Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland
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Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland
Als Nachkriegszeit wird in Deutschland die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis spätestens zum Abzug der letzten Alliierten in Berlin im September 1994 bezeichnet.[1] Nach dem Krieg sollte unter Verwaltung der Besatzungsmächte die staatliche Ordnung, Wirtschaft und Infrastruktur neu aufgebaut oder wiederhergestellt werden und die durch den Krieg entstandenen Schäden behoben werden. In diesen ersten Jahren der Nachkriegszeit litten große Teil der Bevölkerung unter Hunger und Knappheit an Gütern aller Art. Ab 1947 begann der Nachkriegsboom auch in Deutschland.
Kontext Europa
In Europa wird der Begriff Nachkriegszeit für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet, die Anfang Mai 1945 begann. Geprägt wurde diese Zeit durch Vertreibungen aus den deutschen und ehemaligen polnischen Ostgebieten und auf dem Balkan, sowie vom Überlebenskampf in den durch jahrelangen Bombenkrieg und Bodenkämpfe zerstörten Städten. Es herrschte große Wohnungsnot und Hunger. Millionen früherer Zwangsarbeiter und Verschleppter irrten als Displaced Persons heimatlos in Europa umher. Die Demographie mehrerer Länder in Mittel- und Osteuropa war wegen hoher Kriegsverluste (insbesondere von Männern im arbeitsfähigen Alter) nachhaltig geschädigt. Unzählige körperlich und psychisch versehrte Überlebende kamen hinzu. Während es in Europa außerhalb des Ostblocks ab den früheren 1950er Jahren („Korea-Boom“) meist zu einem stürmischen wirtschaftlichen Aufschwung (Konjunktur) kam, ging der Wiederaufbau der Sowjetunion, der DDR und der anderen Ostblockstaaten deutlich langsamer vonstatten.
Trotz zahlreicher Kriege und bewaffneter Konflikte in der ganzen Welt standen sich in Europa während des Kalten Krieges die beiden gegnerischen Machtblöcke bis zum Beginn der 1990er Jahre ohne militärische Auseinandersetzungen gegenüber („Atompatt“). Der oft befürchtete dritte Weltkrieg ist den Europäern erspart geblieben.
Nachkriegszeit in Deutschland – eine Übersicht
→ Hauptartikel: Deutschland 1945 bis 1949, Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950 und Flüchtlinge in Schleswig-Holstein (1945)
Obwohl es in „Deutschland“ nach dem Dreißigjährigen Krieg, den Befreiungskriegen und dem Ersten Weltkrieg markante Nachkriegszeiten gab, hat sich der Begriff „Nachkriegszeit“ nur für die Jahre nach 1945 eingebürgert.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag ein Großteil Europas, besonders Deutschlands, in Trümmern. Die Alliierten beschlossen nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht eine Politik der Demokratisierung, der Demilitarisierung, der Entnazifizierung, der Dezentralisierung und der Demontage; aus der Sicht großer Teile der deutschen Bevölkerung war dies aber Politik der Sieger – nur wenige vermochten die Besetzung Deutschlands als persönliche oder als allgemeine Befreiung vom Nationalsozialismus zu betrachten. Nachkriegszeit wurde in Westdeutschland zur umgangssprachlichen Zeitbestimmung für die Jahre nach dem ebenfalls umgangssprachlichen „Zusammenbruch“ von 1945 und zugleich eine Kontrastbeschreibung zur „Vorkriegszeit“, an die viele nun ihr Handeln direkt anschließen lassen wollten – das Leben fortsetzen. Eine „Befreiung“ wurde nur in der Sowjetischen Besatzungszone öffentlich propagiert, im Volksmund tauchte der Begriff erst viel später auf. Eben nicht für die Mehrheit, die ihre Hoffnung eher auf einen deutschen Endsieg gesetzt hatte, aber für kleinere Gruppen war es durchaus eine reale Befreiung gewesen: für die Insassen der Konzentrationslager, für die in der Zeit des Nationalsozialismus politisch Verfolgten (z. B. für überlebende Juden, Sinti und Roma, für Mitglieder der Kirchen (Bekennende Kirche), für Liberale, Sozialdemokraten, Kommunisten, Pazifisten, Wertkonservative u. a. m.), für „Abweichler“ (z. B. Geisteskranke, religiöse Minderheiten, Homosexuelle), für ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Für die meisten anderen galt, sofern es sich nicht um Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches handelte: Sie „merkten es gar nicht“, der Hitler war „weg“ und „die Besatzung herrschte“, mit einem Parlamentarischen Regierungssystem konnten die meisten nichts anfangen bzw. waren diesem Regierungssystem nach dem Scheitern der Weimarer Republik entfremdet. Es überwog noch viele Jahre deutlich die Selbstwahrnehmung der Deutschen als Opfer und nicht auch Täter des Krieges. Das von Deutschen angerichtete Leid wurde verdrängt oder ignoriert. So stießen von den westlichen Besatzungsmächten initiierte Filmvorführungen über NS-Konzentrationslager bisweilen auf wütende Ablehnung; bereits wenige Jahre nach Kriegsende wurde ein „Schlussstrich“ gefordert, was „die Sache mit den Juden“ anging. Diese weit verbreitete Mentalität kam auch im gern verwendeten Begriff „Stunde Null“ für die Situation des Mai 1945 zum Ausdruck.
Im Positiven überwog jedoch das Gefühl einer tiefen Erleichterung (keine Alarme mehr – man kann endlich wieder durchschlafen). Auch blieb der Überschwang der Karnevalsfeiern von 1946 bis 1949 noch lange im allgemeinen Gedächtnis. Wegen der desolaten Verhältnisse blühte vielerorts die Kriminalität, der eine schwache und überforderte Polizei kaum Herr wurde.
Unmittelbare Nachkriegszeit in den vier Besatzungszonen
Neben der Versorgung der Bevölkerung, welche versucht wurde zu sichern, hatten sich die vier Besatzungsmächte Großbritannien, Sowjetunion, USA und (später hinzu tretend) Frankreich bei der Nachkriegsordnung Deutschlands anfangs auf fünf Ziele geeinigt: Demontage, Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung und Dezentralisierung („die fünf Ds“). Die Siegermächte verstanden jedoch darunter sehr Unterschiedliches, zum Teil einander Widersprechendes. Sie verfolgten diese Ziele in ihren vier Besatzungszonen minder oder mehr energisch und auf sehr verschiedenen Wegen, was mit Hinblick auf die sich abzeichnende bipolare Weltordnung des späteren Ost-West-Konflikts zu konträren Ergebnissen führte.
Demontage – Der Abbau von Industrieanlagen diente zur Demilitarisierung und – vor allem in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) – als Reparationen für die Zerstörungen durch den Krieg und – im Falle Frankreichs und der Sowjetunion – durch die deutsche Besatzung. Die Demontagen wurden bald eingestellt – in den Westzonen wurde dagegen sogar gestreikt. Dies bahnte den Weg für das lange währende westdeutsche Bündnis zwischen Lohnarbeit und Kapital, den später so genannten „Rheinischen Kapitalismus“.
Demilitarisierung, Entmilitarisierung – Ursprünglich befürchtete man einen weiter anhaltenden Volkskrieg einer immer noch nazistischen Bevölkerung. Die Demilitarisierung wurde also energisch betrieben und bewirkte die völlige Entwaffnung Deutschlands, zumal der (aufgelösten) Wehrmacht und Waffen-SS, aber auch der Privathaushalte. Die Entmilitarisierung erwies sich langfristig als das – auch mental – am erfolgreichsten verfolgte Ziel.
Denazifizierung, Entnazifizierung – In jeder der vier Zonen wurden – je nach eigenen Gesichtspunkten – ‚Köpfe‘ des NS-Regimes verhaftet. Die relativ gründlichste konzeptuelle und mediale Vorbereitung für eine Reeducation hatte dabei in den USA stattgefunden. Sie schloss auch ein, dass Deutsche in der Amerikanischen Zone einen Fragebogen mit 131 Fragen vorgelegt bekamen – praktisch das erste Auftreten dieser Untersuchungsmethode in Deutschland. Wegen der unterschiedlichen und bald unsteten Entnazifizierungspolitik aller vier Besatzungsmächte sind ihre Ergebnisse jedoch nicht sehr aussagefähig. Es ergaben sich 1.667 Hauptschuldige, 150.425 Minderbelastete, 23.060 Belastete, 1.005.874 Mitläufer, 1.213.873 Entlastete und 1.265.749 Nichtbetroffene. Etliche Hauptschuldige wurden ab November 1945 in Nürnberg vor Gericht gestellt (Nürnberger Prozesse) – der Beginn des Völkerstrafrechts.
Demokratisierung – Im Mai und Oktober 1946 fanden erstmals wieder freie Wahlen auf Gemeinde- und Kreisebene statt. Bürgermeister und Landräte wurden gewählt. Diese „Demokratisierung“ von unten erwies sich in den drei Westzonen als überraschend erfolgreich, in der SBZ erfolgte nach den halbfreien Wahlen von 1946 die systematische Gleichschaltung der Parteien und der Zementierung der Macht der SED.
Dezentralisierung – Hier wurde vor allem zunächst der Föderalismus gefördert und der territorial größte Staat (Preußen) 1947 vom Alliierten Kontrollrat aufgelöst. Diese Zielvorgabe war in den Westzonen gleichfalls erfolgreich, in der SBZ wurde sie dann umgekehrt und die 1945 eingerichteten Länder im Jahr 1952 zugunsten zentraler Institutionen durch Bezirke – reine Verwaltungseinheiten – ersetzt.[2]
Der sich rasch abzeichnende Kalte Krieg (Ost-West-Konflikt) kam dabei den Deutschen ab 1947 sehr zugute, darunter vor allem auch den vormaligen Nationalsozialisten und politischen Verbrechern. Für später Geborene ist es kaum nachvollziehbar, worüber man alles nicht sprach, nicht einmal in den Familien (siehe Tabu). Stattdessen gab es – freilich nicht wenig – realen Stoff für Klagen (nicht heimkehrende Kriegsgefangene, Bombenterror, Flucht und dann Vertreibung, Hunger und Kälte, keine Informationen über den Verbleib von Gefallenen), begleitet von einem – den Besatzungsmächten bald auffallenden – übertriebenen Selbstmitleid und großem Unwillen, zur Kenntnis zu nehmen, wie viel Verbrechen, Leid und Elend das nationalsozialistische Deutschland ringsum und in der eigenen Mitte anderen zugefügt hatte.
Siehe auch: Föderalismus in Deutschland und Wirtschaftswunder
Die Entwicklung in Westdeutschland
Die Aufbauminister, 1949
Arbeitsloser, 1949
Akte des Trümmeramtes der Stadtverwaltung Köln
Der Beginn der „Nachkriegszeit“ wurde oftmals mit dem Terminus der Stunde Null verknüpft.[3] Die Stunde Null war die Zeit der Rache der Sieger, der Vertreibung und Vergewaltigungen, des Hungers und des Elends.[4] In neueren Betrachtungen, die auf geistige Kontinuitäten abheben, wird der Terminus der „Stunde Null“ kritisch gesehen, insofern die „Stunde Null“ in Bezug auf die mentale Lage der Bevölkerung fälschlich den völligen Untergang der bis dahin vorherrschenden und von der nationalsozialistischen Propaganda aufgenommenen und umgeprägten Lebensentwürfe suggeriere.[5]
Die Nachkriegszeit kann in der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik in zwei Abschnitte geteilt werden: Erstens in die sogenannte „Schlechte Zeit“: Hunger, Kälte, Mangelkrankheiten, Trümmerlandschaften bis zur Währungsreform vom 21. Juni 1948 und zweitens in das „Wirtschaftswunder“.
Viele soziale Verhaltensweisen der Menschen, die das Dritte Reich erlebt hatten, blieben jedoch in „West-“ wie in „Ostdeutschland“ erhalten.
In der Bundesrepublik Deutschland generierte in den 1950er Jahren der Wiederaufbau das „Wirtschaftswunder“. Namentlich hinterließ es einen tiefen und bleibenden positiven Eindruck, dass ab dem Montag nach der Währungsreform die Zwangsbewirtschaftung, ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg, praktisch aufgehoben wurde und Industrie und Einzelhandel sich vorbereitet hatten: Die Läden waren auf einmal voll. Diese Phase reichte bis zur ersten Rezession unter der Bundeskanzlerschaft Ludwig Erhards und endete mit der großen Mentalitätswende, die dann als die Zeit der „68er-Bewegung“ beschrieben wurde, obwohl diese bereits um 1965/1966 ansetzte, kulturell etwa auffällig durch das Aufkommen der Beatles. Die DDR blieb dem gegenüber „das Deutschland ohne ein 1968“, was sich nach der deutschen Wiedervereinigung vielfach bemerkbar gemacht hat.
Jugendsoziologisch gesehen war es eine Zeit lebenslang einprägsamer gemeinsamer Erlebniswelten (Wohnungsnot, schmale Kost, Swing- und Jazz-Musik und „Trümmerliteratur“, Rundfunkserien, Werbung u. v. a. m.), die ganze – oft nur wenige Geburtsjahrgänge umfassende – Generationen prägte, namentlich (erstens) die „Flakhelfergeneration“ der Jahrgänge 1930 bis 1933 (bei Helmut Schelsky die „skeptische Generation“), dann aber auch (zweitens) der Jahrgänge 1933 bis 1938, die noch gute Erinnerungen an ihren Kontrast zum „Bombenkrieg“ hatte und deren Spielplätze die Ruinenstädte waren.
Die Entwicklung in Ostdeutschland
In der Sowjetischen Besatzungszone ging der Wiederaufbau langsamer voran als in den westlichen Zonen. Die Sowjetunion unterstützte Ostdeutschland nicht beim Aufbau, sondern entnahm im Gegenteil Reparationsleistungen: Fabrikanlagen wurden demontiert und in die Sowjetunion verbracht, Betriebe wurden in Sowjetische Aktiengesellschaften überführt. Durch die Bodenreform 1945/1946 wurden Großgrundbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche sowie Kriegsverbrecher und aktive NSDAP-Mitglieder entschädigungslos enteignet und deren Grundbesitz dem jeweiligen lokalen Bodenfonds übertragen. 1948 fand auch in Ostdeutschland eine Währungsreform statt, die die Situation jedoch nur wenig verbesserte. So blühten dort Schwarzmarkt und Tauschhandel länger als im Westen. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen entschieden sich viele Menschen zur Auswanderung beziehungsweise zur Flucht aus der DDR.
Die Lage besserte sich ab 1949 langsam, jedoch kauften die Menschen Waren in Westdeutschland. Im Osten wurden hingegen noch Lebensmittelmarken ausgegeben. Erst Anfang der 1950er Jahre setzte ein langsamer Aufschwung ein. Die fortbestehende Unzufriedenheit der Bevölkerung erkannte die politische Führung nicht und erhöhte 1953 die Produktionsnormen. Die allgemeine Unzufriedenheit, besonders über die schlechte Versorgungssituation, führte zum Aufstand des 17. Juni.[6] Bis zum Bau der Mauer wanderten aufgrund der schlechten Versorgungssituation viele Fachkräfte aus Ost- nach Westdeutschland ab, wodurch sie die Wirtschaftskraft der DDR schwächten.[7] Ein Wirtschaftsaufschwung setzte erst nach dem 13. August 1961 ein, als die Berliner Mauer gebaut und die innerdeutsche Grenze geschlossen wurde.
Siehe auch
Tag der Befreiung
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
1940er, 1950er
Aachener Kaffeefront
Kahlschlagliteratur, Finismus
Deutsche Kriegsversehrte im 20. Jahrhundert
Trümmerfilm
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Kontext Europa
In Europa wird der Begriff Nachkriegszeit für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet, die Anfang Mai 1945 begann. Geprägt wurde diese Zeit durch Vertreibungen aus den deutschen und ehemaligen polnischen Ostgebieten und auf dem Balkan, sowie vom Überlebenskampf in den durch jahrelangen Bombenkrieg und Bodenkämpfe zerstörten Städten. Es herrschte große Wohnungsnot und Hunger. Millionen früherer Zwangsarbeiter und Verschleppter irrten als Displaced Persons heimatlos in Europa umher. Die Demographie mehrerer Länder in Mittel- und Osteuropa war wegen hoher Kriegsverluste (insbesondere von Männern im arbeitsfähigen Alter) nachhaltig geschädigt. Unzählige körperlich und psychisch versehrte Überlebende kamen hinzu. Während es in Europa außerhalb des Ostblocks ab den früheren 1950er Jahren („Korea-Boom“) meist zu einem stürmischen wirtschaftlichen Aufschwung (Konjunktur) kam, ging der Wiederaufbau der Sowjetunion, der DDR und der anderen Ostblockstaaten deutlich langsamer vonstatten.
Trotz zahlreicher Kriege und bewaffneter Konflikte in der ganzen Welt standen sich in Europa während des Kalten Krieges die beiden gegnerischen Machtblöcke bis zum Beginn der 1990er Jahre ohne militärische Auseinandersetzungen gegenüber („Atompatt“). Der oft befürchtete dritte Weltkrieg ist den Europäern erspart geblieben.
Nachkriegszeit in Deutschland – eine Übersicht
→ Hauptartikel: Deutschland 1945 bis 1949, Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950 und Flüchtlinge in Schleswig-Holstein (1945)
Obwohl es in „Deutschland“ nach dem Dreißigjährigen Krieg, den Befreiungskriegen und dem Ersten Weltkrieg markante Nachkriegszeiten gab, hat sich der Begriff „Nachkriegszeit“ nur für die Jahre nach 1945 eingebürgert.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lag ein Großteil Europas, besonders Deutschlands, in Trümmern. Die Alliierten beschlossen nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht eine Politik der Demokratisierung, der Demilitarisierung, der Entnazifizierung, der Dezentralisierung und der Demontage; aus der Sicht großer Teile der deutschen Bevölkerung war dies aber Politik der Sieger – nur wenige vermochten die Besetzung Deutschlands als persönliche oder als allgemeine Befreiung vom Nationalsozialismus zu betrachten. Nachkriegszeit wurde in Westdeutschland zur umgangssprachlichen Zeitbestimmung für die Jahre nach dem ebenfalls umgangssprachlichen „Zusammenbruch“ von 1945 und zugleich eine Kontrastbeschreibung zur „Vorkriegszeit“, an die viele nun ihr Handeln direkt anschließen lassen wollten – das Leben fortsetzen. Eine „Befreiung“ wurde nur in der Sowjetischen Besatzungszone öffentlich propagiert, im Volksmund tauchte der Begriff erst viel später auf. Eben nicht für die Mehrheit, die ihre Hoffnung eher auf einen deutschen Endsieg gesetzt hatte, aber für kleinere Gruppen war es durchaus eine reale Befreiung gewesen: für die Insassen der Konzentrationslager, für die in der Zeit des Nationalsozialismus politisch Verfolgten (z. B. für überlebende Juden, Sinti und Roma, für Mitglieder der Kirchen (Bekennende Kirche), für Liberale, Sozialdemokraten, Kommunisten, Pazifisten, Wertkonservative u. a. m.), für „Abweichler“ (z. B. Geisteskranke, religiöse Minderheiten, Homosexuelle), für ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Für die meisten anderen galt, sofern es sich nicht um Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches handelte: Sie „merkten es gar nicht“, der Hitler war „weg“ und „die Besatzung herrschte“, mit einem Parlamentarischen Regierungssystem konnten die meisten nichts anfangen bzw. waren diesem Regierungssystem nach dem Scheitern der Weimarer Republik entfremdet. Es überwog noch viele Jahre deutlich die Selbstwahrnehmung der Deutschen als Opfer und nicht auch Täter des Krieges. Das von Deutschen angerichtete Leid wurde verdrängt oder ignoriert. So stießen von den westlichen Besatzungsmächten initiierte Filmvorführungen über NS-Konzentrationslager bisweilen auf wütende Ablehnung; bereits wenige Jahre nach Kriegsende wurde ein „Schlussstrich“ gefordert, was „die Sache mit den Juden“ anging. Diese weit verbreitete Mentalität kam auch im gern verwendeten Begriff „Stunde Null“ für die Situation des Mai 1945 zum Ausdruck.
Im Positiven überwog jedoch das Gefühl einer tiefen Erleichterung (keine Alarme mehr – man kann endlich wieder durchschlafen). Auch blieb der Überschwang der Karnevalsfeiern von 1946 bis 1949 noch lange im allgemeinen Gedächtnis. Wegen der desolaten Verhältnisse blühte vielerorts die Kriminalität, der eine schwache und überforderte Polizei kaum Herr wurde.
Unmittelbare Nachkriegszeit in den vier Besatzungszonen
Neben der Versorgung der Bevölkerung, welche versucht wurde zu sichern, hatten sich die vier Besatzungsmächte Großbritannien, Sowjetunion, USA und (später hinzu tretend) Frankreich bei der Nachkriegsordnung Deutschlands anfangs auf fünf Ziele geeinigt: Demontage, Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung und Dezentralisierung („die fünf Ds“). Die Siegermächte verstanden jedoch darunter sehr Unterschiedliches, zum Teil einander Widersprechendes. Sie verfolgten diese Ziele in ihren vier Besatzungszonen minder oder mehr energisch und auf sehr verschiedenen Wegen, was mit Hinblick auf die sich abzeichnende bipolare Weltordnung des späteren Ost-West-Konflikts zu konträren Ergebnissen führte.
Demontage – Der Abbau von Industrieanlagen diente zur Demilitarisierung und – vor allem in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) – als Reparationen für die Zerstörungen durch den Krieg und – im Falle Frankreichs und der Sowjetunion – durch die deutsche Besatzung. Die Demontagen wurden bald eingestellt – in den Westzonen wurde dagegen sogar gestreikt. Dies bahnte den Weg für das lange währende westdeutsche Bündnis zwischen Lohnarbeit und Kapital, den später so genannten „Rheinischen Kapitalismus“.
Demilitarisierung, Entmilitarisierung – Ursprünglich befürchtete man einen weiter anhaltenden Volkskrieg einer immer noch nazistischen Bevölkerung. Die Demilitarisierung wurde also energisch betrieben und bewirkte die völlige Entwaffnung Deutschlands, zumal der (aufgelösten) Wehrmacht und Waffen-SS, aber auch der Privathaushalte. Die Entmilitarisierung erwies sich langfristig als das – auch mental – am erfolgreichsten verfolgte Ziel.
Denazifizierung, Entnazifizierung – In jeder der vier Zonen wurden – je nach eigenen Gesichtspunkten – ‚Köpfe‘ des NS-Regimes verhaftet. Die relativ gründlichste konzeptuelle und mediale Vorbereitung für eine Reeducation hatte dabei in den USA stattgefunden. Sie schloss auch ein, dass Deutsche in der Amerikanischen Zone einen Fragebogen mit 131 Fragen vorgelegt bekamen – praktisch das erste Auftreten dieser Untersuchungsmethode in Deutschland. Wegen der unterschiedlichen und bald unsteten Entnazifizierungspolitik aller vier Besatzungsmächte sind ihre Ergebnisse jedoch nicht sehr aussagefähig. Es ergaben sich 1.667 Hauptschuldige, 150.425 Minderbelastete, 23.060 Belastete, 1.005.874 Mitläufer, 1.213.873 Entlastete und 1.265.749 Nichtbetroffene. Etliche Hauptschuldige wurden ab November 1945 in Nürnberg vor Gericht gestellt (Nürnberger Prozesse) – der Beginn des Völkerstrafrechts.
Demokratisierung – Im Mai und Oktober 1946 fanden erstmals wieder freie Wahlen auf Gemeinde- und Kreisebene statt. Bürgermeister und Landräte wurden gewählt. Diese „Demokratisierung“ von unten erwies sich in den drei Westzonen als überraschend erfolgreich, in der SBZ erfolgte nach den halbfreien Wahlen von 1946 die systematische Gleichschaltung der Parteien und der Zementierung der Macht der SED.
Dezentralisierung – Hier wurde vor allem zunächst der Föderalismus gefördert und der territorial größte Staat (Preußen) 1947 vom Alliierten Kontrollrat aufgelöst. Diese Zielvorgabe war in den Westzonen gleichfalls erfolgreich, in der SBZ wurde sie dann umgekehrt und die 1945 eingerichteten Länder im Jahr 1952 zugunsten zentraler Institutionen durch Bezirke – reine Verwaltungseinheiten – ersetzt.[2]
Der sich rasch abzeichnende Kalte Krieg (Ost-West-Konflikt) kam dabei den Deutschen ab 1947 sehr zugute, darunter vor allem auch den vormaligen Nationalsozialisten und politischen Verbrechern. Für später Geborene ist es kaum nachvollziehbar, worüber man alles nicht sprach, nicht einmal in den Familien (siehe Tabu). Stattdessen gab es – freilich nicht wenig – realen Stoff für Klagen (nicht heimkehrende Kriegsgefangene, Bombenterror, Flucht und dann Vertreibung, Hunger und Kälte, keine Informationen über den Verbleib von Gefallenen), begleitet von einem – den Besatzungsmächten bald auffallenden – übertriebenen Selbstmitleid und großem Unwillen, zur Kenntnis zu nehmen, wie viel Verbrechen, Leid und Elend das nationalsozialistische Deutschland ringsum und in der eigenen Mitte anderen zugefügt hatte.
Siehe auch: Föderalismus in Deutschland und Wirtschaftswunder
Die Entwicklung in Westdeutschland
Die Aufbauminister, 1949
Arbeitsloser, 1949
Akte des Trümmeramtes der Stadtverwaltung Köln
Der Beginn der „Nachkriegszeit“ wurde oftmals mit dem Terminus der Stunde Null verknüpft.[3] Die Stunde Null war die Zeit der Rache der Sieger, der Vertreibung und Vergewaltigungen, des Hungers und des Elends.[4] In neueren Betrachtungen, die auf geistige Kontinuitäten abheben, wird der Terminus der „Stunde Null“ kritisch gesehen, insofern die „Stunde Null“ in Bezug auf die mentale Lage der Bevölkerung fälschlich den völligen Untergang der bis dahin vorherrschenden und von der nationalsozialistischen Propaganda aufgenommenen und umgeprägten Lebensentwürfe suggeriere.[5]
Die Nachkriegszeit kann in der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik in zwei Abschnitte geteilt werden: Erstens in die sogenannte „Schlechte Zeit“: Hunger, Kälte, Mangelkrankheiten, Trümmerlandschaften bis zur Währungsreform vom 21. Juni 1948 und zweitens in das „Wirtschaftswunder“.
Viele soziale Verhaltensweisen der Menschen, die das Dritte Reich erlebt hatten, blieben jedoch in „West-“ wie in „Ostdeutschland“ erhalten.
In der Bundesrepublik Deutschland generierte in den 1950er Jahren der Wiederaufbau das „Wirtschaftswunder“. Namentlich hinterließ es einen tiefen und bleibenden positiven Eindruck, dass ab dem Montag nach der Währungsreform die Zwangsbewirtschaftung, ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg, praktisch aufgehoben wurde und Industrie und Einzelhandel sich vorbereitet hatten: Die Läden waren auf einmal voll. Diese Phase reichte bis zur ersten Rezession unter der Bundeskanzlerschaft Ludwig Erhards und endete mit der großen Mentalitätswende, die dann als die Zeit der „68er-Bewegung“ beschrieben wurde, obwohl diese bereits um 1965/1966 ansetzte, kulturell etwa auffällig durch das Aufkommen der Beatles. Die DDR blieb dem gegenüber „das Deutschland ohne ein 1968“, was sich nach der deutschen Wiedervereinigung vielfach bemerkbar gemacht hat.
Jugendsoziologisch gesehen war es eine Zeit lebenslang einprägsamer gemeinsamer Erlebniswelten (Wohnungsnot, schmale Kost, Swing- und Jazz-Musik und „Trümmerliteratur“, Rundfunkserien, Werbung u. v. a. m.), die ganze – oft nur wenige Geburtsjahrgänge umfassende – Generationen prägte, namentlich (erstens) die „Flakhelfergeneration“ der Jahrgänge 1930 bis 1933 (bei Helmut Schelsky die „skeptische Generation“), dann aber auch (zweitens) der Jahrgänge 1933 bis 1938, die noch gute Erinnerungen an ihren Kontrast zum „Bombenkrieg“ hatte und deren Spielplätze die Ruinenstädte waren.
Die Entwicklung in Ostdeutschland
In der Sowjetischen Besatzungszone ging der Wiederaufbau langsamer voran als in den westlichen Zonen. Die Sowjetunion unterstützte Ostdeutschland nicht beim Aufbau, sondern entnahm im Gegenteil Reparationsleistungen: Fabrikanlagen wurden demontiert und in die Sowjetunion verbracht, Betriebe wurden in Sowjetische Aktiengesellschaften überführt. Durch die Bodenreform 1945/1946 wurden Großgrundbesitzer mit mehr als 100 Hektar Fläche sowie Kriegsverbrecher und aktive NSDAP-Mitglieder entschädigungslos enteignet und deren Grundbesitz dem jeweiligen lokalen Bodenfonds übertragen. 1948 fand auch in Ostdeutschland eine Währungsreform statt, die die Situation jedoch nur wenig verbesserte. So blühten dort Schwarzmarkt und Tauschhandel länger als im Westen. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen entschieden sich viele Menschen zur Auswanderung beziehungsweise zur Flucht aus der DDR.
Die Lage besserte sich ab 1949 langsam, jedoch kauften die Menschen Waren in Westdeutschland. Im Osten wurden hingegen noch Lebensmittelmarken ausgegeben. Erst Anfang der 1950er Jahre setzte ein langsamer Aufschwung ein. Die fortbestehende Unzufriedenheit der Bevölkerung erkannte die politische Führung nicht und erhöhte 1953 die Produktionsnormen. Die allgemeine Unzufriedenheit, besonders über die schlechte Versorgungssituation, führte zum Aufstand des 17. Juni.[6] Bis zum Bau der Mauer wanderten aufgrund der schlechten Versorgungssituation viele Fachkräfte aus Ost- nach Westdeutschland ab, wodurch sie die Wirtschaftskraft der DDR schwächten.[7] Ein Wirtschaftsaufschwung setzte erst nach dem 13. August 1961 ein, als die Berliner Mauer gebaut und die innerdeutsche Grenze geschlossen wurde.
Siehe auch
Tag der Befreiung
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
1940er, 1950er
Aachener Kaffeefront
Kahlschlagliteratur, Finismus
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