Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein
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Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein
Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (* 25. Oktober 1757 in Nassau; † 29. Juni 1831 in Cappenberg bei Lünen, Westfalen) war ein preußischer Beamter, Staatsmann und Reformer.
Freiherr vom Stein (Gemälde von Johann Christoph Rincklake)
Gedenktafel an der Paulskirche in Frankfurt
Erste praktische Erfahrungen machte er im frühen Ruhrbergbau und in der Verwaltung der westlichen preußischen Provinzen. Anschließend war er Minister für Wirtschaft und Finanzen in Berlin. Er war zusammen mit Karl August von Hardenberg nach dem Frieden von Tilsit der Hauptbetreiber der Preußischen Reformen seit 1807. Wegen seiner antinapoleonischen Haltung musste er bereits 1808 ins Exil gehen; 1812 nahm ihn der russische Zar Alexander I. als Berater in seine Dienste.
Während der Befreiungskriege verwaltete Stein als Leiter der Zentralverwaltungsbehörde die von Napoleon zurückeroberten Gebiete in Deutschland und Frankreich. Seine Neuordnungsvorstellungen für die deutschen Staaten auf dem Wiener Kongress blieben jedoch weitestgehend wirkungslos. Eine bedeutende politische Rolle spielte er danach nicht mehr, blieb aber weiterhin aufmerksamer Beobachter des politischen Geschehens und versuchte Entscheidungen durch persönliche Kontakte und Denkschriften zu beeinflussen. Als wichtiger Mitbegründer der Monumenta Germaniae Historica spielte Stein eine nachhaltige Rolle für die Entwicklung der Mediävistik in Deutschland. In seinen letzten Jahren vertrat er nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als westfälischer Landtagsmarschall vor allem adelige Sonderinteressen.
Leben
Familie und Kindheit
Die Stadt Nassau mit dem Fürstenschloss und der Stammburg der Familie vom Stein (Merian 1655). Nach dem Verfall der Burg zog die Familie in einen mit der Zeit ausgebauten Zehnthof in den Ort Nassau.
Stein war der Sohn von Karl Philipp Reichsfreiherr vom und zum Stein und seiner Frau Henriette Karoline Langwerth von Simmern, verwitwete Löw von und zu Steinfurth. Stein war das zweitjüngste Kind von neun Geschwistern, von denen aber nur sechs das Erwachsenenalter erreichten. Der Bruder Johann Friedrich wurde preußischer Oberst, Friedrich Ludwig kaiserlicher Oberstleutnant. Eine Schwester, Marianne vom Stein, war Äbtissin im Stift Wallenstein in Homberg (Efze). Heinrich Friedrich Karl wuchs im Stein’schen Schloss in der Ortsmitte von Nassau auf.
Die Herrschaft Stein war seit dem 17. Jahrhundert reichsunmittelbar. Steins Familie besaß entlang des Rheins und der Lahn mehrere kleine Güter. Insgesamt machte der Besitz etwa 2400 nassauische Morgen aus. Als Reichsritter war sie durch Reichsgesetze geschützt und konnte sich bei Streitigkeiten direkt an Reichsgerichte wenden. Sie hatte die hohe Gerichtsbarkeit und eine herrschaftliche Stellung in einigen Dörfern wie Frücht oder Schweighausen inne. Das Einkommen aus diesen Besitzungen reichte jedoch nicht für ein standesgemäßes Leben aus. Daher traten auch die Oberhäupter des Hauses seit Jahrhunderten in die Dienste größerer Fürsten und Landesherren. Karl Philipp war trotz seiner evangelischen Konfession kurmainzischer Kammerherr und Geheimer Rat.
Durch die häufige dienstliche Abwesenheit des Vaters lag die frühe Erziehung Steins überwiegend in den Händen der Mutter. Diese war gebildet und stand im Kontakt mit dem Gelehrten Johann Caspar Lavater. Im Zentrum stand für sie die sittlich-religiöse Erziehung. Karl vom Stein war der Lieblingssohn der Mutter. Um den Familienbesitz zusammenzuhalten, hatte Karl Philipp einen Fideikommiss gegründet. Einige Zeit später wurde gegen den Protest der älteren Brüder Karl vom Stein der alleinige Erbe.[1] Seit dem Tod der Mutter 1783 war er für die Verwaltung der Reichsritterschaft verantwortlich, da sich der Vater aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls zurückgezogen hatte. Wegen seiner preußischen Beamtenlaufbahn übertrug Stein die tatsächliche Leitung der Güterverwaltung seiner Schwester, der unverheirateten Stiftsdame Marianne.
Nach der französischen Eroberung verkaufte Stein seine linksrheinischen Güter und erwarb dafür 1802 die Herrschaft Birnbaum in der späteren preußischen Provinz Posen.[2]
Ausbildung und erste berufliche Tätigkeiten
Minister Friedrich Anton von Heynitz war Förderer Steins zu Beginn von dessen beruflicher Tätigkeit im preußischen Staatsdienst
Im Alter von 16 Jahren nahm Stein 1773 ein Studium der Jura, Geschichte und Kameralwissenschaften (Vorläufer der Wirtschaftswissenschaft) an der Universität Göttingen auf. Erheblichen geistigen Einfluss auf ihn übte August Ludwig Schlözer aus, der versuchte, zwischen modernem Verfassungsdenken und konservativen Vorstellungen von altdeutscher Libertät zu vermitteln. Daneben studierte Stein auch bei Johann Stephan Pütter, einem der besten Kenner der Verfassung und Struktur des Heiligen Römischen Reiches. Wie damals für Studenten adeligen Standes üblich, verließ er die Universität 1777 ohne Abschluss.
Da sein Studium vor allem auf den Reichsdienst ausgerichtet war, absolvierte Stein anschließend für einige Monate ein Praktikum beim Reichskammergericht in Wetzlar. Dort trat er auch der Freimaurerloge Joseph zum Reichsadler bei. Auf verschiedenen Kavaliersreisen 1778/80 lernte er Regensburg als Sitz des Reichstages, die Höfe und Regierungen verschiedener Territorien des Reiches wie Mainz, Mannheim, Darmstadt, München sowie in Wien die Residenz des Kaisers kennen. Außerdem reiste Stein in die Steiermark und nach Ungarn. Dabei interessierte er sich auch für das Bergwerkswesen.
Auf Bemühen seiner Mutter trat Stein 1780 in den preußischen Staatsdienst ein. Er selbst begründete diesen Schritt mit seiner Bewunderung für Friedrich II. und der Liberalität des preußischen Staates, der keine Vorbehalte gegen Außenseiter kannte und ihnen gute Aufstiegsmöglichkeiten bot.[3] Als Referendar wurde er in Berlin beim Bergwerks- und Hüttendepartment des Generaldirektoriums angestellt, wo ihn Minister Friedrich Anton von Heynitz förderte. Stein absolvierte eine entsprechende Fachausbildung, teilweise an der sächsischen Bergakademie in Freiberg. Ausgedehnte Dienstreisen mit dem Minister vervollständigten seine Kenntnisse.
Eine eigenverantwortliche Stellung nahm er 1784 im Bereich des Bergbaus des westfälischen Teils der preußischen Staaten ein. Als Direktor der Bergämter Wetter an der Ruhr und Ibbenbüren war Stein für den Wegebau, den Ruhrkanal und die Organisation des unter staatlicher Aufsicht betriebenen Bergbaus zuständig. Dabei intensivierte er die staatliche Aufsicht über die Gruben. Er verbesserte dabei auch die Verbindung der Steinkohlegruben im späteren Ruhrgebiet mit den Gewerberegionen im Sauerland, Siegerland und Bergischen Land.[4]
Verschiedene Male wurden ihm diplomatische Posten angeboten, die er bis auf eine Gesandtschaftsreise 1785 nach Mainz, mit dem Ziel, den Kurfürsten zum Anschluss an den Fürstenbund zu bewegen, ausschlug.
Im Jahr 1786 machte er eine Reise nach England, um den dortigen Bergbau, Kanalbau und insgesamt die Anfänge der industriellen Revolution zu studieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse konnte er nach seiner Rückkehr teilweise im Ruhrbergbau umsetzen. Auch gelang es ihm, einen Liefervertrag für eine Dampfmaschine von Boulton & Watt abzuschließen.
Verwaltung der westlichen Provinzen
Grundriss des Schlosses von Kleve (1785)
Im Jahr 1787 wurde Stein Leiter der märkischen Kriegs- und Domänenkammern in Hamm. In dieser Zeit war er für die Schiffbarmachung der Ruhr verantwortlich, ließ als einer der ersten in Deutschland einige Meilen befestigter Chausseen[5] anlegen und verzichtete dabei auf die sonst übliche Fronarbeit. Außerdem sorgte er für eine Beschränkung der Steuern und eine Liberalisierung der Verkehrs- und Gewerbebestimmungen. Im Jahr 1792 wurde Stein Landtagskommissar, damit ist ein staatlicher Aufsichtsbeamter für die Landstände der Grafschaft Mark gemeint.
Seit 1793 war er zusätzlich Präsident der Kammer des Herzogtums Kleve mit Sitz in Kleve. Seinen Wohnsitz nahm er im Klever Herzogsschloss.
Im selben Jahr heiratete er die vierzehn Jahre jüngere Gräfin Wilhelmine von Wallmoden. Sie war Tochter Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborns, eines hannoverschen Generals, der einer Liebesaffäre des englischen Königs Georg II. entstammte. Mit ihr hatte Stein drei Töchter, von denen Henriette (* 1796) und Therese (* 1803) das Kindesalter überlebten.
Als leitender Beamter war Stein in seinen Provinzen in der Grafschaft Mark für eine umfassende Steuerreform zuständig, die für die Einwohner einer Verringerung der Abgaben bedeutete. Den durch die kriegsbedingte Teuerung hervorgerufenen Unruhen in der Grafschaft Mark begegnete Stein, indem er gegen den Widerstand des Militärs Getreide aus den Speichern der Armee zu günstigen Preisen an die Bevölkerung abgeben ließ.[6] Gegen die Versuche der preußischen Zentralverwaltung schützte Stein die Reste der Ständeverfassung und der kommunalen Selbstverwaltung.
Während des ersten Koalitionskrieges war Stein im Hauptquartier des Königs für die Verpflegung der Armee zuständig. Unter anderem war er Zeuge der Belagerung und des Falls von Mainz, der Hauptstadt der Mainzer Republik. Dabei war er auch an der Festnahme und körperlichen Misshandlung des Revolutionärs Friedrich Georg Pape beteiligt.
Im Jahr 1796 wurde Stein zum Oberkammerpräsidenten aller westlichen preußischen Territorien mit Amtssitz in Minden ernannt. Im Auftrag Berlins sorgte er für eine Förderung der Wirtschaft durch Abbau von Vorschriften, Zöllen und ähnlichen ökonomischen Hemmnissen. Zwischen Bielefeld und Osnabrück ließ er eine befestigte Straße erbauen und sorgte für die Verbesserung des Schiffsverkehrs auf der Weser. Außerdem leitete er für Minden und Ravensberg Agrarreformen ein. Dazu gehörte die Verringerung der Hand- und Spanndienste. Hinzu kamen Reformen der Verwaltung in seinem Amtsbereich.
Politisch war Stein in dieser Zeit ein Anhänger des englischen Verfassungssystems. Allerdings stand er anfangs auch der französischen Revolution nicht ohne Sympathie gegenüber. Beide Einflüsse führten dazu, dass er dem preußischen, auf die Bürokratie gestützten Absolutismus zunehmend kritisch gegenüberstand. Allerdings wandelte sich Steins Bild von der französischen Revolution rasch. Dazu trug nicht zuletzt der Kontakt zu hochrangigen französischen Emigranten bei, die in Hamm Zuflucht gefunden hatten. Zu diesen gehörten der nach der Hinrichtung Ludwig XVI. selbsternannte Regent Frankreichs, der Graf de Provence, der spätere Ludwig XVIII., sowie Karl von Anjou, der nachmalige Karl X. Nachhaltig beeindruckt hat Stein in dieser Zeit Edmund Burkes Schrift „Reflection on the Revolution in France.“[7]
Die Schriften von Edmund Burke übten zeitweise erheblichen Einfluss auf Stein aus
Obwohl Stein Reichspatriot und nicht nur preußischer Beamter war, billigte er die von Napoleon diktierten territorialen Veränderungen im Westen des Reiches und insbesondere die Säkularisation der geistlichen Territorien. Von der preußischen Zentralregierung beauftragt, trieb er diese Entwicklung in Westfalen noch vor dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 voran. Zwischen 1802 und 1804 leitete er von Münster aus die Eingliederung der geistlichen Herrschaften in den preußischen Staat. An Preußen fiel der östliche Teil des Hochstifts Münster als Erbfürstentum Münster, das Hochstift Paderborn als Erbfürstentum Paderborn sowie die Abteien Essen, Werden und das Stift Herford. Insbesondere in Münster stieß dies auf Kritik. Diese Erwerbungen gingen zwar nach dem Frieden von Tilsit wieder für einige Jahre verloren, wurden aber nach 1815 endgültig Bestandteil des preußischen Staats.
Im Jahr 1804 war Stein persönlich von den Veränderungen im Reich unmittelbar betroffen, als der nassauische Staatsminister Ernst Franz Ludwig Marschall von Bieberstein die Besitzungen der Familie vom Stein besetzen ließ und damit im Kleinen nichts anderes tat als Stein mit den westfälischen Bistümern im Großen. Dennoch protestierte Stein nachdrücklich und (auch auf Druck von Kaiser Franz II.) musste die Besetzung zunächst aufgehoben werden. Diese Episode führte zu einer lang anhaltenden Gegnerschaft Steins gegenüber Nassau und Marschall von Bieberstein. Letztlich wurden auch die Besitzungen derer Stein mediatisiert. Stein verlor zwar seine Herrschaftsrechte, nicht aber den Besitz seiner Güter und Ländereien.
In seiner westfälischen Zeit präsentierte sich Stein als überdurchschnittlich tüchtiger Verwaltungsbeamter insbesondere in Wirtschaftsfragen.[8] Dadurch empfahl er sich für Aufgaben in der Berliner Zentrale.
Minister in Berlin und Sturz
Im Donnerschen Palais (heute Palais am Festungsgraben) hatte Stein in seiner Zeit als Finanzminister seine Dienstwohnung, nach 1808 wurde das Gebäude Sitz des Finanzministeriums
1804 wurde Stein als königlicher Finanz- und Wirtschaftsminister ins Generaldirektorium nach Berlin berufen, wo er für das Akzise-, Zoll-, Fabrik- und Kommerzialwesen zuständig war. Hinter der Ernennung steckte vor allem der Kabinettsrat Carl Friedrich von Beyme, der in dem neuen Minister einen Anhänger einer umfassenden Reformpolitik sah. Bereits bei der Übernahme dieser Aufgabe machte Freiherr vom und zum Stein deutlich, dass er über Preußen hinaus das gesamte Deutschland im Blick hatte. „Wenn man überzeugt ist, dass Deutschlands Veredelung und Kultur fest und unzertrennlich an das Glück der preußischen Monarchie gekettet ist, so kann man gewiss nicht einen Augenblick zwischen Pflicht und Persönlichkeit schwanken, sondern man ist zu jeder Aufopferung der letzteren bereit.“[9]
Stein, verantwortlich für den Staatshaushalt, versuchte angesichts des drohenden Krieges die Staatseinnahmen zu erhöhen, bemühte sich aber auch um die Angleichung der regional sehr unterschiedlichen Steuern und Abgaben. So wurden im Bereich des staatlichen Salzmonopols einheitliche Preise eingeführt, diese aber insgesamt erhöht, so dass sich daraus erhebliche Mehreinnahmen ergaben. In begrenztem Umfang wurden Binnenzölle zwischen einigen Teilgebieten der Monarchie abgeschafft.[10] Außerdem gründete er das Preußische Statistische Bureau. Später gehörten zudem die Königliche Hauptbank sowie die Seehandlung zu seinem Zuständigkeitsbereich.
Stein gehörte 1805 zur Kriegspartei um Königin Luise, die dafür stand, Napoleon entgegenzutreten. Gemeinsam mit Louis Ferdinand Prinz von Preußen und General Ernst von Rüchel versuchten sie, König Friedrich Wilhelm III. davon zu überzeugen. Am 10. Mai 1805 übergab Stein eine entsprechende Denkschrift. Durch seine extrem schroffe Art in der Schrift – den Außenminister Haugwitz nannte er beispielsweise einen „Mann ohne Wahrhaftigkeit, einen abgestumpften Wollüstling, schwelgend in Genüssen aller Art“ – trug er dazu bei, die Ablehnung gegen seine Vorstellungen noch zu verstärken.[11] Der König lehnte vorerst ab und sah in der Gruppe um Louis Ferdinand und Stein nicht zu Unrecht eine gegen seine Politik gerichtete Fronde. Schließlich gab er jedoch nach und befahl die Mobilmachung. Dies führte zum Krieg von 1806.
Der für Preußen katastrophal verlaufende Feldzug führte zur Flucht des Hofes und der maßgeblichen Politiker nach Königsberg. Dabei sorgte Stein für die Rettung der Staatskassen. Infolge der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt und der durch sie offenkundig gewordenen Verkrustungen in Verwaltung und Militär war der preußische Staat zu Veränderungen gezwungen. Stein empfahl in Königsberg, den Krieg gegen Napoleon mit allen Kräften fortzusetzen. Außerdem kritisierte er scharf die während des Krieges deutlich gewordenen Schwächen der zivilen und militärischen Führung und machte auch vor dem monarchischen Regierungsstil nicht halt. Stattdessen forderte er grundlegende Reformen in der Struktur des Staates, um einen stabilen Unterbau für die Kriegsanstrengungen zu gewinnen. Dazu zählte insbesondere seine bereits vor Kriegsausbruch einsetzende Kritik am bisherigen absolutistischen Kabinettsystem; stattdessen plädierte er für ein Staatsministerium aus verantwortlichen Ministern, die mit dem Monarchen zusammenarbeiten.
Der Einzug Napoleons am 27. Oktober 1806 in Berlin war Sinnbild für die Niederlage Preußens
Die Aufforderung, das Außenministerium anzunehmen, um den Frieden zu erreichen, lehnte Stein schroff ab. Dies und seine scharfe Kritik an der bisherigen Politik führten zu seiner Entlassung am 3. Januar 1807 durch Friedrich Wilhelm III. mit der Kommentierung „daß ich mich leider nicht anfänglich in Ihnen geirrt habe, sondern daß Sie vielmehr als ein widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener anzusehen sind, der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt, das Beste des Staats vor Augen zu haben, nur durch Kapricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und Erbitterung handelt … . Da Sie indessen vorgeben, ein wahrheitsliebender Mann zu sein, habe ich Ihnen auf gut deutsch meine Meinung gesagt, indem ich noch hinzufügen muß, daß, wenn Sie nicht Ihr respektwidriges und unanständiges Benehmen zu ändern willens sind, der Staat keine große Rechnung auf Ihre ferneren Dienste machen kann.“[12]
Die Niederlage von 1806 stürzte den preußischen Staat in eine der schwersten Krisen seiner Geschichte. Im Frieden von Tilsit vom 7. Juli 1807 verlor Preußen alle Territorien westlich der Elbe sowie einen Großteil der in den polnischen Teilungen gewonnenen Gebiete. Damit büßte der Staat etwa die Hälfte seiner Einwohner ein. Dem Königreich wurden hohe Kontributionen auferlegt. Außerdem durfte Preußen nur noch eine Armee von 40 000 Mann unterhalten und musste die französische Besatzung in wichtigen Festungen dulden. Insgesamt 150 000 Mann standen im Land und mussten von Preußen unterhalten werden.
Staatsminister und preußische Reformen
Stein im Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. auf dem Kölner Heumarkt
Stein zog sich nach der Entlassung auf seine Besitzungen in Nassau zurück. Noch im Jahr 1807 verfasste er die Nassauer Denkschrift als Reformprogramm für den preußischen Staat, wobei dessen Verwaltung im Zentrum stand. Dazu gehörte die Forderung nach Selbstverwaltung für Provinzen, Kreise und Gemeinden. Dabei griff Stein weniger auf die damals moderne Staats- und Verfassungstheorie, sondern auf das Vorbild der älteren ständischen Verfassung zurück, wie er sie in Westfalen kennengelernt hatte. Für Stein spielten in dieser Frage nicht nur funktionelle Erwägungen, sondern in erster Linie politisch-pädagogische Ziele eine Rolle. In der Denkschrift formulierte er als Reformziel: „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre.“[13] Diese Schrift war, ebenso wie die von einem Kreis um Karl August von Hardenberg erarbeitete Rigaer Denkschrift aus demselben Jahr, eine Basis für die Preußischen Reformen.
Bei dem Reichsfreiherrn Stein spielten in der Denkschrift und danach in der von ihm vertretenen Politik der Rückbezug auf die altständischen Zustände und ganz allgemein der Rückgriff auf die Einrichtungen des alten Reiches eine Rolle. Stein war Antiabsolutist und Antietatist. Zentralen Behörden und der Bürokratie insgesamt stand er skeptisch gegenüber. Stattdessen setzte er auf Dezentralisation und kollegiale Führung.[14]
Gottesdienst für die ersten preußischen Stadtverordneten im Jahr 1808 in der Nicolaikirche in Berlin
Nicht zuletzt auf Drängen Napoleons, der in Stein fälschlich einen Unterstützer Frankreichs sah, und der Reformpartei um Hardenberg wurde Stein am 10. Juli 1807 zum Staatsminister berufen. Die Annahme machte Stein von einigen Vorbedingungen abhängig. Dazu gehörte das Ende des Kabinettssystems. Stattdessen sollten die Minister unmittelbares Vortragsrecht beim König erhalten. Nachdem die Erfüllung dieser zentralen Forderung zugesagt worden war, trat Stein das Amt an. Direkt zuständig war er für die Zivilverwaltung, über die anderen Ressorts übte er Kontrollfunktionen aus. In den nächsten vierzehn Monaten wurden die wichtigsten Reformgesetze erlassen oder vorbereitet. Steins persönlicher Anteil an den einzelnen Reformen war dabei unterschiedlich. Mit Detailfragen hat er sich kaum beschäftigt. Viele Gesetze wurden im Kern von Mitarbeitern wie Theodor von Schön entworfen. Aber Stein war verantwortlich für ihre Durchsetzung gegenüber dem König und verschiedenen widerstrebenden gesellschaftlichen Kräften.
Diese Politik wurde vollzogen vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden Finanzkrise, hervorgerufen von den Forderungen Napoleons. Dies zwang Stein zu einer radikalen Sparpolitik. Außerdem wurde staatlicher Besitz verpfändet. Hinzu kamen Bürgschaften.
Der Erfolg der von Stein initiierten Reformen hatte einen Hintergrund in einer bereits länger andauernden Reformdiskussion in der hohen Bürokratie. Einige Aspekte waren keine Ideen Steins, sondern kamen von Mitarbeitern. Das Oktoberedikt zur Bauernbefreiung, das eines der zentralen Reformgesetze war, wurde etwa nur fünf Tage nach der Ernennung Steins unterzeichnet und beruhte auf einem Entwurf von Theodor von Schön. Mit ihm wurden die Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit aufgehoben sowie die Freiheit der Berufswahl eingeführt. Besonders deutlich war Steins Handschrift hingegen in der neuen Städteordnung vom 19. November 1808. Deren Grundkonzeption stammte von seinem Mitarbeiter Johann Gottfried Frey. Die dort stark ausgeprägte Selbstverwaltungsidee nach dem Subsidiaritätsprinzip spiegelte Steins aus altständischen Wurzeln stammende Ablehnung des zentralisierten und bürokratischen Staates wider. Gescheitert war er mit dem Versuch, die Selbstverwaltung auch auf das platte Land auszudehnen.
Im Bereich der staatlichen Verwaltung ließ Stein das bisherige Generaldirektorium auflösen. Am 24. November 1808 trat an dessen Stelle ein Staatsministerium mit fünf Fachministern für Inneres, Finanzen, Auswärtiges, Krieg und Justiz. Außerdem wurden zahlreiche, oft auch gegeneinander arbeitende Sonder- und Nebenbehörden aufgelöst. Im Bereich der Zentralverwaltung orientierte sich Stein an der französischen Verfassung von 1791. Als beratendes Gremium war zusätzlich ein Staatsrat vorgesehen. Für die Ebene unterhalb der Berliner Zentrale konzipierte Stein die Oberpräsidenten und die Regierungspräsidien, welche die Kriegs- und Domänenkammern ersetzten.
Nach dem erzwungenen Ausscheiden Steins konnte Hardenberg, nach einer kurzen Zwischenphase unter Karl vom Stein zum Altenstein, einen laufenden Reformprozess übernehmen. Hardenberg war stärker als der ständisch denkende Stein etatistisch ausgerichtet und orientierte sich an modernen Vorbildern. Allerdings gelang es ihm wegen der wachsenden restaurativen Tendenzen nicht mehr, eine Nationalrepräsentation umzusetzen.
Obwohl Stein von Hardenberg protegiert worden war, unterschieden sich nicht nur ihre politischen Auffassungen, sondern auch der persönliche Lebenswandel deutlich. Während Stein ein skandalloses privates Leben führte und kompromisslos seine Ziele verfolgte, war Hardenberg diplomatischen und außerehelichen Affären nicht abgeneigt. Beides bestimmte das Urteil von Stein über seinen Nachfolger. Er führte Hardenbergs angeblichen Mangel an Tatkraft auf dessen unglückliche Hand bei Ernennungen und seinen vertrauten Umgang mit nichtswürdigen Weibern zurück.[15]
Antifranzösische Resistenz und Exil in Österreich
Ein Gemälde von Joseph Anton Koch zum Thema des Tiroler Aufstandes (Tiroler Landsturm 1809)
Anfangs setzte Stein auf eine Erfüllungs- und Koexistenzpolitik gegenüber Napoleon. Insbesondere die Verhandlungen über die Höhe der Kriegskontributionen und die immer wieder von französischer Seite vorgebrachten neuen Forderungen ließen bei ihm im Laufe seiner Amtszeit den Gedanken an Widerstand wachsen. Dazu trug auch der beginnende Aufstand gegen Napoleon in Spanien bei. Stein setzte auf einen allgemeinen Volksaufstand im nördlichen Deutschland und ein Bündnis mit Österreich. Wie für August Neidhardt von Gneisenau und Gerhard von Scharnhorst war auch für ihn das Hauptziel der Politik Preußens, sich auf einen künftigen Krieg vorzubereiten. Die oppositionelle Haltung Steins gegenüber den Besatzern kam in einem abgefangenen Brief zum Ausdruck, der in der französischen Regierungszeitung Le Moniteur abgedruckt wurde. Napoleon nutzte den Brief dazu, Preußen unter Druck zu setzen und zur Annahme der Kriegskontributionen zu zwingen.[16] Von Spanien aus gab Napoleon selbst einen Heeresbefehl, in dem er Stein zu einem Feind Frankreichs erklärte. Napoleon befahl, die Besitzungen Steins zu beschlagnahmen und Stein erschießen zu lassen. Friedrich Wilhelm III., der keinen Bruch mit Frankreich riskieren wollte, entließ Stein am 24. November 1808 mit Dank für die geleisteten Dienste und der Fortzahlung seines Ministergehalts für ein Jahr. Noch am Tag der offiziellen Entlassung übersandte Stein den Mitgliedern des Königshauses sowie des Staatsrates eine im Wesentlichen durch von Schön verfasste Schrift, die später unter dem Namen „politisches Testament“ bekannt wurde. Sie zog einerseits ein Resümee der bisherigen Reformpolitik und sprach andererseits die nach Steins Meinung nötigen weiteren Veränderungen an. Zu letzteren gehörte etwa die Gemeinheitsteilung und die Aufhebung der Fronarbeit, die Einführung einer Staatsrepräsentation, aber auch die Erziehung der Jugend zu Religion und Vaterlandsliebe sowie eine Stärkung des Adels.[17]
Hinter der Entlassung stand trotz der Reformen aber auch das politische Scheitern Steins als leitender Minister. Dabei war die Zerstörung seiner Machtbasis vielfach auf ihn selbst zurückzuführen: So hatte er sich in vielen Bereichen gleichzeitig Gegner gemacht, deren Stärke er unterschätzte. Dazu gehörte insbesondere die Widerstandsfähigkeit von Adel und Krone. Beim König spielte auch der Unwillen über die Selbstherrlichkeit Steins eine Rolle. Nicht zuletzt die Schroffheit seines Wesens und die Eruptivität seines Temperaments verringerten zunehmend seinen Einfluss. Dies waren auch zentrale Gründe, weshalb er später keine wirkliche Führungsrolle mehr einnehmen konnte.[18]
Im Jahr 1811 mietete Stein das Schloss Troja bei Prag als Sommerresidenz an
Stein, der inzwischen vom Befehl Napoleons erfahren hatte, flüchtete nach Böhmen und hielt sich in Brünn, Troppau und Prag auf. In der österreichischen Monarchie lebte Stein mehr als drei Jahre. In dieser Zeit hoffte er vergeblich auf einen Aufstand vor allem in den napoleonischen Staaten Königreich Westphalen und Großherzogtum Berg. Mit großer Sympathie beobachtete er den Aufstand der Tiroler um Andreas Hofer. Von dem Maler Joseph Anton Koch ließ er später ein monumentales, heroisierendes Gemälde schaffen. Im Exil entwarf er verschiedene Verfassungskonzepte für eine deutsche Verfassung; dabei spielte auch die Wiederherstellung des alten Reiches eine Rolle. Scharfe Kritik übte er an der Willfährigkeit der Rheinbundfürsten gegenüber den Franzosen. Mehrfach versuchte Stein eine Begnadigung oder Milderung von Napoleon zu erreichen. Noch im Jahr 1811 sah dieser in Stein, teilweise zu Recht, den Kopf eines möglichen Widerstands in den deutschen Staaten, verzichtete aber darauf, Österreich auf eine Auslieferung zu drängen. Die Ächtung Steins entgegen allen zwischenstaatlichen Gepflogenheiten hatte ihr Ziel letztlich nicht erreicht, da dieser zu einem Symbol und einer führenden Persönlichkeit des antinapoleonischen Widerstandes geworden war.[19]
So hier unterbrechen wir,wer weiterlesen möchte,hier der Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Friedrich_Karl_vom_und_zum_Stein
Freiherr vom Stein (Gemälde von Johann Christoph Rincklake)
Gedenktafel an der Paulskirche in Frankfurt
Erste praktische Erfahrungen machte er im frühen Ruhrbergbau und in der Verwaltung der westlichen preußischen Provinzen. Anschließend war er Minister für Wirtschaft und Finanzen in Berlin. Er war zusammen mit Karl August von Hardenberg nach dem Frieden von Tilsit der Hauptbetreiber der Preußischen Reformen seit 1807. Wegen seiner antinapoleonischen Haltung musste er bereits 1808 ins Exil gehen; 1812 nahm ihn der russische Zar Alexander I. als Berater in seine Dienste.
Während der Befreiungskriege verwaltete Stein als Leiter der Zentralverwaltungsbehörde die von Napoleon zurückeroberten Gebiete in Deutschland und Frankreich. Seine Neuordnungsvorstellungen für die deutschen Staaten auf dem Wiener Kongress blieben jedoch weitestgehend wirkungslos. Eine bedeutende politische Rolle spielte er danach nicht mehr, blieb aber weiterhin aufmerksamer Beobachter des politischen Geschehens und versuchte Entscheidungen durch persönliche Kontakte und Denkschriften zu beeinflussen. Als wichtiger Mitbegründer der Monumenta Germaniae Historica spielte Stein eine nachhaltige Rolle für die Entwicklung der Mediävistik in Deutschland. In seinen letzten Jahren vertrat er nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als westfälischer Landtagsmarschall vor allem adelige Sonderinteressen.
Leben
Familie und Kindheit
Die Stadt Nassau mit dem Fürstenschloss und der Stammburg der Familie vom Stein (Merian 1655). Nach dem Verfall der Burg zog die Familie in einen mit der Zeit ausgebauten Zehnthof in den Ort Nassau.
Stein war der Sohn von Karl Philipp Reichsfreiherr vom und zum Stein und seiner Frau Henriette Karoline Langwerth von Simmern, verwitwete Löw von und zu Steinfurth. Stein war das zweitjüngste Kind von neun Geschwistern, von denen aber nur sechs das Erwachsenenalter erreichten. Der Bruder Johann Friedrich wurde preußischer Oberst, Friedrich Ludwig kaiserlicher Oberstleutnant. Eine Schwester, Marianne vom Stein, war Äbtissin im Stift Wallenstein in Homberg (Efze). Heinrich Friedrich Karl wuchs im Stein’schen Schloss in der Ortsmitte von Nassau auf.
Die Herrschaft Stein war seit dem 17. Jahrhundert reichsunmittelbar. Steins Familie besaß entlang des Rheins und der Lahn mehrere kleine Güter. Insgesamt machte der Besitz etwa 2400 nassauische Morgen aus. Als Reichsritter war sie durch Reichsgesetze geschützt und konnte sich bei Streitigkeiten direkt an Reichsgerichte wenden. Sie hatte die hohe Gerichtsbarkeit und eine herrschaftliche Stellung in einigen Dörfern wie Frücht oder Schweighausen inne. Das Einkommen aus diesen Besitzungen reichte jedoch nicht für ein standesgemäßes Leben aus. Daher traten auch die Oberhäupter des Hauses seit Jahrhunderten in die Dienste größerer Fürsten und Landesherren. Karl Philipp war trotz seiner evangelischen Konfession kurmainzischer Kammerherr und Geheimer Rat.
Durch die häufige dienstliche Abwesenheit des Vaters lag die frühe Erziehung Steins überwiegend in den Händen der Mutter. Diese war gebildet und stand im Kontakt mit dem Gelehrten Johann Caspar Lavater. Im Zentrum stand für sie die sittlich-religiöse Erziehung. Karl vom Stein war der Lieblingssohn der Mutter. Um den Familienbesitz zusammenzuhalten, hatte Karl Philipp einen Fideikommiss gegründet. Einige Zeit später wurde gegen den Protest der älteren Brüder Karl vom Stein der alleinige Erbe.[1] Seit dem Tod der Mutter 1783 war er für die Verwaltung der Reichsritterschaft verantwortlich, da sich der Vater aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls zurückgezogen hatte. Wegen seiner preußischen Beamtenlaufbahn übertrug Stein die tatsächliche Leitung der Güterverwaltung seiner Schwester, der unverheirateten Stiftsdame Marianne.
Nach der französischen Eroberung verkaufte Stein seine linksrheinischen Güter und erwarb dafür 1802 die Herrschaft Birnbaum in der späteren preußischen Provinz Posen.[2]
Ausbildung und erste berufliche Tätigkeiten
Minister Friedrich Anton von Heynitz war Förderer Steins zu Beginn von dessen beruflicher Tätigkeit im preußischen Staatsdienst
Im Alter von 16 Jahren nahm Stein 1773 ein Studium der Jura, Geschichte und Kameralwissenschaften (Vorläufer der Wirtschaftswissenschaft) an der Universität Göttingen auf. Erheblichen geistigen Einfluss auf ihn übte August Ludwig Schlözer aus, der versuchte, zwischen modernem Verfassungsdenken und konservativen Vorstellungen von altdeutscher Libertät zu vermitteln. Daneben studierte Stein auch bei Johann Stephan Pütter, einem der besten Kenner der Verfassung und Struktur des Heiligen Römischen Reiches. Wie damals für Studenten adeligen Standes üblich, verließ er die Universität 1777 ohne Abschluss.
Da sein Studium vor allem auf den Reichsdienst ausgerichtet war, absolvierte Stein anschließend für einige Monate ein Praktikum beim Reichskammergericht in Wetzlar. Dort trat er auch der Freimaurerloge Joseph zum Reichsadler bei. Auf verschiedenen Kavaliersreisen 1778/80 lernte er Regensburg als Sitz des Reichstages, die Höfe und Regierungen verschiedener Territorien des Reiches wie Mainz, Mannheim, Darmstadt, München sowie in Wien die Residenz des Kaisers kennen. Außerdem reiste Stein in die Steiermark und nach Ungarn. Dabei interessierte er sich auch für das Bergwerkswesen.
Auf Bemühen seiner Mutter trat Stein 1780 in den preußischen Staatsdienst ein. Er selbst begründete diesen Schritt mit seiner Bewunderung für Friedrich II. und der Liberalität des preußischen Staates, der keine Vorbehalte gegen Außenseiter kannte und ihnen gute Aufstiegsmöglichkeiten bot.[3] Als Referendar wurde er in Berlin beim Bergwerks- und Hüttendepartment des Generaldirektoriums angestellt, wo ihn Minister Friedrich Anton von Heynitz förderte. Stein absolvierte eine entsprechende Fachausbildung, teilweise an der sächsischen Bergakademie in Freiberg. Ausgedehnte Dienstreisen mit dem Minister vervollständigten seine Kenntnisse.
Eine eigenverantwortliche Stellung nahm er 1784 im Bereich des Bergbaus des westfälischen Teils der preußischen Staaten ein. Als Direktor der Bergämter Wetter an der Ruhr und Ibbenbüren war Stein für den Wegebau, den Ruhrkanal und die Organisation des unter staatlicher Aufsicht betriebenen Bergbaus zuständig. Dabei intensivierte er die staatliche Aufsicht über die Gruben. Er verbesserte dabei auch die Verbindung der Steinkohlegruben im späteren Ruhrgebiet mit den Gewerberegionen im Sauerland, Siegerland und Bergischen Land.[4]
Verschiedene Male wurden ihm diplomatische Posten angeboten, die er bis auf eine Gesandtschaftsreise 1785 nach Mainz, mit dem Ziel, den Kurfürsten zum Anschluss an den Fürstenbund zu bewegen, ausschlug.
Im Jahr 1786 machte er eine Reise nach England, um den dortigen Bergbau, Kanalbau und insgesamt die Anfänge der industriellen Revolution zu studieren. Die so gewonnenen Erkenntnisse konnte er nach seiner Rückkehr teilweise im Ruhrbergbau umsetzen. Auch gelang es ihm, einen Liefervertrag für eine Dampfmaschine von Boulton & Watt abzuschließen.
Verwaltung der westlichen Provinzen
Grundriss des Schlosses von Kleve (1785)
Im Jahr 1787 wurde Stein Leiter der märkischen Kriegs- und Domänenkammern in Hamm. In dieser Zeit war er für die Schiffbarmachung der Ruhr verantwortlich, ließ als einer der ersten in Deutschland einige Meilen befestigter Chausseen[5] anlegen und verzichtete dabei auf die sonst übliche Fronarbeit. Außerdem sorgte er für eine Beschränkung der Steuern und eine Liberalisierung der Verkehrs- und Gewerbebestimmungen. Im Jahr 1792 wurde Stein Landtagskommissar, damit ist ein staatlicher Aufsichtsbeamter für die Landstände der Grafschaft Mark gemeint.
Seit 1793 war er zusätzlich Präsident der Kammer des Herzogtums Kleve mit Sitz in Kleve. Seinen Wohnsitz nahm er im Klever Herzogsschloss.
Im selben Jahr heiratete er die vierzehn Jahre jüngere Gräfin Wilhelmine von Wallmoden. Sie war Tochter Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborns, eines hannoverschen Generals, der einer Liebesaffäre des englischen Königs Georg II. entstammte. Mit ihr hatte Stein drei Töchter, von denen Henriette (* 1796) und Therese (* 1803) das Kindesalter überlebten.
Als leitender Beamter war Stein in seinen Provinzen in der Grafschaft Mark für eine umfassende Steuerreform zuständig, die für die Einwohner einer Verringerung der Abgaben bedeutete. Den durch die kriegsbedingte Teuerung hervorgerufenen Unruhen in der Grafschaft Mark begegnete Stein, indem er gegen den Widerstand des Militärs Getreide aus den Speichern der Armee zu günstigen Preisen an die Bevölkerung abgeben ließ.[6] Gegen die Versuche der preußischen Zentralverwaltung schützte Stein die Reste der Ständeverfassung und der kommunalen Selbstverwaltung.
Während des ersten Koalitionskrieges war Stein im Hauptquartier des Königs für die Verpflegung der Armee zuständig. Unter anderem war er Zeuge der Belagerung und des Falls von Mainz, der Hauptstadt der Mainzer Republik. Dabei war er auch an der Festnahme und körperlichen Misshandlung des Revolutionärs Friedrich Georg Pape beteiligt.
Im Jahr 1796 wurde Stein zum Oberkammerpräsidenten aller westlichen preußischen Territorien mit Amtssitz in Minden ernannt. Im Auftrag Berlins sorgte er für eine Förderung der Wirtschaft durch Abbau von Vorschriften, Zöllen und ähnlichen ökonomischen Hemmnissen. Zwischen Bielefeld und Osnabrück ließ er eine befestigte Straße erbauen und sorgte für die Verbesserung des Schiffsverkehrs auf der Weser. Außerdem leitete er für Minden und Ravensberg Agrarreformen ein. Dazu gehörte die Verringerung der Hand- und Spanndienste. Hinzu kamen Reformen der Verwaltung in seinem Amtsbereich.
Politisch war Stein in dieser Zeit ein Anhänger des englischen Verfassungssystems. Allerdings stand er anfangs auch der französischen Revolution nicht ohne Sympathie gegenüber. Beide Einflüsse führten dazu, dass er dem preußischen, auf die Bürokratie gestützten Absolutismus zunehmend kritisch gegenüberstand. Allerdings wandelte sich Steins Bild von der französischen Revolution rasch. Dazu trug nicht zuletzt der Kontakt zu hochrangigen französischen Emigranten bei, die in Hamm Zuflucht gefunden hatten. Zu diesen gehörten der nach der Hinrichtung Ludwig XVI. selbsternannte Regent Frankreichs, der Graf de Provence, der spätere Ludwig XVIII., sowie Karl von Anjou, der nachmalige Karl X. Nachhaltig beeindruckt hat Stein in dieser Zeit Edmund Burkes Schrift „Reflection on the Revolution in France.“[7]
Die Schriften von Edmund Burke übten zeitweise erheblichen Einfluss auf Stein aus
Obwohl Stein Reichspatriot und nicht nur preußischer Beamter war, billigte er die von Napoleon diktierten territorialen Veränderungen im Westen des Reiches und insbesondere die Säkularisation der geistlichen Territorien. Von der preußischen Zentralregierung beauftragt, trieb er diese Entwicklung in Westfalen noch vor dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 voran. Zwischen 1802 und 1804 leitete er von Münster aus die Eingliederung der geistlichen Herrschaften in den preußischen Staat. An Preußen fiel der östliche Teil des Hochstifts Münster als Erbfürstentum Münster, das Hochstift Paderborn als Erbfürstentum Paderborn sowie die Abteien Essen, Werden und das Stift Herford. Insbesondere in Münster stieß dies auf Kritik. Diese Erwerbungen gingen zwar nach dem Frieden von Tilsit wieder für einige Jahre verloren, wurden aber nach 1815 endgültig Bestandteil des preußischen Staats.
Im Jahr 1804 war Stein persönlich von den Veränderungen im Reich unmittelbar betroffen, als der nassauische Staatsminister Ernst Franz Ludwig Marschall von Bieberstein die Besitzungen der Familie vom Stein besetzen ließ und damit im Kleinen nichts anderes tat als Stein mit den westfälischen Bistümern im Großen. Dennoch protestierte Stein nachdrücklich und (auch auf Druck von Kaiser Franz II.) musste die Besetzung zunächst aufgehoben werden. Diese Episode führte zu einer lang anhaltenden Gegnerschaft Steins gegenüber Nassau und Marschall von Bieberstein. Letztlich wurden auch die Besitzungen derer Stein mediatisiert. Stein verlor zwar seine Herrschaftsrechte, nicht aber den Besitz seiner Güter und Ländereien.
In seiner westfälischen Zeit präsentierte sich Stein als überdurchschnittlich tüchtiger Verwaltungsbeamter insbesondere in Wirtschaftsfragen.[8] Dadurch empfahl er sich für Aufgaben in der Berliner Zentrale.
Minister in Berlin und Sturz
Im Donnerschen Palais (heute Palais am Festungsgraben) hatte Stein in seiner Zeit als Finanzminister seine Dienstwohnung, nach 1808 wurde das Gebäude Sitz des Finanzministeriums
1804 wurde Stein als königlicher Finanz- und Wirtschaftsminister ins Generaldirektorium nach Berlin berufen, wo er für das Akzise-, Zoll-, Fabrik- und Kommerzialwesen zuständig war. Hinter der Ernennung steckte vor allem der Kabinettsrat Carl Friedrich von Beyme, der in dem neuen Minister einen Anhänger einer umfassenden Reformpolitik sah. Bereits bei der Übernahme dieser Aufgabe machte Freiherr vom und zum Stein deutlich, dass er über Preußen hinaus das gesamte Deutschland im Blick hatte. „Wenn man überzeugt ist, dass Deutschlands Veredelung und Kultur fest und unzertrennlich an das Glück der preußischen Monarchie gekettet ist, so kann man gewiss nicht einen Augenblick zwischen Pflicht und Persönlichkeit schwanken, sondern man ist zu jeder Aufopferung der letzteren bereit.“[9]
Stein, verantwortlich für den Staatshaushalt, versuchte angesichts des drohenden Krieges die Staatseinnahmen zu erhöhen, bemühte sich aber auch um die Angleichung der regional sehr unterschiedlichen Steuern und Abgaben. So wurden im Bereich des staatlichen Salzmonopols einheitliche Preise eingeführt, diese aber insgesamt erhöht, so dass sich daraus erhebliche Mehreinnahmen ergaben. In begrenztem Umfang wurden Binnenzölle zwischen einigen Teilgebieten der Monarchie abgeschafft.[10] Außerdem gründete er das Preußische Statistische Bureau. Später gehörten zudem die Königliche Hauptbank sowie die Seehandlung zu seinem Zuständigkeitsbereich.
Stein gehörte 1805 zur Kriegspartei um Königin Luise, die dafür stand, Napoleon entgegenzutreten. Gemeinsam mit Louis Ferdinand Prinz von Preußen und General Ernst von Rüchel versuchten sie, König Friedrich Wilhelm III. davon zu überzeugen. Am 10. Mai 1805 übergab Stein eine entsprechende Denkschrift. Durch seine extrem schroffe Art in der Schrift – den Außenminister Haugwitz nannte er beispielsweise einen „Mann ohne Wahrhaftigkeit, einen abgestumpften Wollüstling, schwelgend in Genüssen aller Art“ – trug er dazu bei, die Ablehnung gegen seine Vorstellungen noch zu verstärken.[11] Der König lehnte vorerst ab und sah in der Gruppe um Louis Ferdinand und Stein nicht zu Unrecht eine gegen seine Politik gerichtete Fronde. Schließlich gab er jedoch nach und befahl die Mobilmachung. Dies führte zum Krieg von 1806.
Der für Preußen katastrophal verlaufende Feldzug führte zur Flucht des Hofes und der maßgeblichen Politiker nach Königsberg. Dabei sorgte Stein für die Rettung der Staatskassen. Infolge der verlorenen Schlacht bei Jena und Auerstedt und der durch sie offenkundig gewordenen Verkrustungen in Verwaltung und Militär war der preußische Staat zu Veränderungen gezwungen. Stein empfahl in Königsberg, den Krieg gegen Napoleon mit allen Kräften fortzusetzen. Außerdem kritisierte er scharf die während des Krieges deutlich gewordenen Schwächen der zivilen und militärischen Führung und machte auch vor dem monarchischen Regierungsstil nicht halt. Stattdessen forderte er grundlegende Reformen in der Struktur des Staates, um einen stabilen Unterbau für die Kriegsanstrengungen zu gewinnen. Dazu zählte insbesondere seine bereits vor Kriegsausbruch einsetzende Kritik am bisherigen absolutistischen Kabinettsystem; stattdessen plädierte er für ein Staatsministerium aus verantwortlichen Ministern, die mit dem Monarchen zusammenarbeiten.
Der Einzug Napoleons am 27. Oktober 1806 in Berlin war Sinnbild für die Niederlage Preußens
Die Aufforderung, das Außenministerium anzunehmen, um den Frieden zu erreichen, lehnte Stein schroff ab. Dies und seine scharfe Kritik an der bisherigen Politik führten zu seiner Entlassung am 3. Januar 1807 durch Friedrich Wilhelm III. mit der Kommentierung „daß ich mich leider nicht anfänglich in Ihnen geirrt habe, sondern daß Sie vielmehr als ein widerspenstiger, trotziger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener anzusehen sind, der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt, das Beste des Staats vor Augen zu haben, nur durch Kapricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und Erbitterung handelt … . Da Sie indessen vorgeben, ein wahrheitsliebender Mann zu sein, habe ich Ihnen auf gut deutsch meine Meinung gesagt, indem ich noch hinzufügen muß, daß, wenn Sie nicht Ihr respektwidriges und unanständiges Benehmen zu ändern willens sind, der Staat keine große Rechnung auf Ihre ferneren Dienste machen kann.“[12]
Die Niederlage von 1806 stürzte den preußischen Staat in eine der schwersten Krisen seiner Geschichte. Im Frieden von Tilsit vom 7. Juli 1807 verlor Preußen alle Territorien westlich der Elbe sowie einen Großteil der in den polnischen Teilungen gewonnenen Gebiete. Damit büßte der Staat etwa die Hälfte seiner Einwohner ein. Dem Königreich wurden hohe Kontributionen auferlegt. Außerdem durfte Preußen nur noch eine Armee von 40 000 Mann unterhalten und musste die französische Besatzung in wichtigen Festungen dulden. Insgesamt 150 000 Mann standen im Land und mussten von Preußen unterhalten werden.
Staatsminister und preußische Reformen
Stein im Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. auf dem Kölner Heumarkt
Stein zog sich nach der Entlassung auf seine Besitzungen in Nassau zurück. Noch im Jahr 1807 verfasste er die Nassauer Denkschrift als Reformprogramm für den preußischen Staat, wobei dessen Verwaltung im Zentrum stand. Dazu gehörte die Forderung nach Selbstverwaltung für Provinzen, Kreise und Gemeinden. Dabei griff Stein weniger auf die damals moderne Staats- und Verfassungstheorie, sondern auf das Vorbild der älteren ständischen Verfassung zurück, wie er sie in Westfalen kennengelernt hatte. Für Stein spielten in dieser Frage nicht nur funktionelle Erwägungen, sondern in erster Linie politisch-pädagogische Ziele eine Rolle. In der Denkschrift formulierte er als Reformziel: „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns, die Benutzung der schlafenden und falsch geleiteten Kräfte und zerstreut liegenden Kenntnisse, der Einklang zwischen dem Geist der Nation, ihren Ansichten und Bedürfnissen und denen der Staatsbehörden, die Wiederbelebung der Gefühle für Vaterland, Selbständigkeit und Nationalehre.“[13] Diese Schrift war, ebenso wie die von einem Kreis um Karl August von Hardenberg erarbeitete Rigaer Denkschrift aus demselben Jahr, eine Basis für die Preußischen Reformen.
Bei dem Reichsfreiherrn Stein spielten in der Denkschrift und danach in der von ihm vertretenen Politik der Rückbezug auf die altständischen Zustände und ganz allgemein der Rückgriff auf die Einrichtungen des alten Reiches eine Rolle. Stein war Antiabsolutist und Antietatist. Zentralen Behörden und der Bürokratie insgesamt stand er skeptisch gegenüber. Stattdessen setzte er auf Dezentralisation und kollegiale Führung.[14]
Gottesdienst für die ersten preußischen Stadtverordneten im Jahr 1808 in der Nicolaikirche in Berlin
Nicht zuletzt auf Drängen Napoleons, der in Stein fälschlich einen Unterstützer Frankreichs sah, und der Reformpartei um Hardenberg wurde Stein am 10. Juli 1807 zum Staatsminister berufen. Die Annahme machte Stein von einigen Vorbedingungen abhängig. Dazu gehörte das Ende des Kabinettssystems. Stattdessen sollten die Minister unmittelbares Vortragsrecht beim König erhalten. Nachdem die Erfüllung dieser zentralen Forderung zugesagt worden war, trat Stein das Amt an. Direkt zuständig war er für die Zivilverwaltung, über die anderen Ressorts übte er Kontrollfunktionen aus. In den nächsten vierzehn Monaten wurden die wichtigsten Reformgesetze erlassen oder vorbereitet. Steins persönlicher Anteil an den einzelnen Reformen war dabei unterschiedlich. Mit Detailfragen hat er sich kaum beschäftigt. Viele Gesetze wurden im Kern von Mitarbeitern wie Theodor von Schön entworfen. Aber Stein war verantwortlich für ihre Durchsetzung gegenüber dem König und verschiedenen widerstrebenden gesellschaftlichen Kräften.
Diese Politik wurde vollzogen vor dem Hintergrund einer schwerwiegenden Finanzkrise, hervorgerufen von den Forderungen Napoleons. Dies zwang Stein zu einer radikalen Sparpolitik. Außerdem wurde staatlicher Besitz verpfändet. Hinzu kamen Bürgschaften.
Der Erfolg der von Stein initiierten Reformen hatte einen Hintergrund in einer bereits länger andauernden Reformdiskussion in der hohen Bürokratie. Einige Aspekte waren keine Ideen Steins, sondern kamen von Mitarbeitern. Das Oktoberedikt zur Bauernbefreiung, das eines der zentralen Reformgesetze war, wurde etwa nur fünf Tage nach der Ernennung Steins unterzeichnet und beruhte auf einem Entwurf von Theodor von Schön. Mit ihm wurden die Leibeigenschaft und Erbuntertänigkeit aufgehoben sowie die Freiheit der Berufswahl eingeführt. Besonders deutlich war Steins Handschrift hingegen in der neuen Städteordnung vom 19. November 1808. Deren Grundkonzeption stammte von seinem Mitarbeiter Johann Gottfried Frey. Die dort stark ausgeprägte Selbstverwaltungsidee nach dem Subsidiaritätsprinzip spiegelte Steins aus altständischen Wurzeln stammende Ablehnung des zentralisierten und bürokratischen Staates wider. Gescheitert war er mit dem Versuch, die Selbstverwaltung auch auf das platte Land auszudehnen.
Im Bereich der staatlichen Verwaltung ließ Stein das bisherige Generaldirektorium auflösen. Am 24. November 1808 trat an dessen Stelle ein Staatsministerium mit fünf Fachministern für Inneres, Finanzen, Auswärtiges, Krieg und Justiz. Außerdem wurden zahlreiche, oft auch gegeneinander arbeitende Sonder- und Nebenbehörden aufgelöst. Im Bereich der Zentralverwaltung orientierte sich Stein an der französischen Verfassung von 1791. Als beratendes Gremium war zusätzlich ein Staatsrat vorgesehen. Für die Ebene unterhalb der Berliner Zentrale konzipierte Stein die Oberpräsidenten und die Regierungspräsidien, welche die Kriegs- und Domänenkammern ersetzten.
Nach dem erzwungenen Ausscheiden Steins konnte Hardenberg, nach einer kurzen Zwischenphase unter Karl vom Stein zum Altenstein, einen laufenden Reformprozess übernehmen. Hardenberg war stärker als der ständisch denkende Stein etatistisch ausgerichtet und orientierte sich an modernen Vorbildern. Allerdings gelang es ihm wegen der wachsenden restaurativen Tendenzen nicht mehr, eine Nationalrepräsentation umzusetzen.
Obwohl Stein von Hardenberg protegiert worden war, unterschieden sich nicht nur ihre politischen Auffassungen, sondern auch der persönliche Lebenswandel deutlich. Während Stein ein skandalloses privates Leben führte und kompromisslos seine Ziele verfolgte, war Hardenberg diplomatischen und außerehelichen Affären nicht abgeneigt. Beides bestimmte das Urteil von Stein über seinen Nachfolger. Er führte Hardenbergs angeblichen Mangel an Tatkraft auf dessen unglückliche Hand bei Ernennungen und seinen vertrauten Umgang mit nichtswürdigen Weibern zurück.[15]
Antifranzösische Resistenz und Exil in Österreich
Ein Gemälde von Joseph Anton Koch zum Thema des Tiroler Aufstandes (Tiroler Landsturm 1809)
Anfangs setzte Stein auf eine Erfüllungs- und Koexistenzpolitik gegenüber Napoleon. Insbesondere die Verhandlungen über die Höhe der Kriegskontributionen und die immer wieder von französischer Seite vorgebrachten neuen Forderungen ließen bei ihm im Laufe seiner Amtszeit den Gedanken an Widerstand wachsen. Dazu trug auch der beginnende Aufstand gegen Napoleon in Spanien bei. Stein setzte auf einen allgemeinen Volksaufstand im nördlichen Deutschland und ein Bündnis mit Österreich. Wie für August Neidhardt von Gneisenau und Gerhard von Scharnhorst war auch für ihn das Hauptziel der Politik Preußens, sich auf einen künftigen Krieg vorzubereiten. Die oppositionelle Haltung Steins gegenüber den Besatzern kam in einem abgefangenen Brief zum Ausdruck, der in der französischen Regierungszeitung Le Moniteur abgedruckt wurde. Napoleon nutzte den Brief dazu, Preußen unter Druck zu setzen und zur Annahme der Kriegskontributionen zu zwingen.[16] Von Spanien aus gab Napoleon selbst einen Heeresbefehl, in dem er Stein zu einem Feind Frankreichs erklärte. Napoleon befahl, die Besitzungen Steins zu beschlagnahmen und Stein erschießen zu lassen. Friedrich Wilhelm III., der keinen Bruch mit Frankreich riskieren wollte, entließ Stein am 24. November 1808 mit Dank für die geleisteten Dienste und der Fortzahlung seines Ministergehalts für ein Jahr. Noch am Tag der offiziellen Entlassung übersandte Stein den Mitgliedern des Königshauses sowie des Staatsrates eine im Wesentlichen durch von Schön verfasste Schrift, die später unter dem Namen „politisches Testament“ bekannt wurde. Sie zog einerseits ein Resümee der bisherigen Reformpolitik und sprach andererseits die nach Steins Meinung nötigen weiteren Veränderungen an. Zu letzteren gehörte etwa die Gemeinheitsteilung und die Aufhebung der Fronarbeit, die Einführung einer Staatsrepräsentation, aber auch die Erziehung der Jugend zu Religion und Vaterlandsliebe sowie eine Stärkung des Adels.[17]
Hinter der Entlassung stand trotz der Reformen aber auch das politische Scheitern Steins als leitender Minister. Dabei war die Zerstörung seiner Machtbasis vielfach auf ihn selbst zurückzuführen: So hatte er sich in vielen Bereichen gleichzeitig Gegner gemacht, deren Stärke er unterschätzte. Dazu gehörte insbesondere die Widerstandsfähigkeit von Adel und Krone. Beim König spielte auch der Unwillen über die Selbstherrlichkeit Steins eine Rolle. Nicht zuletzt die Schroffheit seines Wesens und die Eruptivität seines Temperaments verringerten zunehmend seinen Einfluss. Dies waren auch zentrale Gründe, weshalb er später keine wirkliche Führungsrolle mehr einnehmen konnte.[18]
Im Jahr 1811 mietete Stein das Schloss Troja bei Prag als Sommerresidenz an
Stein, der inzwischen vom Befehl Napoleons erfahren hatte, flüchtete nach Böhmen und hielt sich in Brünn, Troppau und Prag auf. In der österreichischen Monarchie lebte Stein mehr als drei Jahre. In dieser Zeit hoffte er vergeblich auf einen Aufstand vor allem in den napoleonischen Staaten Königreich Westphalen und Großherzogtum Berg. Mit großer Sympathie beobachtete er den Aufstand der Tiroler um Andreas Hofer. Von dem Maler Joseph Anton Koch ließ er später ein monumentales, heroisierendes Gemälde schaffen. Im Exil entwarf er verschiedene Verfassungskonzepte für eine deutsche Verfassung; dabei spielte auch die Wiederherstellung des alten Reiches eine Rolle. Scharfe Kritik übte er an der Willfährigkeit der Rheinbundfürsten gegenüber den Franzosen. Mehrfach versuchte Stein eine Begnadigung oder Milderung von Napoleon zu erreichen. Noch im Jahr 1811 sah dieser in Stein, teilweise zu Recht, den Kopf eines möglichen Widerstands in den deutschen Staaten, verzichtete aber darauf, Österreich auf eine Auslieferung zu drängen. Die Ächtung Steins entgegen allen zwischenstaatlichen Gepflogenheiten hatte ihr Ziel letztlich nicht erreicht, da dieser zu einem Symbol und einer führenden Persönlichkeit des antinapoleonischen Widerstandes geworden war.[19]
So hier unterbrechen wir,wer weiterlesen möchte,hier der Link:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Friedrich_Karl_vom_und_zum_Stein
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