist am richtigen Platz, wenn sie sich an die Elite wendet.
Le Corbusier
Nun, wer wollte nicht lieber die (zahlungskräftigen und meinungsbildenden) Eliten bedienen, sich in ihren Kreisen bewegen, und das gemeine Volk außen vor lassen? Gleich und Gleich gesellt sich gern, heißt es. Es ist gleichwohl gefährlich, sich vom Anspruch zu verabschieden, mit einer "besseren" Architektur auf eine "bessere" Gesellschaft hin zu arbeiten.
Die Avantgarde der 20er Jahre gab hierzu wohl die größten Impulse. Denn es war ihre epochale Leistung, Modelle zu entwickeln, in denen der Anspruch auf eine Demokratisierung des Anteils des Ästhetischen am Leben mehr ist als der bloße Reflex ökonomischer Interessen. Gerade die fortschrittlichen Architekten damals wollten die Welt, so wie sie ist, zunächst einmal ungeschminkt zur Kenntnis nehmen, sich auf sie einlassen - um sie letztlich zu verändern. Davon hinübergerettet ins Heutige hat sich herzlich wenig. Wir sind, der Postmoderne sei Dank, von einem Artenreichtum der Stile und Formen umgeben, der ausschließlich den Gesetzen der Mode folgt: Heute hui, morgen pfui!
Die Architektur, so hat es einmal Siegfried Giedion formuliert, werde behandelt, wie ein Playboy das Leben behandelt - schnell aller Dinge überdrüssig und von einer Sensation zur anderen hastend. Von der sinnstiftenden Ganzheit durch eine gelungene Architektur kann die Rede nicht mehr sein. Unsere gesamte Wirklichkeit wird mehr und mehr in eine Zeichenwelt umgewertet. Und darin scheinen sich Politiker wie Architekten pudelwohl zu fühlen.
Richtiges begeistertes Kunstempfinden, mit der Macht, die Kunst zu fördern, in einer Person vereint, wie dies früher so häufig der Fall war, ist heute leider nicht möglich, da die Macht der Allgemeinheit, also Parlamenten, Gemeinden etc. etc. übertragen wurde, Kunstempfinden aber auf diese nicht übertragen werden kann.
Otto Wagner
Noch heute muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, was wichtiger ist: Ob Politik sich in Form und "Stil" der Architektur zu manifestieren habe, oder nicht vielmehr in der Art und Weise ihres Zustandekommens. Ginge es mit rechten demokratischen Dingen zu, dann wäre die Sache klar: Der politische (d.h. öffentliche) Bauherr hat zu definieren, was er will, ein Verfahren zu wählen, das so zweckdienlich wie nötig und so transparent wie möglich ist - und dann aber den Stab weiterzureichen an die Fachwelt. Dass nun häufig von einer Wettbwerbs-Jury auf eine eindeutige Entscheidung verzichtet und der Politik - genauer: der Spitze der Exekutive - anheimgestellt wird (wie beim Bundeskanzleramt), ist prekär, weil sie einer Kapitulation vor den "Sachzwängen" gleichkommt.
Selbstredend, so hat man den Eindruck, gilt etwa in Deutschland die bewährte Devise Juvenals: Hoc volo, sic inbeo, sit pro ratione voluntas. (Das will ich, so befehle ich, sei der Wille anstelle der Begründung.) Obskure Entscheidungen sind kein Privileg der Vergangenheit: Was etwa in Berlin beim Umbau der "Neuen Wache", dem Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums (DHM) oder dem Holocaust-Mahnmal kraft mannhaftem Kanzlerwort entschieden wurde, das mag die Peis und Eisenmans freuen. Ob es auch das Richtige ist für's Gemeinwohl, das sei dahingestellt.
Dem Architekten "fällt es zu, ein Thema rasch aufzugreifen und zu einer Gestaltung umzuformieren. Bei der Ähnlichkeit seiner thematischen Palette gelingt ihm dies auch rasch. Dadurch wird er zum beliebten und vielfach benützen Entscheidungsbringer. Wir dürfen uns aber nicht länger der Einsicht verschliessen, dass die gewohnten Entscheidungen des Architekten auf scharfen Reduktionen des Problems beruhen. Indem er das vom Politiker schon isolierte Thema noch auf eine Lösung hin verengt, verliert er grosse Teile der wirklichen Zusammenhänge aus dem Gesichtsfeld. (...) seine Menschen sind noch stärker stilisiert und etikettiert als jene des Politikers."
Lucius Burckhardt und Walter Förderer
Die Architekten-Stars: Sie bieten auffällige und ästhetische, mitunter unorthodoxe und gewagte Lösungen an. Dass diese Lösungen, weil problemverkürzend, häufig auch so praktikabel scheinen, muss ihnen ja nicht zum Nachteil gereichen. Schön soll's sein, beeindruckend, vielleicht auch ein bisschen monumental; und groß natürlich. Denn mit Kleinoden lässt sich kein Staat machen.
Wo Euro-Rettungsschirm, Haushaltskonsolidierung, Militäreinsätze in Afghanistan oder EU-Harmonisierungsrichtlinien sperrige, schwer fassbare und kaum gestaltbare Politikfelder abgeben, da schmückt man sich doch gerne mal mit der tollen Kuppel eines renommierten Architekten oder dem Schulterschluss mit einem so eloquenten wie international bekannten Star. Wenn man zudem seine Standhaftigkeit beweisen kann durch entschiedenes Eintreten für eine vermeintliche Autarkie des (bau)künstlerischen Ausdrucks: umso besser! Und alle Kritiker sind sowieso nur Neider.
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36082/1.html
Mitterrands Prestigeprojekt: Grande Arche nahe Paris
La Défense mit dem "Grande Arche
Die Super Sorbonne
Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums.
"Ich würde auch für den Teufel persönlich bauen. Wer mich beauftragt, kauft mich. Ich bin käuflich. Ich bin eine Hure. Ich bin ein Künstler."
http://www.dasdossier.de/presseschau/kultur/architektur/baumeister-des-teufels
Über die geheime Bruderschaft von Politik und Architektur
Schöpferisches Image, imperialer Habitus
Es ist weithin bekannt, dass in Paris, nicht erst seit Mitterrand, eine Architektur der großen Gesten und Namen zelebriert wird. Louvre-Umbau (I.M. Pei), Institut du Monde Arabe (Jean Nouvel) oder Bibliothèque National de France (Dominique Perrault) sprechen hier eine deutliche Sprache. Letztlich geht das ganze Büroviertel La Défense mit seinem signalhaften "Grande Arche" (als Korrespondent zum kilometerweit entfernten Triumphbogen) auf präsidiale Weichenstellungen zurück.
Von Le Musée d'Orsay bis zu Musée National des Techniques, von La Villette bis zu La Cité de la Musique: Nicht umsonst werden diese Unternehmungen "Grand Projets de L'Etat" ganannt. Nun soll aus Paris die Weltmetropole "Grand Paris" werden, und kein anderer als Nicolas Sarkozy höchstselbst engagiert sich dafür. Seine Vision ist auf Übertrumpfung seines Amtsvorgängers angelegt, der sich mit Aplomb in die Architekturgeschichte der französischen Hauptstadt eingeschrieben hat. Dazu ließ er eine prominent besetzte, internationale Ideenwerkstatt Grand Pari(s) de l'agglomération parisienne (Die große Herausforderung Großraum Paris) abhalten. Dabei geht es um nichts Geringeres als den Umbau der gesamten Zentralregion: die, so Sarkozy, "größte Herausforderung der Politik des 21. Jahrhunderts" (Was Sarkozy aus Paris machen will).
Freilich gibt es auch andernorts solche Tendenzen; nur verschämter, mitnichten so souverän in Szene gesetzt wie in Frankreich. Dass Architektur und Politik einander - mal misstrauisch, mal euphorisch - umgarnen, ist immer häufiger zu beobachten. Nicht nur, dass im allgemeinen Sprachgebrauch der Architekt gleichsam omnipräsent geworden ist - welcher namhafte Politiker baut heute nicht am "europäischen Haus" oder ähnlichen Vorhaben herum? -, nein, Architektur scheint derzeit Treibstoff und Transmissionsriemen in einem zu sein, um gesellschaftliche Prozesse zu befördern.
Doch leider geht es ihr wie den übrigen Künsten: anything goes ist die Folge von everything was. Antworten auf die Fragen, was "die Politik" der Architektur (noch) zu bieten hat oder wie "die Baukultur" die Sphäre des Politischen tangiert, hängen naturgemäß vom Standpunkt des Betrachters ab und fallen entsprechend kontrovers aus. Klar ist lediglich, dass einerseits Geld knapp und öffentliche Bauaufträge rar geworden, andererseits die Selbstdarstellungsbedürfnisse, oder doch wenigstens die Abhängigkeiten von medialer Zuwendung, gewachsen sind.
Letzteres dürfte heute überhaupt das entscheidende Stichwort sein. Grundsätzlich muss man sehen: Bei allen relevanten Städtebauprojekten führen heutzutage Investoren die Bildregie, in einem wie auch immer gearteten Verbund mit der Politik. Sie setzen auf eine Form der Markenbildung (Branding), die den Kontext unberücksichtigt lässt. Und sie benötigen (Star)Architekten dafür, eben dieses Defizit auszugleichen. Darüber hinaus gibt es augenscheinlich bei Politikern, gleich welcher Couleur, eine gewisse Anfälligkeit für die big names der Szene. Dergleichen vollzieht sich zwar alles andere als verstohlen, wird aber so gut wie nie thematisiert, außer in Nebensätzen oder gelegentlichen Pressefotos. Umso mehr ist es angeraten, auf die Beziehung zwischen Politikern und Star-Architekten einmal einen kritischen Blick zu werfen.
Kunst entsteht durch Eingebung starker Individualitäten und ist die freie, durch materielle Bedingungen unbehinderte Erfüllung psychischen Dranges. Sie entsteht nicht durch Zufälligkeit, sondern als Schöpfung nach dem intensiven und bewussten Willen des befreiten, menschlichen Geistes.
Peter Behrens
Politiker und Architekten vereint die Suche nach dem medienwirksamen Spektakel
Kaum ein künstlerischer Beruf genießt so hohes Ansehen wie der des Architekten. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass sich dieser Berufsstand im allgemeinen weniger diven- und dandyhaft benimmt als etwa Schauspieler, Regisseure oder auch manche Maler; dass seine Mitglieder zwar in aller Öffentlichkeit sichtbare Dinge schaffen, aber auf der Straße kaum erkannt werden und von ihrem Privatleben selten etwas nach außen dringt. Dabei sind Architekten auch nur Menschen.
Ich will Dir was im Vertrauen sagen: Wenn Du als Architekt Erfolg haben willst, musst Du eine Art Hochstapler sein! - Ganz im Ernst, man muss Seiltanzen können und viele Dinge machen, die Du auf Hochschulen niemals lernst - Dinge, die aber beinahe wichtiger sind als das, was Du da hörst.
Alvar Alto
In Anbetracht der gegenwärtigen Wirtschaftslage nimmt es nicht Wunder, wenn Architekten nach jedem Auftragsstrohhalm greifen. Wollen doch die meisten von ihnen dasselbe wie andere Zeitgenossen: Geld verdienen, gut leben, ihre Ideen verwirklichen, sich einen Platz in der Geschichte sichern. Aber dazu müssen sie sich in der Regel auch den gleichen ökonomischen Mechanismen stellen. Im Kulturbereich heißt das: Wer viel Wirbel macht, erringt viel Aufmerksamkeit, avanciert womöglich zum Star - dessen Glanz strahlen und die Mächtigen anziehen möge!
Architekten scheinen heute nur eines gemein zu haben - nämlich etwas verkaufen zu wollen: um genau zu sein, sich selbst. Natürlicherweise ist schließlich das, was verkauft wird, hauptsächlich sie selber. Auf Architektur kommt es ihnen dabei nicht an.
Frank Lloyd Wright
Um große Aufträge zu ergattern, treten Architekten gern mit ausufernden und abstrusen Entwürfen an die Öffentlichkeit (um eben deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen). Da die Politiker davon in der Regel eher weniger verstehen, intuitiv jedoch das Spektakuläre, Aufsehenerregende - und, auch das, die damit einhergehende Publizität - erfassen, stellen sie sich gern vor solche Konzepte, Vorschläge und Modelle. Und an die Seite ihrer Schöpfer. Frei nach dem Motto: Sind wir nicht ein schönes Paar?
Der Architekt muss "den Abstand zwischen sich und der Aufgabe, zwischen sich und dem die Aufgabe verkörpernden Bauherrn ganz überspringen, muss sich so mit ihm gleichsetzen, wie der Dichter mit seinen Gestalten, wie der Schauspieler mit seinen Rollen."
Der Schöpfer, der geniale Interpret, der unbestechliche Tatmensch: Das etwa sind die mystischen Zuschreibungen des Berufsbildes, so sehen viele Architekten sich selbst. Politiker folgen dem nur allzu gern, wollen sie doch in die gleiche Rolle schlüpfen. Sie entwickeln eine Affinität für den erfolgreichen und namhaften Baumeister, weil sie damit einmal eine "mutige" Entscheidung treffen können, die keine harten Einschnitte bei ihrer Klientel bedeutet. Hier wird ja nicht, sagen wir einmal, den Krankenschwestern der Überstundenzuschlag gekürzt, die Mehrwertsteuer erhöht oder ein Staatstheater geschlossen. Eine Entscheidung also, die, so gesehen, politisch nichts - oder doch wenig - kostet und kein Risiko darstellt. Voraussetzung ist eigentlich nur, dass die Kür eines bestimmten Entwurfs und ihres Architekten von Entschlussfreude zeugt, "tatkräftig" wirkt und ein mediales Echo erwarten lässt.
Für das Spektakuläre müssen die Architekten sorgen. Das ist ihre Rolle in diesem Spiel.
Ich würde auch für den Teufel persönlich bauen. Wer mich beauftragt, kauft mich. Ich bin käuflich. Ich bin eine Hure. Ich bin ein Künstler.
Philip Johnson
Ja, stellen denn die Architekten letztlich nur die Handlanger ihrer jeweiligen (Bau)Herrschaft dar? Das wäre, Hand auf's Herz, schon ein bisschen niederschmetternd und mit den hehren Ansprüchen des Metiers nur schwerlich in Einklang zu bringen. Nach den Berufsgrundsätzen müsste doch auch die Art und Weise, wie ein Architekt an einen Bauauftrag kommt, sich eines prüfenden Blickes als würdig erweisen können. Denn allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz kann Architektur - wie sie entsteht und das, was sie bedingt - durchaus Auskunft über eine gesellschaftliche Verfassung geben, über allgemein anerkannte Spielregeln des Miteinanders. Wie hat es doch Union International des Architeces (UIA) im Jahre 1955 so trefflich festgelegt? Der Architekt "dient den Interessen seines Bauherrn soweit, als sie nicht in Widerspruch stehen zu seiner Pflichtauffassung und zu den Interessen der Allgemeinheit." Na also!
Indes, in diesem Kontext muss man auch die kulturelle Rolle des Baumeisters ansprechen. Tatsächlich ist diese Rolle ziemlich unbestimmt. Nicht umsonst wurde die Architektur amtlicherseits als "ein Gewerbe betrachtet, ohne dass dabei an eine hohe baukünstlerische Vorbildung oder eine besondere künstlerische Befähigung gedacht wird." Ist der Architekt nicht, sozusagen von Berufs wegen, viel zu stark dem Positivismus verpflichtet, den harten Fakten und der "guten Lösung", um kulturelle und gesellschaftsbeeinflussende Impulse zu produzieren?
Der Architekt verkauft das Produkt seiner geistigen Arbeit, und daher ist er in höherem Masse von seinen Auftraggebern abhängig als der Wursthändler von seiner Kundschaft.
Hannes Meyer
Entlarvt sich das große Wort von künstlerischer Individualität und Unabhängigkeit als bloßes Wunschdenken?
Die Kunst unserer Zeit ist am richtigen Platz, wenn sie sich an die Elite wendet.
Le Corbusier
Nun, wer wollte nicht lieber die (zahlungskräftigen und meinungsbildenden) Eliten bedienen, sich in ihren Kreisen bewegen, und das gemeine Volk außen vor lassen? Gleich und Gleich gesellt sich gern, heißt es. Es ist gleichwohl gefährlich, sich vom Anspruch zu verabschieden, mit einer "besseren" Architektur auf eine "bessere" Gesellschaft hin zu arbeiten.
Die Avantgarde der 20er Jahre gab hierzu wohl die größten Impulse. Denn es war ihre epochale Leistung, Modelle zu entwickeln, in denen der Anspruch auf eine Demokratisierung des Anteils des Ästhetischen am Leben mehr ist als der bloße Reflex ökonomischer Interessen. Gerade die fortschrittlichen Architekten damals wollten die Welt, so wie sie ist, zunächst einmal ungeschminkt zur Kenntnis nehmen, sich auf sie einlassen - um sie letztlich zu verändern. Davon hinübergerettet ins Heutige hat sich herzlich wenig. Wir sind, der Postmoderne sei Dank, von einem Artenreichtum der Stile und Formen umgeben, der ausschließlich den Gesetzen der Mode folgt: Heute hui, morgen pfui!
Die Architektur, so hat es einmal Siegfried Giedion formuliert, werde behandelt, wie ein Playboy das Leben behandelt - schnell aller Dinge überdrüssig und von einer Sensation zur anderen hastend. Von der sinnstiftenden Ganzheit durch eine gelungene Architektur kann die Rede nicht mehr sein. Unsere gesamte Wirklichkeit wird mehr und mehr in eine Zeichenwelt umgewertet. Und darin scheinen sich Politiker wie Architekten pudelwohl zu fühlen.
Richtiges begeistertes Kunstempfinden, mit der Macht, die Kunst zu fördern, in einer Person vereint, wie dies früher so häufig der Fall war, ist heute leider nicht möglich, da die Macht der Allgemeinheit, also Parlamenten, Gemeinden etc. etc. übertragen wurde, Kunstempfinden aber auf diese nicht übertragen werden kann.
Otto Wagner
Noch heute muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, was wichtiger ist: Ob Politik sich in Form und "Stil" der Architektur zu manifestieren habe, oder nicht vielmehr in der Art und Weise ihres Zustandekommens. Ginge es mit rechten demokratischen Dingen zu, dann wäre die Sache klar: Der politische (d.h. öffentliche) Bauherr hat zu definieren, was er will, ein Verfahren zu wählen, das so zweckdienlich wie nötig und so transparent wie möglich ist - und dann aber den Stab weiterzureichen an die Fachwelt. Dass nun häufig von einer Wettbwerbs-Jury auf eine eindeutige Entscheidung verzichtet und der Politik - genauer: der Spitze der Exekutive - anheimgestellt wird (wie beim Bundeskanzleramt), ist prekär, weil sie einer Kapitulation vor den "Sachzwängen" gleichkommt.
Selbstredend, so hat man den Eindruck, gilt etwa in Deutschland die bewährte Devise Juvenals: Hoc volo, sic inbeo, sit pro ratione voluntas. (Das will ich, so befehle ich, sei der Wille anstelle der Begründung.) Obskure Entscheidungen sind kein Privileg der Vergangenheit: Was etwa in Berlin beim Umbau der "Neuen Wache", dem Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums (DHM) oder dem Holocaust-Mahnmal kraft mannhaftem Kanzlerwort entschieden wurde, das mag die Peis und Eisenmans freuen. Ob es auch das Richtige ist für's Gemeinwohl, das sei dahingestellt.
Dem Architekten "fällt es zu, ein Thema rasch aufzugreifen und zu einer Gestaltung umzuformieren. Bei der Ähnlichkeit seiner thematischen Palette gelingt ihm dies auch rasch. Dadurch wird er zum beliebten und vielfach benützen Entscheidungsbringer. Wir dürfen uns aber nicht länger der Einsicht verschliessen, dass die gewohnten Entscheidungen des Architekten auf scharfen Reduktionen des Problems beruhen. Indem er das vom Politiker schon isolierte Thema noch auf eine Lösung hin verengt, verliert er grosse Teile der wirklichen Zusammenhänge aus dem Gesichtsfeld. (...) seine Menschen sind noch stärker stilisiert und etikettiert als jene des Politikers."
Lucius Burckhardt und Walter Förderer
Die Architekten-Stars: Sie bieten auffällige und ästhetische, mitunter unorthodoxe und gewagte Lösungen an. Dass diese Lösungen, weil problemverkürzend, häufig auch so praktikabel scheinen, muss ihnen ja nicht zum Nachteil gereichen. Schön soll's sein, beeindruckend, vielleicht auch ein bisschen monumental; und groß natürlich. Denn mit Kleinoden lässt sich kein Staat machen.
Wo Euro-Rettungsschirm, Haushaltskonsolidierung, Militäreinsätze in Afghanistan oder EU-Harmonisierungsrichtlinien sperrige, schwer fassbare und kaum gestaltbare Politikfelder abgeben, da schmückt man sich doch gerne mal mit der tollen Kuppel eines renommierten Architekten oder dem Schulterschluss mit einem so eloquenten wie international bekannten Star. Wenn man zudem seine Standhaftigkeit beweisen kann durch entschiedenes Eintreten für eine vermeintliche Autarkie des (bau)künstlerischen Ausdrucks: umso besser! Und alle Kritiker sind sowieso nur Neider.
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Mitterrands Prestigeprojekt: Grande Arche nahe Paris
La Défense mit dem "Grande Arche
Die Super Sorbonne
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