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Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)

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Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)  Empty Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)

Beitrag  Andy Sa Mai 09, 2015 9:48 pm

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) war eine sozialistische Partei, die zwischen 1917 und 1931 im Kaiserreich bzw. in der Weimarer Republik aktiv war.

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)  310px-USPD-Vorstand
Am Rande des Leipziger Parteitages der USPD im Dezember 1919 aufgenommenes Gruppenfoto mit Angehörigen des Parteivorstands, weiteren prominenten Parteimitgliedern sowie dem Gastdelegierten der österreichischen SDAP Friedrich Adler (vierter von links). Unter den Abgebildeten: Arthur Crispien, Wilhelm Dittmann, Lore Agnes, Richard Lipinski, Wilhelm Bock, Alfred Henke, Friedrich Geyer, Curt Geyer, Fritz Zubeil, Fritz Kunert, Georg Ledebour, Emanuel Wurm

Die im April 1917 im Volkshaus zum Mohren in Gotha gegründete USPD knüpfte programmatisch und personell in erster Linie an die ehemalige zentristische Mehrheitsströmung der SPD an, die sich durch die neue Partei organisatorisch verselbständigte. Von 1917 bis 1920 war die USPD Massenpartei und löste in Zentren der Sozialdemokratie wie Berlin und Leipzig die SPD als Mehrheitspartei der Arbeiterbewegung ab.

Die vordergründige Ursache für die Gründung der USPD war die Revision zentraler Beschlüsse und Dispositionen der Vorkriegs-SPD durch Parteivorstand und Reichstagsfraktion, die im August 1914 begonnen hatte (vgl. Burgfriedenspolitik). Die 1916 von der rechten Mehrheit im Parteivorstand eskalierte Disziplinierungspolitik gegenüber der Parteilinken führte im Frühjahr 1917 zur Gründung einer eigenständigen Organisation der Opposition. Vertreter der neuen Partei spielten während der Massenstreiks im April 1917 und im Januar 1918 eine bedeutende Rolle.

Im Zuge der Novemberrevolution ging der USPD-Vorstand – gegen den Widerstand Karl Liebknechts und Georg Ledebours – am 10. November 1918 auf das Angebot der SPD-Führung, gemeinsam mit ihr eine Regierung zu bilden, ein und trug so maßgeblich zur Etablierung des Rates der Volksbeauftragten und der nachfolgenden Überleitung der Revolution in „geordnete“ Bahnen bei. Das am gleichen Tag geschlossene Ebert-Groener-Bündnis war der USPD-Führung nicht bekannt. Mit dessen Auswirkungen konfrontiert, zogen sich die USPD-Vertreter am 29. Dezember 1918 aus dem Rat der Volksbeauftragten zurück. Am gleichen Tag beendete der Spartakusbund seine organisatorischen Beziehungen zur USPD und bildete zusammen mit anderen linken Gruppen zur Jahreswende die Kommunistische Partei Deutschlands. 1919 verlor die USPD ihre im Rahmen der Revolution erlangten Machtpositionen – so hatte sie mit Kurt Eisner den bayerischen Ministerpräsidenten, mit Heinrich Ströbel einen von zwei Vorsitzenden im preußischen Rat der Volksbeauftragten und mit Richard Lipinski den Vorsitzenden der sächsischen Revolutionsregierung gestellt – großenteils wieder. Die USPD-Regierung des Freistaats Sachsen-Gotha wurde, obwohl durch eine Mehrheit der Landtagsabgeordneten gestützt, im April 1920 durch eine Notverordnung des Reichspräsidenten abgesetzt.

Zwischen 1920 und 1922 zerbrach die von Anfang an heterogene Partei an den Widersprüchen ihrer politisch-programmatischen Konzeption. Bereits auf dem Leipziger Parteitag (30. November bis 6. Dezember 1919) konnte die Parteiführung nur mit Mühe verhindern, dass eine Mehrheit der Delegierten einem von Walter Stoecker vorgelegten Antrag, der den sofortigen Anschluss der USPD an die Kommunistische Internationale vorsah, zustimmte. In einem Kompromisspapier wurde zwar der Beitritt vertagt, die Partei – die zu diesem Zeitpunkt mehr als 750.000 Mitglieder zählte – legte sich aber programmatisch darauf fest, „durch die Diktatur des Proletariats auf Grund des Rätesystems den Sozialismus zu verwirklichen“.[1] Nach monatelangen erbitterten Flügelkämpfen besiegelte schließlich der Parteitag in Halle (12. bis 17. Oktober 1920) die Spaltung der USPD: 236 Delegierte stimmten für, 156 gegen den Antrag der Parteilinken auf Anschluss an die Komintern. Der linke Flügel agierte danach kurzzeitig als USPD (Linke) und schloss sich sodann auf einem in Berlin abgehaltenen Parteitag (4. bis 7. Dezember 1920) mit der KPD zur VKPD zusammen. Der rechte Flügel, dessen Delegierte den Hallenser Parteitag nach der entscheidenden Abstimmung überraschend für beendet erklärt hatten und aus dem Saal ausgezogen waren, reklamierte die Bezeichnung USPD weiterhin für sich und betrieb seit dem Sommer 1921 mehrheitlich die Wiedervereinigung mit der SPD, die am 24. September 1922 in Nürnberg vollzogen wurde. Führende Vertreter dieses Teils der ehemaligen USPD hatten erheblichen Einfluss auf die Ausarbeitung des Heidelberger Programms der SPD.

Ein kleiner Rest der USPD-Mitglieder hielt die nach 1922 allerdings bedeutungslose Partei unter der Führung Theodor Liebknechts noch bis 1931 aufrecht und stieß dann zur SAP.

Entwicklung
Entstehung

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)  USPD-Gruendung
Einladung zur Konferenz in Gotha, auf der die USPD gegründet wurde

Die USPD ging aus der Gruppe von SPD-Abgeordneten im Reichstag hervor, die sich seit dem 4. August 1914 immer offener gegen die Unterstützung des Krieges (vgl. Erster Weltkrieg), die Burgfriedenspolitik und die fortschreitende Integration der SPD in das Staats- und Gesellschaftssystem des Kaiserreiches aussprach. Diese Gruppe bestand aus zunächst 14 Abgeordneten, die in der Fraktion gegen die Kriegskredite gestimmt, sich in der entscheidenden Abstimmung aber der Fraktionsdisziplin gebeugt hatten.

Zudem verweigerten sich – unabhängig von der Formierung der Opposition auf den Führungsebenen – schon 1914 nennenswerte Teile der Parteibasis dem Vorstandskurs. Bekannt ist, dass Karl Liebknecht auf Parteiversammlungen in Stuttgart (21. September) und Potsdam (4. November) sehr heftig für sein Abstimmungsverhalten am 4. August kritisiert wurde.[2] In der SPD-Wahlkreisorganisation Niederbarnim bestand eine starke Oppositionsströmung, die im Herbst 1914 Vervielfältigung und Versand der ersten Materialien der Gruppe um Liebknecht und Luxemburg (vgl. Spartakusbund) unterstützte.[3] Die SPD-Zeitung im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha (vgl. Gothaer Volksblatt) verfolgte seit Kriegsausbruch einen kompromisslosen Oppositionskurs und musste im Februar 1915 – mehrfach verboten – ihr Erscheinen einstellen. Sie hatte unter der Leitung Otto Geithners und Wilhelm Bocks den Vorstand zuvor offen angegriffen und den von dort kommenden Vorwurf des Disziplinbruchs umgekehrt:

„Wer übrigens wissen will, wo die Partei-Disziplinbrecher und ihre Verherrlicher sitzen, dem empfehlen wir das Studium der revisionistischen Bewegung der letzten 15 Jahre und im besonderen das der Verhandlungen des Magdeburger Parteitages von 1910.“[4]

In Württemberg führte das Vorgehen des Landesvorstands gegen die von linken Redakteuren geleitete Schwäbische Tagwacht schon im November 1914 zur faktischen Spaltung zunächst der Stuttgarter, im Juli 1915 schließlich auch der Landesparteiorganisation. Einzelne Gewerkschaftsfunktionäre traten ebenfalls von Anfang an gegen den neuen Kurs auf, vor allem in Berlin.[5] Im Januar 1915 forderte Carl Legien die Partei- und Gewerkschaftsleitungen erstmals auf, aktiv gegen die „Anarchisten“ an der Basis vorzugehen.[6] Die oppositionellen Aktivitäten in diesem Bereich führten bei Exponenten des rechten Parteiflügels wie Eduard David wiederholt zu regelrechten „Hassausbrüchen“.[7] Zu beachten ist auch, dass 1914 viele „namenlose“ Mitglieder aus einer oppositionellen Haltung heraus die SPD verließen, darunter Karl Plättner, Hermann Matern und Adolf Benscheid. Den Austritt aus der „sozialimperialistischen“ SPD und den sofortigen Aufbau einer neuen Partei propagierte vor allem Julian Borchardt in seiner Zeitschrift Lichtstrahlen.

Anders als Borchardt orientierte die Gruppe um Liebknecht und Luxemburg bis zum Herbst 1916 auf eine „Zurückeroberung der Partei“. In diesem Sinne argumentierte auch ein am 9. Juni 1915 als Flugblatt veröffentlichter Aufruf Liebknechts, der von über 1.000 Parteifunktionären und -mitgliedern unterzeichnet worden war. Zehn Tage später veröffentlichten Karl Kautsky, Hugo Haase und Eduard Bernstein, die den Liebknechtschen Aufruf bewusst nicht unterstützt hatten, in der Leipziger Volkszeitung unter dem Titel Das Gebot der Stunde eine Erklärung, mit der sie sich an die Spitze der Oppositionsbewegung zu setzen versuchten. Der Text sprach sich lediglich in allgemeinen Worten gegen den Krieg und für einen Verhandlungsfrieden aus, erregte aber wegen der Prominenz der Unterzeichner erhebliches Aufsehen und wurde nach Liebknechts „Nein“ im Reichstag als zweiter großer Schlag gegen die Burgfriedenspolitik des Parteivorstands wahrgenommen.[8] Liebknecht hatte im Dezember 1914 als zunächst einziger Reichstagsabgeordneter die Zustimmung zu weiteren Kriegskrediten verweigert. Nachdem im März 1915 zunächst Otto Rühle und im Dezember 1915 18 weitere – meist aus der zentristischen Strömung der Vorkriegs-SPD kommende – Abgeordnete mit Liebknecht votierten, gingen Fraktions- und Parteivorstand verstärkt mit administrativen Mitteln gegen die Opposition vor: Liebknecht wurde am 12. Januar 1916 aus der Fraktion ausgeschlossen, Rühle trat zwei Tage später aus Solidarität mit Liebknecht aus, die 18 anderen Abweichler wurden am 24. März ausgestoßen und bildeten daraufhin die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG), betrachteten sich aber weiterhin als Mitglieder der SPD. Liebknecht – dem einige Monate später nach seiner Verurteilung wegen „Kriegsverrats“ das Mandat aberkannt wurde – und Rühle lehnten den angebotenen Anschluss an die SAG ab.

Im Juli 1916 beschloss die Vorstandsmehrheit, die die innerparteiliche Verankerung der Opposition in „kaum glaublicher Kurzsichtigkeit“[9] massiv unterschätzte, baldmöglichst eine Parteikonferenz zu veranstalten. Ursprünglich bestand die Absicht, einen Parteitag einzuberufen, was aber von der Opposition, die praktisch keine Möglichkeit mehr hatte, legal und öffentlich für ihre Positionen zu werben, vehement abgelehnt wurde; die Parteilinke willigte auch nur widerwillig in die Parteikonferenz ein, da sie davon ausging, dass die Parteiinstanzen trotz gegenteiliger Versicherungen versuchen würden, sich auf dieser Konferenz den 1914 eingeschlagenen Kurs bestätigen zu lassen. Da eine Parteikonferenz im Statut nicht vorgesehen war, konnte die Parteiführung den Delegiertenschlüssel regulärer Parteitage durch einen neuen, für die bekannten Hochburgen der Opposition höchst nachteiligen ersetzen und die Zusammensetzung der Konferenz so „manipulativ beeinflussen“.[10] Um dennoch nichts dem Zufall zu überlassen, erhielten auch die 77 Mitglieder der Reichstagsfraktion und die Angehörigen des Parteivorstands, des Parteiausschusses und der Kontrollkommission volle Delegiertenrechte. Trotz der strukturellen Benachteiligung bei der Delegiertenauswahl stellte die Opposition überraschend etwa die Hälfte der 307 gewählten Delegierten, als die Konferenz am 21. September 1916 in Berlin zusammentrat. Damit war offensichtlich geworden, dass der Parteivorstand nicht mehr die Mehrheit der Parteimitglieder vertrat. Sofort bei Eröffnung der Veranstaltung wurde auch deutlich, dass sich die beiden Flügel „voll auf Kollisionskurs“[11] befanden: In einer erbittert geführten Geschäftsordnungsdebatte stritt man darüber, ob Hugo Haase, der am 25. März das Amt des Parteivorsitzenden niedergelegt hatte, das gleiche Rederecht wie Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann zustehe. Vereinzelt kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Konferenzteilnehmern. Ebert und Scheidemann versuchten in ihren Reden einmal mehr, die Kreditbewilligung durch den Hinweis auf den vermeintlich „aufgezwungenen Verteidigungskrieg“ gegen das „reaktionäre Zarenreich“ zu rechtfertigen. Dass die Reichsregierung expansive Absichten verfolge, bestritten sie (wider besseres Wissen).[12] Ebert räumte ein, dass die Mitgliederzahl der Partei seit Kriegsbeginn um 64 % zurückgegangen sei, führte dies aber ausschließlich auf Einberufungen zum Militärdienst und die Härten der Kriegszeit zurück. Die Redner der Opposition betonten, dass die Reichsleitung jederzeit Frieden schließen könne, wenn sie auf Annexionen und Kontributionen verzichte. Haase beschwor wie Ebert die Einheit der Partei, „aber nicht eine[r] Partei, in der dem Imperialismus offen oder versteckt Zugeständnisse gemacht werden.“[13] Durch die Delegierten der Reichstagsfraktion und des Parteiapparats verfügte der Parteivorstand über eine komfortable Mehrheit (276 gegen 169 Stimmen) und versuchte deshalb wie von der Opposition erwartet auch, das erhoffte Plazet für seine Politik zu erhalten. Die oppositionellen Delegierten lehnten eine Entscheidung unter diesen verzerrten Bedingungen allerdings ab und nahmen an den einschlägigen Abstimmungen nicht teil. So verabschiedete die rechte Mehrheit am Ende der Konferenz „einmütig“ mehrere Resolutionen, die die Vorstandspolitik bestätigten.[14] Auf der Reichskonferenz konnten Paul Frassek, Friedrich Schnellbacher und Käte Duncker die Positionen der Spartakusgruppe, die ursprünglich für den Boykott der Konferenz geworben hatte, erstmals vor einer größeren Parteiöffentlichkeit vertreten. Duncker griff in ihrer Rede den rechten Flügel an, distanzierte sich aber auch von der Linie der SAG und legte so den konzeptionellen Riss innerhalb der linken Opposition, der bald darauf auch die USPD durchzog, offen:

„Die Arbeitsgemeinschaft und ihre Anhängerschaft, soweit wenigstens sich ihre Stellungnahme nicht in der Ablehnung der Kriegskredite erschöpft, trachtet danach, die Partei etwa wieder auf den Standpunkt zurückzubringen, den sie vor dem 4. August einnahm, den Stand der Internationale so wieder herzustellen, unsere sogenannte ’altbewährte’ und ’sieggekrönte’ Taktik vor dem Kriege wieder aufzunehmen. Obwohl gerade der 4. August doch wohl am deutlichsten bewiesen hat, dass diese Taktik sich nicht bewährt hat, dass sie uns nicht zum Sieg, sondern geradezu zu einer vernichtenden Niederlage geführt hat, gerade da, wo sie hätte ihre Probe ablegen müssen.“[15]


Die SPD-Instanzen gingen nach der Reichskonferenz weiter und eher noch verstärkt gegen regionale und publizistische Positionen der Linken vor. Dabei wurde die Spaltung der Partei zumindest in Kauf genommen, von nicht wenigen Wortführern des äußersten rechten Flügels aber auch bewusst „ersehnt“.[16] Höhepunkt dieser zum Teil im Zusammenspiel mit Zensurbehörden und Gerichten vorangetriebenen Maßnahmen war der sogenannte Vorwärts-Raub im Oktober 1916, durch den das bis dahin von zentristischen Redakteuren geprägte Blatt unter die Kontrolle des Parteivorstands geriet. Am 10. November gründeten Eugen Ernst und Otto Wels den Verein Vorwärts – Lese- und Diskutierclub für Groß-Berlin, der sich um die fraktionelle Zusammenfassung der spätestens seit der Vorwärts-Krise völlig an den Rand gedrängten Vorstandsanhänger im Parteibezirk Groß-Berlin bemühte.[17] Anfang Dezember 1916 sorgte der summarische Ausschluss des sozialdemokratischen Wahlvereins Bremen, der dem Vorstand die Beiträge gesperrt hatte, für Aufsehen.[18] Auch hier hatte die rechte Minderheit zuvor eine Parallelstruktur geschaffen.

Vor diesem Hintergrund rief der Vorstand der SAG für den 7. Januar 1917 eine Reichskonferenz der sozialdemokratischen Opposition in Berlin zusammen. An ihr nahmen 138 Delegierte und 19 Reichstagsabgeordnete teil. Vor allem der Kreis um Karl Kautsky hatte der SAG-Führung zu diesem Schritt geraten und dabei die Absicht verfolgt, dem Einflussgewinn der radikalen Linken um Liebknecht und Rosa Luxemburg durch die Organisation einer „verantwortlichen Opposition“ zu begegnen: Für Kautsky bestand die Frage nicht mehr darin, „ob die Opposition siegt, sondern welche Art der Opposition siegen wird. […] Die Gefahr, die von der Spartacusgruppe ausgeht, ist eine große. […] Liebknecht ist heute der populärste Mann in den Schützengräben, das wird von allen übereinstimmend versichert, die von dort kommen.“[19] Obwohl die Reichskonferenz die Initiativen der Spartakusgruppe – Beitragssperre, Aufruf zum offenen Kampf gegen den Parteivorstand unter Inkaufnahme der Spaltung der Partei, Orientierung auf eine revolutionäre Beendigung des Krieges – mehrheitlich zurückwies und sich sogar zur „Landesverteidigung“ bekannte, hielt der SPD-Vorstand an seinem Konfrontationskurs fest: Er schloss am 18. Januar die SAG-Abgeordneten und die führenden Köpfe der Spartakusgruppe aus der SPD aus und forderte die lokalen Parteigliederungen auf, mit deren Anhängern vor Ort ebenso zu verfahren. Obwohl die SAG-Führung es danach noch immer vermied, die Bildung einer neuen Partei zu propagieren, traten nun – zur Überraschung der SAG wie der SPD-Führung – ganze Ortsvereine aus der SPD aus. Daraufhin rief am 9. Februar 1917 auch die SAG, deren Leitung – allen voran Hugo Haase – sich bis zuletzt gegen diesen Schritt gesperrt hatte, zur organisatorischen Sammlung der Opposition auf.[20] Als Beweggründe hierfür benannte sie in dem Aufruf die „planmäßige Schaffung von Sonderorganisationen durch den Parteivorstand“ und den Umstand, dass „ein Dutzend zur Besorgung zentraler Parteigeschäfte angestellter Parteibeamten wider alles Parteirecht sich anmaßen, nach eigenem Gutdünken den Ausschluss einzelner Parteigenossen und ganzer Organisationen aus der Partei zu dekretieren.“[21]

Die SAG richtete vom 6. bis 8. April 1917 in Gotha, der Stadt des historischen Vereinigungskongresses von 1875, eine zweite Reichskonferenz der Opposition aus. Hier konstituierte sich die USPD als eigenständige Partei. Einige Delegierte schlugen als alternativen Parteinamen die Bezeichnung Kommunistische Arbeiterpartei vor. Der endgültige Entschluss zur Gründung einer neuen Partei wurde wahrscheinlich erst in Gotha gefasst. Nicht genau geklärt ist, von wem der letzte Anstoß hierzu ausging. Zumindest ein Teil der Delegierten scheint in der Erwartung nach Gotha gereist zu sein, dass dort lediglich eine festere Verbindung der sozialdemokratischen Opposition inner- und außerhalb der SPD angestrebt werde. Kautsky hat – allerdings im Kontext seiner Rückkehr zur SPD fünf Jahre später – zu suggerieren versucht, dass die Gründung der USPD auf eine Art Überrumpelung durch die „Spartakisten“ zurückzuführen sei:

„Da tauchte plötzlich in Gotha der Vorschlag auf, wir sollten uns konstituieren als Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Vergebens sprachen Eisner, Bernstein und ich gegen diesen Vorschlag, der die offene Spaltung mit ihren verhängnisvollen Konsequenzen bedeutete. Gegen uns sprachen Ledebour, Herzfeld, Heckert, und sie gewannen die Mehrheit, 77 gegen 42 Stimmen. [Hierbei handelt es sich um das Ergebnis der Abstimmung über den Entwurf des Organisationsstatuts, mit dem unter anderem der neue Parteiname festgelegt wurde. Ein Großteil der Gegenstimmen kam von Delegierten, die eine andere Namensgebung favorisierten, aber nicht gegen die Parteigründung als solche opponierten.] Wären die Anhänger der Arbeitsgemeinschaft unter sich geblieben, ohne Zuziehung der Spartakisten, das Ergebnis wäre wohl ein anderes gewesen.“[22]

Der kriegsbejahende Flügel der SPD firmierte fortan als Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) mit Friedrich Ebert als Parteivorsitzendem.

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)  Haase_1905
Hugo Haase (1911 bis 1916 Vorsitzender der SPD, 1917 bis 1919 Vorsitzender der USPD)

An der Gothaer Gründungsversammlung im Volkshaus zum Mohren nahmen 124 Delegierte aus 91 sozialdemokratischen Wahlkreisorganisationen und 15 Reichstagsabgeordnete teil. Zu Vorsitzenden wurden Hugo Haase und Georg Ledebour gewählt, Wilhelm Dittmann wurde geschäftsführender Sekretär. In das Zentralkomitee der Partei wählten die Delegierten Hugo Haase, Luise Zietz, Adolf Hofer, Robert Wengels, Wilhelm Dittmann, Georg Ledebour und Gustav Laukant. Die USPD war insgesamt äußerst heterogen zusammengesetzt und speiste sich aus einander zum Teil offen bekämpfenden Strömungen: In ihr sammelten sich sozialdemokratische Traditionalisten wie Haase, revisionistische Kriegsgegner wie Kurt Eisner und Eduard Bernstein, führende Theoretiker des einstigen „marxistischen Zentrums“ wie Karl Kautsky und die marxistischen Revolutionäre der Spartakusgruppe. In Berlin entstand mit den revolutionären Obleuten eine konfliktfreudige gewerkschaftliche Basisbewegung, die eng mit der dortigen USPD-Organisation verbunden war. Nur die linksradikalen Gruppen in Norddeutschland (vgl. Bremer Linksradikale) lehnten es prinzipiell ab, sich der neuen Partei anzuschließen (und kritisierten die Spartakusgruppe heftig für deren Haltung gegenüber der USPD).

Die kleine, aber sehr aktive, bereits seit 1915 bestehende Gruppe Internationale – seit 1916 in der Öffentlichkeit zumeist als „Spartakusgruppe“ besprochen – um Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Leo Jogiches, Julian Marchlewski, Franz Mehring, Wilhelm Pieck, August Thalheimer und Clara Zetkin, die die Burgfriedenspolitik der SPD von Beginn an entschieden abgelehnt hatte und an den Parteibeschlüssen aus der Vorkriegszeit festhielt, spielte in vielerlei Hinsicht eine besondere Rolle. Die Gruppe gab mit den Spartakusbriefen ein eigenes illegales Periodikum sowie kontinuierlich Flugschriften und Flugblätter heraus. Sie trat der USPD geschlossen und unter dem Vorbehalt völliger politischer Selbständigkeit bei. Die Spartakusgruppe bestand 1917 aus etwa 2.000 Aktivisten, war aber weitaus einflussreicher, als es die relativ geringe Mitgliederzahl vermuten lässt.[23] Ihr Verhältnis zur USPD war widersprüchlich:[24] Zwar entschied sie sich – auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen – für den Anschluss an die Partei, nahm aber in ihrer Agitation keinerlei Rücksicht auf deren offizielle Linie und unterzog dieselbe stattdessen einer permanenten Kritik.[25] Der bewusste Verzicht auf die zweifellos mögliche Gründung einer selbstständigen linksradikalen Partei im Frühjahr 1917 war die einzige grundlegende Entscheidung der Spartakus-Führung, die später von Autoren der KPD bzw. der einschlägigen Geschichtsschreibung in der DDR offen und heftig kritisiert wurde. Wilhelm Pieck, der den Kurs 1917 mitgetragen hatte, sprach 1943 von einem „schweren Unterlassungsfehler“,[26] der die revolutionäre Strömung der deutschen Arbeiterbewegung weiterhin einer reformistischen Führung – eben der USPD – ausgeliefert und sich vor allem im Zuge der Novemberrevolution bitter gerächt habe.

Die engere Führung der USPD bestand indes trotz des disparaten Sammlungscharakters der Partei anfänglich fast ausschließlich aus Angehörigen der traditionalistisch-zentristischen Strömung.[27] Sie verstand die USPD in erster Linie als Neugründung der „alten SPD“ und verkündete demgemäß in ihrem Aufruf vom 13. April 1917, dass „in Gotha die alte Sozialdemokratie neu entstanden ist“.[28] Ganz in diesem Sinne bezeichneten sich etwa die zur USPD übergetretenen preußischen Landtagsabgeordneten als Sozialdemokratische Fraktion (Alte Richtung).[29] Durch die weitgehende Übernahme des Chemnitzer Parteistatuts von 1912 in die Grundlinien der USPD wurde dieser Anspruch noch unterstrichen. Rosa Luxemburg kritisierte dies als „tragikomisches Schlagen nach dem eigenen Schatten“ und warf der Parteiführung vor, „geflissentlich [zu vermeiden], die politischen Wurzeln des Bürokratismus und der ganzen Entartung der Demokratie in der alten Partei“[30] zu thematisieren.

Wenige Monate nach der Gründung hatte die USPD etwa 120.000 Mitglieder (SPD im März 1917: 243.000).[31] Die SPD-Bezirke Groß-Berlin, Halle/Saale, Erfurt, Leipzig, Braunschweig und Frankfurt am Main (mit zusammen 36 Wahlkreisorganisationen) waren fast geschlossen zur USPD übergetreten, ebenso einzelne wichtige Wahlkreisorganisationen wie Königsberg-Stadt, Solingen, Essen, Düsseldorf, Gotha und Bremen.[32] In Leipzig und Umland, dem alten Kerngebiet der Sozialdemokratie, „brach die alte SPD regelrecht zusammen“[33]: hier hatte sie unmittelbar nach der Spaltung weniger als 100, die USPD dagegen über 30.000 Mitglieder, in Groß-Berlin standen 28.000 USPD-Mitgliedern noch 6.475 SPD-Mitglieder gegenüber.[34] Otto Wels beklagte am 30. Mai 1917 im Kreise von SPD-Funktionären, dass alles, „was an energischen Leuten noch vorhanden ist“,[35] zu den Unabhängigen hinneige. Die USPD litt in den ersten Monaten ihres Bestehens nichtsdestotrotz stark unter einer ihr gegenüber besonders repressiven Handhabung des Belagerungszustandes durch die Militärbehörden, die ausdrücklich angewiesen worden waren, der Partei die „Möglichkeit zur Verbreitung ihrer Gesinnung im Volke“[36] zu nehmen. Zensur, Redeverbote für die Parteiführer, Versammlungs- und Zeitungsverbote sowie gezielte Einberufungen führender Funktionäre versetzten die Partei vielerorts „in eine Art Halblegalität“.[37]

Die Politik der USPD bis zum Ende des Weltkrieges

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD)  640px-Flugschrift_2_Die_Maske_herunter_USPD_W%C3%BCrttemberg
Flugschrift der USPD Württemberg: „Die Maske herunter!“, wohl 1918

Unter dem Eindruck der russischen Februarrevolution und der fast gleichzeitigen Konstituierung der USPD sah sich die SPD-Führung zu einigen Kurskorrekturen gezwungen, die nicht ohne Folgen für die politischen Aussichten der USPD blieben. Die Formel des Petrograder Sowjets „Friede ohne Annexionen und Kontributionen“ hatte in allen Strömungen der deutschen Arbeiterbewegung breite Zustimmung gefunden. Am 19. April 1917 stellte sich der SPD-Parteiausschuss in einem Beschluss hinter diese Orientierung, Ende Juni drängte er die Parteiführung sogar, die neue Kriegskreditvorlage abzulehnen, falls die Reichsregierung sich nicht eindeutig zu den Kriegszielen erkläre und zusichere, dass es nach dem Kriege zu einer inneren Neuordnung kommen werde. Dieser Schwenk limitierte den Zustrom zur USPD, die nicht zum letzten Mal zunächst sprachlos auf eine grundlegende Kehrtwende der SPD reagierte:

„Ihre klägliche Haltung suchte die Mehrheitspartei durch eine lärmvolle Polemik mit den Alldeutschen zu vertuschen und zu verdecken. […] Wer die Haltung der Mehrheitssozialisten seit Kriegsbeginn miterlebt, wie wir von der Opposition, kam jetzt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die ‚Regierungssozialisten‘ gebärdeten sich in der Polemik mit den Alldeutschen, als wenn sie seit Kriegsbeginn ununterbrochen einen energischen Kampf gegen die Annexionspolitiker geführt und von der Regierung ein unzweideutiges Bekenntnis zu einem Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen gefordert hätten. […] Der eifrigste Agitator für den ‚Frieden ohne Annexionen und Kontributionen‘ war im regierungssozialistischen Lager jetzt – Philipp Scheidemann, derselbe Scheidemann, der vorher am meisten dahin gewirkt hatte, eine solche Agitation zu verhindern.“[38]

Der neuen Linie der SPD schlossen sich Zentrum und Fortschrittler an; gemeinsam brachten die drei Parteien am 19. Juli 1917 die sogenannte Friedensresolution durch den Reichstag. Die USPD-Fraktion wies auf die Zweideutigkeiten dieses Textes hin, charakterisierte ihn als leicht durchschaubare innen- und außenpolitische Taktiererei und lehnte ihn folgerichtig ab. Eine von ihr eingebrachte Konkurrenzresolution, die sich völlig eindeutig gegen Annexionen, für die Aufhebung des Belagerungszustandes und die Demokratisierung des Reiches aussprach, wurde umgekehrt von allen anderen Parteien abgelehnt. Am folgenden Tag bewilligte der Reichstag gegen die Stimmen der USPD die neue Kriegskreditvorlage.

Knapp zwei Monate später nahm eine Delegation der Partei (Haase, Ledebour, Käte Duncker) an der internationalen sozialistischen Konferenz in Stockholm (sog. dritte Zimmerwalder Konferenz, 5.–12. September) teil, deren Abschlussresolution sich für „Massenaktionen“ und einen „Massenstreik“ zur Beendigung des Krieges aussprach. Während Duncker und teilweise auch Ledebour bei zentralen Fragen – Verhältnis zu den rechten Sozialdemokraten, Art und Weise des Antikriegskampfes, Frage einer neuen Internationale – im Grundsatz die Auffassungen der Bolschewiki teilten, trat Haase zurückhaltender auf und verhinderte unter anderem die Annahme einer gegen die Menschewiki gerichteten Resolution.[39] Der in der Abschlussresolution gegebenen Orientierung folgten die prominenten Sprecher der USPD im Reichstag in den nächsten Monaten allerdings ohne erkennbare Vorbehalte.[40]

Schon zuvor – praktisch im Augenblick ihrer Gründung – war die USPD in „Massenkämpfe“ des in Stockholm geforderten Zuschnitts verwickelt worden. Mitte April 1917 brachen in mehreren rüstungsindustriellen Zentren – namentlich in Hochburgen der USPD wie Berlin, Leipzig, Braunschweig und Halle – Streiks aus, an denen sich hunderttausende Arbeiter beteiligten.[41] Letzter Auslöser für die Streikbewegung war die zum 1. April erfolgte Senkung der Brotrationen. Die Streikenden formulierten neben rein ökonomischen auch eine Vielzahl politischer Forderungen. In zwei Berliner Betrieben – bei Knorr-Bremse und DWM – wurden erstmals in Deutschland Arbeiterräte gebildet. Bis zum 24. April gelang es den Gewerkschaftsleitungen und den Militärbehörden allerdings, die Streiks abzuwürgen. Nach Angaben Friedrich Thimmes sahen die „Herren von der Sozialdemokratie“ – gemeint ist die Führung der SPD – die Streiks als „pure[n] Landesverrat“ an und erklärten ihm gegenüber, ihre Hauptaufgabe darin zu sehen, dieselben „einzudämmen und abzublasen.“[42] Dagegen stellte sich die USPD weitgehend geschlossen und uneingeschränkt hinter die Streikbewegung. Viele lokale USPD-Funktionäre hatten die Streiks mit vorbereitet (beim Gründungsparteitag in Gotha sollen sich nach Aussage eines Beteiligten einzelne Delegierte „abseits und ohne Mitwirkung der führenden Geister der Tagung“[43] hierzu verabredet haben) und führten sie aktiv durch, die Spartakusgruppe warb in Flugblättern für die Ausweitung und weitere Politisierung der Ausstände, in Berlin trat mit Haase, Ledebour, Arthur Stadthagen und Adolph Hoffmann die erste Reihe der Partei als Redner auf Streikversammlungen auf. Eine Delegation der Leipziger USPD (Richard Lipinski, Arthur Lieberasch, Hermann Liebmann) wurde von den dortigen Streikenden beauftragt, dem Reichskanzler einen umfangreichen Forderungskatalog vorzutragen;[44] im Falle einer ablehnenden Antwort sollte „überall sofort ein Arbeiterrat eingesetzt werden.“[45] Erst Jahre später wurde bekannt, dass sich Hugo Haase auf dem Höhepunkt der Streikbewegung vertraulich mit dem Chef des Kriegsamtes, General Wilhelm Groener, getroffen und diesem zugesichert hatte, seinen Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass spätestens am 1. Mai nicht mehr gestreikt werde. Groener, der das Treffen 1925 als Zeuge im Münchner Dolchstoßprozess publikmachte, will bei dieser Gelegenheit den sicheren Eindruck gewonnen haben, dass Haase „alles andere war, nur kein revolutionärer Führer.“[46] Zwar agierte Haase im April 1917 nicht – wie bald darauf die SPD-Führung während des Januarstreiks – mit dem direkten Vorsatz, die Streikbewegung als solche zu untergraben, sah aber hier und später eine erschütterungsfreie, demokratisch-„sozialpazifistische“ Evolution hin zum äußeren Frieden und schließlich zum Sozialismus als theoretisch möglich und praktisch wünschenswert an. Illegalen und nicht genau berechenbaren außerparlamentarischen „Aktionen“, die nicht nur die Spartakusgruppe seit der russischen Februarrevolution unaufhörlich forderte, standen Haase und der Rest der engeren USPD-Führung – abgesehen allein von Ledebour – deshalb passiv und insgeheim ablehnend gegenüber. Dennoch begünstigten die wiederholten, von der Tribüne des Reichstages und in der Parteipresse geäußerten allgemeinen Appelle an „die Massen“ aktivistische Vorstöße lokaler USPD-Gliederungen. So führte die Merseburger USPD am 15. August 1917 alle 12.000 Arbeiter der Leuna-Werke in einen 24-stündigen, mit einer Demonstration durch die Stadt abgeschlossenen Proteststreik, der auch auf einige Orte der näheren Umgebung übergriff.

Die Aprilstreiks drängten die USPD-Führung indirekt noch in eine weitere von ihr so nicht gewollte Auseinandersetzung. Trotz gegenteiliger Zusicherungen waren nach dem Ende der Ausstände zahlreiche Streikteilnehmer einberufen worden, viele davon zur Hochseeflotte. In ihren Stammakten wurden Sondervermerke angebracht; in Einzelfällen brachten die heimatlichen Militärbehörden zum Ausdruck, dass sie es begrüßen würden, wenn der Betreffende nicht mehr zurückkehre.[47] Die Anwesenheit dieser hoch politisierten Neuankömmlinge trug erheblich zur Radikalisierung der Schiffsbesatzungen bei, die ohnehin zu großen Teilen aus der Facharbeiterschaft der Großstädte rekrutiert worden waren, mit der USPD sympathisierten (allein auf dem Linienschiff Friedrich der Große kursierten ständig dutzende Exemplare der Leipziger Volkszeitung) und schon länger über Schikanen durch Offiziere, schlechte Verpflegung und die von Teilen der Besatzungen zu leistende Zwangsarbeit in den Werften Klage führten. Seit Juni 1917 entstand, gestützt auf die von den Matrosen gegen den Widerstand der Offiziere gebildeten Menagekommissionen, eine illegale, etwa 5.000 Mann starke Organisation, deren Führer einen „Generalstreik“ in der Flotte vorbereiteten. Anfang August wurde diese Organisation durch Spitzel aufgedeckt, die aufgeschreckte Marinejustiz verhängte fünf Todesurteile (von denen zwei – gegen Albin Köbis und Max Reichpietsch – vollstreckt wurden) und über 50 Zuchthausstrafen. Die Ermittlungen ergaben, dass Köbis, Reichpietsch und Willy Sachse den direkten Kontakt zur Führung der USPD gesucht hatten und auch mehrmals mit Dittmann, Luise Zietz und Adolph Hoffmann zusammengetroffen waren.[48] Diese hatten ihnen allerdings von illegalen Aktionen und vor allem von der von den Matrosen vorgeschlagenen Mitgliederwerbung für die USPD abgeraten. Zumindest Reichpietsch – und damit der eigentliche Kopf der Organisation – begriff seine Tätigkeit aber als Parteiarbeit und sich selbst als Mitglied der USPD.[49] Wegen dieser als „Staatsgefährdung“ gewerteten Verbindungen griffen Reichskanzler Michaelis und Staatssekretär Capelle die USPD am 9. Oktober im Reichstag an und drohten indirekt mit einem Verbot der Partei.[50] Haase, Vogtherr und Dittmann kritisierten zwar die verhängten Todesurteile scharf, bemühten sich bei dieser Gelegenheit allerdings auch erfolgreich um den Nachweis, dass die Parteiführung die Grenze der Legalität zu keinem Zeitpunkt überschritten habe. Damit desavouierten sie in gewisser Weise jene Militärangehörigen, die innerhalb ihrer Einheiten für die USPD warben und vergaben die „große Chance, sich illegale Organisationen innerhalb der Armee zu schaffen.“[51]

Die russische Oktoberrevolution wurde von der großen Mehrheit der USPD uneingeschränkt begrüßt. Die Parteiführung übermittelte unmittelbar nach Bekanntwerden der Petrograder Ereignisse in einem Telegramm „dem russischen Proletariat zur Ergreifung der politischen Macht wärmste Glückwünsche“,[52] zahlreiche Lokalorganisationen äußerten sich im gleichen Sinne. Für den 18. November 1917 kündigte die Berliner USPD zehn (ohne Ausnahme verbotene) Großversammlungen zu diesem Thema an. Unter dem Eindruck der Oktoberrevolution begann allerdings auch – zunächst kaum beachtet – die letzte, erst 1921/1922 abgeschlossene Etappe der folgenreichen politisch-theoretischen Transformation des alten „marxistischen Zentrums“. Während dessen politische Praktiker in der Führung der USPD – mit Haase an ihrer Spitze – nicht nur nach außen hin, sondern auch „subjektiv ehrlich“[53] die Entwicklungen in Russland begrüßten, trat der engere Kreis um Kautsky, dem auch im deutschen Exil lebende Menschewiki angehörten, von der ersten Stunde an ablehnend gegenüber dieser Revolution auf. Die wenig überzeugenden Versuche, diese Ablehnung theoretisch zu begründen, trugen ganz erheblich dazu bei, dass der persönliche Einfluss Kautskys innerhalb der USPD zunehmend sank und 1919/1920 einen Tiefpunkt erreichte. Kernstück von Kautskys Argumentation war der „Nachweis“, dass eine sozialistische Revolution in Russland wegen dessen sozioökonomischer Rückständigkeit „unmöglich“ sei. Da er bei anderen Gelegenheiten versuchte, die ebenfalls von ihm behauptete „Unzeitgemäßheit“ einer sozialistischen Revolution in Westeuropa – hier verstanden als Gegensatz zur „unvermeidlichen“ Evolution – mit Verweis auf das dort gegebene hohe Niveau gesellschaftlicher Entwicklung zu begründen, wirkte dieser Standpunkt schon auf den ersten Blick paradox und wurde von seinen Kritikern auf die von Kautsky nicht mehr glaubwürdig zu dementierende Konsequenz „Verzicht auf die Revolution überall und unter allen Umständen!“[54] zugespitzt. Damit setzte sich Kautsky nicht nur und einmal mehr in völligen Gegensatz zur Spartakusgruppe, sondern zum Selbstverständnis der übergroßen Mehrheit der Mitglieder und Funktionäre der USPD. Haase versuchte wiederholt (und vergeblich), Kautsky in persönlichen Briefen wegen der in den folgenden Monaten immer weiter eskalierenden antibolschewistischen Polemik in den von ihm beeinflussten Teilen der USPD-Presse zur Ordnung zu rufen:

„Gerade jetzt, wo die Bolschewiki von allen kapitalistischen Regierungen umdrängt werden, halte ich es für einen schweren Fehler, gegen sie eine Polemik zu führen. […] Mehr als je vertrete ich die Meinung, dass die Sozialistische Auslands-Korrespondenz objektive Berichte über Russland zur Orientierung der Leser bringen soll […]. Dringend warnen möchte ich vor jeder Ausführung, die auch nur so ausgelegt werden könnte, als ob die konterrevolutionären Kräfte in Russland, als ob die kapitalistischen Kreise – wenn auch gegen die Absicht des Verfassers – gestützt werden. […] Wir würden dadurch Kämpfe in unserer Partei entfesseln, während wir den engsten Zusammenschluss gegen die Imperialisten aller Richtungen, auch der regierungssozialistischen, brauchen.“[55]


Das im Januar 1918 nach und nach bekanntwerdende aggressive Auftreten der deutschen Delegation bei den Brest-Litowsker Verhandlungen löste in der Arbeiterbewegung eine starke, zu Aktionen drängende Erbitterung aus. Ledebour, Adolph Hoffmann und Joseph Herzfeld setzten gegen den erheblichen Widerstand gemäßigter USPD-Führer durch, dass die Reichstagsfraktion ein schließlich massenhaft verbreitetes Flugblatt herausgab, das – ähnlich wie die Aufrufe der Spartakusgruppe Die Stunde der Entscheidung! und Hoch der Massenstreik! Auf zum Kampf! kurz zuvor – zu konkreten und unmittelbaren „Willenskundgebungen der werktätigen Bevölkerung“ aufforderte („Die Stunde ist gekommen, eure Stimme für einen solchen Frieden zu erheben! Ihr habt jetzt das Wort!“).[56] Am 28. Januar begann der bis dahin größte politische Streik in Deutschland, der, ausgehend von Berlin, auch auf andere Industriezentren übergriff. In München wurde am 31. Januar Kurt Eisner verhaftet, nachdem er vor Streikenden gesprochen hatte. In Berlin wurde der Streik von einem elfköpfigen Aktionsausschuss der Betriebsobleute (fast alle Mitglieder des Ausschusses gehörten der USPD an) geführt, die zunächst drei USPD-Vorständler kooptierten (Haase, Ledebour und Dittmann), schließlich aber auch – was zunächst klar abgelehnt worden war – die SPD aufforderten, drei Vertreter zu entsenden. Nach dem Eingreifen des Militärs und der Verhängung des verschärften Belagerungszustands beschloss der Aktionsausschuss auf Drängen der SPD-Vertreter den Abbruch des Streiks zum 4. Februar. Allein in Berlin wurden umgehend etwa 50.000 Streikende eingezogen, gegen 200 „Rädelsführer“ verhängten Kriegsgerichte zum Teil empfindliche Freiheitsstrafen. Der Januarstreik, als solcher zweifellos ein Misserfolg, hatte allerdings auch zu einer Festigung des strukturellen Übergewichts der USPD in der Reichshauptstadt geführt und die Militanz der Aktivisten eher verschärft als gebremst.[57] Friedrich Ebert hatte – offenbar schlecht beraten – auf einer großen Streikversammlung im Treptower Park (auf der Wilhelm Dittmann verhaftet und von Polizisten mit Säbeln traktiert wurde)[58] eine mit nationalistischen Tönen durchsetzte Rede gehalten und war von Zwischenrufern als „Arbeiterverräter“ und „Streikabwürger“ geschmäht worden, die SPD verlor in den Berliner Großbetrieben in der Folge weiter an Einfluss.[59]

In den auf den Streik folgenden Monaten wirkte die USPD vor allem durch die in ihrer Presse nachgedruckten Wortmeldungen der Reichstagsabgeordneten auf die politische Entwicklung ein. Zahlreiche lokale Aktivisten hatten darüber hinaus Anteil an der auf niedrigerem Niveau andauernden Streikwelle, die zwischen Juni und September noch einmal erhebliche Ausmaße erreichte. Die Reichstagsfraktion der USPD sprach sich – als einzige – geschlossen gegen den Friedensvertrag von Brest-Litowsk aus und nahm bei mehreren Gelegenheiten uneingeschränkt Partei für Sowjetrussland. Als die SPD Anfang Oktober 1918 in die Reichsregierung eintrat, wurde das von der USPD in einem Aufruf scharf kritisiert:

„Die Sozialdemokratische Partei ist in die Regierung berufen, um nach dem Zusammenbruch des Imperialismus die bürgerliche Gesellschaft zu schützen. Sie hat die Aufgabe übernommen, die ‚nationale Verteidigung‘ zu organisieren und die bürgerliche ‚Ordnung‘ zu schützen. Sie hat die Forderung der internationalen Kongresse preisgegeben, dass die Katastrophe des Weltkrieges von der Sozialdemokratie ausgenützt werden müsse, an die Stelle des kapitalistischen Systems das sozialistische zu setzen.“[60]

Die „Parole des deutschen Proletariats“ sei stattdessen die „Einigkeit unter dem unbefleckten Banner der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei.“[61] In einigen Städten gingen USPD-Mitglieder im Oktober 1918 offensiv gegen Kundgebungen bürgerlicher Parteien vor, auf denen zum „Durchhalten“ und zur „nationalen Verteidigung“ aufgerufen wurde. In Essen wurde eine solche Versammlung „gleich zu Beginn von den Unabhängigen gesprengt“, die „Hochrufe auf Liebknecht [ausbrachten], Verse vom Sozialistenmarsch [sangen] und ganze Haufen von Flugblättern in den Saal [warfen].“[62] Derartige Erklärungen und Aktionen verdeckten allerdings, dass die USPD keineswegs in der Lage war, auf die nun einsetzende Krise der alten Ordnung klar, gefestigt und einheitlich zu reagieren. Auf ihrer Oktoberkonferenz, an der erstmals auch Angehörige der nicht in der USPD vertretenen linksradikalen Gruppen aus Norddeutschland teilnahmen, hatte die Spartakusgruppe einige der innerparteilichen Sollbruchstellen markiert.[63] Am Vorabend der Revolution hatten sich die USPD-Mitglieder selbst in wesentlichen Grundfragen nur lose und – wie sich schon bald zeigte – wenig belastbar verständigt, die unentschlossene Führungsgruppe der Partei war dem SPD-Vorstand, der zumindest genau wusste, was er nicht wollte, taktisch unterlegen und hegte zudem Illusionen über dessen politische Absichten.[64]

So hier unterbrechen wir,wer sich weiter dafür interessiert , dem sei der Link empfohlen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Unabh%C3%A4ngige_Sozialdemokratische_Partei_Deutschlands

Andy
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