Die rechtliche Betreuung
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Die rechtliche Betreuung
Die rechtliche Betreuung ist ein deutsches Rechtsinstitut, bei dem ein Betreuer unter gerichtlicher Aufsicht die Vertretungsmacht für einen Volljährigen erhält. Sie dient dazu, Rechtshandlungen im Namen des Betreuten zu ermöglichen, die dieser selbst nicht mehr vornehmen kann, und wird zeitlich und sachlich für entsprechende Aufgabenkreise beschränkt. Die Betreuung wurde durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. Unter Betreuung wird die rechtliche Vertretung verstanden und nicht eine Sozial- oder Gesundheitsbetreuung. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und geht über sie deutlich hinaus. Die Betreuung ist im Wesentlichen in den §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.
Das Betreuungsrecht ersetzt die frühere Entmündigung.[1] Die Betroffenen bleiben mit Ausnahme des Einwilligungsvorbehalts geschäftsfähig, wahlberechtigt, ehe- und testierfähig. Allerdings ist das Wahlrecht bei Anordnung der Betreuung in sämtlichen Angelegenheiten unter Umständen ausgeschlossen. Kritiker vertreten die Auffassung, dass die Betreuung in der Praxis dennoch oft einer Entmündigung gleichkomme, obwohl das gesetzgeberische Ziel der Reform „Betreuung statt Entmündigung“ gewesen sei, um den Betroffenen Hilfe zu einem selbstbestimmten Leben zu leisten. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Betreuung dürfe nicht zur Erziehung dienen oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen.
Die Zahl der Menschen, die rechtlich gemäß § 1896 BGB betreut wurden, belief sich am 31. Dezember 2009 in der Bundesrepublik Deutschland auf rund 1.291.000. Die Zahl der Betreuungen ist gegenüber dem Jahr 2000 um 28 % gestiegen, die jährlicher Steigerungsrate lag 2009 bei 0,4 %. Die Betreuungsdichte, die Anzahl der Betreuungen pro Tausend Einwohner, ist nach Bundesland unterschiedlich. Mecklenburg-Vorpommern (20 Promille), Sachsen-Anhalt (19,9 Promille) und das Saarland (19,4 Promille) weisen die höchste, Baden-Württemberg mit 10,1 Promille die mit Abstand geringste Betreuungsdichte auf. Die durchschnittliche Betreuungsdichte lag bei 15,8 Promille. Während sich die Betreuungsdichte von 2004 bis 2009 um 12 % erhöhte, stiegen die Kosten der rechtlichen Betreuungen pro Tausend Einwohner im selben Zeitraum um 56 % an, was im Wesentlichen mit der Zunahme der Berufsbetreuungen, der Zahl der Erstbestellungen, der Anzahl der mittellosen berufsmäßig Betreuten und der Anzahl der berufsmäßig Betreuten in Privathaushalten begründet wird. Der Anteil berufsmäßig Betreuter ist mit 57 % in Hamburg sowie gleichzeitig mit 1705 € durchschnittlichen jährlichen Betreuungskosten je berufsmäßig Betreutem am höchsten.[2] Für die Betreuung stehen 12.000 Berufsbetreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer zur Verfügung.[3]
Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers
Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn auf seinen Antrag oder von Amts wegen gemäß § 1896 BGB einen Betreuer. Im württembergischen Teil von Baden-Württemberg ist für die Betreuerbestellung der Notar nach Maßgabe von § 1 des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig. Ausnahmen von der notariellen Zuständigkeit in Württemberg: § 37 LFGG.
Vorliegen einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung, § 1896 Abs. 1 BGB
Voraussetzung der Betreuerbestellung ist eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung.
a) psychische Krankheiten: Hierzu zählen alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; jedoch auch seelische Störungen als Folge von Erkrankungen (z. B. Hirnhautentzündungen) oder Hirnverletzungen. Gleiches gilt für Neurosen, Zwangserkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen (früher: Psychopathien);
b) geistige Behinderungen: Hierunter fallen angeborene sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbenen Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade;
c) seelische Behinderungen: dies sind langdauernde psychische Beeinträchtigungen, die als Folge psychischer Störungen zu verstehen sind. Dazu gehören auch die Auswirkungen hirnorganischer Beeinträchtigungen (Demenz), die insbesondere mit zunehmendem Alter häufiger sind (z. B. Demenz vom Alzheimer-Typ).
d) körperliche Behinderungen können ebenfalls Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein; allerdings nur auf Antrag des Betroffenen, und die Behinderung muss die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten erheblich beeinträchtigen (z. B. bei dauernder Bewegungsunfähigkeit oder Taubblindheit).
Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind alte Menschen, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz erkrankt sind. Daneben benötigt ein Teil geistig behinderter Menschen im Erwachsenenalter einen Betreuer.
Auch Suchterkrankungen (beispielsweise Alkohol- oder Rauschgiftabhängigkeit) können bei entsprechendem Schweregrad psychische Krankheiten sein; die Sucht muss aber im ursächlichen Zusammenhang mit einer Behinderung oder geistigen Erkrankung stehen oder es muss ein auf die Sucht zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sein.[4] Alkoholikern und Drogensüchtigen kann daher kein Betreuer bestellt werden, solange nur eine Suchterkrankung vorliegt.[5]
Fürsorgebedürfnis und Erforderlichkeit der Betreuung
Weiter muss für eine Anordnung einer Betreuung die psychische Erkrankung oder Behinderung dazu führen, dass der Betroffene als Folge der Behinderung oder Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht eigenständig besorgen kann (= Handlungsbedarf). Die Betreuung wird nur für die notwendigen Aufgabenkreise und die erforderliche Dauer eingerichtet.
Keine ausreichenden vorrangigen anderen Hilfen
Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen auch durch andere Hilfen ohne die Einschaltung eines gesetzlichen Vertreters besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Anderweitige Hilfe kann z. B. durch Familienangehörige, Nachbarschaftshilfe oder soziale Dienste oder hierzu Bevollmächtigte erfolgen. Die Betreuung nach dem BGB ist somit subsidiär (nachrangig). Durch die Einfügung des Wortes „rechtlich“ in § 1896 BGB im Jahre 1999 ist verdeutlicht worden, dass Betreuungstätigkeit eine rechtliche Vertretung darstellt.
Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbstständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen kann usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die Betreuerbestellung. Hier wird es im Normalfall auf ganz praktische Hilfen ankommen (z. B. Sauberhalten der Wohnung, Versorgung mit Essen), für die man keinen gesetzlichen Vertreter braucht (in der Praxis wird, besonders wenn es keine anderen Hilfspersonen gibt, doch ein Betreuer für die Organisation der Hilfen bestellt).
Mit einer Vorsorgevollmacht kann man für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines Vertrauens Vollmacht für alle eventuell anfallenden Rechtsgeschäfte erteilen und so die Anordnung einer Betreuung vermeiden. Hierfür müssen ggf. bestimmte Formvorschriften beachtet werden.
Allerdings kann es z. B. sein, dass eine Betreuung trotz Vorhandenseins von Familienangehörigen oder Bevollmächtigten nötig wird, nämlich dann, wenn diese Personen gegen Wohl und Willen der betroffenen Person handeln oder von ihr nicht mehr kontrolliert werden können. Außerdem müssen die oben genannten sozialen Hilfen beantragt, organisiert und ggf. bezahlt werden. Hierfür ist in der Regel eine Person mit Vertretungsmacht nötig. Ein Bevollmächtigter hat diese Vertretungsmacht aus der Vollmacht heraus, der Betreuer bekommt die Vertretungsmacht mit seiner Bestellung als Betreuer durch das Betreuungsgericht. Vor- und Nachteile einer Vorsorgevollmacht werden im Artikel Vorsorgevollmacht behandelt.
Keine Betreuungsanordnung gegen den freien Willen
Wer seinen Willen frei bestimmen kann, darf keinen rechtlichen Betreuer gegen seinen Willen bestellt bekommen, 1896 Abs. 1 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Allerdings wird bei Vorliegen einer erheblichen geistigen Krankheit der Wille der betroffenen Person von der Krankheit beeinflusst und kann insoweit nicht als frei angesehen werden, er ist krankhaft. Insbesondere Betroffene mit Psychosen, Schizophrenie oder Querulantenwahn leiden oft unter ausgeprägten verschwörungstheoretischen Denkstörungen und versuchen daraufhin auch mit rechtlichen Mitteln, eine Totalblockadehaltung gegen jede psychiatrische Untersuchung, Diagnose und Behandlung einzunehmen, z. B. indem sie Verfügungen treffen, nur Anwälte von antipsychiatrischen Verbänden als Bevollmächtigte einzusetzen. Wenn die Betroffenen dann für sich selbst oder für andere zu einer Gefahr werden, steht nur das Mittel der Betreuungsanordnung zur Verfügung, um diese Blockadehaltung zu brechen und eine Behandlung durchzusetzen.
Antipsychiatrische Aktivisten wenden ein, die Betreuung dürfe nicht dazu dienen, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen.[6] Das Kriterium des freien Willens sei in der Praxis nicht akzeptabel, da der Arzt über den Patienten hinweg entscheiden könne, ob jener einen freien Willen hat. Das Gesetz sei zu ändern und solle an dem natürlichen oder geäußerten Willen anknüpfen.
Betreuung auf eigenen Antrag hin oder von Amts wegen
Die Entscheidung für oder gegen eine Betreuungsbeantragung sollte der Betroffene sorgsam abwägen. Ein rechtlicher Betreuer kann eine große Hilfe sein, etwa wenn es darum geht, Behördenangelegenheiten und finanzielle Angelegenheiten zu regeln oder eine Wohnung zu finden. Hierbei helfen aber auch Angebote freiwilliger sozialer oder pflegerischer Betreuung oder sonstige Dienstleister (wie Makler, Einkaufsdienste etc.). Liegt ausschließlich eine körperliche Behinderung vor, ist eine Betreuerbestellung nur auf eigenen Antrag hin möglich; es sei denn, es ist überhaupt keine Verständigung mit dem Betroffenen möglich (Locked-in-Syndrom).
Betreuungsverfahren
Die Betreuungsanordnung erfolgt in einem gerichtlichen Verfahren (§§ 1 bis 110 sowie 271 bis 341 FamFG), für das spezielle Verfahrensgarantien festgelegt wurden. Der Betreute ist immer verfahrensfähig (§ 275 FamFG) und kann zum Beispiel gegen Beschlüsse Beschwerde einlegen und/oder einen Anwalt oder einen sonstigen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragen (§ 276 Abs. 4 FamFG).
Der Betreute muss durch einen unabhängigen Sachverständigen begutachtet werden. Ein (selbst vorgelegtes) ärztliches Zeugnis ist nur dann ausreichend, wenn der Betroffene eine Betreuerbestellung selbst beantragt. In Eilfällen genügt gleichfalls ein ärztliches Zeugnis, die Begutachtung ist aber nachzuholen. Das Betreuungsgericht ist in diesem Falle nach §§ 1846, 1908 i BGB auch befugt, die erforderlichen Maßnahmen selbst zu treffen.
Aus § 30 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 406 ZPO folgt, dass der Gutachter abgelehnt oder das Gutachten angefochten werden kann, wenn Gründe vorhanden sind, die das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gutachters rechtfertigen und die Besorgnis der Befangenheit des Gutachters begründen (§ 42 ZPO).
Auswahl des Betreuers
→ Hauptartikel: Betreuerbestellung
Auch die Betreuerauswahl und -bestellung erfolgt innerhalb des Betreuungsverfahrens. Das Gericht kann eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person nicht als Betreuer mit der Begründung ablehnen, dass eine andere Person besser geeignet sei (§ 1897 Abs. 4 BGB). Unter bestimmten Umständen können mehrere Betreuer für einen Betreuten bestellt werden (§ 1899 BGB), z. B. auch ein Verhinderungsbetreuer. Für die Sterilisation ist stets ein spezieller Betreuer (Sterilisationsbetreuer) zu bestellen.
Aufhebung der Betreuung
Die Betreuerbestellung ist keine endgültige Angelegenheit. Der Betreute kann beim Betreuungsgericht die Prüfung und Aufhebung der Betreuung beantragen. Das Gericht ist verpflichtet, der Prüfung nachzukommen, sofern nicht immer wieder Anträge gestellt werden. Von sich aus prüft das Betreuungsgericht zumindest alle sieben Jahre, ob die Betreuung unverändert fortzuführen ist. Fällt der Handlungsbedarf für eine Betreuung weg, ist die Betreuung vom Gericht aufzuheben, was in der Praxis auch häufig vorkommt (§ 1908d BGB).
Der Betreute kann des Weiteren Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen. Auch nahe Angehörige und die Betreuungsbehörde sind beschwerdeberechtigt (§ 59, § 303 FamFG). Zuständig für die Entscheidung ist das Landgericht, sofern das Betreuungsgericht aufgrund der Einlegung des Rechtsmittels die angefochtene Entscheidung nicht abändert (Abhilfe, § 68 Abs. 1 FamFG).
Ebenso kann der Betreuer gewechselt oder sein Aufgabenkreis erweitert oder eingeschränkt werden (§ 1908b BGB). Hierzu bedarf es einer Anregung an das Gericht.
Pflichten des Betreuers
→ Hauptartikel: Betreuerpflichten
Die Pflichten des Betreuers ergeben sich aus § 1901 BGB. Bei Pflichtverletzungen ist eine zivilrechtliche Haftung des Betreuers gegeben.
Das „Wohl des Betreuten“ ist nach § 1901 und § 1906 BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Das „Wohl des Betreuten“ ist als Generalklausel eine „Einbruchstelle“ insbesondere der in Art. 2 GG garantierten Grundrechte in das bürgerliche Recht.[7] Um dem Selbstbestimmungsrecht zu genügen, ist das „Wohl des Betreuten“ aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB des Betreuungsrechts nicht nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern vorrangig subjektiv durch den Willen des Betreuten.[8][9] Belange Dritter sind dabei zweitrangig.
Um dem Grundrecht auf Selbstbestimmung in verfassungsgemäßer Weise gerecht zu werden, hat ein Betreuer folgende Grundsätze zu beachten:
Betreuer sollen immer nur für Betreute entscheiden, wenn diese nicht selbst entscheiden können. Gegen den Willen eines einwilligungsfähigen Betreuten, der Art, Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung erfassen kann, darf ein Betreuer nicht handeln.
Betreuer müssen im Grundsatz so entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Ein Betreuer darf aber natürlich keine Straftat begehen, auch wenn der Betreute diese mit freiem Willen beginge. Fraglich ist, ob der Betreuer auch verpflichtet ist, Straftaten des Betreuten zu verhindern.
Gegen den Willen des nicht zur freien Willensbestimmung fähigen Betreuten, also des juristisch nicht entscheidungsfähigen Betreuten, darf im Grundsatz nur gehandelt werden, wenn eine erhebliche Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist aber dann nicht statthaft, wenn der Betreute dem mit mutmaßlichem Willen nicht zustimmt. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund nicht bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist nur erlaubt, wenn sicher ist, dass der Betreute dem im Nachhinein zustimmen wird.
Auswirkungen der Betreuung auf den Betreuten
Ärztliche Behandlung
Jede Behandlung ist immer ein Eingriff in das in Art. 2 Abs. 2 GG garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Sie bedarf daher der Einwilligung. Solange der Betreute einwilligungsfähig ist, darf der Betreuer nicht für ihn in eine Behandlung einwilligen. Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme nach Aufklärung erfassen kann.[10]
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013[11] durch Ergänzungen des § 1906 BGB wieder eine Rechtsgrundlage für ärztliche Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht geschaffen.[12][13][14] Es wurde § 1906 BGB ergänzt, ebenso die Verfahrensvorschriften zur Unterbringung im FamFG.
Daneben ist der mutmaßliche Wille nach § 1901a Abs. 2 BGB zu beachten:
„Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.“
Ein Betreuer oder Bevollmächtigter hat für einen nicht entscheidungsfähigen Betreuten also so zu entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Gegen den in einer zutreffenden Patientenverfügung festgelegten Willen des Betreuten darf aber nicht mit Rückgriff auf einen angenommen freien Willen gehandelt werden (§ 1901a Abs. 2 BGB; BGH Beschluss XII ZB 2/03). Nur wenn trotz sorgfältiger Prüfung keine Anhaltspunkte zur Ermittlung des individuellen mutmaßlichen Willens des nicht entscheidungsfähigen Patienten zu finden sind, kann und muss auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen (BGH 1 StR 357/94).
Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen (Behandlung oder Nicht-Behandlung) in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese verbindlich, wenn durch diese Festlegungen der Wille des Betreuten für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Der Arzt und der Betreuer oder Bevollmächtigte müssen eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten (§ 1901a BGB). Die Missachtung des Patientenwillens, also eine Zwangsbehandlung, kann als Körperverletzung strafbar sein.[15][16]
Nur wenn Gefahren für andere Personen nicht anders abgewandt werden können sollten, dürfte eine Behandlung gegen den freien, mutmaßlichen oder den in einer Patientenverfügung festgelegten Willen zulässig sein.
Details siehe: Unterbringung, Einwilligungsfähigkeit, Zwangsbehandlung, Patientenverfügung
Geschäftsfähigkeit
Die Geschäftsfähigkeit des Betreuten bleibt unabhängig von der Anordnung einer Betreuung bestehen. Sowohl der Betroffene als auch der Betreuer können rechtswirksam handeln.
Deshalb sollte der Betreuer alle wichtigen Angelegenheiten, wie in § 1901 BGB festgelegt, mit dem Betroffenen besprechen, damit es nicht zu gegensätzlichen Handlungen kommt. Nur Menschen, die sich dauerhaft in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sind nicht geschäftsfähig. Sinn des seit 1992 bestehenden Betreuungsrechts ist es, den Betroffenen im Gegensatz zum früheren Vormundschaftsrecht nicht zu entmündigen.
Wer im Zustand der Geschäftsunfähigkeit Geschäfte zu seinen Ungunsten abschließt, muss die Geschäftsunfähigkeit nachweisen, damit festgestellt werden kann, dass die getätigten Rechtsgeschäfte nichtig sind. Dieser Nachweis entfällt, wenn eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt eingerichtet wurde.
Ist der Betreute geschäftsunfähig, darf ihm nicht ohne weiteres die Kontoführung untersagt werden. Allerdings hat die Bank ein Haftungsrisiko, wenn sie dem Betreuten im Zustand seiner Geschäftsunfähigkeit Geld auszahlt. Daher scheint es ratsam, im Zweifel den alleinigen Zugang des Betreuten zu großen Geldbeträgen zu unterbinden. Dann müsste auch die Bank dazu verpflichtet sein, dem Betreuten die Kontoführung zu gestatten. Hat der Betreute Schwierigkeiten, das Geld einzuteilen, ist zu empfehlen, ein Sparkonto mit Sparcard einzurichten. Manche Banken bieten die Möglichkeit der täglichen Überweisung.
Einwilligungsvorbehalt
Das Betreuungsgericht kann gesondert anordnen, dass der Betreute zu einer Willenserklärung (und damit zum Abschluss von Verträgen) im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers dessen Einwilligung bedarf: (Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB). Dies führt zur Einschränkung der Geschäftsfähigkeit.
Prozessfähigkeit von Betreuten (außerhalb von Betreuungsverfahren)
Rechtsgrundlagen: §§ 51 bis 53 ZPO, § 11 VwVfG
Anders als oben beschrieben, ist in sonstigen Gerichtsverfahren (Zivilprozess, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsverfahren) der Betreute dann prozessunfähig, wenn er entweder geschäftsunfähig i. S. des § 104 BGB ist oder unter Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) steht. Außerdem ist er in konkreten Verfahren dann prozessunfähig, wenn der Betreuer für ihn das Verfahren betreibt. Dies gilt auch dann, wenn er ansonsten geschäftsfähig ist.
Hierdurch soll konkurrierendem und sich widersprechendem Handeln von Betreuer und Betreutem entgegengewirkt werden – wobei der Betreuer natürlich im Rahmen des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB an die Wünsche des Betreuten gebunden ist. Gleiches gilt auch in behördlichen Verfahren aller Art, da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen und im SGB X sowie der Abgabenordnung auf § 53 ZPO verwiesen wird.
Betreuung und Grundrechte
Auch dem Betreuten stehen alle Grundrechte zu. Fraglich ist in Bezug auf das Betreuungsrecht jedoch, wem gegenüber. Als weiterer Akteur, gegenüber dem der Betreute seine Grundrechte geltend machen kann, kommt im Wesentlichen neben dem Betreuer das Betreuungsgericht in Betracht, welches die Betreuung anordnet, den Betreuer auswählt und kontrolliert und ggf. einzelne Entscheidungen im Rahmen gerichtlicher Genehmigungspflichten trifft. Gegenüber dem Betreuer, der im Regelfall als Privatperson dem Betreuten entgegentritt, übt das Betreuungsgericht unmittelbare rechtsprechende Staatsgewalt aus und ist daher direkt an die Grundrechte gebunden. In Betracht kommen im betreuungsrechtlichen Umfeld neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG), das Wohnungsgrundrecht (Art. 13 GG), das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und die Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug (Art. 104 GG).
„Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.“[17]
Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen ein Leben in Würde. Selbstbestimmung, Freiheit der Person, körperliche Unversehrtheit und Gleichheit vor dem Gesetz gehören zu den wichtigsten Grundrechten. In diese Grundrechte darf per Gesetz eingegriffen werden, der Wesenskern muss aber erhalten bleiben (Art. 19 Abs. 2 GG). Daher ist das Wohl des Betreuten vorrangig durch ihn selbst zu bestimmen. Nach dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013[11] ist eine Zwangsbehandlung nur im Rahmen der Unterbringung oder dem jetzt gleichgestellten Aufenthalt in einer Einrichtung möglich und muss zur Abwendung eines drohenden erheblichen Schadens notwendig sein, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und deren Nutzen die Beeinträchtigung deutlich überwiegt.[18] Die Genehmigung des Betreuungsgerichts und des Betreuers sind erforderlich, nachdem zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen. Daneben können Zwangsbehandlungen vom Gericht genehmigt werden, wenn sie zur eigenen Sicherheit des Betroffenen oder nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz zum Schutz anderer Personen erfolgen.
Während das frühere Entmündigungsverfahren deutliche Defizite in Bezug auf die obigen Grundrechte aufwies, sind das Betreuungsverfahren und das Unterbringungsverfahren mit zahlreichen Verfahrensvorschriften (insbesondere zur Verfahrensfähigkeit, zur Verfahrenspflegerbestellung und persönlichen Anhörung) prinzipiell geeignet, dem Grundrechtsschutz Genüge zu tun. Das Verfahren ist ab 1. September 2009 in § 298 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) beschrieben. Durch das 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde zum 1. Januar 1999 in der Vorgängerregelung des § 69d Abs. 2 FGG insoweit ein Rückschritt bei den Verfahrensgarantien vollzogen, dass bei der Genehmigung gefährlicher Heilbehandlungen nach § 1904 BGB das vorher ausnahmslose Verbot der Bestellung des behandelnden Arztes zum Sachverständigen eine Sollbestimmung wurde. Außerdem wurde die längstmögliche Überprüfungsfrist bei der Betreuerbestellung von fünf auf sieben Jahre verlängert (§ 295 Abs. 2 FamFG, früher § 69 FGG).
Im Verhältnis zwischen dem Betreuten und dem Betreuer muss differenziert werden. Eindeutig ist eine Drittwirkung der Grundrechte gegeben. Da der Betreuer nicht nur bei speziellen Genehmigungspflichten, sondern auch allgemein der Aufsicht des Betreuungsgerichtes unterliegt (und mit Ge- und Verboten einschließlich Zwangsgeldern belegt werden kann, vgl. § 1837 Abs. 2 und 3 BGB), hat das Gericht die Beachtung der Grundrechte durch den Betreuer im Rahmen seiner Aufsicht einzubeziehen. Auch eine mögliche Betreuerentlassung nach § 1908b Abs. 1 BGB kann sich darauf stützen.
Ansonsten gilt für den Betreuer, dass dieser dem Betreuten auf privatrechtlicher Basis als dessen gesetzlicher Vertreter gegenübersteht und in diesem Rahmen auch Verantwortung dafür trägt, dass die Grundrechte des Betreuten nicht durch andere staatliche Stellen (Behörden, Gerichte) beeinträchtigt werden. Hierfür hat er mit Rechtsmitteln aller Art einschl. Strafanzeigen sowie Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG zu sorgen. Im Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem strahlen die Grundrechte im Rahmen der Bestimmung des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB aus. Die Berücksichtigung von Wünschen des Betreuten im Rahmen der Betreuertätigkeit sowie dessen Beteiligung an Betreuerentscheidungen im Rahmen der dort genannten Besprechungspflicht sind (auch) unter den Aspekten des Grundrechtsschutzes des Betreuten zu sehen. Indes muss klar gesagt werden, dass die Bildung eines freien (von Krankheiten) unbeeinträchtigten Willens bei vielen Betreuten beeinträchtigt ist, sodass der Betreuer einen Entscheidungsspielraum besitzt, diese Wünsche beim Widerspruch mit dem objektiven Wohl des Betreuten nicht beachten zu müssen. Insoweit ist Betreuertätigkeit stets eine janusköpfige Angelegenheit, auf der einen Seite Hilfe für den Betreuten, auf der anderen Seite Schutz vor sich selbst.
Zwangsbefugnisse des Betreuers?
„In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist darauf hingewiesen worden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge öffentliche Funktionen wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann; nichts anderes gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betreuten.“[19][16]
Gegen den „natürlichen Willen“ des Betreuten darf nur gehandelt werden, wenn dies verhältnismäßig ist. Eine Zwangsbehandlung des Betreuten ist auch bei nicht vorhandener Einwilligungsfähigkeit des Betreuten nur zulässig, wenn der Eingriff in die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit und der Freiheit mit dem Schutz wesentlich höherwertiger Rechtsgüter des Betreuten gerechtfertigt werden kann. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH), die dem Betroffenen ein Recht auf Freiheit zur Krankheit einräumt. In der derzeitigen Rechtsprechung des BGH wird mit der Unterbringung nach § 1906 BGB unter bestimmten Umständen auch die stationäre Zwangsbehandlung als genehmigt angesehen. Eine ambulante Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage ist lt. BGH rechtlich nicht zulässig und daher nicht genehmigungsfähig.
Haftung des Betreuers für Pflichtwidrigkeiten
Der Betreuer haftet für vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schäden beim Betreuten, wenn sich dieses als Verletzung seiner Pflichten darstellt. Zuständiges Kontrollorgan ist das Betreuungsgericht. Berufsbetreuer benötigen eine eigene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, ehrenamtliche Betreuer sind über das jeweilige Bundesland versichert.
Verschwiegenheitspflicht, Zeugnisverweigerungsrecht, Datenschutz
Gemäß § 1902 BGB ist der Betreuer der gesetzliche Vertreter in den eingerichteten Aufgabenkreisen. Ist der Aufgabenkreis Gesundheitssorge eingerichtet, ist der Betreuer in diesem Bereich der gesetzliche Vertreter des Betroffenen. Er muss in der Regel genauso von dem Arzt informiert werden wie der Betroffene selbst. Ist der betreute Patient mit der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten an den Betreuer nicht einverstanden, muss der Betreuer diesen Willen in der Regel beachten (§ 1901 Abs. 3 BGB). Kann eine einvernehmliche Lösung zwischen Betreuer und Betreutem nicht gefunden werden, entscheidet das Gericht über das Auskunftsersuchen des Betreuers gegenüber dem Arzt.
Der Betreuer unterliegt nicht der Schweigepflicht gemäß § 203 StGB und besitzt auch keine Zeugnisverweigerungsrechte. Das ist problematisch, da er Informationen über den Betreuten von Personen bekommen darf/muss, die eigentlich die Schweigepflicht zu wahren haben. Verstöße sind mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu ahnden. Nach geltender Rechtslage hat der Betreute keinerlei Datenschutz und keinerlei Intimsphäre. In Strafverfahren gegen den Betreuten muss der Betreuer als Zeuge aussagen.
Rechtspolitische Kritik
Der Begriff der Betreuung ist euphemistisch und missverständlich. Wenn ältere Menschen z.B. im Krankenhaus gefragt werden, ob sie betreut werden möchten, gehen sie oft davon aus, dass von jemandem die Rede ist, der ihnen mit Rat und Tat durch den Klinikalltag hilft, und nicht davon, dass jemandem Vertretungsmacht erteilt werden soll. Ersteres werden sie in der Regel wünschen, letzteres dagegen kritisch sehen.
Da die Anordnung einer Betreuung keine Entmündigung ist, neigen die Betreuungsrichter eher früher dazu, einen Betreuer zu bestellen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Es gibt mehr alte Menschen, die einen rechtlichen Vertreter brauchen. Die zunehmende Zahl von Betreuerbestellungen liegt zum großen Teil aber auch an einer zunehmenden Verrechtlichung der Gesellschaft. Die strafrechtliche Rechtsprechung verlangt z. B., dass die Patienten über die Behandlungsmaßnahmen mit allen Risiken aufgeklärt werden müssen, ob sie es verlangen oder nicht. Auch Betreute müssen durch den behandelnden Arzt aufgeklärt werden, was aber häufig unterbleibt. Soweit ein Patient dem geistig nicht ganz folgen kann, wird zur rechtlichen Absicherung die Bestellung eines Betreuers verlangt.
Aber auch Pflegeheime, Rententräger, Behörden und Sozialleistungsträger erfordern zur rechtlichen Absicherung Mitwirkungspflichten, die die Betroffenen nicht erfüllen können. Oft führt ein einzelnes Bettgitter, das unzweifelhaft nur dem Schutz vor dem Herausfallen dienen kann, weil der Betroffene bettlägerig ist, zur Betreuerbestellung.
Auf der anderen Seite haben sich genügend Dienstleister etabliert, die diese Leistungen anbieten und die Nachfrage erfüllen. Eine „Betreuungsindustrie“ mit eigenen wirtschaftlichen Interessen ist entstanden. Auch wird vorgetragen, dass die Liberalisierung des Betreuungsrechts die Akteure leichtfertiger einen Betreuer bestellen lässt, da die Eingriffe in die Rechte des Betroffenen nicht mehr so umfassend sind wie vor 1992.
Betreuung wird von unterschiedlichen Gruppen sowie von Betreuten und Betreuern mitunter recht unterschiedlich bewertet. Dies dürfte im Wesentlichen daher rühren, dass Betreuungen in der Praxis tatsächlich recht unterschiedlich gehandhabt werden, abhängig von der beruflichen Ausbildung und Persönlichkeit des Betreuers und den besonderen Umständen des Einzelfalls. Das Feld der Aufgaben, mit denen sich der Betreuer konfrontiert sieht, kann sehr umfangreich und heterogen sein. Dass sich auch sehr engagierte Betreuer im Rahmen der (knapp bemessenen) pauschalisierten Vergütung angesichts massiver Anforderungen und Probleme des Betreuten überfordert fühlen oder überfordert sind, ist nicht unwahrscheinlich. Bisweilen wird die Arbeit der berufsmäßig tätigen Betreuer als entmündigend für den Betroffenen angesehen. Betreute fühlen sich bisweilen (zu Recht oder zu Unrecht) der Willkür des Betreuers ausgeliefert oder sind (zu Recht oder zu Unrecht) der Auffassung, der Betreuer arbeite nicht in ihrem Sinn oder gar gegen sie. Von Betreuerseite wird dem entgegengehalten, dass betreute Menschen ohne die Hilfe ihrer Betreuer noch viel eher der Willkür ihrer Umgebung ausgeliefert seien und dringend der Unterstützung bedürften. Es wird auch darauf verwiesen, dass die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Betreuten durch die Betreuung erhalten bleibe. Dies gilt zumindest, solange kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde. Ein Einwilligungsvorbehalt stellt dann letztlich aber doch das dar, was gerade durch das Rechtsinstitut der Betreuung vermieden werden sollte, den Entzug der Geschäftsfähigkeit mit allen finanziellen und sonstigen Konsequenzen. Von Betreuerseite wird behauptet, es komme letztlich auch auf das Vertrauensverhältnis zwischen Betreutem und Betreuer an. Der Betreute habe jederzeit das Recht, einen anderen Betreuer zu verlangen (vgl. § 1908b BGB). Ob der betreute Mensch dann auch faktisch in der Lage ist, sich rechtlich gegen einen unliebsamen oder untätigen Betreuer zur Wehr zu setzen oder ob der Betreuerwechsel an einem überarbeiteten Betreuungsgericht oder an der Unfähigkeit des Betreuten, bei der Geschäftsstelle vorzusprechen, scheitert, bleibt im Einzelfall ungewiss. Insbesondere Menschen mit einer Lernbehinderung, geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung haben in aller Regel Schwierigkeiten im Umgang mit Gerichten und bei Rechtsgeschäften. Rechtlich wird die Anordnung einer Betreuung als letztes Mittel der Unterstützung angesehen, sofern andere Mittel der Unterstützung nicht zur Verfügung stehen oder ungeeignet sind. Somit hat die gesetzliche Betreuung gegenüber anderen Hilfen Nachrang. In der Praxis wird aber häufig nicht geprüft, ob durch andere Maßnahmen etwa im Rahmen des so genannten ambulant betreuten Wohnens oder andere soziale Hilfen eine Betreuung überflüssig wäre oder ob diese den gleichen Zweck verfolgen könnten.
Siehe auch
Betreutes Wohnen, Betreuungsverfahren, Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Entmündigung, Deliktsfähigkeit, Empathie, Selbstregulation
Quelle - Literatur & Einzelnachweise
Das Betreuungsrecht ersetzt die frühere Entmündigung.[1] Die Betroffenen bleiben mit Ausnahme des Einwilligungsvorbehalts geschäftsfähig, wahlberechtigt, ehe- und testierfähig. Allerdings ist das Wahlrecht bei Anordnung der Betreuung in sämtlichen Angelegenheiten unter Umständen ausgeschlossen. Kritiker vertreten die Auffassung, dass die Betreuung in der Praxis dennoch oft einer Entmündigung gleichkomme, obwohl das gesetzgeberische Ziel der Reform „Betreuung statt Entmündigung“ gewesen sei, um den Betroffenen Hilfe zu einem selbstbestimmten Leben zu leisten. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ergebe sich aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Betreuung dürfe nicht zur Erziehung dienen oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen.
Die Zahl der Menschen, die rechtlich gemäß § 1896 BGB betreut wurden, belief sich am 31. Dezember 2009 in der Bundesrepublik Deutschland auf rund 1.291.000. Die Zahl der Betreuungen ist gegenüber dem Jahr 2000 um 28 % gestiegen, die jährlicher Steigerungsrate lag 2009 bei 0,4 %. Die Betreuungsdichte, die Anzahl der Betreuungen pro Tausend Einwohner, ist nach Bundesland unterschiedlich. Mecklenburg-Vorpommern (20 Promille), Sachsen-Anhalt (19,9 Promille) und das Saarland (19,4 Promille) weisen die höchste, Baden-Württemberg mit 10,1 Promille die mit Abstand geringste Betreuungsdichte auf. Die durchschnittliche Betreuungsdichte lag bei 15,8 Promille. Während sich die Betreuungsdichte von 2004 bis 2009 um 12 % erhöhte, stiegen die Kosten der rechtlichen Betreuungen pro Tausend Einwohner im selben Zeitraum um 56 % an, was im Wesentlichen mit der Zunahme der Berufsbetreuungen, der Zahl der Erstbestellungen, der Anzahl der mittellosen berufsmäßig Betreuten und der Anzahl der berufsmäßig Betreuten in Privathaushalten begründet wird. Der Anteil berufsmäßig Betreuter ist mit 57 % in Hamburg sowie gleichzeitig mit 1705 € durchschnittlichen jährlichen Betreuungskosten je berufsmäßig Betreutem am höchsten.[2] Für die Betreuung stehen 12.000 Berufsbetreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer zur Verfügung.[3]
Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers
Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn auf seinen Antrag oder von Amts wegen gemäß § 1896 BGB einen Betreuer. Im württembergischen Teil von Baden-Württemberg ist für die Betreuerbestellung der Notar nach Maßgabe von § 1 des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die freiwillige Gerichtsbarkeit zuständig. Ausnahmen von der notariellen Zuständigkeit in Württemberg: § 37 LFGG.
Vorliegen einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung, § 1896 Abs. 1 BGB
Voraussetzung der Betreuerbestellung ist eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung.
a) psychische Krankheiten: Hierzu zählen alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; jedoch auch seelische Störungen als Folge von Erkrankungen (z. B. Hirnhautentzündungen) oder Hirnverletzungen. Gleiches gilt für Neurosen, Zwangserkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen (früher: Psychopathien);
b) geistige Behinderungen: Hierunter fallen angeborene sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbenen Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade;
c) seelische Behinderungen: dies sind langdauernde psychische Beeinträchtigungen, die als Folge psychischer Störungen zu verstehen sind. Dazu gehören auch die Auswirkungen hirnorganischer Beeinträchtigungen (Demenz), die insbesondere mit zunehmendem Alter häufiger sind (z. B. Demenz vom Alzheimer-Typ).
d) körperliche Behinderungen können ebenfalls Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein; allerdings nur auf Antrag des Betroffenen, und die Behinderung muss die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten erheblich beeinträchtigen (z. B. bei dauernder Bewegungsunfähigkeit oder Taubblindheit).
Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind alte Menschen, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz erkrankt sind. Daneben benötigt ein Teil geistig behinderter Menschen im Erwachsenenalter einen Betreuer.
Auch Suchterkrankungen (beispielsweise Alkohol- oder Rauschgiftabhängigkeit) können bei entsprechendem Schweregrad psychische Krankheiten sein; die Sucht muss aber im ursächlichen Zusammenhang mit einer Behinderung oder geistigen Erkrankung stehen oder es muss ein auf die Sucht zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sein.[4] Alkoholikern und Drogensüchtigen kann daher kein Betreuer bestellt werden, solange nur eine Suchterkrankung vorliegt.[5]
Fürsorgebedürfnis und Erforderlichkeit der Betreuung
Weiter muss für eine Anordnung einer Betreuung die psychische Erkrankung oder Behinderung dazu führen, dass der Betroffene als Folge der Behinderung oder Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht eigenständig besorgen kann (= Handlungsbedarf). Die Betreuung wird nur für die notwendigen Aufgabenkreise und die erforderliche Dauer eingerichtet.
Keine ausreichenden vorrangigen anderen Hilfen
Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen auch durch andere Hilfen ohne die Einschaltung eines gesetzlichen Vertreters besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Anderweitige Hilfe kann z. B. durch Familienangehörige, Nachbarschaftshilfe oder soziale Dienste oder hierzu Bevollmächtigte erfolgen. Die Betreuung nach dem BGB ist somit subsidiär (nachrangig). Durch die Einfügung des Wortes „rechtlich“ in § 1896 BGB im Jahre 1999 ist verdeutlicht worden, dass Betreuungstätigkeit eine rechtliche Vertretung darstellt.
Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbstständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen kann usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die Betreuerbestellung. Hier wird es im Normalfall auf ganz praktische Hilfen ankommen (z. B. Sauberhalten der Wohnung, Versorgung mit Essen), für die man keinen gesetzlichen Vertreter braucht (in der Praxis wird, besonders wenn es keine anderen Hilfspersonen gibt, doch ein Betreuer für die Organisation der Hilfen bestellt).
Mit einer Vorsorgevollmacht kann man für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines Vertrauens Vollmacht für alle eventuell anfallenden Rechtsgeschäfte erteilen und so die Anordnung einer Betreuung vermeiden. Hierfür müssen ggf. bestimmte Formvorschriften beachtet werden.
Allerdings kann es z. B. sein, dass eine Betreuung trotz Vorhandenseins von Familienangehörigen oder Bevollmächtigten nötig wird, nämlich dann, wenn diese Personen gegen Wohl und Willen der betroffenen Person handeln oder von ihr nicht mehr kontrolliert werden können. Außerdem müssen die oben genannten sozialen Hilfen beantragt, organisiert und ggf. bezahlt werden. Hierfür ist in der Regel eine Person mit Vertretungsmacht nötig. Ein Bevollmächtigter hat diese Vertretungsmacht aus der Vollmacht heraus, der Betreuer bekommt die Vertretungsmacht mit seiner Bestellung als Betreuer durch das Betreuungsgericht. Vor- und Nachteile einer Vorsorgevollmacht werden im Artikel Vorsorgevollmacht behandelt.
Keine Betreuungsanordnung gegen den freien Willen
Wer seinen Willen frei bestimmen kann, darf keinen rechtlichen Betreuer gegen seinen Willen bestellt bekommen, 1896 Abs. 1 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
Allerdings wird bei Vorliegen einer erheblichen geistigen Krankheit der Wille der betroffenen Person von der Krankheit beeinflusst und kann insoweit nicht als frei angesehen werden, er ist krankhaft. Insbesondere Betroffene mit Psychosen, Schizophrenie oder Querulantenwahn leiden oft unter ausgeprägten verschwörungstheoretischen Denkstörungen und versuchen daraufhin auch mit rechtlichen Mitteln, eine Totalblockadehaltung gegen jede psychiatrische Untersuchung, Diagnose und Behandlung einzunehmen, z. B. indem sie Verfügungen treffen, nur Anwälte von antipsychiatrischen Verbänden als Bevollmächtigte einzusetzen. Wenn die Betroffenen dann für sich selbst oder für andere zu einer Gefahr werden, steht nur das Mittel der Betreuungsanordnung zur Verfügung, um diese Blockadehaltung zu brechen und eine Behandlung durchzusetzen.
Antipsychiatrische Aktivisten wenden ein, die Betreuung dürfe nicht dazu dienen, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen.[6] Das Kriterium des freien Willens sei in der Praxis nicht akzeptabel, da der Arzt über den Patienten hinweg entscheiden könne, ob jener einen freien Willen hat. Das Gesetz sei zu ändern und solle an dem natürlichen oder geäußerten Willen anknüpfen.
Betreuung auf eigenen Antrag hin oder von Amts wegen
Die Entscheidung für oder gegen eine Betreuungsbeantragung sollte der Betroffene sorgsam abwägen. Ein rechtlicher Betreuer kann eine große Hilfe sein, etwa wenn es darum geht, Behördenangelegenheiten und finanzielle Angelegenheiten zu regeln oder eine Wohnung zu finden. Hierbei helfen aber auch Angebote freiwilliger sozialer oder pflegerischer Betreuung oder sonstige Dienstleister (wie Makler, Einkaufsdienste etc.). Liegt ausschließlich eine körperliche Behinderung vor, ist eine Betreuerbestellung nur auf eigenen Antrag hin möglich; es sei denn, es ist überhaupt keine Verständigung mit dem Betroffenen möglich (Locked-in-Syndrom).
Betreuungsverfahren
Die Betreuungsanordnung erfolgt in einem gerichtlichen Verfahren (§§ 1 bis 110 sowie 271 bis 341 FamFG), für das spezielle Verfahrensgarantien festgelegt wurden. Der Betreute ist immer verfahrensfähig (§ 275 FamFG) und kann zum Beispiel gegen Beschlüsse Beschwerde einlegen und/oder einen Anwalt oder einen sonstigen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten mit seiner Vertretung beauftragen (§ 276 Abs. 4 FamFG).
Der Betreute muss durch einen unabhängigen Sachverständigen begutachtet werden. Ein (selbst vorgelegtes) ärztliches Zeugnis ist nur dann ausreichend, wenn der Betroffene eine Betreuerbestellung selbst beantragt. In Eilfällen genügt gleichfalls ein ärztliches Zeugnis, die Begutachtung ist aber nachzuholen. Das Betreuungsgericht ist in diesem Falle nach §§ 1846, 1908 i BGB auch befugt, die erforderlichen Maßnahmen selbst zu treffen.
Aus § 30 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 406 ZPO folgt, dass der Gutachter abgelehnt oder das Gutachten angefochten werden kann, wenn Gründe vorhanden sind, die das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Gutachters rechtfertigen und die Besorgnis der Befangenheit des Gutachters begründen (§ 42 ZPO).
Auswahl des Betreuers
→ Hauptartikel: Betreuerbestellung
Auch die Betreuerauswahl und -bestellung erfolgt innerhalb des Betreuungsverfahrens. Das Gericht kann eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person nicht als Betreuer mit der Begründung ablehnen, dass eine andere Person besser geeignet sei (§ 1897 Abs. 4 BGB). Unter bestimmten Umständen können mehrere Betreuer für einen Betreuten bestellt werden (§ 1899 BGB), z. B. auch ein Verhinderungsbetreuer. Für die Sterilisation ist stets ein spezieller Betreuer (Sterilisationsbetreuer) zu bestellen.
Aufhebung der Betreuung
Die Betreuerbestellung ist keine endgültige Angelegenheit. Der Betreute kann beim Betreuungsgericht die Prüfung und Aufhebung der Betreuung beantragen. Das Gericht ist verpflichtet, der Prüfung nachzukommen, sofern nicht immer wieder Anträge gestellt werden. Von sich aus prüft das Betreuungsgericht zumindest alle sieben Jahre, ob die Betreuung unverändert fortzuführen ist. Fällt der Handlungsbedarf für eine Betreuung weg, ist die Betreuung vom Gericht aufzuheben, was in der Praxis auch häufig vorkommt (§ 1908d BGB).
Der Betreute kann des Weiteren Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen. Auch nahe Angehörige und die Betreuungsbehörde sind beschwerdeberechtigt (§ 59, § 303 FamFG). Zuständig für die Entscheidung ist das Landgericht, sofern das Betreuungsgericht aufgrund der Einlegung des Rechtsmittels die angefochtene Entscheidung nicht abändert (Abhilfe, § 68 Abs. 1 FamFG).
Ebenso kann der Betreuer gewechselt oder sein Aufgabenkreis erweitert oder eingeschränkt werden (§ 1908b BGB). Hierzu bedarf es einer Anregung an das Gericht.
Pflichten des Betreuers
→ Hauptartikel: Betreuerpflichten
Die Pflichten des Betreuers ergeben sich aus § 1901 BGB. Bei Pflichtverletzungen ist eine zivilrechtliche Haftung des Betreuers gegeben.
Das „Wohl des Betreuten“ ist nach § 1901 und § 1906 BGB der Maßstab des Handelns des Betreuers. Das „Wohl des Betreuten“ ist als Generalklausel eine „Einbruchstelle“ insbesondere der in Art. 2 GG garantierten Grundrechte in das bürgerliche Recht.[7] Um dem Selbstbestimmungsrecht zu genügen, ist das „Wohl des Betreuten“ aber nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB des Betreuungsrechts nicht nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, sondern vorrangig subjektiv durch den Willen des Betreuten.[8][9] Belange Dritter sind dabei zweitrangig.
Um dem Grundrecht auf Selbstbestimmung in verfassungsgemäßer Weise gerecht zu werden, hat ein Betreuer folgende Grundsätze zu beachten:
Betreuer sollen immer nur für Betreute entscheiden, wenn diese nicht selbst entscheiden können. Gegen den Willen eines einwilligungsfähigen Betreuten, der Art, Bedeutung und Tragweite einer Entscheidung erfassen kann, darf ein Betreuer nicht handeln.
Betreuer müssen im Grundsatz so entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Ein Betreuer darf aber natürlich keine Straftat begehen, auch wenn der Betreute diese mit freiem Willen beginge. Fraglich ist, ob der Betreuer auch verpflichtet ist, Straftaten des Betreuten zu verhindern.
Gegen den Willen des nicht zur freien Willensbestimmung fähigen Betreuten, also des juristisch nicht entscheidungsfähigen Betreuten, darf im Grundsatz nur gehandelt werden, wenn eine erhebliche Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist aber dann nicht statthaft, wenn der Betreute dem mit mutmaßlichem Willen nicht zustimmt. Ein Handeln gegen den Willen des nicht entscheidungsfähigen Betreuten aufgrund nicht bestehender erheblicher Selbstgefährdung ist nur erlaubt, wenn sicher ist, dass der Betreute dem im Nachhinein zustimmen wird.
Auswirkungen der Betreuung auf den Betreuten
Ärztliche Behandlung
Jede Behandlung ist immer ein Eingriff in das in Art. 2 Abs. 2 GG garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Sie bedarf daher der Einwilligung. Solange der Betreute einwilligungsfähig ist, darf der Betreuer nicht für ihn in eine Behandlung einwilligen. Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme nach Aufklärung erfassen kann.[10]
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013[11] durch Ergänzungen des § 1906 BGB wieder eine Rechtsgrundlage für ärztliche Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht geschaffen.[12][13][14] Es wurde § 1906 BGB ergänzt, ebenso die Verfahrensvorschriften zur Unterbringung im FamFG.
Daneben ist der mutmaßliche Wille nach § 1901a Abs. 2 BGB zu beachten:
„Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.“
Ein Betreuer oder Bevollmächtigter hat für einen nicht entscheidungsfähigen Betreuten also so zu entscheiden, wie der Betreute selbst entscheiden würde, wenn er selbst entscheiden könnte. Gegen den in einer zutreffenden Patientenverfügung festgelegten Willen des Betreuten darf aber nicht mit Rückgriff auf einen angenommen freien Willen gehandelt werden (§ 1901a Abs. 2 BGB; BGH Beschluss XII ZB 2/03). Nur wenn trotz sorgfältiger Prüfung keine Anhaltspunkte zur Ermittlung des individuellen mutmaßlichen Willens des nicht entscheidungsfähigen Patienten zu finden sind, kann und muss auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen (BGH 1 StR 357/94).
Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen (Behandlung oder Nicht-Behandlung) in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese verbindlich, wenn durch diese Festlegungen der Wille des Betreuten für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Der Arzt und der Betreuer oder Bevollmächtigte müssen eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten (§ 1901a BGB). Die Missachtung des Patientenwillens, also eine Zwangsbehandlung, kann als Körperverletzung strafbar sein.[15][16]
Nur wenn Gefahren für andere Personen nicht anders abgewandt werden können sollten, dürfte eine Behandlung gegen den freien, mutmaßlichen oder den in einer Patientenverfügung festgelegten Willen zulässig sein.
Details siehe: Unterbringung, Einwilligungsfähigkeit, Zwangsbehandlung, Patientenverfügung
Geschäftsfähigkeit
Die Geschäftsfähigkeit des Betreuten bleibt unabhängig von der Anordnung einer Betreuung bestehen. Sowohl der Betroffene als auch der Betreuer können rechtswirksam handeln.
Deshalb sollte der Betreuer alle wichtigen Angelegenheiten, wie in § 1901 BGB festgelegt, mit dem Betroffenen besprechen, damit es nicht zu gegensätzlichen Handlungen kommt. Nur Menschen, die sich dauerhaft in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sind nicht geschäftsfähig. Sinn des seit 1992 bestehenden Betreuungsrechts ist es, den Betroffenen im Gegensatz zum früheren Vormundschaftsrecht nicht zu entmündigen.
Wer im Zustand der Geschäftsunfähigkeit Geschäfte zu seinen Ungunsten abschließt, muss die Geschäftsunfähigkeit nachweisen, damit festgestellt werden kann, dass die getätigten Rechtsgeschäfte nichtig sind. Dieser Nachweis entfällt, wenn eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt eingerichtet wurde.
Ist der Betreute geschäftsunfähig, darf ihm nicht ohne weiteres die Kontoführung untersagt werden. Allerdings hat die Bank ein Haftungsrisiko, wenn sie dem Betreuten im Zustand seiner Geschäftsunfähigkeit Geld auszahlt. Daher scheint es ratsam, im Zweifel den alleinigen Zugang des Betreuten zu großen Geldbeträgen zu unterbinden. Dann müsste auch die Bank dazu verpflichtet sein, dem Betreuten die Kontoführung zu gestatten. Hat der Betreute Schwierigkeiten, das Geld einzuteilen, ist zu empfehlen, ein Sparkonto mit Sparcard einzurichten. Manche Banken bieten die Möglichkeit der täglichen Überweisung.
Einwilligungsvorbehalt
Das Betreuungsgericht kann gesondert anordnen, dass der Betreute zu einer Willenserklärung (und damit zum Abschluss von Verträgen) im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers dessen Einwilligung bedarf: (Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB). Dies führt zur Einschränkung der Geschäftsfähigkeit.
Prozessfähigkeit von Betreuten (außerhalb von Betreuungsverfahren)
Rechtsgrundlagen: §§ 51 bis 53 ZPO, § 11 VwVfG
Anders als oben beschrieben, ist in sonstigen Gerichtsverfahren (Zivilprozess, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsverfahren) der Betreute dann prozessunfähig, wenn er entweder geschäftsunfähig i. S. des § 104 BGB ist oder unter Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) steht. Außerdem ist er in konkreten Verfahren dann prozessunfähig, wenn der Betreuer für ihn das Verfahren betreibt. Dies gilt auch dann, wenn er ansonsten geschäftsfähig ist.
Hierdurch soll konkurrierendem und sich widersprechendem Handeln von Betreuer und Betreutem entgegengewirkt werden – wobei der Betreuer natürlich im Rahmen des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB an die Wünsche des Betreuten gebunden ist. Gleiches gilt auch in behördlichen Verfahren aller Art, da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen und im SGB X sowie der Abgabenordnung auf § 53 ZPO verwiesen wird.
Betreuung und Grundrechte
Auch dem Betreuten stehen alle Grundrechte zu. Fraglich ist in Bezug auf das Betreuungsrecht jedoch, wem gegenüber. Als weiterer Akteur, gegenüber dem der Betreute seine Grundrechte geltend machen kann, kommt im Wesentlichen neben dem Betreuer das Betreuungsgericht in Betracht, welches die Betreuung anordnet, den Betreuer auswählt und kontrolliert und ggf. einzelne Entscheidungen im Rahmen gerichtlicher Genehmigungspflichten trifft. Gegenüber dem Betreuer, der im Regelfall als Privatperson dem Betreuten entgegentritt, übt das Betreuungsgericht unmittelbare rechtsprechende Staatsgewalt aus und ist daher direkt an die Grundrechte gebunden. In Betracht kommen im betreuungsrechtlichen Umfeld neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG), das Wohnungsgrundrecht (Art. 13 GG), das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und die Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug (Art. 104 GG).
„Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.“[17]
Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen ein Leben in Würde. Selbstbestimmung, Freiheit der Person, körperliche Unversehrtheit und Gleichheit vor dem Gesetz gehören zu den wichtigsten Grundrechten. In diese Grundrechte darf per Gesetz eingegriffen werden, der Wesenskern muss aber erhalten bleiben (Art. 19 Abs. 2 GG). Daher ist das Wohl des Betreuten vorrangig durch ihn selbst zu bestimmen. Nach dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013[11] ist eine Zwangsbehandlung nur im Rahmen der Unterbringung oder dem jetzt gleichgestellten Aufenthalt in einer Einrichtung möglich und muss zur Abwendung eines drohenden erheblichen Schadens notwendig sein, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und deren Nutzen die Beeinträchtigung deutlich überwiegt.[18] Die Genehmigung des Betreuungsgerichts und des Betreuers sind erforderlich, nachdem zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen. Daneben können Zwangsbehandlungen vom Gericht genehmigt werden, wenn sie zur eigenen Sicherheit des Betroffenen oder nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz zum Schutz anderer Personen erfolgen.
Während das frühere Entmündigungsverfahren deutliche Defizite in Bezug auf die obigen Grundrechte aufwies, sind das Betreuungsverfahren und das Unterbringungsverfahren mit zahlreichen Verfahrensvorschriften (insbesondere zur Verfahrensfähigkeit, zur Verfahrenspflegerbestellung und persönlichen Anhörung) prinzipiell geeignet, dem Grundrechtsschutz Genüge zu tun. Das Verfahren ist ab 1. September 2009 in § 298 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) beschrieben. Durch das 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde zum 1. Januar 1999 in der Vorgängerregelung des § 69d Abs. 2 FGG insoweit ein Rückschritt bei den Verfahrensgarantien vollzogen, dass bei der Genehmigung gefährlicher Heilbehandlungen nach § 1904 BGB das vorher ausnahmslose Verbot der Bestellung des behandelnden Arztes zum Sachverständigen eine Sollbestimmung wurde. Außerdem wurde die längstmögliche Überprüfungsfrist bei der Betreuerbestellung von fünf auf sieben Jahre verlängert (§ 295 Abs. 2 FamFG, früher § 69 FGG).
Im Verhältnis zwischen dem Betreuten und dem Betreuer muss differenziert werden. Eindeutig ist eine Drittwirkung der Grundrechte gegeben. Da der Betreuer nicht nur bei speziellen Genehmigungspflichten, sondern auch allgemein der Aufsicht des Betreuungsgerichtes unterliegt (und mit Ge- und Verboten einschließlich Zwangsgeldern belegt werden kann, vgl. § 1837 Abs. 2 und 3 BGB), hat das Gericht die Beachtung der Grundrechte durch den Betreuer im Rahmen seiner Aufsicht einzubeziehen. Auch eine mögliche Betreuerentlassung nach § 1908b Abs. 1 BGB kann sich darauf stützen.
Ansonsten gilt für den Betreuer, dass dieser dem Betreuten auf privatrechtlicher Basis als dessen gesetzlicher Vertreter gegenübersteht und in diesem Rahmen auch Verantwortung dafür trägt, dass die Grundrechte des Betreuten nicht durch andere staatliche Stellen (Behörden, Gerichte) beeinträchtigt werden. Hierfür hat er mit Rechtsmitteln aller Art einschl. Strafanzeigen sowie Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG zu sorgen. Im Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem strahlen die Grundrechte im Rahmen der Bestimmung des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB aus. Die Berücksichtigung von Wünschen des Betreuten im Rahmen der Betreuertätigkeit sowie dessen Beteiligung an Betreuerentscheidungen im Rahmen der dort genannten Besprechungspflicht sind (auch) unter den Aspekten des Grundrechtsschutzes des Betreuten zu sehen. Indes muss klar gesagt werden, dass die Bildung eines freien (von Krankheiten) unbeeinträchtigten Willens bei vielen Betreuten beeinträchtigt ist, sodass der Betreuer einen Entscheidungsspielraum besitzt, diese Wünsche beim Widerspruch mit dem objektiven Wohl des Betreuten nicht beachten zu müssen. Insoweit ist Betreuertätigkeit stets eine janusköpfige Angelegenheit, auf der einen Seite Hilfe für den Betreuten, auf der anderen Seite Schutz vor sich selbst.
Zwangsbefugnisse des Betreuers?
„In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist darauf hingewiesen worden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge öffentliche Funktionen wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann; nichts anderes gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betreuten.“[19][16]
Gegen den „natürlichen Willen“ des Betreuten darf nur gehandelt werden, wenn dies verhältnismäßig ist. Eine Zwangsbehandlung des Betreuten ist auch bei nicht vorhandener Einwilligungsfähigkeit des Betreuten nur zulässig, wenn der Eingriff in die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit und der Freiheit mit dem Schutz wesentlich höherwertiger Rechtsgüter des Betreuten gerechtfertigt werden kann. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs (BGH), die dem Betroffenen ein Recht auf Freiheit zur Krankheit einräumt. In der derzeitigen Rechtsprechung des BGH wird mit der Unterbringung nach § 1906 BGB unter bestimmten Umständen auch die stationäre Zwangsbehandlung als genehmigt angesehen. Eine ambulante Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage ist lt. BGH rechtlich nicht zulässig und daher nicht genehmigungsfähig.
Haftung des Betreuers für Pflichtwidrigkeiten
Der Betreuer haftet für vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schäden beim Betreuten, wenn sich dieses als Verletzung seiner Pflichten darstellt. Zuständiges Kontrollorgan ist das Betreuungsgericht. Berufsbetreuer benötigen eine eigene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung, ehrenamtliche Betreuer sind über das jeweilige Bundesland versichert.
Verschwiegenheitspflicht, Zeugnisverweigerungsrecht, Datenschutz
Gemäß § 1902 BGB ist der Betreuer der gesetzliche Vertreter in den eingerichteten Aufgabenkreisen. Ist der Aufgabenkreis Gesundheitssorge eingerichtet, ist der Betreuer in diesem Bereich der gesetzliche Vertreter des Betroffenen. Er muss in der Regel genauso von dem Arzt informiert werden wie der Betroffene selbst. Ist der betreute Patient mit der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten an den Betreuer nicht einverstanden, muss der Betreuer diesen Willen in der Regel beachten (§ 1901 Abs. 3 BGB). Kann eine einvernehmliche Lösung zwischen Betreuer und Betreutem nicht gefunden werden, entscheidet das Gericht über das Auskunftsersuchen des Betreuers gegenüber dem Arzt.
Der Betreuer unterliegt nicht der Schweigepflicht gemäß § 203 StGB und besitzt auch keine Zeugnisverweigerungsrechte. Das ist problematisch, da er Informationen über den Betreuten von Personen bekommen darf/muss, die eigentlich die Schweigepflicht zu wahren haben. Verstöße sind mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu ahnden. Nach geltender Rechtslage hat der Betreute keinerlei Datenschutz und keinerlei Intimsphäre. In Strafverfahren gegen den Betreuten muss der Betreuer als Zeuge aussagen.
Rechtspolitische Kritik
Der Begriff der Betreuung ist euphemistisch und missverständlich. Wenn ältere Menschen z.B. im Krankenhaus gefragt werden, ob sie betreut werden möchten, gehen sie oft davon aus, dass von jemandem die Rede ist, der ihnen mit Rat und Tat durch den Klinikalltag hilft, und nicht davon, dass jemandem Vertretungsmacht erteilt werden soll. Ersteres werden sie in der Regel wünschen, letzteres dagegen kritisch sehen.
Da die Anordnung einer Betreuung keine Entmündigung ist, neigen die Betreuungsrichter eher früher dazu, einen Betreuer zu bestellen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Es gibt mehr alte Menschen, die einen rechtlichen Vertreter brauchen. Die zunehmende Zahl von Betreuerbestellungen liegt zum großen Teil aber auch an einer zunehmenden Verrechtlichung der Gesellschaft. Die strafrechtliche Rechtsprechung verlangt z. B., dass die Patienten über die Behandlungsmaßnahmen mit allen Risiken aufgeklärt werden müssen, ob sie es verlangen oder nicht. Auch Betreute müssen durch den behandelnden Arzt aufgeklärt werden, was aber häufig unterbleibt. Soweit ein Patient dem geistig nicht ganz folgen kann, wird zur rechtlichen Absicherung die Bestellung eines Betreuers verlangt.
Aber auch Pflegeheime, Rententräger, Behörden und Sozialleistungsträger erfordern zur rechtlichen Absicherung Mitwirkungspflichten, die die Betroffenen nicht erfüllen können. Oft führt ein einzelnes Bettgitter, das unzweifelhaft nur dem Schutz vor dem Herausfallen dienen kann, weil der Betroffene bettlägerig ist, zur Betreuerbestellung.
Auf der anderen Seite haben sich genügend Dienstleister etabliert, die diese Leistungen anbieten und die Nachfrage erfüllen. Eine „Betreuungsindustrie“ mit eigenen wirtschaftlichen Interessen ist entstanden. Auch wird vorgetragen, dass die Liberalisierung des Betreuungsrechts die Akteure leichtfertiger einen Betreuer bestellen lässt, da die Eingriffe in die Rechte des Betroffenen nicht mehr so umfassend sind wie vor 1992.
Betreuung wird von unterschiedlichen Gruppen sowie von Betreuten und Betreuern mitunter recht unterschiedlich bewertet. Dies dürfte im Wesentlichen daher rühren, dass Betreuungen in der Praxis tatsächlich recht unterschiedlich gehandhabt werden, abhängig von der beruflichen Ausbildung und Persönlichkeit des Betreuers und den besonderen Umständen des Einzelfalls. Das Feld der Aufgaben, mit denen sich der Betreuer konfrontiert sieht, kann sehr umfangreich und heterogen sein. Dass sich auch sehr engagierte Betreuer im Rahmen der (knapp bemessenen) pauschalisierten Vergütung angesichts massiver Anforderungen und Probleme des Betreuten überfordert fühlen oder überfordert sind, ist nicht unwahrscheinlich. Bisweilen wird die Arbeit der berufsmäßig tätigen Betreuer als entmündigend für den Betroffenen angesehen. Betreute fühlen sich bisweilen (zu Recht oder zu Unrecht) der Willkür des Betreuers ausgeliefert oder sind (zu Recht oder zu Unrecht) der Auffassung, der Betreuer arbeite nicht in ihrem Sinn oder gar gegen sie. Von Betreuerseite wird dem entgegengehalten, dass betreute Menschen ohne die Hilfe ihrer Betreuer noch viel eher der Willkür ihrer Umgebung ausgeliefert seien und dringend der Unterstützung bedürften. Es wird auch darauf verwiesen, dass die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Betreuten durch die Betreuung erhalten bleibe. Dies gilt zumindest, solange kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde. Ein Einwilligungsvorbehalt stellt dann letztlich aber doch das dar, was gerade durch das Rechtsinstitut der Betreuung vermieden werden sollte, den Entzug der Geschäftsfähigkeit mit allen finanziellen und sonstigen Konsequenzen. Von Betreuerseite wird behauptet, es komme letztlich auch auf das Vertrauensverhältnis zwischen Betreutem und Betreuer an. Der Betreute habe jederzeit das Recht, einen anderen Betreuer zu verlangen (vgl. § 1908b BGB). Ob der betreute Mensch dann auch faktisch in der Lage ist, sich rechtlich gegen einen unliebsamen oder untätigen Betreuer zur Wehr zu setzen oder ob der Betreuerwechsel an einem überarbeiteten Betreuungsgericht oder an der Unfähigkeit des Betreuten, bei der Geschäftsstelle vorzusprechen, scheitert, bleibt im Einzelfall ungewiss. Insbesondere Menschen mit einer Lernbehinderung, geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung haben in aller Regel Schwierigkeiten im Umgang mit Gerichten und bei Rechtsgeschäften. Rechtlich wird die Anordnung einer Betreuung als letztes Mittel der Unterstützung angesehen, sofern andere Mittel der Unterstützung nicht zur Verfügung stehen oder ungeeignet sind. Somit hat die gesetzliche Betreuung gegenüber anderen Hilfen Nachrang. In der Praxis wird aber häufig nicht geprüft, ob durch andere Maßnahmen etwa im Rahmen des so genannten ambulant betreuten Wohnens oder andere soziale Hilfen eine Betreuung überflüssig wäre oder ob diese den gleichen Zweck verfolgen könnten.
Siehe auch
Betreutes Wohnen, Betreuungsverfahren, Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Entmündigung, Deliktsfähigkeit, Empathie, Selbstregulation
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