Wilhelm Leuschner
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Wilhelm Leuschner
Wilhelm Leuschner (* 15. Juni 1890 in Bayreuth; † 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee) war ein Gewerkschafter und sozialdemokratischer Politiker, der gegen den Nationalsozialismus kämpfte.
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1964)
Leben
Geburtshaus und Gedenkstätte in Bayreuth seit 2002
Wilhelm Leuschner wurde 1890 als Sohn eines Ofensetzers in Bayreuth geboren. 1903 begann er eine Lehre als Holzbildhauer, nach deren Abschluss 1907 er in die Gewerkschaft eintrat. Anschließend ging er im Juli 1907 auf Wanderschaft, arbeitete u.a. in Leipzig und gelangte anlässlich der Jugendstilausstellung 1908 nach Darmstadt, wo er in der Hofmöbelfabrik Ludiwig Alter arbeitete. 1909 ging er nach Bayreuth zurück und studierte von Oktober 1909 bis März 1910 an der königlichen Kunstgewerbeschule Nürnberg (heute Kunstakademie). Im Sommer 1911 heiratete er in Darmstadt Elisabeth Batz und hatte zwei Kinder mit ihr (Wilhelm geb. 1910 und Katharina geb. 1911). Er arbeitete ab 1911 als Holzbildhauer bei der international tätigen Möbelfabrik Glückert.
Wilhelm Leuschner war seit dem 5. Februar 1923 Mitglied der Freimaurerloge Johannes der Evangelist zur Eintracht im Orient Darmstadt.[1][2]
Gewerkschafter und hessischer Innenminister
1909 wurde er Bezirksleiter des Darmstädter Bezirkshauerverbandes. 1913 trat er in die SPD ein und engagierte sich weiter in der Gewerkschaft. 1916 musste er während des Ersten Weltkrieges als Soldat an die Ostfront, später auch in den Westen. 1919 wurde er Stadtverordneter und Vorsitzender der Darmstädter Gewerkschaften und zog 1924 als SPD-Abgeordneter in den Landtag des Volksstaates Hessen (d.h. südliches Hessen bzw. ehem. Großherzogtum Hessen-Darmstadt) ein. 1927 fungierte er als ein Vertreter der Arbeitnehmerinteressen im Verwaltungsrat der neu gegründeten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. 1928 wurde er Innenminister des Volksstaates Hessen. Leuschner, der zuvor in der SPD-Landtagsfraktion als Polizeiexperte galt, exponierte sich dabei als Verteidiger der demokratischen Verfassung. Zu seinen engsten Mitarbeitern im Ministerium zählten Ludwig Schwamb und Carlo Mierendorff.
Er war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Nachdem er die Veröffentlichung der Boxheimer Dokumente, von dem NSDAP-Abgeordneten Werner Best verfasste Pläne zur Machtergreifung, veranlasst hatte, wurde dieser zu einem persönlichen Feind und Leuschner einer der meistgehassten Gegner der Nationalsozialisten. Die Boxheimer Dokumente ließen die beabsichtigte Errichtung eines Terrorregimes deutlich erkennen, sie zeigten an, dass der Legalitätskurs der Nationalsozialisten bloße Fassade war.
Leuschner legte das „Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ vor, das in Hessen die rassistische Verfolgung der Sinti und Roma in Unterscheidung zur Verfolgung von „Landfahrern“ regelte und zur Vorgeschichte der systematischen Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus zählt[3]. Es wurde 1929 verabschiedet.
Verfolgung
Im Januar 1933 wurde Leuschner in den Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes gewählt. Zum 1. April gab Leuschner, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme von den Nazis zum Rücktritt gezwungen, sein Amt als hessischer Innenminister auf. Leuschner beteiligte sich in den ersten Monaten des nationalsozialistischen Regimes an konspirativen Überlegungen zur Bildung einer Einheitsgewerkschaft – Pläne, an denen unter anderem auch Jakob Kaiser mitwirkte, die sich aber nicht realisieren ließen. Da er als faktischer Gewerkschaftsführer standhaft die von Robert Ley gewünschte Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten verweigerte, kam es im Mai desselben Jahres zu seiner Inhaftierung. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen. Im Juni 1933 wurde er erneut inhaftiert, misshandelt und ein Jahr lang in Gefängnissen und Konzentrationslagern gefangen gehalten, darunter im Emslandlager Börgermoor.
Widerstand
Gedenktafel am Haus Bismarckstraße 84, in Berlin-Charlottenburg
Ihr wesentliches Ziel, nämlich die Beugung der Persönlichkeit, erreichten die Nationalsozialisten jedoch nicht. Schon bald nachdem Leuschner im Juni 1934 aus dem Konzentrationslager entlassen worden war, begann er mit dem Aufbau eines Widerstandsnetzwerks. Er übernahm 1936 von Ernst Schneppenhorst die Leitung einer kleinen Fabrikationsstätte zur Produktion von Bierschankutensilien, die bald zur Schaltzentrale der illegalen Reichsleitung der deutschen Gewerkschaften wurde. In dieser Zeit wurde Hermann Maaß einer seiner engsten Mitarbeiter. Leuschner kämpfte aktiv in gewerkschaftsnahen Widerstandsgruppen und unterhielt Kontakte zum Kreisauer Kreis und ab 1939 auch zur Widerstandsgruppe von Carl Friedrich Goerdeler. Innerhalb dieses heterogenen Kreises galt Leuschner als Repräsentant der Gewerkschaften, also einer Massenbasis, und zugleich als Streiter gegen die Etablierung einer ständestaatlichen Ordnung nach der angestrebten Überwindung des nationalsozialistischen Regimes. Nach dem geplanten Putsch gegen Hitler sollte Leuschner im Schattenkabinett Beck/Goerdeler möglicherweise Vizekanzler werden; der Nationalkonservative Graf von Stauffenberg, der das Attentat auf Hitler durchführte, soll persönlich sogar Leuschner gegenüber Goerdeler als Kanzler favorisiert haben.[4] Das Attentat vom 20. Juli 1944 und der Umsturzversuch scheiterten jedoch. Leuschner stellte sich am 16. August 1944, nachdem die Nationalsozialisten seine Ehefrau als Geisel festgenommen hatten. Er wurde danach vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler zum Tode verurteilt. Am 29. September 1944 wurde Wilhelm Leuschner im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.[5]
Zum Gedenken an Wilhelm Leuschner
Gedenkstele am Leuschnerdamm 33, in Berlin-Kreuzberg
Wilhelm-Leuschner-Medaille
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1990)
Nach Leuschner ist seit 1964 die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, benannt.
In Berlin-Kreuzberg befindet sich am Leuschnerdamm eine Gedenkstele mit der Büste von Leuschner, während wenige Meter davon entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite des einstigen Luisenstädtischen Kanals, dem Legiendamm, eine Stele mit Büste zu Ehren von Carl Legien steht.
1998 wurde in der Justizvollzugsanstalt (ehemaliges Zuchthaus) Marienschloß, wo Leuschner von Juli bis November 1933 inhaftiert war, das Wilhelm-Leuschner-Gedächtnis-Zimmer eingerichtet, das eine kleine Dokumentation zu Person und Wirken enthält. Die Gedenkstätte ist allerdings wegen der weitergehenden Verwendung der Institution als Jugendstrafanstalt nur schwer zugänglich.
Im Geburtshaus Wilhelm Leuschners in Bayreuth besteht seit dem Jahr 2003 eine Gedenkstätte. Dort war auch der Sitz der Wilhelm-Leuschner-Stiftung, die die Ausstellung im Haus maßgeblich inhaltlich konzipiert hat. Sie hat seit 2012 ihren Sitz im Wilhelm-Leuschner-Zentrum Bayreuth in der Herderstraße 29 wenige Meter von der Gedenkstätte entfernt und bietet pädagogische Arbeit vor allem für Schulklassen aus dem In- und Ausland an, außerdem betreibt sie eine Website zum Leben und Wirken Leuschners.[6]
Zahlreiche Schulen, Straßen und Plätze sind nach Leuschner benannt.
Siehe auch
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Persönlichkeiten des 20. Juli 1944
Quelle - literatur & einzelnachweise
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1964)
Leben
Geburtshaus und Gedenkstätte in Bayreuth seit 2002
Wilhelm Leuschner wurde 1890 als Sohn eines Ofensetzers in Bayreuth geboren. 1903 begann er eine Lehre als Holzbildhauer, nach deren Abschluss 1907 er in die Gewerkschaft eintrat. Anschließend ging er im Juli 1907 auf Wanderschaft, arbeitete u.a. in Leipzig und gelangte anlässlich der Jugendstilausstellung 1908 nach Darmstadt, wo er in der Hofmöbelfabrik Ludiwig Alter arbeitete. 1909 ging er nach Bayreuth zurück und studierte von Oktober 1909 bis März 1910 an der königlichen Kunstgewerbeschule Nürnberg (heute Kunstakademie). Im Sommer 1911 heiratete er in Darmstadt Elisabeth Batz und hatte zwei Kinder mit ihr (Wilhelm geb. 1910 und Katharina geb. 1911). Er arbeitete ab 1911 als Holzbildhauer bei der international tätigen Möbelfabrik Glückert.
Wilhelm Leuschner war seit dem 5. Februar 1923 Mitglied der Freimaurerloge Johannes der Evangelist zur Eintracht im Orient Darmstadt.[1][2]
Gewerkschafter und hessischer Innenminister
1909 wurde er Bezirksleiter des Darmstädter Bezirkshauerverbandes. 1913 trat er in die SPD ein und engagierte sich weiter in der Gewerkschaft. 1916 musste er während des Ersten Weltkrieges als Soldat an die Ostfront, später auch in den Westen. 1919 wurde er Stadtverordneter und Vorsitzender der Darmstädter Gewerkschaften und zog 1924 als SPD-Abgeordneter in den Landtag des Volksstaates Hessen (d.h. südliches Hessen bzw. ehem. Großherzogtum Hessen-Darmstadt) ein. 1927 fungierte er als ein Vertreter der Arbeitnehmerinteressen im Verwaltungsrat der neu gegründeten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. 1928 wurde er Innenminister des Volksstaates Hessen. Leuschner, der zuvor in der SPD-Landtagsfraktion als Polizeiexperte galt, exponierte sich dabei als Verteidiger der demokratischen Verfassung. Zu seinen engsten Mitarbeitern im Ministerium zählten Ludwig Schwamb und Carlo Mierendorff.
Er war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Nachdem er die Veröffentlichung der Boxheimer Dokumente, von dem NSDAP-Abgeordneten Werner Best verfasste Pläne zur Machtergreifung, veranlasst hatte, wurde dieser zu einem persönlichen Feind und Leuschner einer der meistgehassten Gegner der Nationalsozialisten. Die Boxheimer Dokumente ließen die beabsichtigte Errichtung eines Terrorregimes deutlich erkennen, sie zeigten an, dass der Legalitätskurs der Nationalsozialisten bloße Fassade war.
Leuschner legte das „Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ vor, das in Hessen die rassistische Verfolgung der Sinti und Roma in Unterscheidung zur Verfolgung von „Landfahrern“ regelte und zur Vorgeschichte der systematischen Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus zählt[3]. Es wurde 1929 verabschiedet.
Verfolgung
Im Januar 1933 wurde Leuschner in den Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes gewählt. Zum 1. April gab Leuschner, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme von den Nazis zum Rücktritt gezwungen, sein Amt als hessischer Innenminister auf. Leuschner beteiligte sich in den ersten Monaten des nationalsozialistischen Regimes an konspirativen Überlegungen zur Bildung einer Einheitsgewerkschaft – Pläne, an denen unter anderem auch Jakob Kaiser mitwirkte, die sich aber nicht realisieren ließen. Da er als faktischer Gewerkschaftsführer standhaft die von Robert Ley gewünschte Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten verweigerte, kam es im Mai desselben Jahres zu seiner Inhaftierung. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen. Im Juni 1933 wurde er erneut inhaftiert, misshandelt und ein Jahr lang in Gefängnissen und Konzentrationslagern gefangen gehalten, darunter im Emslandlager Börgermoor.
Widerstand
Gedenktafel am Haus Bismarckstraße 84, in Berlin-Charlottenburg
Ihr wesentliches Ziel, nämlich die Beugung der Persönlichkeit, erreichten die Nationalsozialisten jedoch nicht. Schon bald nachdem Leuschner im Juni 1934 aus dem Konzentrationslager entlassen worden war, begann er mit dem Aufbau eines Widerstandsnetzwerks. Er übernahm 1936 von Ernst Schneppenhorst die Leitung einer kleinen Fabrikationsstätte zur Produktion von Bierschankutensilien, die bald zur Schaltzentrale der illegalen Reichsleitung der deutschen Gewerkschaften wurde. In dieser Zeit wurde Hermann Maaß einer seiner engsten Mitarbeiter. Leuschner kämpfte aktiv in gewerkschaftsnahen Widerstandsgruppen und unterhielt Kontakte zum Kreisauer Kreis und ab 1939 auch zur Widerstandsgruppe von Carl Friedrich Goerdeler. Innerhalb dieses heterogenen Kreises galt Leuschner als Repräsentant der Gewerkschaften, also einer Massenbasis, und zugleich als Streiter gegen die Etablierung einer ständestaatlichen Ordnung nach der angestrebten Überwindung des nationalsozialistischen Regimes. Nach dem geplanten Putsch gegen Hitler sollte Leuschner im Schattenkabinett Beck/Goerdeler möglicherweise Vizekanzler werden; der Nationalkonservative Graf von Stauffenberg, der das Attentat auf Hitler durchführte, soll persönlich sogar Leuschner gegenüber Goerdeler als Kanzler favorisiert haben.[4] Das Attentat vom 20. Juli 1944 und der Umsturzversuch scheiterten jedoch. Leuschner stellte sich am 16. August 1944, nachdem die Nationalsozialisten seine Ehefrau als Geisel festgenommen hatten. Er wurde danach vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler zum Tode verurteilt. Am 29. September 1944 wurde Wilhelm Leuschner im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.[5]
Zum Gedenken an Wilhelm Leuschner
Gedenkstele am Leuschnerdamm 33, in Berlin-Kreuzberg
Wilhelm-Leuschner-Medaille
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1990)
Nach Leuschner ist seit 1964 die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, benannt.
In Berlin-Kreuzberg befindet sich am Leuschnerdamm eine Gedenkstele mit der Büste von Leuschner, während wenige Meter davon entfernt, auf der gegenüberliegenden Seite des einstigen Luisenstädtischen Kanals, dem Legiendamm, eine Stele mit Büste zu Ehren von Carl Legien steht.
1998 wurde in der Justizvollzugsanstalt (ehemaliges Zuchthaus) Marienschloß, wo Leuschner von Juli bis November 1933 inhaftiert war, das Wilhelm-Leuschner-Gedächtnis-Zimmer eingerichtet, das eine kleine Dokumentation zu Person und Wirken enthält. Die Gedenkstätte ist allerdings wegen der weitergehenden Verwendung der Institution als Jugendstrafanstalt nur schwer zugänglich.
Im Geburtshaus Wilhelm Leuschners in Bayreuth besteht seit dem Jahr 2003 eine Gedenkstätte. Dort war auch der Sitz der Wilhelm-Leuschner-Stiftung, die die Ausstellung im Haus maßgeblich inhaltlich konzipiert hat. Sie hat seit 2012 ihren Sitz im Wilhelm-Leuschner-Zentrum Bayreuth in der Herderstraße 29 wenige Meter von der Gedenkstätte entfernt und bietet pädagogische Arbeit vor allem für Schulklassen aus dem In- und Ausland an, außerdem betreibt sie eine Website zum Leben und Wirken Leuschners.[6]
Zahlreiche Schulen, Straßen und Plätze sind nach Leuschner benannt.
Siehe auch
Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Persönlichkeiten des 20. Juli 1944
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