Wenn die Kasse das Krankengeld streicht
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Wenn die Kasse das Krankengeld streicht
Patienten in Deutschland werden regelmäßig ungerechtfertigt medizinische Leistungen und Krankengeld verweigert. Das geht aus einer Analyse von 75 000 Beratungsgesprächen hervor, die die Unabhängige Patientenberatung Deutschland innerhalb eines Jahres führte
Viele Patienten haben Angst vor einem Behandlungsfehler, weil sie ihre Diagnose nicht nachvollziehen können. Foto: Wüstenhagen/dpaFoto: Wüstenhagen/dpa
Berlin/Saarbrücken. Sechs von zehn Patienten in Deutschland fühlen sich von Ärzten oder Kassen nur unzureichend über ihre Rechte informiert. Dadurch bekommen sie oft medizinische Leistungen verweigert. Das geht aus dem aktuellen Bilanz-Bericht der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde.
Christine M. ist seit einem halben Jahr krankgeschrieben. Die 46-Jährige leidet unter schweren Depressionen und sieht sich außerstande, ihre Arbeit als Pflegekraft im Schichtdienst wieder aufzunehmen. Nachdem sich ihre Krankenkasse mehrmals telefonisch nach ihrem Gesundheitszustand erkundigte, teilte sie Frau M. mit, dass sie kein Krankengeld mehr erhalten werde. Begründung: Der Medizinische Dienst der Kasse habe nach Aktenlage entschieden, dass Frau M. wieder gesund sei. Die Betroffene fühlt sich nicht nur psychisch enorm unter Druck gesetzt, sie weiß auch nicht, wovon sie nun leben soll. Dabei hatte ihr Arzt gerade erst die Krankschreibung verlängert.
Solche Geschichten bekommen die Mitarbeiter in den bundesweit 21 Zweigstellen der UPD beinah täglich zu hören. Allein zwischen April 2012 und März 2013 führten sie mehr als 75 000 Gespräche auf Ersuchen von Patienten durch. In 14 500 Fällen gab es handfeste Beschwerden. Neben der kurzfristigen Streichung des Krankengeldes ging es dabei vor allem um das Recht auf Einsichtnahme in Krankenunterlagen und die Frage, ob Patienten bestimmte Leistungen zu Unrecht verwehrt werden. In rund 6800 Fällen wurde auch der Verdacht auf Behandlungsfehler thematisiert. Dabei gehe es gar nicht in erster Linie um Schadenersatz, wie UPD-Geschäftsführer Sebastian Schmidt-Kaehler erläuterte, sondern schlicht darum, eine Behandlung nachzuvollziehen. „Viele Patienten haben Angst, ohne Medizinstudium nicht mitreden zu können“, hat Schmidt-Kaehler beobachtet. Häufig ist das auch bei zahnmedizinischen Eingriffen der Fall. Für manche Patienten ist der „Heil- und Kostenplan“ ein Buch mit sieben Siegeln, weil er zu kompliziert formuliert ist. Andere suchen Informationen über die Rechtmäßigkeit der Selbstkosten bei Zahnersatz.
Doch was geschieht nun mit den Erkenntnissen aus dem Bilanz-Bericht? Nach Einschätzung des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, lassen sich einige Probleme auf dem „kurzen Dienstweg“ regeln. Heil- und Kostenpläne könnten „übersichtlicher“ gestaltet werden, und die Krankenkassen müssten ihre Kommunikation gegenüber Patienten überdenken. Dass solche Appelle funktionieren können, zeigt ein Beispiel aus der Vergangenheit: Als sich die Beschwerden über eine Ablehnung von Mütter-Kind-Kuren häuften, wurden Vertreter der Krankenkassen und Heimbetreiber kurzerhand ins Gesundheitsministerium zum Rapport einbestellt. Danach sei die Zahl der Kuren um 17 Prozent gestiegen, erklärte Zöller.
Verbesserungsbedarf gibt es freilich auch bei der Unabhängigen Patientenberatung selbst. „Wir sind mindestens am Anschlag“, klagte Schmidt-Kaehler. Tatsächlich ist das kostenfreie Service-Telefon der vor sieben Jahren per Gesetz geschaffenen Einrichtung zumeist völlig überlastet. Das bestätigte auch Michaela Schwabe, die in Berlin für die UPD Patienten berät. „Oft führe ich 20 Gespräche am Tag“. Mehr sei angesichts der häufig komplizierten Materie nicht zu schaffen, meinte Schwabe.
Der saarländische Landeschef des Sozialverbandes VdK, Armin Lang, fordert deshalb ein flächendeckendes Netz an Patientenberatungen in den Bundesländern. Und darüber hinaus einen unabhängigen Patientenbeauftragten in jedem Land, der in enger Zusammenarbeit mit den Beratern Missstände öffentlich macht.
Quelle
Viele Patienten haben Angst vor einem Behandlungsfehler, weil sie ihre Diagnose nicht nachvollziehen können. Foto: Wüstenhagen/dpaFoto: Wüstenhagen/dpa
Berlin/Saarbrücken. Sechs von zehn Patienten in Deutschland fühlen sich von Ärzten oder Kassen nur unzureichend über ihre Rechte informiert. Dadurch bekommen sie oft medizinische Leistungen verweigert. Das geht aus dem aktuellen Bilanz-Bericht der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde.
Christine M. ist seit einem halben Jahr krankgeschrieben. Die 46-Jährige leidet unter schweren Depressionen und sieht sich außerstande, ihre Arbeit als Pflegekraft im Schichtdienst wieder aufzunehmen. Nachdem sich ihre Krankenkasse mehrmals telefonisch nach ihrem Gesundheitszustand erkundigte, teilte sie Frau M. mit, dass sie kein Krankengeld mehr erhalten werde. Begründung: Der Medizinische Dienst der Kasse habe nach Aktenlage entschieden, dass Frau M. wieder gesund sei. Die Betroffene fühlt sich nicht nur psychisch enorm unter Druck gesetzt, sie weiß auch nicht, wovon sie nun leben soll. Dabei hatte ihr Arzt gerade erst die Krankschreibung verlängert.
Solche Geschichten bekommen die Mitarbeiter in den bundesweit 21 Zweigstellen der UPD beinah täglich zu hören. Allein zwischen April 2012 und März 2013 führten sie mehr als 75 000 Gespräche auf Ersuchen von Patienten durch. In 14 500 Fällen gab es handfeste Beschwerden. Neben der kurzfristigen Streichung des Krankengeldes ging es dabei vor allem um das Recht auf Einsichtnahme in Krankenunterlagen und die Frage, ob Patienten bestimmte Leistungen zu Unrecht verwehrt werden. In rund 6800 Fällen wurde auch der Verdacht auf Behandlungsfehler thematisiert. Dabei gehe es gar nicht in erster Linie um Schadenersatz, wie UPD-Geschäftsführer Sebastian Schmidt-Kaehler erläuterte, sondern schlicht darum, eine Behandlung nachzuvollziehen. „Viele Patienten haben Angst, ohne Medizinstudium nicht mitreden zu können“, hat Schmidt-Kaehler beobachtet. Häufig ist das auch bei zahnmedizinischen Eingriffen der Fall. Für manche Patienten ist der „Heil- und Kostenplan“ ein Buch mit sieben Siegeln, weil er zu kompliziert formuliert ist. Andere suchen Informationen über die Rechtmäßigkeit der Selbstkosten bei Zahnersatz.
Doch was geschieht nun mit den Erkenntnissen aus dem Bilanz-Bericht? Nach Einschätzung des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, lassen sich einige Probleme auf dem „kurzen Dienstweg“ regeln. Heil- und Kostenpläne könnten „übersichtlicher“ gestaltet werden, und die Krankenkassen müssten ihre Kommunikation gegenüber Patienten überdenken. Dass solche Appelle funktionieren können, zeigt ein Beispiel aus der Vergangenheit: Als sich die Beschwerden über eine Ablehnung von Mütter-Kind-Kuren häuften, wurden Vertreter der Krankenkassen und Heimbetreiber kurzerhand ins Gesundheitsministerium zum Rapport einbestellt. Danach sei die Zahl der Kuren um 17 Prozent gestiegen, erklärte Zöller.
Verbesserungsbedarf gibt es freilich auch bei der Unabhängigen Patientenberatung selbst. „Wir sind mindestens am Anschlag“, klagte Schmidt-Kaehler. Tatsächlich ist das kostenfreie Service-Telefon der vor sieben Jahren per Gesetz geschaffenen Einrichtung zumeist völlig überlastet. Das bestätigte auch Michaela Schwabe, die in Berlin für die UPD Patienten berät. „Oft führe ich 20 Gespräche am Tag“. Mehr sei angesichts der häufig komplizierten Materie nicht zu schaffen, meinte Schwabe.
Der saarländische Landeschef des Sozialverbandes VdK, Armin Lang, fordert deshalb ein flächendeckendes Netz an Patientenberatungen in den Bundesländern. Und darüber hinaus einen unabhängigen Patientenbeauftragten in jedem Land, der in enger Zusammenarbeit mit den Beratern Missstände öffentlich macht.
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