Kultur und Zivilisation
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Kultur und Zivilisation
Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich im allgemeinen Begriffsverständnis der Gegensatz Kultur und Zivilisation entwickelt, während beispielsweise im englischen Sprachraum lange Zeit nur ein Wort für „Kultur“ (civilization) genutzt wurde (vergleiche den Buchtitel von Samuel P. Huntington Clash of Civilisations, deutsch Kampf der Kulturen). Erst seit einigen Jahrzehnten findet sich auch culture häufiger, ohne dass hiermit jedoch auf einen Gegensatz zu civilization Bezug genommen wurde.
Die früheste Formulierung dieses Gegensatzes in der deutschen Sprache stammt von Immanuel Kant:[12]
„Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“
„Zivilisation“ bedeutet also für Kant, dass sich die Menschen zwar zu einem artigen Miteinander erziehen, Manieren zulegen und ihren Alltag bequem und praktisch einzurichten wissen und dass sie vielleicht durch Wissenschaft und Technik Fahrzeuge, Krankenhäuser und Kühlschränke hervorbringen. All dies reicht jedoch noch nicht dafür, dass sie „Kultur haben“, wenngleich es der Kultur dienen könnte. Denn als Bedingung für Kultur gilt für Kant die „Idee der Moralität“ (der kategorische Imperativ), d. h., dass die Menschen ihre Handlungen bewusst auf an sich gute Zwecke einrichten.
Wilhelm von Humboldt schließt hieran an, indem er den Gegensatz auf Äußeres und Inneres des Menschen bezieht: Bildung und Entwicklung der Persönlichkeit sind Momente der Kultur, während rein praktische und technische Dinge dem Bereich der Zivilisation zugehören.[13]
Für Oswald Spengler ist Zivilisation negativ belegt, wenn sie nämlich das unausweichliche Auflösungsstadium von Kultur bezeichnet. Spengler sah Kulturen als lebendige Organismen an, die in Analogie zur Entwicklung des menschlichen Individuums eine Jugend, eine Manneszeit und ein Alter durchlaufen und alsdann verenden. Die Zivilisation entspricht dem letzten dieser Stadien, daher hat der zivilisierte Mensch keine künftige Kultur mehr. Zivilisationen „sind ein Abschluß; sie folgen dem Werden als das Gewordene, dem Leben als der Tod, der Entwicklung als die Starrheit […] Sie sind ein Ende [sc. der Kultur], unwiderruflich, aber sie sind mit innerster Notwendigkeit immer wieder erreicht worden.“[14]
Helmuth Plessner hält gar das deutsche Wort „Kultur“ für fast nicht übersetzbar. In seiner „empathischen“ Bedeutung sieht er eine religiöse Funktion:[15]
„Kultur, der deutsche Inbegriff für geistige Tätigkeit und ihren Ertrag im weltlichen Felde, ist ein schwer zu übersetzendes Wort. Es deckt sich nicht mit Zivilisation, mit Kultiviertheit und Bildung oder gar Arbeit. Alle diese Begriffe sind zu nüchtern oder zu flach, zu formal, bzw. ›westlich‹ oder an eine andere Sphäre gebunden. Ihnen fehlt das Schwere, die trächtige Fülle, das seelenhafte Pathos, das sich im deutschen Bewußtsein des 19. und 20. Jahrhunderts mit diesem Wort verbindet und seine oft empathische Verwendung verständlich macht.“
Quelle
Die früheste Formulierung dieses Gegensatzes in der deutschen Sprache stammt von Immanuel Kant:[12]
„Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft cultivirt. Wir sind civilisirt bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns für schon moralisirt zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität gehört noch zur Cultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht blos die Civilisirung aus.“
„Zivilisation“ bedeutet also für Kant, dass sich die Menschen zwar zu einem artigen Miteinander erziehen, Manieren zulegen und ihren Alltag bequem und praktisch einzurichten wissen und dass sie vielleicht durch Wissenschaft und Technik Fahrzeuge, Krankenhäuser und Kühlschränke hervorbringen. All dies reicht jedoch noch nicht dafür, dass sie „Kultur haben“, wenngleich es der Kultur dienen könnte. Denn als Bedingung für Kultur gilt für Kant die „Idee der Moralität“ (der kategorische Imperativ), d. h., dass die Menschen ihre Handlungen bewusst auf an sich gute Zwecke einrichten.
Wilhelm von Humboldt schließt hieran an, indem er den Gegensatz auf Äußeres und Inneres des Menschen bezieht: Bildung und Entwicklung der Persönlichkeit sind Momente der Kultur, während rein praktische und technische Dinge dem Bereich der Zivilisation zugehören.[13]
Für Oswald Spengler ist Zivilisation negativ belegt, wenn sie nämlich das unausweichliche Auflösungsstadium von Kultur bezeichnet. Spengler sah Kulturen als lebendige Organismen an, die in Analogie zur Entwicklung des menschlichen Individuums eine Jugend, eine Manneszeit und ein Alter durchlaufen und alsdann verenden. Die Zivilisation entspricht dem letzten dieser Stadien, daher hat der zivilisierte Mensch keine künftige Kultur mehr. Zivilisationen „sind ein Abschluß; sie folgen dem Werden als das Gewordene, dem Leben als der Tod, der Entwicklung als die Starrheit […] Sie sind ein Ende [sc. der Kultur], unwiderruflich, aber sie sind mit innerster Notwendigkeit immer wieder erreicht worden.“[14]
Helmuth Plessner hält gar das deutsche Wort „Kultur“ für fast nicht übersetzbar. In seiner „empathischen“ Bedeutung sieht er eine religiöse Funktion:[15]
„Kultur, der deutsche Inbegriff für geistige Tätigkeit und ihren Ertrag im weltlichen Felde, ist ein schwer zu übersetzendes Wort. Es deckt sich nicht mit Zivilisation, mit Kultiviertheit und Bildung oder gar Arbeit. Alle diese Begriffe sind zu nüchtern oder zu flach, zu formal, bzw. ›westlich‹ oder an eine andere Sphäre gebunden. Ihnen fehlt das Schwere, die trächtige Fülle, das seelenhafte Pathos, das sich im deutschen Bewußtsein des 19. und 20. Jahrhunderts mit diesem Wort verbindet und seine oft empathische Verwendung verständlich macht.“
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