Historische Geschichte: Der Gaswagen
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Historische Geschichte: Der Gaswagen
Kurz nach der Besetzung Polens wurden die dortigen Heil- und Pflegeanstalten nach Opfern durchkämmt, die von den Nationalsozialisten als „lebensunwert“ erachtet wurden. Diese wurden meist erschossen. Fast zeitgleich – das genaue Datum ist umstritten – mit den Probevergasungen vom Januar 1940[9] in der NS-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel wurde in Ostpreußen und Polen vom Sonderkommando Lange ein LKW-Anhänger als mobile Gaskammer eingesetzt. Es handelte sich hierbei um einen durch die Aufschrift „Kaiser’s Kaffee Geschäft“ getarnten Anhänger, in den reines Kohlenstoffmonoxidgas aus einigen in der Zugmaschine mitgeführten Stahlflaschen eingeleitet wurde.[10] Dieses Gespann wurde nur von Januar 1940 bis Juli 1941 eingesetzt,[11] da die Anlieferung der Gasflaschen aus Ludwigshafen nicht praktikabel war.
Auf Anregung von Heinrich Himmler wurden im Herbst 1941 in Mogilew[12] Tötungsversuche mit Autoabgasen durchgeführt, um die Erschießungskommandos künftig von ihren blutigen Mordtaten entlasten zu können. Am 3. November 1941 wurde ein Gaswagen in Sachsenhausen erprobt; dabei tötete man 30 sowjetische Kriegsgefangene mit Motorabgasen. Wahrscheinlich wurden dort auch ein zweiter, größerer Saurer-Lastwagen geprüft und weitere Probevergasungen durchgeführt.[13]
Seit Dezember 1941 waren Gaswagen in Chelmno/Kulmhof stationiert, aber auch in Riga, im Wartheland und bei vier Einsatzgruppen im Einsatz.[14] 1942 wurde ein Gaswagen aus Berlin zum Einsatz in das besetzte Serbien beordert. Zwischen März und Juni 1942 wurden 7.500 Juden, Roma und Sinti aus dem seinerzeit auf kroatischem Gebiet liegenden KZ Sajmište auf der Fahrt mitten durch Belgrad nach Jajinci,[15] wo die Leichen in eine Grube geworfen wurden, ermordet. Nach diesem Einsatz wurde der Gaswagen per Bahn nach Berlin überstellt und nach einer Überholung anschließend bei der Einsatzgruppe B in Weißrussland (Minsk) eingesetzt. Auch bei den KdS-Dienststellen, den Nachfolgeinstitutionen der Einsatzgruppen, wurden sie teilweise für die Hinrichtung von Häftlingen – vor allem von Juden – verwendet, so z. B. in Kiew 1942/43.
In Mogilew nutzte die Gruppe 570 der Geheimen Feldpolizei zwischen Ende April und Juni 1944 einen provisorisch umgerüsteten Beute-Lastwagen als Gaswagen.[16]
Technik
Beim Bau dieser Gaswagen beriet das Kriminaltechnische Institut der Sicherheitspolizei in Berlin die Auftraggeber. Das Referat II D 3 a des RSHA unter Walter Rauff ließ sechs kleinere 3,5-t-Lastwagen der Marke Diamond und Opel-Blitz umrüsten und bestellte Ende 1941 die ersten fünf von insgesamt 30 Saurer-Wagen, die größer waren und bis zu 100 Personen fassten.[17] In Chelmno war auch ein Renault-LKW mit Ottomotor eingesetzt.
Die Kastenaufbauten mit dicht schließender Flügeltür am Heck wurden von der Firma Gaubschat / Berlin-Neukölln geliefert. Die Umrüstung zum Gaswagen wurde in der Werkstatt des Referates II D 3 a vorgenommen. Der Zeuge Harry Wentritt schilderte dies 1961 vor dem Gericht in Hannover so:[18]
„Dort wurde am Auspuff ein Abgasschlauch angebracht, der von außen zum Boden des Wagens geführt wurde. In diesen Wagen bohrten wir ein Loch im Durchmesser von etwa 58 bis 60 mm, in Stärke des Auspuffrohres. Im Wageninnern, über diesem Loch, wurde ein Metallrohr (Auspuffrohr) angeschweißt, das mit dem von außen herangeführten Abgasschlauch verbunden war bzw. verbunden werden konnte. Bei Anlassen des Motors und nach hergestellten Verbindungen gingen die Auspuffgase des Motors durch den Auspuff in den Abgasschlauch und von dort in das im Wageninneren angebrachte Auspuffrohr, wo das Gas sich dann verteilte.“
Der Kastenanbau war innen mit Blech verkleidet und mit einem ausziehbaren Rost ausgestattet. Ein anfangs angebrachtes kleines Sichtfenster wurde bei späteren Versionen weggelassen.
Je nach Größe der wie Möbelwagen aussehenden LKWs wurden 25 bis 50 Opfer zum Einsteigen genötigt. Der Motor wurde für wenigstens zehn Minuten betrieben. Während dieser Zeit waren oft Schreie und Klopfen der eingeschlossenen Menschen zu hören, die in Todesangst zur fest verriegelten Tür drängten. Der zur Inspektion beorderte Chemiker August Becker schrieb:[19]
„Die Vergasung wird durchweg nicht richtig vorgenommen. Um die Aktion möglichst schnell zu beenden, geben die Fahrer durchweg Vollgas. Durch diese Maßnahme erleiden die zu Exekutierenden den Erstickungstod und nicht wie vorgesehen, den Einschläferungstod. Meine Anleitungen haben nun ergeben, daß bei richtiger Einstellung der Hebel der Tod schneller eintritt und die Häftlinge friedlich einschlafen.“
Wenn der CO-Gehalt im Wagen den Wert von 1 Prozent überstiegen hatte, traten tiefe Bewusstlosigkeit und dann der Tod ein.
Nach einem erhaltenen Dokument vom 5. Juni 1942 waren seit Dezember 1941 in drei derartigen in Kulmhof tätigen Gaswagen 97.000 Juden getötet worden.[20]
Im Chełmno/Kulmhof waren zwei (zeitweilig auch drei) Gaswagen stationiert. In den größten Lastwagen, der einem dunkel angestrichenen Möbelwagen glich, wurden 100 bis 120 Personen hineingezwängt.[21] Dort wurden allein im Januar 1942 10.003 Personen ermordet. Die Vernichtungsaktion wurde im März 1943 vorübergehend beendet, Ende Mai 1944 jedoch wieder aufgenommen und bis Januar 1945 fortgeführt.
Frühe polnische Schätzungen gingen von mehr als 300.000 Menschen aus, die in Chelmno durch Motorabgase ermordet wurden. Anfang der 1960er-Jahre stellten Gerichte eine Mindestzahl von 152.676 Opfern fest; sie stützten sich dabei ausschließlich auf noch vorhandenes urkundliches Material.[22][23]
Quelle-Literatur & Einzelnachweise
Auf Anregung von Heinrich Himmler wurden im Herbst 1941 in Mogilew[12] Tötungsversuche mit Autoabgasen durchgeführt, um die Erschießungskommandos künftig von ihren blutigen Mordtaten entlasten zu können. Am 3. November 1941 wurde ein Gaswagen in Sachsenhausen erprobt; dabei tötete man 30 sowjetische Kriegsgefangene mit Motorabgasen. Wahrscheinlich wurden dort auch ein zweiter, größerer Saurer-Lastwagen geprüft und weitere Probevergasungen durchgeführt.[13]
Seit Dezember 1941 waren Gaswagen in Chelmno/Kulmhof stationiert, aber auch in Riga, im Wartheland und bei vier Einsatzgruppen im Einsatz.[14] 1942 wurde ein Gaswagen aus Berlin zum Einsatz in das besetzte Serbien beordert. Zwischen März und Juni 1942 wurden 7.500 Juden, Roma und Sinti aus dem seinerzeit auf kroatischem Gebiet liegenden KZ Sajmište auf der Fahrt mitten durch Belgrad nach Jajinci,[15] wo die Leichen in eine Grube geworfen wurden, ermordet. Nach diesem Einsatz wurde der Gaswagen per Bahn nach Berlin überstellt und nach einer Überholung anschließend bei der Einsatzgruppe B in Weißrussland (Minsk) eingesetzt. Auch bei den KdS-Dienststellen, den Nachfolgeinstitutionen der Einsatzgruppen, wurden sie teilweise für die Hinrichtung von Häftlingen – vor allem von Juden – verwendet, so z. B. in Kiew 1942/43.
In Mogilew nutzte die Gruppe 570 der Geheimen Feldpolizei zwischen Ende April und Juni 1944 einen provisorisch umgerüsteten Beute-Lastwagen als Gaswagen.[16]
Technik
Beim Bau dieser Gaswagen beriet das Kriminaltechnische Institut der Sicherheitspolizei in Berlin die Auftraggeber. Das Referat II D 3 a des RSHA unter Walter Rauff ließ sechs kleinere 3,5-t-Lastwagen der Marke Diamond und Opel-Blitz umrüsten und bestellte Ende 1941 die ersten fünf von insgesamt 30 Saurer-Wagen, die größer waren und bis zu 100 Personen fassten.[17] In Chelmno war auch ein Renault-LKW mit Ottomotor eingesetzt.
Die Kastenaufbauten mit dicht schließender Flügeltür am Heck wurden von der Firma Gaubschat / Berlin-Neukölln geliefert. Die Umrüstung zum Gaswagen wurde in der Werkstatt des Referates II D 3 a vorgenommen. Der Zeuge Harry Wentritt schilderte dies 1961 vor dem Gericht in Hannover so:[18]
„Dort wurde am Auspuff ein Abgasschlauch angebracht, der von außen zum Boden des Wagens geführt wurde. In diesen Wagen bohrten wir ein Loch im Durchmesser von etwa 58 bis 60 mm, in Stärke des Auspuffrohres. Im Wageninnern, über diesem Loch, wurde ein Metallrohr (Auspuffrohr) angeschweißt, das mit dem von außen herangeführten Abgasschlauch verbunden war bzw. verbunden werden konnte. Bei Anlassen des Motors und nach hergestellten Verbindungen gingen die Auspuffgase des Motors durch den Auspuff in den Abgasschlauch und von dort in das im Wageninneren angebrachte Auspuffrohr, wo das Gas sich dann verteilte.“
Der Kastenanbau war innen mit Blech verkleidet und mit einem ausziehbaren Rost ausgestattet. Ein anfangs angebrachtes kleines Sichtfenster wurde bei späteren Versionen weggelassen.
Je nach Größe der wie Möbelwagen aussehenden LKWs wurden 25 bis 50 Opfer zum Einsteigen genötigt. Der Motor wurde für wenigstens zehn Minuten betrieben. Während dieser Zeit waren oft Schreie und Klopfen der eingeschlossenen Menschen zu hören, die in Todesangst zur fest verriegelten Tür drängten. Der zur Inspektion beorderte Chemiker August Becker schrieb:[19]
„Die Vergasung wird durchweg nicht richtig vorgenommen. Um die Aktion möglichst schnell zu beenden, geben die Fahrer durchweg Vollgas. Durch diese Maßnahme erleiden die zu Exekutierenden den Erstickungstod und nicht wie vorgesehen, den Einschläferungstod. Meine Anleitungen haben nun ergeben, daß bei richtiger Einstellung der Hebel der Tod schneller eintritt und die Häftlinge friedlich einschlafen.“
Wenn der CO-Gehalt im Wagen den Wert von 1 Prozent überstiegen hatte, traten tiefe Bewusstlosigkeit und dann der Tod ein.
Nach einem erhaltenen Dokument vom 5. Juni 1942 waren seit Dezember 1941 in drei derartigen in Kulmhof tätigen Gaswagen 97.000 Juden getötet worden.[20]
Im Chełmno/Kulmhof waren zwei (zeitweilig auch drei) Gaswagen stationiert. In den größten Lastwagen, der einem dunkel angestrichenen Möbelwagen glich, wurden 100 bis 120 Personen hineingezwängt.[21] Dort wurden allein im Januar 1942 10.003 Personen ermordet. Die Vernichtungsaktion wurde im März 1943 vorübergehend beendet, Ende Mai 1944 jedoch wieder aufgenommen und bis Januar 1945 fortgeführt.
Frühe polnische Schätzungen gingen von mehr als 300.000 Menschen aus, die in Chelmno durch Motorabgase ermordet wurden. Anfang der 1960er-Jahre stellten Gerichte eine Mindestzahl von 152.676 Opfern fest; sie stützten sich dabei ausschließlich auf noch vorhandenes urkundliches Material.[22][23]
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